Protocol of the Session on November 13, 2003

Ich sage aber auch ganz deutlich, dass den Tarifparteien zur Sicherung der Tarifautonomie ein begründetes Einspruchsrecht bleiben muss. Gleichzeitig müssen aber die gerade für mittelständische Betriebe kostentreibenden Teile der Schröder’schen Reform des Betriebsverfassungsgesetzes zurückgenommen werden. Dabei gilt es auch, die Größe der Betriebsräte und die herabgesetzten Schwellenwerte für freigestellte Betriebsräte zu überprüfen.

Meine Damen und Herren, noch einmal: Es gibt bereits in 35 Prozent der Betriebe betriebliche Bündnisse für Arbeit, die im Augenblick allerdings zumindest am Rande der gesetzlichen Legalität beschlossen werden, zumindest am Rande.

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist nicht wahr! Sie sind doch Jurist.)

Gucken Sie sich das genau an, Frau Kollegin Gramkow!

(Angelika Gramkow, PDS: Ich habe extra die Kommentare mitgebracht.)

Es ist notwendig, dieses in der Praxis offenbar dringend benötigte Instrument endlich auf eine klare gesetzliche Grundlage zu stellen und so den Weg für mehr Arbeitsplätze frei zu machen.

Abgesehen davon bin ich auch der Überzeugung, dass der Flächentarifvertrag und die Tarifautonomie durch betriebliche Bündnisse sogar eine Stärkung erfahren werden und nicht, wie der DGB befürchtet, geschwächt werden, wenn man das vernünftig ausgestaltet. Ich bin sicher, dass die Tarifvertragsparteien das Signal des Gesetzgebers verstehen und ihre Tarifverträge in Zukunft so gestalten werden, dass auch danach betriebliche Bündnisse eindeutig möglich sind.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Die sind doch heute schon möglich.)

Wir brauchen Flexibilität nicht nur im Betrieb, sondern auch in den Tarifverträgen.

(Zuruf von Ute Schildt, SPD)

Wenn die Tarifvertragsparteien sich darauf einstellen, wird der Flächentarifvertrag eine echte Resonanz erleben und sich auch in Ostdeutschland wieder durchsetzen.

Meine Damen und Herren, es kommt darauf an, dass beschäftigungsorientierte Abweichungen von Tarifverträ

gen künftig unter Beachtung der Tarifautonomie zugelassen werden. Betriebliche Bündnisse für Arbeit und beschäftigungssichernde Betriebsvereinbarungen müssen gesetzlich abgesichert werden. Es muss klargestellt werden im Tarifvertragsgesetz, dass es den Unternehmen möglich ist, Arbeitslose während der Probezeit auch zeitweilig unter Tarif zu beschäftigen.

(Torsten Koplin, PDS: Eine Job- philosophie ist das, das ist unmöglich!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe gesagt, dass man in wesentlichen Teilen Ihrem Antrag zustimmen kann, weil er nämlich nur etwas festschreibt, was einem Grundkonsens der Demokraten in der Bundesrepublik Deutschland seit Anbeginn entspricht, nämlich dem, was auch im Grundgesetz in Artikel 9 festgeschrieben ist. Und deshalb habe ich kein Problem damit, wenn der Landtag die hohe Bedeutung der Tarifautonomie als einen Eckpfeiler der Demokratie bekräftigt. „Artikel 9 des Grundgesetzes“, heißt es in Ihrem Antrag, „gibt Tarifautonomie Verfassungsrang.“ Das ist alles richtig. „Das freie Aushandeln von Tarifbedingungen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden hat zum Erfolg der Bundesrepublik und zu ihrer wirtschaftlichen Kraft beigetragen.“ Das ist völlig unbestritten. „Es ist Sache der Tarifvertragsparteien das Verhältnis zwischen zentraler Verhandlungsmacht der Tarifvertragsparteien und betrieblichen Möglichkeiten in eigener Autonomie zu regeln.“

(Volker Schlotmann, SPD: So ist es.)

Auch das ist grundsätzlich in Ordnung. „Daher ist es nicht Aufgabe von Politik den Flächentarifvertrag abzuschaffen.“ Richtig. „Bei flexibler Handhabung schafft er gleiche Konkurrenzbedingungen in einer Branche.“ Und wenn Sie sich diesen Satz einmal ansehen und dann den nächsten lesen, dann merken Sie, dass hier ein ganz entscheidender Widerspruch in Ihrem Antrag steckt. Es heißt: „Bei flexibler Handhabung schafft er gleiche Konkurrenzbedingungen in einer Branche.“

(Volker Schlotmann, SPD: So ist es.)

Und dann sagen Sie im nächsten Satz: „Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern spricht sich gegen jede Bestrebung zur Aushöhlung der Tarifautonomie und des Flächentarifvertrages aus.“

(Volker Schlotmann, SPD: So ist es.)

Ja, meine Damen und Herren, es geht doch gerade darum, dieses Instrumentarium flexibel zu handhaben,

(Volker Schlotmann, SPD: Auszuhöhlen.)

und das heißt, an die derzeitigen Arbeitsmarkterfordernisse sinnvoll anzupassen. Und deshalb haben wir, weil ich gesagt habe, der andere Teil ist ja in Ordnung, Ihnen einen Änderungsantrag vorgelegt, der nur an dem letzten Absatz eine Veränderung vornimmt. Es soll dann lauten: „Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern spricht sich auch für flexible Regelungen innerhalb der Tarifautonomie und des Flächentarifvertrages aus.“

(Volker Schlotmann, SPD: Sie sind also für die Aushöhlung?)

Und wenn wir das so beschließen,

(Torsten Koplin, PDS: Er umschreibt das die ganze Zeit nur.)

dann ist das eben keine Aushöhlung, Herr Kollege Schlotmann, sondern es ist schlicht die notwendige Anpassung an das, was in der Praxis schon längst vollzogen ist, was aber den Betriebsräten zunehmend Probleme bereitet, weil sie immer wieder von interessierter Seite unter Druck gesetzt werden, wenn sie solche Vereinbarungen schließen und weil sie unzulässigerweise...

(Volker Schlotmann, SPD: Sagen Sie doch Ge- werkschaften, wenn Sie Gewerkschaften meinen.)

Sie setzen sich für die Arbeitnehmer ein und sie werden an den Rand der Legalität gedrängt, weil es keine klaren gesetzlichen Regelungen gibt.

(Heiterkeit bei Volker Schlotmann, SPD)

Und deshalb ist es notwendig, dass wir hier zu einer flexiblen Handhabung kommen. Und die muss ausschließlich daran orientiert sein, dass bestehende Arbeitsplätze gesichert werden und neue geschaffen werden können. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Volker Schlotmann, SPD: Sie sind für Aushöh- lung, Herr Kollege, gegen die Gewerkschaft.)

Danke schön, Herr Dr. Born.

Das Wort hat jetzt die Fraktionsvorsitzende Frau Gramkow von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich weiß gar nicht, wie ich damit umgehen soll, aber wissen Sie, wie schön das auf einem türkischen Basar ist,

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU – Torsten Koplin, PDS: Ich fordere eine Auszeit. – Siegfried Friese, SPD: Jetzt ist es genug, Frau Gramkow.)

wie viel Spaß es macht zu feilschen, das Gefühl zu haben, miteinander zu reden und zu versuchen, den anderen übers Ohr zu hauen?!

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU)

Und vielleicht ist der Vergleich, dass man gegenwärtig den Vermittlungsausschuss dazu benutzt, ja gar kein negativer, sondern ein positiver, Herr Dr. Born.

(Beifall Karsten Neumann, PDS – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Und wenn Sie auf der einen Seite...

(Rainer Prachtl, CDU: Liebe Kollegin, reden Sie mal lieber zum Thema! – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Und wenn Sie auf der anderen Seite uns Klassenkampfparolen vorwerfen,

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Volker Schlotmann, SPD: Die CDU ist getroffen. – Glocke der Vizepräsidentin)

wenn Sie uns auf der anderen Seite Klassenkampfparolen vorwerfen, weil wir sagen, keine Hand wird an die Tarifautonomie gelegt, dann frage ich, was das eben gewesen ist, was Sie uns hier geboten haben.

(Unruhe bei den Abgeordneten – Beifall Gerd Walther, PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Fragen Sie doch mal Ihren Wirtschaftsminister!)

Für mich eine Mär des Wolfs im Schafspelz,

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, Regine Lück, PDS, und Karsten Neumann, PDS – Rainer Prachtl, CDU: Was das wohl für Wölfe im Schafspelz sein sollen?!)

so zu tun, als ob!

(Rainer Prachtl, CDU: Wenn das Wölfe im Schafspelz sind, was sind Sie dann?)

Worum geht es denn eigentlich? Es geht um nicht mehr und nicht weniger, als dass die Industrie und ihre politische Vertretung, CDU/CSU, die Gewerkschaften dieses Landes als Blockierer hinstellen und die Tarifautonomie aushöhlen wollen,