Protocol of the Session on January 28, 2004

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Antragsbegründung der CDU heißt es: „Deregulierung ist das Gebot der Stunde“.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Ich halte diesen Satz, Frau Schulz, für richtig.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU: Bravo!)

Allerdings sollten wir uns mal anschauen, was wir unter Deregulierung verstehen. Ganz offenkundig habe ich insbesondere zu Ihnen, Herr Petters, da durchaus eine etwas andere Vorstellung, was eigentlich Deregulierung ist.

Und wenn hier für die SPD-Fraktion jemand steht und jemand spricht, der in diesem Hause auch eine bestimmte Funktion hat als Ausschussvorsitzender und von der Verwaltungsreform her an bestimmte Sachen herangeht, dann entsteht aus dieser Tatsache allein zu Ihnen von der CDU, meine Damen und Herren, ja noch gar kein Widerspruch, weil man kann das Thema Verwaltungsreform natürlich so interpretieren – und wir interpretieren es so –, dass dazu als wesentlicher Bestandteil Deregulierung gehört, und man kann das Thema Wirtschaftsförderung natürlich so definieren, dass dazu als wesentlicher Bestandteil Deregulierung gehört. Man kann also von zwei Seiten auf das gleiche Feld kommen, ohne dass man dann auf diesem Feld sehr unterschiedliche Schlussfolgerungen ziehen muss. Das kann sehr wohl in einem gleichen politischen Ziel münden. Und deswegen habe ich gar kein Problem damit, wenn hier Herr Dr. Born, der ja für die Wirtschaftspolitik im Fraktionsvorstand zuständig ist, und Sie, Herr Petters, für die CDU reden. Das Problem besteht eher darin, was Sie denn reden.

(Gabriele Schulz, PDS: Richtig.)

Und das, was Sie, Herr Petters, uns hier geboten haben, also das war als Büttenrede zu schlecht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und das war weder vom verwaltungsreformerischen Ansatz noch vom wirtschaftsfördernden Ansatz etwas, was tatsächlich zum Feld Deregulierung hingeführt hätte,

(Vincent Kokert, CDU: Das war aus der Praxis. – Zuruf von Heike Polzin, SPD)

sondern das war ein seltsames Sammelsurium von Halbwahrheiten, Unausgegorenem und schlicht und ergreifend Stuss!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU )

Also, meine Damen und Herren, lassen Sie uns bitte nun ernsthaft über das Thema Deregulierung reden. Und ich glaube, dass Ihr Beitrag, Herr Dr. Born, ja durchaus einiges dazu gesagt hat.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU)

Ich glaube aber auch, dass ich mich in vielen Punkten hier nahtlos an Frau Schulz und insbesondere an Minister Sellering anschließen kann. Ich glaube, wenn wir schauen, wer denn in seiner Deregulierungskommission sitzt, dann wird ja Ihre Forderung, Herr Petters, dass wir die Wirtschaft, dass wir die Fachleute, dass wir die Nutzer von Verwaltung mit in den Prozess einbeziehen müssen, längst erfüllt. Wenn wir diesen Bericht sehen, dann glau

be ich, dass wir, dass die Landesregierung, dass der Justizminister und dass die Kommission, die er eingesetzt hat, hier absolut auf dem richtigen Weg sind. Als wir den Zwischenbericht vorgelegt bekommen haben, habe ich Ihnen gesagt, denk mal dran, Verwaltungsreform, Deregulierung ist Marathonlauf. Und der Start war gut und die ersten Meter waren gut.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Aber dann!)

Und ich glaube, mit diesem Bericht, den wir jetzt vorliegen haben, haben wir diesen Metern einen erheblich weiteren Weg hinzugefügt.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Wir sind auf dem Pfad zum Ziel Deregulierung erheblich weitergekommen,

(Andreas Petters, CDU: Kommen Sie doch mal zur Entbürokratisierung!)

denn dieser Bericht, meine Damen und Herren – und da unterscheidet sich meine Einschätzung offenbar fundamental von der Ihrigen, Herr Dr. Born –,

(Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

ist für mich sehr handlungsorientiert. Und ich glaube, wenn wir in der nächsten Woche – und ich gehe davon aus – eine Beschlussfassung durch das Kabinett haben, dann werden wir in den nächsten Monaten resultierend aus diesem Bericht ganz konkrete Handlungsschritte erleben, und das ist auch gut so.

Und, meine Damen und Herren, wenn hier gesagt wird, der Minister braucht für diesen Prozess die Unterstützung des Parlaments, dann sage ich Ihnen, jawohl, das sehe ich auch so. Das Parlament muss diesen Prozess nicht nur passiv begleiten, sondern das Parlament muss diesen Prozess aktiv mit voranbringen und aktiv unterstützen.

(Andreas Petters, CDU: Mit diesem Antrag.)

Aber Kollegin Schulz hat völlig zu Recht schon darauf hingewiesen, dass wir das gesamte Thema Modellregion bereits als Thema im Sonderausschuss haben. Und, meine Damen und Herren, ich beabsichtige – und die Einladungen waren insofern schon fertig, die mussten wir nur wegen eines anderen Punktes noch korrigieren –, selbstverständlich diesen Bericht des Justizministers als Tagesordnungspunkt in den Sonderausschuss zu bringen.

(Andreas Petters, CDU: Selbstbefassung. – Wolfgang Riemann, CDU: Damit der Sonderausschuss mal wieder was zu tun hat.)

Wir werden uns im Sonderausschuss damit auseinander setzen. Wir werden uns vom Sonderausschuss aus, der ja von diesem Landtag für das Thema Verwaltungsreform eingesetzt worden ist, mit dieser Frage auseinander setzen. Und ich bin ganz sicher, der Justizminister wird hier sehr, sehr viel unterstützenden Rückenwind bekommen, auf einem Weg, den wir für absolut richtig halten.

(Beifall Volker Schlotmann, SPD, und Torsten Koplin, PDS)

Aber nun, meine Damen und Herren, zum Antrag der CDU. Eigentlich könnte ich ja sagen, mit dem Bild des Ministers vom Zug und der Draisine ist er schon erledigt. Ich will mir das aber nicht ganz so einfach machen, sondern zunächst einmal feststellen, dass ich es ja eigentlich

erfreulich finde, dass sich die CDU in dieses Thema offenbar aktiv einbringen will.

(Andreas Petters, CDU: Wird.)

Allerdings die Art und Weise, wie dies versucht wird, die scheint mir noch nicht die richtige zu sein.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Die richtig große Reform.)

Zunächst einmal, meine Damen und Herren, Herr D r. Jäger, wir haben hier schon mal eine Menge an Diskussionen geführt. Ich erinnere mich an eine Diskussion über das Standardöffnungsgesetz,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

in dem wir uns sehr deutlich und sehr gut mit dem Thema „Entstehung von Bürokratie“ und mit dem Thema „Entstehung von Überregulierung“ auseinander gesetzt haben, wo wir in der Analyse zwischen Koalition und Opposition gar nicht so weit auseinander lagen. Und wir haben sehr wohl festgestellt, wenn Sie sich erinnern, dass wir eine ganze Fülle von Ursachen für dieses Überwuchern bürokratischer Regelungen gesehen haben und auch eine ganze Fülle von Verantwortlichen, übrigens auch uns selbst, denn auch Landtage tragen dazu bei, Regelungsgut zu pflegen. Wenn ich das mit den Äußerungen von Herrn Petters über Führungskräfte und deren Fehlverhalten vergleiche, dann kann ich nur sagen: Herr Petters, Sie fallen hinter dem, was hier im Hause in allen Fraktionen schon Stand der Erkenntnisse war, weit, sehr weit zurück.

(Andreas Petters, CDU: Von Fehl- verhalten habe ich gar nicht gesprochen.)

Ich glaube, Sie sollten sich einmal alte Protokolle angucken, denn wir waren schon längst viel weiter.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Aber noch einmal zu den einzelnen Inhalten. Der wesentliche Aussagesatz dieses Antrages der CDU heißt: „Die Landesregierung wird aufgefordert“. Meine Damen und Herren, ich glaube, wenn man jemanden, der etwas nicht tut, was er tun sollte, zu diesem Handeln auffordert, dann ist das vollkommen richtig. Aber wenn man jemanden, der längst arbeitet, der längst aktiv ist, auffordert, endlich anzufangen, dann glaube ich, meine Damen und Herren, geht man an der Sache vollkommen vorbei.

(Gabriele Schulz, PDS: Sehr richtig. – Zuruf von Andreas Petters, CDU)

Ich möchte das Bild des Ministers vielleicht ein bisschen abwandeln: Das ist jemand, der hinter einem längst fahrenden ICE hinterherrennt und schreit, du darfst abfahren.

(Beifall Ute Schildt, SPD, und Volker Schlotmann, SPD)

Und nun, meine Damen und Herren, schauen wir uns einmal an, was dieser Antrag von diesen Grundsatzproblemen im Weiteren enthält. Und damit bin ich bei der Frage der Deregulierung als politischem Problem. Ich habe so ein bisschen den Eindruck, wenn ich Ihren Antrag sehe, dass bei Ihnen Deregulierung bedeutet, dass es Vorschriften gibt, seien es nun Gesetze, Verordnungen, Erlasse oder sonst etwas, die Ihnen inhaltlich nicht pas

sen. Und unter dem Deckmantel des sehr populären Begriffs „Deregulierung“ sagen Sie: Wir machen jetzt Deregulierung und hauen diesen Unsinn weg. Und dieses, meine Damen und Herren, ist nicht meine Vorstellung von Deregulierung.

(Andreas Petters, CDU: Was halten Sie denn von einer Testregion?)

Deregulierung heißt, dass wir das, was wir an Regeln haben, überprüfen, ob wir es denn wirklich noch benötigen, und dass wir uns beim Schaffen neuer Regelungen immer wieder die Frage stellen: Ist dies wirklich nötig? Und wir werden, wenn wir dieses Thema ernsthaft betreiben, sehr schnell zu dem Ergebnis kommen, dass wir eine ganze Menge an Regelungen auch zukünftig noch benötigen. Und wer sagt, eine Baugenehmigung kriege ich in einem Tag per Fax,

(Andreas Petters, CDU: Das ist ein Fakt. Ein Fakt ist das! Eine vorläufige Baugenehmigung.)