Protocol of the Session on December 10, 2003

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte ein weiteres Bedauern zum Ausdruck bringen, weil es in meinen Augen ein zusätzlicher Schutz für eine objektive Berichterstattung gewesen wäre. Herr Ministerpräsident, natürlich haben manche Länder Medienstandorte. Aber dann bitte doch die Verflechtungen wirklich auf den Tisch! Ich könnte sie Ihnen gerne geben. Das ist überhaupt kein Problem. Da gibt es hoch interessante Verflechtungen, insbesondere auch in Nordrhein-Westfalen, nicht nur was die Standortfrage betrifft, sondern gerade was die gesellschaftlichen Verflechtungsbeziehungen betrifft, denn die sind viel interessanter als die Standortfrage. Und, meine Damen und Herren – das kennen wir bei der SPD schon, auch aus anderen Bereichen –, da wird Wasser gepredigt und kräftig nicht nur Rotwein getrunken.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will hier gar nicht weiter auf dem Thema herumhacken. Die SPD, die sonst vehement für Meinungs- und Medienfreiheit eintritt, kann offenbar hier nicht mitmachen, nicht darauf mit eingehen.

Zurück zum Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ist ein wesentlicher Bestandteil ihres Programmauftrages, die Grundversorgung zu sichern. Meine Damen und Herren, was fällt aber unter den Begriff „Grundversorgung“? Muss dieser Begriff nicht grundsätzlich mal definiert werden, was da alles hineinfällt?

ARD, ZDF und das DeutschlandRadio werden verpflichtet, jeweils Satzungen oder Richtlinien zur näheren Ausgestaltung ihres Auftrages zu erlassen. Der ist allgemein in formeller und inhaltlicher Weise für alle öffentlichrechtlichen Anstalten geregelt. Der Auftrag knüpft an den spezielleren Staatsvertrag an und in den jeweiligen Landesrundfunkgesetzen werden die Programmaufträge durch Generalklauseln geregelt. Damit wird europäischen Vorstellungen entsprochen, den Aufgabenbereich des gebührenfinanzierten Rundfunks genauer zu bestimmen. Meine Damen und Herren, wir, die CDU, finden es in Zeiten von Debatten über die Erhöhung von Gebühren sehr gut, dass sich die Sender durch Selbstverpflichtung gegenüber der Öffentlichkeit binden, vor allem dass die Selbstverpflichtung auch im Hinblick auf Qualität und quantitative Begrenzung noch weitere Präzisierung und Konkretisierung mit einschließt. Abzuwarten bleibt jedoch, ob die Praxis der Selbstverpflichtungserklärung den Erwartungen an eine Präzisierung des öffentlich-rechtlichen Funktionsauftrages genügt. Das haben die Länder, so meine ich, richtig angemerkt.

Meine Damen und Herren, mir war natürlich klar, dass es auch um die Rundfunkgebühren in dieser Debatte gehen würde

(Siegfried Friese, SPD: Aber dann sagen Sie doch mal was dazu!)

und nicht nur um das konkrete Anliegen im Siebten Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

Das werde ich schon tun, Herr Kollege Friese.

Es ist dringend an der Zeit, dass der Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen neu hinterfragt und überprüft wird. Was darf alles mit unseren Gebührengeldern finanziert werden? Ich bin für die Finanzierungsgarantie des öffentlichrechtlichen Rundfunks. Ich bin für die Ausweitung von Regionalfenstern bei Radio und Fernsehen. Ich bin für die Modernisierung der Technik, denn nur wer die Zukunft mit anfasst, hat auch eine. Wofür ich aber nicht bin, ist, dass wir über eine Gebührenerhöhung sprechen, ohne zu hinterfragen, was wir damit alles bezahlen. Erfüllt der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Auftrag noch, wenn er die Seifenopern „Verbotene Liebe“ und „Marienhof“ ausstrahlt? Oder sollte er das nicht lieber den Privaten überlassen, die das sowieso besser können, meine sehr verehrten Damen und Herren?!

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Siegfried Friese, SPD: Nun seien Sie mal ganz vorsichtig! Wir haben immerhin Programmautonomie.)

Und, Herr Ministerpräsident, es ist doch ein Widerspruch, wenn Sie sagen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss sich im Wettbewerb den privaten Anbietern stellen, aber gleichzeitig sagen, er muss bei der Unterhaltung nicht unbedingt mithalten. Das ist doch ein Widerspruch, den Sie hier vorgetragen haben. Deswegen ist es umso dringender geboten, wirklich Grundversorgung zu hinterfragen und zu definieren, übrigens aus meiner Sicht im wohlverstandenen Interesse der Grundversorgung, insbesondere im Bereich von Politik, Kultur und Bildung, aber auch so genannter Spartenprogramme, Minderheitenprogramme.

(Beifall Rainer Prachtl, CDU)

Und deswegen muss man noch einmal wirklich hinterfragen dürfen.

Und, Herr Ministerpräsident, warum schließen Sie sich nicht den Fragestellungen Ihrer Kollegen an? Es ist immer einfach, nur den bayerischen Ministerpräsidenten zu nehmen, der Kollege Steinbrück ist da auch mit auf der Palette, Ihr Kollege Milbradt aus Sachsen auch. Aber warum können Sie nicht auch diese Fragen stellen, die ich persönlich für legitim halte in Abschnitt II.?

Die Regierungschefs der Länder fordern die Rundfunkanstalten auf, die von der KEF aufgezeigten Wirtschaftlichkeitsreserven auszuschöpfen, insbesondere:

1. in gleichem Maße Einsparungen bei den Personalaufwendungen wie bei den Programmaufwendungen nachzuweisen

2. Lohnbestandteile in gleichem Maße anzupassen, wie es gegenwärtig in der öffentlichen Verwaltung geschieht Die Frage ist doch berechtigt. Sie kürzen bei den Polizistinnen und Polizisten in diesem Land Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Ist es nicht auch gerechtfertigt, das im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu hinterfragen?

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Die Frage muss doch gestattet sein, Herr Ministerpräsident Ringstorff!

(Siegfried Friese, SPD: Das ist ein Eingriff in die Rundfunkfreiheit.)

3. den erreichten Sparanteil beim Sachaufwand nicht zur Deckung neuer Aufgaben, sondern zugunsten stabiler Rundfunkgebühren einzusetzen

4. Klangkörper zu reduzieren und verstärkt in diesem Bereich zu kooperieren

(Siegfried Friese, SPD: Dann machen Sie doch mal den Vorschlag mit den Klangkörpern!)

5. das ist ein ganz entscheidender Punkt, meine sehr verehrten Damen und Herren, bei alten Versorgungswerken wie im öffentlichen Dienst eine Abkopplung von der Gesamtversorgung zu erreichen

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Ist es nicht legitim, solche Fragen zu stellen?

Und, Herr Ministerpräsident Ringstorff, wenn ich die Zahlen richtig im Kopf habe, sind fast 15 Prozent der Ausgabenseite bei den Öffentlich-Rechtlichen beim Thema Altersversorgung angesiedelt. Gucken Sie sich die Zahlen genau an! Die Fragen müssen gestellt werden.

Ich denke, es ist eine Verpflichtung, die man hat als Ministerpräsident, dies mit zu hinterfragen. Und natürlich, da stimme ich Ihnen zu, es ist dummes Zeug zu fragen: Was ist das Programm wert? Das kann niemand gewichten in der Gebührenhöhe. Aber wir haben schon eine Verpflichtung. In einer brisanten Zeit wie heute geht es den Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, in Deutschland wirtschaftlich nicht gut. Wir muten ihnen sehr viel zu. Und deswegen ist es schon berechtigt zu fragen: Sind 1,07 Euro, 1,09 Euro in dieser Situation sozial verträglich? Ist das gerechtfertigt oder muss man nicht hinterfragen, ob man Fragen, die ich Ihnen gestellt habe, auch in die Debatte mit hineinnimmt? Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, kommen wir nicht gegebenenfalls dahin, dass viele Menschen dann sagen, die Gebührenerhöhung mache ich nicht mit, und werden dann zu Schwarzsehern? Das hilft

hier keinem weiter, weder in Mecklenburg-Vorpommern noch in Deutschland.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ohne gründliche Überprüfung, davon bin ich fest überzeugt, werden wir auch den Menschen nicht klar machen können, dass Gebührenerhöhungen in der Zukunft im öffentlich-rechtlichen Bereich weiter notwendig sind. Herr Friese, Sie haben mich gefragt, wofür ich bin. Ich denke, man sollte die anstehenden Gebührenerhöhungen für zwei Jahre aussetzen. Die Zeit muss man sich nehmen, um zu überprüfen, was das ZDF, die ARD-Anstalten und das DeutschlandRadio alles leisten müssen. Wir überprüfen und stellen ganz in Ruhe fest. Ich bin ja dabei, dass man das nicht mit einer Strukturdebatte verknüpfen sollte, was...

(Siegfried Friese, SPD: Das tun Sie aber gerade! Genau das haben Sie eben getan.)

Also wissen Sie, Herr Kollege Friese, wenn ich eine Strukturdebatte führe, dann stelle ich die Existenz vom Saarländischen Rundfunk und von Radio Bremen in Frage. Das sind für mich Strukturdebatten. Für mich ist es keine Strukturdebatte, zum Beispiel zu fragen: Kann man nicht mehr bei Info-Radio, bei Klassikangeboten überregional kooperieren und da mehr gemeinsam machen?

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Rainer Prachtl, CDU: Das stimmt.)

Muss es verschiedene Info-Kanäle bei den ARD-Anstalten oder mehrere Klassik-Kanäle geben? Die Fragen sind für mich berechtigt. Oder: Ist es weiter wirklich tragfähig, dass ich weit über 60 Hörfunkprogramme bei den Öffentlich-Rechtlichen in Deutschland habe?

(Beifall Kerstin Fiedler, CDU, und Rainer Prachtl, CDU)

Das hat für mich nichts mit Strukturen zu tun. Strukturfragen sind für mich, ganze ARD-Anstalten in Frage zu stellen. Das ist für mich eine ganz andere Sachlage.

(Siegfried Friese, SPD: Wenn Sie diese Frage mit der Gebührenerhöhung zusammen bringen.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten uns aber nicht nur die Programme ansehen. Wenn wir bei der Verwaltung in unserem Lande sparen können und sparen müssen, und da sind wir uns einig, dann muss das aus meiner Sicht auch für eine Anstalt gelten – ich komme gleich zum Ende –, die wir mit Gebühren der Bürger aus Mecklenburg-Vorpommern in Deutschland bezahlen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier muss man die ideologische Brille nach meinem Dafürhalten abnehmen. Ich bin dafür, dass man ganz in Ruhe – und das Gute ist, dass es zwei CDU-Ministerpräsidenten und ein SPDMinisterpräsident sind – diese Vorschläge prüft. Man muss sich nicht alle zu Eigen machen, aber sie rundweg abzulehnen und nicht zur Prüfung hinzuziehen, das halte ich in der augenblicklichen Situation nicht für legitim. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Rehberg.

Der Ministerpräsident hat noch mal ums Wort gebeten. Bitte, Herr Dr. Ringstorff.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nur um

vorab einmal etwas deutlich zu machen: Herr Rehberg, ich lehne keine Diskussion um weitere Kostenreduzierungen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ab. Das habe ich sehr deutlich gesagt und ich habe auch gesagt, dass die Intendanten selbst diese Diskussion nicht ablehnen. Das einmal voran klargestellt.

Es geht darum, dass der Öffentlich-Rechtliche wettbewerbsfähig ist. Er muss mit dem Privaten konkurrieren. Aber ich habe in diesem Zusammenhang deutlich gemacht, dass es deshalb notwendig ist, dass er eine vernünftige finanzielle Ausstattung hat. Ich glaube, das ist ganz, ganz wichtig. Ich beobachte, Herr Rehberg, nämlich schon, nicht nur seit der letzten Ministerpräsidentenkonferenz, sondern schon seit einigen Zusammentreffen, dass es gezielte Bemühungen gibt, die für mich zumindest den Anschein haben, als wenn man die öffentlich-rechtlichen schwächen will zugunsten der privaten Anstalten.

(Beifall Siegfried Friese, SPD: Richtig.)

Und ich bin selbstverständlich dafür, dass Verflechtungen auf den Tisch gelegt werden. Minderheitsbeteiligungen der SPD bei Zeitungen beispielsweise bei Medienveranstaltern sind öffentlich, sind auf dem Tisch. Aber müssen wir nicht einmal über Verflechtungen sprechen, wie es sie beispielsweise in Bayern gab, Herr Rehberg? Da hat eine quasi halbstaatliche Bank einem großen Medienkonzern Kredite über Kredite gegeben, in der letzten Phase ohne jede Besicherung. Wenn Sie das umrechnen auf das Kreditvolumen pro Tag, dann waren das 2 Millionen Euro. Nun sage mir mal jemand, dass das nichts mit Verflechtungen zu tun hat, wenn gleichzeitig bekannt wird, dass führende CDU-Politiker Beraterverträge, hoch dotierte Beraterverträge – und sehen Sie sich mal an, wie die ausgestaltet sind – mit Herrn Kirch abgeschlossen haben: Kohl 600.000. Waigel, Scholz und andere bekannte Namen der Union stehen da auf dem Beraterzettel der Kirch-Medienanstalt. Ich glaube, das sind die Skandale, das sind die Verflechtungen, über die man sprechen muss in diesem Land.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen, Herr Rehberg: Diskussionen ja, aber Diskussionen mit den Beteiligten und nicht quasi ein Diktat von drei Ministerpräsidenten nach dem Motto „Friss oder stirb!“, „Bau fünf Prozent Personal ab, reduziere!“, und das dann noch mit Vorschlägen verbunden, die fachlich überhaupt nicht zusammenpassen, wie 3sat und Arte zusammenzulegen. Wer sich mit der Geschichte dieser Programme auskennt, weiß, dass Altbundeskanzler Kohl wesentlichen Anteil daran hatte, dass ARTE eingeführt wurde, dass der Programmauftrag von ARTE und von 3sat völlig unterschiedlich ist. Nein, das war ein Überfall. Das war keine Diskussion, wie ich sie gewohnt bin in der Ministerpräsidentenkonferenz. Und selbstverständlich gebe ich Ihnen Recht, dass auch Steinbrück einen großen Medienstandort in seinem Land hat, und der fällt genauso unter meine Kritik wie die beiden anderen Ministerpräsidenten, die Ihrer Partei angehören, Herr Rehberg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)