Protocol of the Session on January 28, 2004

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Also Zwischenfazit, meine Damen und Herren: Die Zeitspanne von fast eineinhalb Jahren

(Zuruf von Andreas Bluhm, PDS)

für die Umsetzung der eigentlich unstreitigen Beschlüsse der Enquetekommission – eineinhalb Jahre –, das ist unabhängig vom erreichten Ergebnis, Herr Müller, ein Armutszeugnis für die Landesregierung und auch für die regierungstragenden Koalitionsfraktionen. Das muss ich Ihnen so sagen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Das umso mehr, meine Damen und Herren, als dass die Novellierung der Kommunalverfassung seit Monaten an der kommunalen Basis dringend erwartet wurde. Über die zeitlichen Vorstellungen der Landesregierung zum zukünftigen Reformvorhaben mag nun ein jeder denken, wie er will.

Meine Damen und Herren, als am 28.11. der Sonderausschuss auf Antrag meiner Fraktion die einstimmige Empfehlung gab, die zusätzlichen Verordnungsermächtigungen – gemeint sind die in Paragraphen 125 und 126 Absatz 2 Nummer 2 – zu streichen, da wurde eigentlich klar, dass sich alle Fraktionen dieses Hohen Hauses den Beschlüssen der Enquetekommission wirklich verpflichtet fühlten.

(Vizepräsidentin Renate Holznagel übernimmt den Vorsitz.)

Amtsfreie Gemeinden über 5.000, aber unter 6.000 Einwohnern gegen ihren Willen einem Amt zuzuordnen oder aber auch öffentlich-rechtliche Verträge, die schon geschlossen sind, zum Beispiel zwischen einer Stadt oder einem Amt zur Bildung von Verwaltungsgemeinschaften, einfach aufzulösen, das ging weit über das hinaus, was Enquete eigentlich gewollt hatte. Diese gemeinsame Basis von Arbeit und die von mir eingangs geschilderte am Kompromiss orientierte Sacharbeit wurden auch in den laufenden Sitzungen des Innenausschusses beibehalten. Und, meine Damen und Herren, nach meiner Auffassung erwarten die Menschen im Land aber gerade in schwierigen Zeiten, zumindest wenn es politisch unstreitige Themen gibt, genau diese Art von gemeinsamem Handeln.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, dass dabei nicht alle aus Sicht meiner Fraktion notwendigen Änderungsanträge

nun auch durchgesetzt werden konnten, na ja, das ist sicherlich nachvollziehbar. So ist meine Fraktion nach wie vor der Auffassung, dass zum Beispiel die Quoren beim Bürgerbegehren in der derzeitigen Form eigentlich die vernünftigere Lösung für die kommunale Praxis darstellen würden. Ebenso nicht durchsetzen konnten wir uns mit einem Änderungsantrag zu Qualifikationserfordernissen für die Beigeordneten in kreisfreien Städten und Landkreisen. Wirklich bemerkenswert ist hier, dass SPD und PDS in ihrem eigenen Gesetzentwurf ursprünglich die Wählbarkeitsvoraussetzungen für alle Beigeordneten erheblich verschärfen wollten – ich erinnere an das Merkmal Qualifikation für den höheren Verwaltungsdienst –, um dann mit einem Änderungsantrag zum eigenen Gesetzentwurf zurück auf Los zu gehen und zum ursprünglichen Gesetzestext zurückzukehren.

Für besonders bedauerlich halten wir auch, und das muss ich wirklich sagen, das hat hier heute noch keine Erwähnung gefunden, dass das wichtige Problem der aus dem Hauptamt ausscheidenden Bürgermeister, der Wahlbeamten, trotz wiederholter Mahnung meiner Fraktionen bis zum Schluss keinen adäquaten Eingang in die Gesetzesnovelle gefunden hat. Ich glaube, wir werden in den nächsten Monaten damit Probleme haben an der kommunalen Basis. Auch hier hätten wir, wie bei der für uns so enttäuschend verlaufenen Befassung mit dem Thema Mitwirkungsverbot, Paragraph 24 Kommunalverfassung, gemeinsam am Schluss genau die Zeit benötigt, die wir am Anfang leichtfertig vertan haben. So ist unser Antrag zu einer gesetzlichen Klarstellung bei den Mitwirkungsverboten, bei der es uns einfach um die Sicherstellung ging, dass Bürgermeister oder Amtsvorsteher in Kreistagen Stimmrecht haben sollen, verschoben worden. Das ist dieses berühmte Thema, wenn es um die eigenen Belange von Gemeinden geht, Thema Kreisumlage zum Beispiel. Dieses Thema wird genauso auf eine spätere Novellierung der Kommunalverfassung verschoben wie das Thema kommunale Anstalt oder kommunale Unternehmen des öffentlichen Rechts.

Meine Damen und Herren, meiner Fraktion waren die durch unseren Gesetzentwurf umgesetzten Beschlüsse der Enquetekommission von Anfang an politisch besonders wichtig. Das war unser Schwerpunkt in der Debatte. Und diese Beschlüsse konnten uneingeschränkt – ich betone, uneingeschränkt – umgesetzt werden und deshalb konnten wir auch unseren eigenen Gesetzentwurf für erledigt erklären.

Meine Damen und Herren, fünf Jahre ist die letzte umfassende Novellierung der Kommunalverfassung her. Das war 1998. Allein aus Anlass der notwendigen Umsetzung der angestrebten Änderung der Verwaltungsstrukturen auf der gemeindlichen Ebene war die Novellierung unbedingt erforderlich.

Wenn wir heute an diesem Tag, Herr Müller, bereits über eine Nachschiebenovelle reden, ist das Ziel einer Novellierung aus einem Guss sicherlich nur eingeschränkt erreicht. Dennoch, das muss ganz klar gesagt werden, haben die meisten der heute zu beschließenden Veränderungen unser kommunales Verfassungsrecht wirklich positiv weiterentwickelt und das kann – da stimme ich mit dem Städte- und Gemeindetag überein – für die kommunale Praxis nur gut sein.

Bei aller Kritik an der für uns nicht nachvollziehbar langen Zeitspanne bis zur heutigen Umsetzung der Be

schlüsse der Enquetekommission werden wir einem Gesetzentwurf zustimmen, der auch den künftigen Volksvertretern nach der Kommunalwahl am 13.06. eine gute Arbeitsgrundlage sein wird. Wir werden also zustimmen. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Ringguth.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Schulz von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf zur Änderung der Kommunalverfassung hätte auch nach dem Beratungsmarathon, von dem Herr Ringguth schon gesprochen hat, als nahezu interfraktioneller Antrag Bestand gehabt. Ich will damit zum Ausdruck bringen, dass die abschließenden Beratungen des Entwurfs der Koalitionsfraktionen und der dazugehörenden Änderungsanträge im Innenausschuss eben nicht Friede, Freude, Eierkuchen, aber dennoch weitgehende Übereinstimmung zwischen den im Landtag vertretenen Fraktionen zeigten. Anders ausgedrückt – und da möchte ich meinem Vorredner doch ein bisschen widersprechen – kann man auch sagen: Was lange währt, wird endlich gut. Ich bin nicht bereit, über anderthalb Jahre zu reden, sondern sage, die Kommunalverfassung war neun Monate schwanger und was dabei herausgekommen ist, hat sich mit der einstimmigen Abstimmung im Innenausschuss, denke ich, als ganz ordentlich erwiesen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Jaja.)

Zu inhaltlichen Fragen dieser Novellierung möchte ich nicht noch einmal ausführlich sprechen, denn wir hatten im Landtag und im Innenausschuss sowie im Sonderausschuss genügend Zeit, Gedanken dazu in den Debatten auszutauschen, und die Problemstellungen, denke ich, sind hinreichend bekannt. Hervorheben möchte ich trotzdem an dieser Stelle die vorgeschlagenen Änderungen der Kommunalverfassung, die weit über den vorgelegten Antrag der CDU-Fraktion vom April 2003 hinausgehen. Ich denke, gerade die Fragen, die die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung betreffen, die Einwohnermitbestimmung, Bürgermitbestimmung, die Vereinfachung der Rechtsaufsicht, das sind eigentlich Ergebnisse, auf die die kommunale Ebene gewartet hat. Und ich glaube, unsere Kommunalvertreter vor Ort sowie die Mitarbeiter in den Verwaltungen hatten weniger Sorge mit dem, was die Umsetzung der Beschlüsse und Empfehlungen der Enquetekommission betraf, sondern sie haben, glaube ich, besonders mit ihrer Aktion „Rettet die Kommunen“ auf andere Probleme aufmerksam gemacht, die sie sehr stark bewegen.

Aufgrund jüngster Diskussionen beziehungsweise Auseinandersetzungen zu einer möglichen neuen Kreisgebietsreform als einem Element der Verwaltungsmodernisierung und Funktionalreform im Land möchte ich als kommunalpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion drei Aspekte hervorheben:

1. Es wurde hier deutlich gesagt, heute erhalten die Beschlüsse beziehungsweise Empfehlungen der Enquetekommission „Zukunftsfähige Gemeinden und Gemeindestrukturen in Mecklenburg-Vorpommern“ in der Kommunalverfassung Gesetzeskraft. Herr Müller hat das ausführlich in seinem Beitrag beleuchtet.

Ergänzend bleibt eben aber auch festzustellen, dass wir für die Umstrukturierung der Verwaltungen, der Ämter und amtsfreien Gemeinden ganz konkrete Rahmenbedingungen schaffen und damit auch Festlegungen des Eckpunktepapiers der Landesregierung zur Reform der öffentlichen Verwaltung umsetzen.

2. Meine Damen und Herren, und darauf habe ich bereits anlässlich der Ersten Lesung aufmerksam gemacht, diese nun entstehenden Ämter- und Gemeindestrukturen sind mit dem bisher angedachten Regionalkreismodell aus unserer Sicht nur schwerlich kompatibel.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU)

Hier werden wir ernsthaft und sachlich Alternativen diskutieren müssen, auch in diesem Hohen Haus.

3. Meine Damen und Herren, im Zusammenhang mit dem gestern vorgestellten Bericht der Deregulierungskommission sollte allen Skeptikern klar sein, diese Koalitionsregierung ist reformwillig und reformfähig.

(Beifall Andreas Bluhm, PDS)

Das Reformvorhaben ist insgesamt auf einem guten Weg.

Auch darüber werden wir in einem weiteren Tagesordnungspunkt heute noch zu reden haben. Deshalb möchte ich gar nichts weiter dazu sagen. Lassen Sie uns über die vorgelegten Änderungen zur Kommunalverfassung abstimmen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Frau Schulz.

Das Wort hat jetzt der Innenminister Herr Dr. Timm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Dank für die Arbeit an der Kommunalverfassung ist ganz meinerseits. Der Kernbereich dessen, was heute verabschiedet wird, betrifft die Neustrukturierung der Verwaltungen auf gemeindlicher Ebene. Wenn die Arbeit so weitergeht wie bislang, dann werden am Ende des Jahres zwischen 40 und 50 weniger Verwaltungsbehörden auf gemeindlicher Ebene bestehen als heute. Und das ist ein großer Erfolg, ein großer Erfolg insbesondere derer, die an diesem Prozess beteiligt sind. Das sind, Herr Ringguth, neben allen, die in der Landtagsberatung mitwirken, insbesondere die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker vor Ort, die mit sehr viel Fleiß und teilweise auch sehr viel Diskussionsstoff aufgrund von Meinungsverschiedenheiten, die sich nicht sofort überwinden lassen, auf Deutsch gesagt Streit, diesen Prozess nicht aufgeben und, was ich sehr hoffe, ihn zu einem Ende führen, bei dem es am Ende keine einzige – das wäre mein Wunsch – Zwangsfusion geben soll. Das wäre mein Wunsch und ich habe diese Hoffnung, dass es so gut läuft, noch nicht aufgegeben. Deswegen danke ich allen, die hier mitgewirkt haben, also den Abgeordneten insbesondere im Sonderausschuss und im Innenausschuss für die Arbeit und natürlich auch denen, die diese Arbeit draußen im Lande fast täglich machen.

Ich will auch einräumen, Herr Ringguth, Sie haben das angesprochen, dass ich mir Regelungen, die noch im Gesetzentwurf enthalten waren, weiter gehende Regelungen, die die Kommunalaufsicht in die Lage versetzt hätten, an bestimmten Stellen einzugreifen, gewünscht hätte.

Sie werden das anders beschließen, das ist auch Ihr Recht und natürlich sollen Sie dieses Recht wahrnehmen. Nur es ist ja leider nicht so, dass alles mit Friede, Freude und großem Einvernehmen draußen läuft. An bestimmten Stellen, wo Konflikte vor Ort nicht lösbar erscheinen und wo man sich sozusagen Hilfe suchend an die Kommunalaufsicht wendet – das sind in der Regel die Kreise, teilweise auch das Innenministerium –, braucht man dann Instrumente, um Streit zu schlichten und Ergebnisse zu erzielen. Aber ich habe trotzdem große Zuversicht darauf, dass wir mit den vorhandenen Instrumentarien diesen Prozess zu einem guten Ende führen.

Die Kritik am Zeitplan, die hier aufgeworfen wurde, ist aus meiner Sicht auch nicht völlig unbegründet. Die Landesregierung brauchte circa ein halbes Jahr für die Aufstellung des Gesetzentwurfes und der Landtag ebenso noch einmal circa ein halbes Jahr für seine Beratung. Ich will einräumen, dass wir es hätten schneller machen sollen, konnten es aber aus bestimmten Gründen nicht. Diese kann ich Ihnen noch mal erläutern, Herr Ringguth.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ach nee!)

Das hat aber auch Ursachen und andererseits haben Sie ja ein halbes Jahr gebraucht.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Dr. Armin Jäger, CDU: Länger als ein halbes Jahr.)

Die Kritik an den Verfahrensregeln, verehrter und von mir hoch geschätzter Herr Abgeordneter Ringguth, zur Ämterfusion …

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ja, er weiß ja, wovon er spricht. Er war ja mal jemand, der dort vor Ort Verantwortung übernommen hatte, hauptamtlich, und insofern unterhalten wir uns auch gelegentlich sehr konstruktiv über diese Materie. Die Kritik an den Verfahrensregeln kann …

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Herr Ringguth, hören Sie mir noch einen Augenblick zu! Die können Sie nicht ganz ernst gemeint haben, denn genau dies, was Sie kritisieren, verlangt, dass das Innenministerium auf den Tisch legt, wie das Jahr 2004 ablaufen soll, und zwar in solchen Fällen, wo eine freiwillige Zusammenführung nicht erfolgt, aus welchen Gründen auch immer. Das heißt, wo Zwangsfusionen angeordnet werden müssen, die dann auch vorbereitet werden müssen, verlangt man von uns, von den Ämtern und von den Landkreisen, dass wir klar und transparent sagen, wie es ablaufen soll, und das haben wir gemacht. Wenn Sie das mit Härte bezeichnen, dann kann ich das so zurückweisen. Das ist eine Forderung, die ich mit einer Vertrauensbasis bezeichne, wobei jede Seite dann auch weiß, wovon sie auszugehen hat.

Ich will einen dritten Punkt aufgreifen, der in der Diskussion eine Rolle gespielt hat, das ist die Frage der Rechtsunsicherheit. Sowohl der Landtag als auch die Landesregierung haben durch verschiedene Beschlüsse immer wieder bekräftigt, dass die Beschlüsse der Enquetekommission mit Blick auf die Größe der zukünftigen Ämter umgesetzt werden. Da kann es eigentlich keine Rechtsunsicherheit gegeben haben. Es gab aber tatsächlich Unsicherheiten vor Ort.

Ich will Ihnen meine Beobachtungen mitteilen. Aus den Reihen der auch im Landtag vertretenen Parteien wurden Vorschläge unterbreitet, die darauf hinausliefen, dass die einen gesagt haben, diese Größenordnung, eine 8.000er Zahl, ist zu groß. Solche Vorschläge gab es. Und andere haben gesagt, die ist uns zu klein. Auch das hat es gegeben. Aber wie gesagt, nicht von mir und auch nicht von Ihnen. Das kam von dritter Seite und insofern gab es eine Unsicherheit, die jetzt endgültig beseitigt sein wird in weniger Minuten, wenn das Gesetz hier beschlossen wird, aber auch vorher eigentlich hätte sie gar nicht aufzutreten brauchen.