Protocol of the Session on November 6, 2002

Nun ist die neue Landesregierung gerade einmal wenige Stunden offiziell im Amt und das Hohe Haus muss einmal mehr alle Hebel in Bewegung setzen, um diese Lan

desregierung mit allem Nachdruck dazu zu bewegen zu versuchen, nicht erneut in einer für das Land existentiellen Frage die Dinge sich selbst zu überlassen, sondern alle ihr zu Gebote stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen, um Schaden vom Land Mecklenburg-Vorpommern abzuwenden. Auch diesmal ist die Landesregierung gefordert zu verhindern, dass einfach über die Köpfe des Landes hinweg im Bund oder bei der Deutschen Bahn AG Entscheidungen zum Nachteil des Landes getroffen werden.

Und, verehrter Herr Wirtschaftsminister Ebnet, Sie haben eben geradezu mit einer frappierenden Offenheit, aber sicherlich unbewusst deutlich gemacht, worin der Unterschied zwischen den jetzt Handelnden besteht und denen, die früher Verantwortung trugen. Sie haben völlig zu Recht dargestellt, dass, solange Herr Ludewig Bahnchef war – Sie haben gesagt, in Klammern CDU –, es keine Probleme gegeben hat. Sondern Sie haben gesagt, die Pattsituation stellt sich als Problem heraus. Nein, verehrter Herr Wirtschaftsminister, die handelnden Personen sind das Problem.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Nee, die Verträge sind das Problem.)

Sie sind nämlich nicht in der Lage und nicht bereit, sich für die deutschen Interessen nachdrücklich einzusetzen. Das ist genau der Unterschied. Eine solche Entwicklung hätte es eben mit Herrn Ludewig nicht gegeben.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Peter Ritter, PDS: Siehe Bahnreform.)

Erneut steht Mecklenburg-Vorpommern vor einem verkehrspolitischen und infrastrukturellen Fiasko, wie es allenfalls vergleichbar mit dem unverantwortlichen Nein der Landesregierung zum Transrapid wäre. Ich sage das, weil trotz Ihrer beschwichtigenden Erklärungen zu befürchten steht, dass die handelnden Akteure auch beim Gegenstand der heutigen Debatte zur Stärkung der Wirtschaftskraft im Ostseeraum erneut die Tragweite der anstehenden Entscheidungen übersehen.

Der Fraktionsvorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Eckhardt Rehberg hat vorhin deutlich gemacht, dass die Scandlines AG nicht irgendeine Reederei ist. Sie ist die mit Abstand bedeutendste Reederei im Ostseeraum, eine der größten weltweit. 30 Schiffe, rund 20 Millionen transportierte Passagiere, 3,6 Millionen Autos und 880.000 Lastwagen sind Beleg für die Dimensionen, mit denen wir es hier zu tun haben.

Und auf eins will ich mit aller Deutlichkeit hinweisen: Bei einem Verkauf der deutschen Anteile an das dänische Staatsunternehmen wäre es geradezu abwegig und damit mehr als leichtfertig, sich der Illusion hinzugeben, dass dann der Sitz des Konzerns in Rostock verbleiben würde. Ein zu 100 Prozent dänisches Staatsunternehmen auf deutschem Boden würde aus Sicht des Unternehmens weder betriebswirtschaftlich noch volkswirtschaftlich Sinn machen.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Neben diesen unmittelbar im bisherigen Rostocker Unternehmensstandort angesiedelten Arbeitsplätzen wäre – und auch darauf hat Herr Rehberg hingewiesen und das ist in der öffentlichen Debatte bisher überhaupt noch nicht

richtig deutlich geworden – noch einmal etwa die gleiche Anzahl von Arbeitsplätzen in unternehmensnahen Dienstleistungsbetrieben in den Bereichen Handwerk, Catering und so weiter betroffen.

Eines der zehn größten Unternehmen im Land würde von der Bildfläche des Landes verschwinden. Diese Gefahr allein würde schon eine parlamentarische Behandlung im Rahmen einer Landtagssondersitzung rechtfertigen. Wenn der Landtag sich nicht mit solchen Problemen auch zu ungewöhnlichen Zeiten befassen will, dann muss man sich allerdings die Frage stellen, ob man dann nicht gleich auf die Einflussnahme des Landtages verzichten will und so, wie es der Kollege Schulte tut, einfach darauf vertraut, dass diese Regierung die Probleme schon irgendwie verwaltet.

Den Abbau der unmittelbar betroffenen Arbeitsplätze in Rostock zu verhindern ist das eine, wozu wir mit unserem Antrag die Landesregierung auffordern. Aber es geht – auch das hat Herr Rehberg bei der Einbringung und Begründung des Antrages deutlich gesagt – darüber hinaus um noch sehr viel mehr. Es geht bei der Frage der Übertragung der Geschäftsanteile der Deutschen Bahn AG um nicht weniger als um eine Entscheidung von europäischer Dimension. Es geht um die Zukunft von Verkehren im zusammenwachsenden Europa.

Wer das verkennt, verspielt leichtfertig die Zukunft einer ganzen Region, nämlich die der strategisch günstigen Küstenregion von Mecklenburg-Vorpommern. Und das, obwohl es doch unser aller Ziel sein müsste – und zumindest haben das ja auch alle heute gesagt, dass es ihr Ziel wäre –, alles daranzusetzen, dass unser Land vom Zusammenwachsen Europas profitieren kann. Was dieser Landesregierung leider entschieden fehlt, ist die Fähigkeit, Visionen zu entwickeln und umz u s e t z e n.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wenn man sich das im Juni diesen Jahres vorgelegte so genannte Verkehrskonzept der Landesregierung vor Augen hält, wird dieser Grundmangel schlaglichtartig deutlich. In der damaligen Debatte habe ich auf die Bedeutung von Verkehrspolitik für die wirtschaftliche Entwicklung hingewiesen und gesagt, dass Verkehrspolitik immer elementarer Bestandteil landespolitischen Handelns sein muss, leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur wirkt wie ein Magnet auf Akteure des wirtschaftlichen Handelns und ist damit Voraussetzung für die Schaffung von Arbeitsplätzen und prosperierenden Wohlstand.

Lesen Sie bitte das so genannte Verkehrskonzept noch einmal nach. Es ist traurig, um nicht zu sagen niederschmetternd genug. Die Vision der Landesregierung – das ist eigentlich viel zu hochtrabend ausgedrückt, in Wahrheit kann von Vision gar keine Rede sein bei dieser Landesregierung –, also das eigentliche Verkehrskonzept dieser Landesregierung ist auf ganzen 1,5 Seiten beschrieben.

(Torsten Koplin, PDS: Sprechen Sie doch mal zur Sache!)

Sie finden die Vorstellungen dieser Landesregierung zur Verkehrspolitik der Zukunft auf den Seiten 120 beziehungsweise 121 des so genannten Verkehrskonzepts. Um dem zwar völlig unsinnigen, gleichwohl mangels anderer Argumente aber immer wieder erhobenen Vorwurf des

Schlechtredens gleich an dieser Stelle zu begegnen, verehrter Herr Ministerpräsident, erinnere ich Sie hier an die Ausführungen des damaligen verkehrspolitischen Sprechers der SPD-Landtagsfraktion Claus Gerloff, eines über alle Fraktionsgrenzen hinaus geschätzten kompetenten und profunden Verkehrsexperten,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

der kein gutes Haar an diesem Konzept gelassen hat. Ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin.

(Torsten Koplin, PDS: Da hat sie genickt.)

Da sagt Herr Gerloff: „So, auf der letzten und vorletzten Seite – das habe ich genau so gelesen wie Herr Dr. Born – da kommt es endlich: ,Verkehrspolitik der Zukunft‘. Anderthalb Seiten – aber nicht dass das Verkehrspolitik der Zukunft ist. Da steht nämlich alles noch einmal drin, was bis 2005 ohnehin passiert. Das ist doch schon reale Gegenwart, das ist doch nicht Zukunft! Ja, ich frage mich schließlich: Ist das wirklich dieses integrierte“ …

(Peter Ritter, PDS: Fällt Ihnen selbst auch noch was ein?! – Volker Schlotmann, SPD: Sie waren auch schon mal besser.)

„Ja, ich frage mich schließlich: Ist das wirklich dieses integrierte, moderne, den Anforderungen der Nachhaltigkeit und der Zukunft entsprechende Verkehrssystem für Mecklenburg-Vorpommern, haben wir es schon im Visier?“ Das geht dann noch so eine ganze Zeit weiter.

(Volker Schlotmann, SPD: Der 22.09. steckt in den Knochen, was?! – Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zurück zu Scandlines.

(Torsten Koplin, PDS: Ja, das ist gut.)

Einer Pressemitteilung vom 30. Oktober war zu entnehmen – und das können Sie im Nachhinein drehen und wenden, wie Sie wollen –, dass der Verkauf der Geschäftsanteile der Deutschen Bahn AG an das dänische Staatsunternehmen eigentlich schon, wie auch von der CDU-Fraktion dargestellt, am 29. Oktober vertraglich vereinbart werden sollte, nunmehr aber nochmals auf Februar verschoben worden ist.

(Volker Schlotmann, SPD: Sie sollten Kaffeesatz lesen!)

Ich kann Sie von dieser Stelle deshalb nur auffordern, sehr verehrter Herr Wirtschaftsminister, die Zeit zu nutzen und in Verhandlungen mit Bund und Bahn eine andere als die momentan immer noch vorgesehene Lösung zu erreichen. Denn schlechter, als es sich derzeit abzeichnet, kann es für Mecklenburg-Vorpommern nicht ausgehen. Lassen Sie nicht erneut, wie bei Ihrer unverantwortlichen Blockadehaltung zum Transrapid, Zukunftschancen dieses Landes verkommen!

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Angelika Gramkow, PDS: BMW nicht vergessen!)

Nachdem Sie leichtfertig unverantwortlich zum Schaden des Landes Mecklenburg-Vorpommern es zugelassen haben, dass einmalige Entwicklungschancen dieses Landes mit Hilfe von deutschen Steuergeldern nach China entschwebt sind,

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

sorgen Sie dafür, dass nicht eine weitere einzigartige Entwicklungschance dieses Landes über die Ostsee hinwegdümpelt!

(Peter Ritter, PDS: Mann, o Mann, o Mann!)

Kommen Sie endlich in die Puschen! Es ist Zeit zum Handeln. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Danke schön, Herr Dr. Born.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Amtszeit als erste Vizepräsidentin in der 4. Legislaturperiode möchte ich uns eine gute parlamentarische Zusammenarbeit wünschen entsprechend der Würde dieses Hohen Hauses.

(Beifall bei den Abgeordneten)

Danke schön. Wir fahren dann fort in der Debatte.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Lück von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In einem sind wir uns sicherlich alle einig hier: Jeder existenzsichernde Arbeitsplatz ist wichtig für unser Land. Jeder dieser Arbeitsplätze ist wichtig für die Menschen, die hier arbeiten und leben. Darum ist es unsere Aufgabe, um jeden eben dieser Arbeitsplätze für unser Land und unsere Menschen zu streiten.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Und, dessen bin ich mir gewiss, dieses sieht auch die Regierung unseres Bundeslandes so, die ihren Einfluss in diesem von mir genannten Sinne weiterhin geltend machen wird.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Auch im Fall Scandlines, wie in so vielen davor, geht es darum, den Verlust von Arbeitsplätzen, der durch einen drohenden Verkauf von Firmen oder Firmenanteilen wie ein Damoklesschwert über die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schwebt, zu verhindern. Es geht aber auch darum, die Einflussnahme auf strukturelle Entscheidungen wie zum Beispiel den Firmensitz, die Lenkung von Verkehrsströmen und damit verbunden auf zukünftige Investitionen zu erhalten.

Damit sind wir bei der Rolle und Verantwortung deutscher Unternehmerinnen und Unternehmer, bei der Verantwortung von Managerinnen und Managern und nicht zuletzt auch bei der Verantwortung des bundesdeutschen Staates und seiner Regierung. Denn die Deutsche Bahn AG als vormaliger so genannter Staatsbetrieb ist als jetzige Aktiengesellschaft immer noch hundert Prozent in Besitz der Bundesrepublik Deutschland. Ein möglicher Verkauf der Anteile an einem Unternehmen wie Scandlines ist aus meiner Sicht – und die stützt sich auf das Grundgesetz der Bundesrepublik – nicht nur Sache des Unternehmens. Im Artikel 14 über Eigentum, Erbrecht und Enteignung, Ziffer 2, heißt es: „Eigentum verpflichtet.“ Die meisten hören nach diesem Satz in der irrigen Annahme auf, dass Eigentum wahrscheinlich zu noch mehr Eigentum verpflichtet. Nein, dem ist nicht so, denn vollständig