Protocol of the Session on March 31, 2004

Meine Damen und Herren, im Jahr 2000 gab es bei uns im Land drei Landkreise, die einen unausgeglichenen Haushalt hatten. Seitdem, und das muss ich Ihnen so sagen, meine Damen und Herren, hat dieses Land den Gleichmäßigkeitsgrundsatz und die Mindestfinanzgarantie und nun mittlerweile auch noch die Abschaffung der Mindestfinanzgarantie über sich ergehen lassen müssen. Und heute, Frau Fraktionsvorsitzende – gestern stand es in der Zeitung –, können eben nur noch zwei von zwölf Landkreisen

(Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)

und eine von sechs kreisfreien Städten einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen.

(Angelika Gramkow, PDS: Aber, Herr Ringguth, nennen Sie die Ursachen! Die sind nicht landesspezifisch.)

Aber wenn wir jetzt über die Option zur Jagdsteuererhebung reden, dann müssen wir uns einmal überlegen, was das in diesem Konzept überhaupt für eine Bedeutung hat. Ich möchte einmal sagen, annähernd null, aber darauf möchte ich gleich zu sprechen kommen. Meine Damen und Herren, diese im Jahre 2000 noch gar nicht vorstellbare Finanznot der Landkreise ist die entscheidende Veränderung. Das ist nach meiner Auffassung die entscheidende Veränderung seit 2000, seit der letzten Debatte zur Jagdsteuer in diesem Hohen Hause.

Meine Damen und Herren, die Rechtslage im Lande ist aber nach wie vor so, dass gemäß Paragraph 120 Absatz2 Kommunalverfassung die Landkreise zunächst einmal alle Einnahmemöglichkeiten auszuschöpfen haben. Da gibt es kein Vertun, das ist Rechtslage. Bei der immer größer werdenden Finanznot der Landkreise und auch des Landes wird die Gefahr der Kürzungen im Bereich der Fehlbedarfszuweisungen gemäß Paragraph 9 FAG ständig realer.

Ich nehme es persönlich für mich in Anspruch und ich weiß mich mit meiner Fraktion einig, wir, Herr Müller, stehen für ein hohes Gut, nämlich für die kommunale Selbstverwaltung. Das nehmen wir auch für uns in Anspruch, und zwar sehr klar. Aber sind denn die Kreise, meine Damen und Herren, in ihrer Entscheidung, ob sie die Jagdsteuer erheben wollen oder nicht, wirklich so frei? Wird die Entscheidung – ich habe es gesehen, ich beeile mich, Frau Präsidentin – ob man die Jagdsteuer in einem Landkreis erhebt oder nicht, morgen nicht davon abhängen, ob man einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen kann oder nicht? Und mein Fraktionskollege Dr. Jäger hat schon damals den Finger in die Wunde gelegt, als er festgestellt hat, dass eine solche Differenzierung doch eigentlich nur zulässig sei, wenn die Landkreise hierauf auch einen wirklichen Einfluss hätten.

Meine Damen und Herren, Ihre Kolleginnen und Kollegen im Landtag von Sachsen-Anhalt, und ich habe einmal nachgeguckt, es sind eigentlich mehr die von der PDS, haben im Interesse der Jagdausübungsberechtigten und, wie ich meine, auch der Landkreise bereits gehandelt.

Meine Damen und Herren, die Abschaffung der Jagdsteuer ist doch offensichtlich parteiübergreifend gewollt. Die Ankündigungen müssen nun aber auch endlich umge

setzt werden, daher unser Gesetzentwurf. Damit aber unser Gesetzentwurf nicht mit dem Hinweis abgelehnt wird, und das befürchte ich jetzt wieder so ein bisschen, dass das KAG ja ohnehin novelliert werden würde, haben wir mit einem anderen Antrag diese Novellierung zeitnah gefordert.

(Angelika Gramkow, PDS: Aber der Niveauunter- schied ist sehr deutlich zwischen den Anträgen.)

Über diesen Antrag werden wir morgen hier im Landtag debattieren. Ich bitte Sie um Überweisung unseres Gesetzentwurfes zur späteren gemeinsamen Beratung in den Ausschüssen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Ringguth.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 45 vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ums Wort hat zunächst gebeten der Innenminister des Landes Herr Dr. Timm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Jagdsteuer wird gegenwärtig in Mecklenburg-Vorpommern nicht erhoben, auch nicht im Landkreis Demmin. Aber wie ich höre, erfahren wir ja noch, warum es sich in Demmin so verhält. Frau Holznagel wird uns das noch berichten. Insofern soll hier etwas verboten werden, was nicht verboten werden braucht, aber natürlich verboten werden kann, nämlich die Erhebung der Jagdsteuer. Die kreisfreien Städte und die Landkreise wissen offensichtlich genau, warum sie auf diese Steuereinnahme derzeit verzichten. Kommunale Selbstverwaltung ist eben auch kommunale Selbstverantwortung! Und unsere Kommunen sind in der Lage, die Dinge genauso zu bewerten, wie Herr Ringguth sie hier selbst gesehen und vorgetragen hat, nämlich, dass die Jagdsteuer nicht erhoben werden soll. Genau so wird das auch praktiziert.

Ich meine, dass für diese Position einige Argumente sprechen. Herr Abgeordneter Ringguth hat einige angeführt. Es sind die Belange der Jägerschaft, die mit ihrem Engagement für den Arten- und Naturschutz in diesem Lande eintritt, Belange der Landschaftspflege und auch die Mitwirkung bei öffentlichen Aufgaben, wie die Beseitigung von Unfallwild im Straßenverkehr, und bei weiteren wichtigen Aufgaben, die die Jäger in diesem Lande wahrnehmen. Demzufolge ist es sinnvoll, über die Nichterhebung der Jagdsteuer in den Kommunen des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern zu sprechen. Problematisch ist allerdings die Umsetzung.

Ich will Ihnen als zuständiger Kommunalminister die Probleme, die sich hier ergeben, vortragen, um am Ende nicht den Vorwurf einzuhandeln, ich hätte hier etwas vorenthalten: Zum einen handelt es sich um einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung und hier speziell in die kommunale Finanzautonomie. Die Jagdsteuer ist die einzige eigene Steuerquelle der Landkreise und der kreisfreien Städte. Das Verbot ihrer Erhebung könnte Artikel 73 Absatz 1 der Landesverfassung zuwiderlaufen, denn hiernach ist das Land verpflichtet, den Gemeinden und Landkreisen eigene Steuerquellen zu erschließen. Wie gesagt, für die Landkreise ist die Jagdsteuer die einzige Steuer

quelle. Mit der vorgesehenen Gesetzesänderung würde das bisherige Prinzip verlassen, den Kommunen mit dem Kommunalabgabengesetz alle örtlichen Aufwands- und Verbrauchssteuern nach Artikel 105 Absatz 2 Grundgesetz ohne Einschränkung zu übertragen. Wie gesagt, das Verbot ihrer Erhebung wäre eine Einschränkung in diesem Sinne.

Zweitens, Fragen der unechten Konnexität. Zwar ist das strikte Konnexitätsprinzip nach Artikel 72 der Landesverfassung in Verbindung mit den Paragraphen 4 und 91 der Kommunalverfassung nicht anwendbar, aber gleichwohl könnte die Frage nach einem finanziellen Ausgleich zugunsten der bislang erhebungsberechtigten Körperschaften auch dann, wenn sie auf die Erhebung verzichtet haben, gestellt werden. Ob der Hinweis auf entfallende Verwaltungskosten als Antwort ausreicht, wird auch derzeit geprüft. Nachgewiesen worden ist es bisher nicht, dass die Verwaltung mehr Aufwand erzeugt, als die Einnahme einer Jagdsteuer erzielt.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Und nun komme ich zum dritten Punkt. Und der macht mir Sorgen, ich will es auch sagen. Die kommunalen Landesverbände haben sich im Rahmen des Anhörungsverfahrens zum Ressortentwurf Kommunalabgabengesetz, über den wir morgen ja noch ausführlich sprechen werden, gegen die Abschaffung der Jagdsteuer ausgesprochen. In persönlichen Gesprächen haben mir allerdings einige Landräte sehr nachdrücklich gesagt, um nicht zu sagen, sie haben mich aufgefordert, das Kommunalabgabengesetz in Ihrem Sinne, Herr Ringguth, zu ändern, nämlich die Erhebung der Jagdsteuer zu verbieten. Da frage ich mich, warum man in offiziellen Stellungnahmen nicht den Mut findet, das, was man inoffiziell will, offiziell durchzuhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.)

Wenn es damit zusammenhängt, dass hier Konnexitätsfragen oder andere Fragen, die ich vorhin angesprochen habe, im Vordergrund stehen, dann muss dies sehr genau geprüft werden.

(Angelika Gramkow, PDS: Ja, richtig.)

Wir hören ja, dass gerade seit gestern Landkreise vor dem Verfassungsgericht wegen der Finanzausstattung klagen. Also muss diese Frage, ob hier Einnahmeausfälle erzeugt werden, geprüft werden. Das Prüfergebnis werde ich Ihnen vortragen. Wir haben ja im Innenausschuss dann die Beratung zum Gesetzentwurf und dort müssen wir entsprechend dessen, was wir dabei herausfinden, die Entscheidungen treffen. Man kann natürlich auch in dem Sinne, wie Herr Ringguth das vorgetragen hat, entscheiden.

(Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)

Ich höre ja, auch die anderen Fraktionen wollen es ähnlich regeln, die Jagdsteuer im KAG zu verbieten. Das können wir machen. Es muss aber, wie gesagt, ausgewogen und auf rechtliche Konsequenz geprüft werden. Vor vier Wochen, als wir drüber bereits diskutiert haben, war mir nicht so klar, dass die Landkreise zum Verfassungsgericht ziehen. Aber wenn das alles vor dem Gericht verhandelt wird, dann muss dies wirklich auch rechtssicher, das heißt, in diesem Sinne auch verfassungsrechtlich abgesi

chert sein. Wie gesagt, dieser Aufgabe stellen wir uns und demnächst wird ja auch das Kommunalabgabengesetz im Entwurf dem Parlament vorgelegt, und zwar mit einem Vorschlag der Landesregierung. Wir bemühen uns, in Ihrem Sinne vorzuschlagen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der SPD-Fraktion Herr Heinz Müller.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Debatten über die Jagdsteuer sind alt. Wir führen diese Debatten seit vielen Jahren. Und so mancher von uns, Herr Kollege Ringguth, hat dabei schon einmal die Position gewechselt. Ich halte das auch nicht für unehrenhaft, seine Meinung zu ändern. Schlimmer wäre es, wenn Menschen sagen, dass sie nie ihre Meinung ändern müssen, weil sie schon immer Recht gehabt haben. Also dieses ist seit langem und immer wieder ein kontrovers diskutiertes Thema, nicht nur in Sommerlöchern, sondern auch in sehr ernsthaften Betrachtungen. Ich glaube, es gibt nur wenig Themen, wo es um so ein kleines Finanzvolumen geht und trotzdem so viel politische Bedeutung dahinter steckt. Ganz offenkundig, trotz der geringen finanziellen Bedeutung der Jagdsteuer, hat dieses Thema einen hohen politischen Symbolwert.

Ich glaube, meine beiden Vorredner haben die wesentlichen Argumente hier ausgeführt, so dass ich sie nur noch einmal ganz kurz ansprechen werde, um dann ein weiteres hinzuzufügen. Jagd ist heute, wir sind im 21. Jahrhundert und in einem ländlich strukturierten Land, nicht mehr Privileg höherer gesellschaftlicher Klassen, sondern Jagd ist es etwas, was von breiten Bevölkerungsschichten ausgeübt wird. Jagd ist etwas, was Teil von Hege und Pflege und damit von Naturschutz ist. Und meine beiden Vorredner haben darauf verwiesen, die Jäger jagen ja nicht nur, sondern sie tun auch einiges andere, was im Sinne des Allgemeinwohls liegt. Und auf die Beseitigung von Tieren, die Opfer von Verkehrsunfällen geworden sind, ist schon hingewiesen worden.

(Beifall Hannelore Monegel, SPD)

Ich halte dieses alles für wesentliche Argumente.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich glaube, wenn wir dies sehen, meine Damen und Herren, können wir uns sehr wohl zu der Aussage verständigen, dass die Jagdsteuer, die irgendwann einmal historisch sicher ihre Bedeutung und ihre Berechtigung gehabt hat, in die heutige Zeit nicht mehr passt. Wir können auch darauf verweisen, dass wir in jüngster Zeit verstärkt – in unterschiedlichen Formen und von unterschiedlichen Seiten angestoßen – Diskussionen haben über das, was man hier im Land „Deregulierung“ nennt, das, was im Bereich des Steuerrechts Steuervereinfachung heißt, was inhaltlich dem gleichen Grundgedanken verpflichtet ist. Ich glaube, auch in dieser Diskussion würde man bei der Frage, ob denn eine solche Bagatellsteuer zukünftig ihre Berechtigung haben soll, zu einer sehr klaren Aussage kommen, vor allen Dingen dann, wenn man bedenkt, wie hier Aufwand und Ertrag zueinander in einem Verhältnis stehen, in einem Verhältnis nämlich, wo ich keine andere Einnahmeart der öffentlichen

Hand kenne, wo ein so großer Prozentsatz der Einnahmen durch die Ausgaben aufgefressen wird, die notwendig sind, diese Einnahme zu erzielen. Also, ein klares Bild, eine eindeutige Aussage.

Aber Achtung, ganz so einfach ist das nicht! Der Innenminister hat hier schon die neuralgischen Punkte angesprochen. Wir haben ein Steuerfindungsrecht, zumindest ein grundsätzliches Steuerfindungsrecht der kommunalen Ebene, hergeleitet aus Artikel 28. Und ich kann verstehen, wenn die Kommunen dieses Steuerfindungsrecht für sehr, sehr schützenswert halten, wenn sie Eingriffe in dieses Steuerfindungsrecht aus grundsätzlichen, aus prinzipiellen Überlegungen heraus zurückweisen. Ich kann natürlich auch die Bestrebungen der Landkreise verstehen, sich eigene Einnahmequellen über die Kreisumlage hinaus sichern zu wollen, dieses nicht zurückdrängen zu wollen, sondern ausbauen zu wollen und eigene Steuerfindungsrechte der Kreise zu konstituieren. Ich sage hier unverblümt meine Meinung: Ich halte dieses für sehr berechtigte, ich halte dieses für sehr beachtenswerte Überlegungen. Sie können mich in der Abwägung beider Seiten aber nicht dazu bringen, dass ich sage, ich bin für die Beibehaltung dieser Jagdsteuer, sondern ich bleibe bei meiner Position, dass ich sie für entbehrlich, ja für hinderlich halte.

Das Problem der Konnexität, der negativen Konnexität wurde hier ebenfalls angesprochen. Und hier, meine Damen und Herren von der CDU, muss ich sagen, halte ich Ihren Antrag für ein wenig zu dünn, weil der Hinweis auf die Kosten, der Hinweis darauf, dass sich die Kreise ja werden darauf einstellen können, wenn es erst ab 2005 nicht mehr möglich ist, diese Steuer zu erheben, zwar berechtigt sein mag, er aber nicht die Frage nach der negativen Konnexität beantwortet, ob diese berührt ist und, wenn ja, in welchem Umfang bei einer Steuer, die zwar erhoben werden kann, aber nicht erhoben wird. Diese Fragen beantworten Sie nicht und wir werden uns, denke ich, in den Ausschüssen über dieses Thema unterhalten müssen.

Ich bleibe dabei, wir sollten dieses Thema in den zuständigen Ausschüssen, federführend natürlich im Innenausschuss, Kollege Friese, beraten und wir werden dann, so hoffe ich, zu einem Ergebnis kommen, diesen alten Zopf, der immer wieder neu geflochten ist und in dem meines Erachtens schon die Motten hausen, abzuschneiden. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Müller.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schulz von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung und die Koalitionsfraktionen – und jetzt möchte ich das wiederholen, was Herr Ringguth hier auf drei Minister bezogen postuliert hat – haben sich unter anderem das Ziel gesetzt, das Kommunalabgabengesetz umfassend zu novellieren. An diesem Ziel ist nicht zu rütteln, das ist auch umzusetzen.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Und Sie wissen auch sehr genau, Herr Ringguth, dass an dieser Novellierung seit geraumer Zeit intensiv und ergebnisorientiert gearbeitet wird.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Aha!)