Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon bemerkenswert, gestern Morgen um diese Zeit haben wir über Europapolitik gesprochen, im Laufe der Sitzung gestern wurde über Europapolitik gesprochen, mit der Ersten Lesung des Landesseilbahngesetzes als Höhepunkt, und heute Morgen reden wir schon wieder über Europapolitik. Wenn das der Stellenwert ist, den dieses Hohe Haus der Europapolitik zukommen lässt, dann kann ich nur sagen, das ist gut so.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der CDU und PDS – Peter Ritter, PDS: Das haben aber noch nicht alle richtig verinnerlicht.)
Insofern, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat natürlich das heutige Thema ganz unmittelbar auch mit dem zu tun, was wir gestern Morgen besprochen haben. Völlig klar, Strukturpolitik ist ein ganz wichtiges und natürlich immer brisantes Thema. Wir sollten dieses Thema, denke ich mal, ganz offensiv angehen und, Herr Petters, nicht als Nichtthema sozusagen beurteilen, weil ich einfach glaube, das ist ein ganz wichtiges Thema für unser Land.
Und von diesem Kohäsionsbericht, der uns eigentlich allen schon zugänglich ist, kann ich Ihnen einen nachher zukommen lassen, ich habe sogar zwei.
Also in diesem Bericht, Herr Petters, den Sie leider noch nicht zur Verfügung hatten, hat sich die EU-Kommission im Februar noch einmal geäußert, wie sich die wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalte in der EU entwickelt haben und welchen Beitrag die Politik dazu geleistet hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, die diesen Bericht gelesen haben. Es ist also schon ziemlich schwere Kost und man muss einige Passagen doch mehrmals lesen, um überhaupt zu verstehen, was da gemeint ist. Dennoch, der eigentlich wichtigste Punkt für uns und für unser Land ist, dass in diesem Bericht Vorschläge gemacht wurden, wie die Strukturfonds nach dem Jahr 2007 weiter ausgegeben werden sollen. Für unser Land ist da ganz klar gesagt worden, dass wir auch in Zukunft Ziel-1-Gebiet sein sollen.
Aber, auch darüber müssen wir uns im Klaren sein, die zu verteilenden Stücke des Subventionskuchens werden natürlich kleiner. Kriterium für dieses Ziel-1-Gebiet – auch darauf haben meine Vorredner ja schon hingewiesen – ist immer, dass man vom Bruttoinlandsprodukt keine 75 Prozent erreicht. Das haben in den letzten Jahren alle neuen Bundesländer erreicht und das bedeutet eben auch, dass sozusagen der Löwenanteil der Mittel, die aus dem Strukturfonds nach Deutschland geflossen sind, in die neuen Bundesländer geflossen ist. Und es sieht so aus, dass auch in Zukunft außer Brandenburg-Süd, Dresden und Leipzig das wieder nach 2007 so sein wird.
Deutschland hat in der Zeit von 2000 bis 2006 rund 30 Milliarden Euro Strukturmittel erhalten. Davon ist wie gesagt der Löwenanteil, nämlich 20 Milliarden, hier in Ostdeutschland angekommen und nach Mecklenburg-Vorpommern hat Brüssel in der Zeit von 2000 bis 2006, wenn dann die Zeit herum ist, knapp 2,46 Milliarden Euro überwiesen. Ich glaube, das ist eine ganz stattliche Zahl. Und wenn man bedenkt, dass durch Kofinanzierung und andere Finanzierungen dann noch mal knapp 3 Milliarden Euro sozusagen angestoßen worden sind, dann, glaube ich, ist das schon eine richtige Wirtschaftsförderung und Strukturförderung ohnehin.
Insgesamt, auch das ist noch mal eine interessante Zahl, gibt es in der jetzigen EU 60 Ziel-1-Gebiete. In Griechenland gibt es 13 Regionen, die Ziel-1-Gebiet sind. Griechenland ist damit Spitzenreiter, was das betrifft. Und man geht davon aus, dass die neuen Beitrittsländer, also die, über die wir gestern gesprochen haben, alle unter diese magische 75-Prozent-Grenze kommen und somit auch in Zukunft Ziel-1-Gebiet sein müssen. Man schätzt ein, dass 92 Prozent der Menschen, die in diesen Ländern wohnen, in Regionen wohnen, die unter 75 Prozent Bruttoinlandsprodukt haben. Derzeit sind es 40 Prozent aller EU-Bürger, die in Förderregionen leben.
Bildlich gesprochen könnte man also sagen, dass in Zukunft genauso viel Suppe noch im Topf ist, aber es sitzen mehr Esser am Tisch. Und darum, meine sehr verehrten Damen und Herren, müssen wir uns an diesem Tisch bemerkbar machen, Herr Petters. Darum müssen wir die Landesregierung noch einmal auffordern, die Schlagzahlen zu erhöhen, um uns hier Gehör zu verschaffen.
Und natürlich müssen auch wir als Abgeordnete hier im Landtag uns diesem Thema widmen, wenn ich sehe, welche wichtigen Termine jetzt in nächster Zeit anstehen. Herr Neumann hat schon darauf hingewiesen. Am 10. und 11. findet ein Europäisches Kohäsionsforum in Brüssel statt. Circa 1.000 Teilnehmer werden dort erwartet. Im Juli legt die Kommission ein Paket von Gesetzesvorschlägen vor.
Ende 2009 entscheidet der Europäische Rat und dann auch das Europäische Parlament. Im Jahr 2006 beginnt die Vorbereitung der Programme für den Zeitraum 2007. Das sind ganz wichtige Termine, die da anstehen.
Darum, meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir zum Schluss noch eine vielleicht persönliche Anmerkung: Mein Eindruck ist, die Zeit läuft und wir müssen am Ball bleiben.
meine Fraktion ist dafür, dass wir diesen Antrag im Rechts- und Europaausschuss federführend beraten.
In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit und freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss. – Herzlichen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, einzelnen Abgeordneten der PDS und Rainer Prachtl, CDU – Karsten Neumann, PDS: Herr Born, Sie dürfen kommen!)
Sehr geehrter Herr Petters, die Zeit für Diskussionen, die uns zur Verfügung steht, ist, denke ich, aufgezeigt worden. Ich glaube, einen wichtigen Aspekt haben Sie in Ihrer Rede schlicht unterschlagen. Der dritte Kohäsionsbericht ist ein Vorschlag der Kommission. Ein Vorschlag der Kommission ist noch lange kein Gesetz. Diese Kommission wird es im Übrigen bald nicht mehr geben, weil wir am 13. Juni 2004 Europawahlen haben, danach wird es eine neue Kommission geben. Diese Kommission hat einen Vorschlag unterbreitet, der nicht nur auf einhellige Zustimmung gestoßen ist. Es tut mir Leid, wenn ich Ihnen das so sagen muss, aber das Bundesland Bayern sieht das alles ganz anders. Und um es ganz deutlich zu sagen: Dieser Vorschlag der Kommission ist noch lange nicht umgesetzt und wird garantiert noch in vielen Punkten Veränderungen erfahren.
Ich darf Ihnen noch einmal ganz deutlich sagen – die Konsequenz des Vorschlages der Kommission, eine Woche vorher ist die finanzielle Vorausschau aufgezeigt worden –, völlig klar ist, dass diese Aufgaben und dieser Vorschlag der Kommission nicht umgesetzt werden können, wenn der finanzielle Beitrag der Mitgliedsstaaten zur Europäischen Union gesenkt wird. Ich darf Sie nur daran erinnern, dass es eine ganze Reihe von Bundesländern auch in der Bundesrepublik Deutschland gibt, die sagen, in der Regel nicht PDS- und SPD-geführt und auch nicht umgekehrt, sondern dass insbesondere das Bundesland Bayern sehr wohl sagt: Wir brauchen diese Förderung nicht, sie ist viel zu teuer und wir können sie uns nicht mehr leisten. Auf diese Konsequenz muss man ganz deutlich hinweisen und sich engagieren, Herr Petters, und sich nicht hinstellen und so tun, als sei das kein Thema. Das ist ein Thema von vielen Aktiven, die dafür sorgen wollen, dass diese Umverteilung anders geschieht als bisher.
Es geht nicht allein um Haushaltspolitik. Bereits die Debatten im Vorfeld des dritten Kohäsionsberichtes zeigten deutlich, dass eine Reihe von Mitgliedsstaaten, aber auch einzelne Bundesländer gerne die Gelegenheit nutzen würden, um die Strukturpolitik in Europa insgesamt in Frage zu stellen. Allen Mitgliedsstaaten ist und war klar, dass der Beitritt von zehn weiteren Staaten, die in der Regel weit unter dem Durchschnitt des Bruttoinlandsproduktes der Europäischen Union liegen, nicht wie die Deutsche Einheit aus der Portokasse bezahlt werden kann.
Wenn man sich das Ziel stellt, auch unter diesen Bedingungen die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in ganz Europa herzustellen – und nichts anderes bedeutet Konvergenz –, dann sind hierzu gewaltige Anstrengungen der Europäischen Union notwendig. Deshalb widmet sich der dritte Kohäsionsbericht der Darstellung der aktuellen Lage und der Tendenzen in den Regionen. Übrigens, Herr
Petters, er widmet auch der Auswertung der bisherigen Strukturpolitik einen sehr umfangreichen Raum. Sie werden dort all Ihre Kritiken, die Sie aufgeführt haben, wiederfinden und – und das ist eben der Unterschied zu Ihrer Meinung, Herr Petters – die Europäische Kommission macht Vorschläge, wie genau diese Fehler behoben werden können. Und auch deshalb müssen wir uns mit dem Thema beschäftigen. Hierbei ist es beispielsweise wichtig festzuhalten, dass die Strukturfondsmittel zwar nur in einen Teil der Regionen in der Europäischen Union fließen, jedoch ihre Auswirkungen auf die gesamte E u r o p ä i s c h e Union entfalten. Auch das ist sehr deutlich dargestellt worden.
Der Bericht versucht auch Antworten zu finden auf die Herausforderungen, die sich aus der wirtschaftlichen Entwicklung ergeben. So ist es zu begrüßen, wenn hervorgehoben und dargestellt wird, wie sich wirtschaftspolitische, beschäftigungspolitische und sozialpolitische Maßnahmen gegenseitig verstärken, dass die Stärkung des Humankapitals zunehmend an Bedeutung gewinnt und auch die soziale und kulturelle Infrastruktur eines Landes von entscheidender Bedeutung ist, da sie Entscheidungen über die Ansiedlung von Investitionen und neuen Betrieben zunehmend beeinflussen wird. Dies gelte insbesondere für wissensbasierte Aktivitäten, die nicht standortgebunden sind, da sie nicht auf die Nähe zu Rohstoffen und großen Absatzmärkten angewiesen sind.
Der Kohäsionsbericht erlaubt ebenso allen Akteuren – und so auch Herrn Petters – einen eindrucksvollen Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. So findet sich beispielsweise die Feststellung, dass der allgemeine Trend zur Übertragung der Zuständigkeit für öffentliche Dienstleistungen auf die regionale und lokale Ebene nicht mit der Beschaffung entsprechender finanzieller Mittel zur Finanzierung dieser Dienstleistungen einhergeht. Auch dies scheint jedenfalls kein typisch deutsches Problem zu sein, denn als Ausnahme hiervon wird nur Italien benannt, wo die Zuständigkeit für die Einnahmebeschaffung zunehmend auf die Regionen übertragen wird, ohne dass im Gegenzug die regionalen Transferleistungen verstärkt werden.
Der Rechts- und Europaausschuss konnte sich in seiner gemeinsamen Beratung mit dem Ausschuss des Sejmiks der Woiwodschaft Westpommern am 18. März einen Eindruck – und auch das ist von Ihnen, Herr Petters, offensichtlich noch nicht wahrgenommen worden – über die hohe Qualität der Verwaltung und die Verwendung der Strukturfondsmittel durch die Verwaltung des Landes Mecklenburg-Vorpommern machen. Denn hier werden sie verwaltet, hier werden sie vergeben durch unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium, im Landwirtschaftsministerium, im Arbeitsministerium. Es ist nicht das ferne Brüssel, was dort irgendetwas macht.
Die Sachkompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Landesämtern und in der Landesregierung, glaube ich, ist hier nicht zu bezweifeln.
Es ist gelungen, die Qualität der Strukturfondsmittelverwendung in Mecklenburg-Vorpommern erheblich zu steigern und damit die Effektivität des Einsatzes dieser Mittel zu erhöhen. Wenn zum Beispiel die Umsetzung des Europäischen Sozialfonds – und auch das ist einer Ihrer Denkfehler, Herr Petters, es ist eben nicht nur Wirtschaftsför
derung, sondern beispielsweise auch der Europäische Sozialfonds – durch das Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm des Arbeitsministeriums dieses Landes nach einer externen Evaluierung durch die Europäische Kommission als Best Praxis eingestuft wird, als beste Praxis, und somit europaweit als gute Erfahrung verbreitet wird, zeugt dies von der hohen Qualität der Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerien bei der Verwendung von europäischen Mitteln.