Protocol of the Session on May 12, 2004

Wir wollen den Grundsatz der Aufgabenübertragung nach unten konsequent verfolgen.

Wir brauchen last, not least demokratische Legitimation und wir brauchen sie möglichst direkt durch unmittelbare Wahl durch das Volk.

Wenn wir all dies verwirklichen, meine Damen und Herren, dann werden wir im großen Stil Aufgaben verlagern, wir werden damit natürlich auch in großem Stil Kosten verlagern und wir werden Personal an einer anderen Stelle einsetzen. Wir wollen – und ich sage, wenn wir Erfolg haben wollen, dann müssen wir diese Aspekte immer zusammen sehen – Aufgabenverlagerung zusammen mit den entsprechenden finanziellen Folgen einer solchen Aufgabenverlagerung mit den kommunalen Verbänden diskutieren und die entsprechenden Festlegungen treffen und wir wollen immer auch die Interessen der Beschäftigten hier mit sehen und mit einbinden, denn ein solcher Reformprozess ist dann am besten, wenn er sozialverträglich gestaltet wird, und auch dieses ist unser Ziel.

Am Ende, meine Damen und Herren, wird, davon sind wir überzeugt, eine Verwaltung stehen, die den Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte gewachsen ist, eine Verwaltung, die bürgernah ist, eine Verwaltung, die leistungsstark ist, aber auch eine Verwaltung – ich sage das in aller Klarheit –, die kostengünstiger und mit weniger

Personal die Aufgaben erfüllt, die erfüllt werden müssen. Gerade bei dieser Frage der Personalreduzierung fällt mir immer ein Vergleich ein. Es ist schon viele Jahre her, einige Jahrzehnte her, da galt Großbritannien über einen bestimmten Zeitraum zu Recht als ein relativ rückständiges und relativ problematisches Land, weil Großbritannien den Anschluss an die Entwicklungen der Zeit versäumt hatte. Man hatte es nicht geschafft, sich rechtzeitig auf neue Gegebenheiten einzustellen, und eine sehr starke Gewerkschaftsbewegung, was mir ansonsten ja sehr sympathisch ist,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das glaube ich.)

hatte gerade diese Anpassung an neue Strukturen teilweise verhindert. Das Ganze wurde sprichwörtlich mit dem Heizer auf der E-Lok. Technische Entwicklungen, die zunächst bei einigen zu Arbeitsplatzverlusten, bei den Heizern nämlich, führten, wurden genommen und man verhinderte diesen Arbeitsplatzverlust. Man machte aber damit ein Wirtschaftssystem – und der Heizer auf der E-Lok ist da nur symbolhaft – unbeweglich, schwerfällig und passte sich nicht an neue Zeiten an.

Ich möchte, meine Damen und Herren, dass wir die neuen Zeiten nicht verschlafen. Wir alle wissen, auch andere Bundesländer sind dabei, ihre Verwaltungen zu modernisieren.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Ohne den Kanzler.)

Auch andere Bundesländer wissen, dass gute, schnelle und schlagkräftige Verwaltungen eine wichtige Grundlage für eine vernünftige Landesentwicklung sind. Natürlich habe ich Verständnis für die Heizer und natürlich habe ich Verständnis dafür, dass man einen solchen Prozess sozialverträglich gestalten muss. Und hier in Deutschland sind es bestimmt nicht die Gewerkschaften, die dafür sorgen, dass wir den Anschluss verpassen könnten. Ich will in meiner Einbringungsrede hier gar nicht darauf eingehen, wer denn hier möglicherweise mit Kirchturmpolitik dafür sorgt, dass wir einen Anschluss verpassen könnten. Ich meine, wir dürfen ihn nicht verpassen, ich meine, wir brauchen eine tief greifende Reform unserer Verwaltungen, und bitte deshalb um Zustimmung zu unseren Antrag.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Müller.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 150 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Als Erster hat das Wort der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Dr. Ringstorff. Bitte schön, Herr Ministerpräsident.

(Zurufe von der CDU: Ah!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Thema Verwaltungsmodernisierung hat sich der Landtag heute ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt, mit dem zurzeit kräftig Ängste geschürt werden. Da ist von purem Zentralismus die Rede, der wieder eingeführt werden soll,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Stimmt doch!)

man warnt vor der alten DDR, vor überlangen Wegen, die die Bürgerinnen und Bürger zurückzulegen haben. Genau das Gegenteil, meine Damen und Herren von der CDU, ist der Fall.

(Beifall bei der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Ich habe den Eindruck, der begonnene Kommunalwahlkampf hat nun auch die letzten Hemmungen beseitigt, das Thema zu emotionalisieren. Doch genau das, meine Damen und Herren, brauchen wir bei diesem Thema nicht. Wir brauchen eine sachliche Debatte darüber, was Verwaltung zukünftig leisten kann und was Verwaltung zukünftig leisten soll, nicht mehr und nicht weniger. Als Neubürger der Bundesrepublik Deutschland hatte ich 1990 gedacht, das Schlimmste, was es an Bürokratie geben könnte, hätten wir mit der DDR hinter uns. Aber wir wissen heute, meine Damen und Herren, dass wir uns geirrt haben, denn wir sind, was Bürokratie angeht, leider vom Regen in die Traufe gekommen. Schon 1990 hätte genutzt werden müssen für einen Reformprozess in ganz Deutschland. Stattdessen wurden überkommene Strukturen auch in den Bereichen Recht und Verwaltung auf ganz Deutschland übertragen und an einigen Folgen leiden wir bis heute. Damit wir bei der Modernisierung der Verwaltung weiter vorankommen, muss der Bund seine Hausaufgaben machen und wir unsere.

Wir wissen, der weltweite Wettbewerb wird schärfer. Wir stehen im Land vor demographischen Veränderungen, wir haben auch zukünftig eine angespannte Haushaltslage und wir stehen vor dem Erfordernis, dass wir bis zum Auslaufen des Solidarpaktes 2019 auf eigenen Füßen stehen müssen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Solidarpakt II, der 2005 beginnt, deutlich degressiv ausgestaltet ist. Auch schauen die alten Bundesländer zunehmend kritisch darauf, was wir uns leisten. Das darf auf Dauer keinesfalls mehr sein, als sie sich selbst leisten. Nein, meine Damen und Herren, das Land wird zukünftig mit weniger Einnahmen auskommen müssen und darauf müssen wir uns einrichten. Angesichts dieser absehbaren Entwicklung darf keine Politik betrieben werden, die diesen Entwicklungen nur reagierend hinterherhinkt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Wolfgang Riemann, CDU: Fangen Sie doch schon mal an, Herr Ministerpräsident Ringstorff!)

Die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger für Reformen ist da. Es gilt nun vielmehr, konsequent und zügig zu handeln

(Wolfgang Riemann, CDU: Nur bei den Ministerien nicht!)

und Strukturen rechtzeitig so zu verändern, dass wir in der Lage sind, die Entwicklungen aufzufangen und mit weniger Geld die Leistungen in der Verwaltung zu erbringen,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

die auch zukünftig nötig sein werden, aber auch nicht mehr. Es geht um die Zukunftsfähigkeit des Landes, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Dazu müssen wir die Verwaltung im Land schlanker, effektiver und damit kostengünstiger, aber auch bürgernäher machen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Angefangen bei der Regierung! – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Nur so können wir zukünftig mehr Mittel für Investitionen freisetzen und für Unternehmerinnen und Unternehmer noch attraktiver werden. Nur so kommen wir weiter voran. SPD und PDS planen dazu eine umfassende Verwaltungsmodernisierung, anders als Sie, meine Damen und Herren von der CDU. Dass Ihnen das Ganze nicht passt, dass Sie hier Sand ins Getriebe streuen wollen, das höre ich doch schon wieder an Ihren Zwischenrufen, Herr Riemann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie gaukeln doch den Menschen vor, es müsse sich nicht viel ändern. Es sei alles im Wesentlichen damit getan, dass die Zahl der Ministerien reduziert wird und ein bisschen Aufgabenkritik geübt wird.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Da blickt man der Wahrheit ins Auge, meine Damen und Herren, nur ist damit für den Haushalt nicht viel gewonnen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: 16 Millionen.)

Das ist eben der Unterschied zwischen Ihnen und uns:

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zurufe von Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)

Die CDU steht für kosmetische Korrekturen, die das Land nicht weiterbringen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Unwahr!)

SPD und PDS dagegen stehen für ein umfassendes Grundkonzept, das das Land in die Zukunft führt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Sie fangen bloß nicht an! – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Wir wollen Bürokratie abbauen und maßgeblich für den Abbau der Bürokratie ist dabei die Sicht des Nutzers.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Ob der Privatmann einen Carport errichten möchte oder der Unternehmer, der seinen Betrieb erweitern will, die Empfänger von öffentlichen Dienstleistungen sollen nach den Reformen eine deutliche Verbesserung von Verwaltungsabläufen spüren können.

(Kerstin Fiedler-Wilhelm, CDU: Wie bei der Ausbildungsplatzabgabe!)

Im Rahmen der Deregulierung wird daher geprüft, welche Gesetze und Verordnungen und andere Vorschriften abgeschafft werden können.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ah ja!)

Am Ende, meine Damen und Herren, wollen wir mindestens ein Drittel weniger haben und das wird ein Gewinn für uns alle sein.

Wir wollen aber auch, dazu hat Heinz Müller schon etwas gesagt, dass vor Ort mehr entschieden wird. Um das zu erreichen, sollen durch die Funktionalreform I viele Aufgaben von oben nach unten verlagert werden. Aufgaben, die bisher von Ministerien und Landesbehörden wahrgenommen werden, sollen auf die Kreise übertragen werden und im Rahmen einer Funktionalreform II sollen auch Teile der Aufgaben von Kreisen auf die Ämter und Gemeinden übertragen werden. Durch diese Konzentration der Aufgaben sollen Doppelzuständigkeiten verhindert werden. Vorgänge müssen dann nicht mehr durch verschiedene Landes- und Kommunalbehörden wandern. Entscheidungen sollen möglichst in einer Hand liegen und direkt vor Ort getroffen werden. Dabei ist uns besonders wichtig, noch mehr Aufgaben als bisher von den gewählten Vertretungen entscheiden zu lassen –