Protocol of the Session on October 9, 2003

Antrag der Fraktionen der SPD und PDS: Dreimonatige Kündigungsfrist im Wohnraummietrecht muss auch bei Altverträgen eindeutig sein – Drucksache 4/809 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Heydorn von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Seit dem 1. September 2001 ist das neue Mietsrechtsreformgesetz in Kraft. Das vorherige Mietrecht in Deutschland hatte deutliche Defizite. Es trug den Anforderungen einer modernen Gesellschaft nicht ausreichend Rechnung. Es war sprachlich und zum Teil auch inhaltlich veraltet und durch zahlreiche Gesetzesänderungen unübersichtlich geworden. Deswegen war es das Ziel, es zu vereinfachen, es neu zu gliedern und inhaltlich zu modernisieren.

Das Gesetz strebt nun einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen den Mietern und Vermietern an und soll zugleich übersichtlicher und verständlicher gemacht werden. Die wichtigsten Neuerungen sind:

Stärkung des Vergleichsmietensystems

Senkung der Kappungsgrenze für den maximal erlaubten Mietanstieg von 30 auf 20 Prozent

höhere Transparenz in der verbrauchsabhängigen Betriebskostenabrechnung

Vereinheitlichung der vorher unterschiedlichen Regelungen zwischen Eigenbedarf und Verwertungskündigungen bei der Umwandlung in Eigentumswohnungen

Anerkennung von Mietverhältnissen bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften

Kündigungsrecht gegenüber nicht in der Wohnung lebenden Erben

Ein weiterer wesentlicher Punkt, mit dem sich der vorliegende Antrag der Fraktionen von SPD und PDS beschäftigt, sind die Kündigungsfristen. Die Kündigungsfrist für Mieter von drei Monaten gilt als ausgesprochener Fortschritt dieser Mietrechtsreform. Nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers sollte diese Frist nicht nur für neue, sondern auch für die alten und vor der Mietrechtsreform geschlossenen Verträge gelten, wenn die Altverträge Kündigungsfristen von bis zu zwölf Monaten fordern. Es war also halt so, dass für beide Parteien – sowohl für Mieter als auch für Vermieter – sich die Kündigungsfristen verlängerten, je länger jemand in der Wohnung wohnte. Das erste Mal nach fünf Jahren, das zweite Mal nach acht Jahren und das dritte Mal erhöhte sich die Kündigungsfrist nach Ablauf von zehn Jahren. Das hat man verändern wollen, und zwar indem man sagte, Mieter haben grundsätzlich die Möglichkeit, nach drei Monaten zu kündigen.

Hierbei hat der Gesetzgeber seinen Willen jedoch nicht ausdrücklich formuliert. Es gibt Probleme bei den Altverträgen. Und unser Antrag geht dahin, dass wir hier noch mal eine Initiative starten wollen, dass der Gesetzgeber diesen Gesetzestext noch mal neu aufgreift, noch mal neu formuliert und letztendlich die Möglichkeit schafft, dass auch diese Altmietverträge mit einem Zeitraum von drei Monaten mieterseitig gekündigt werden können. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Herr Heydorn.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu fünf Minuten für jede Fraktion vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Strenz von der Fraktion der CDU.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Mietrechtsreformgesetz – ein großes Vorhaben mit vielen Schwachstellen. Schon seinerzeit waren sich Fachleute darüber einig, dass dieses Gesetz, so, wie es denn vorliegt, mit der heißen Nadel gestrickt wurde, was sich heute bestätigt, jedoch nicht bedeutet aus unserer Sicht, dass Sie mit Ihrer Forderung nach einer Bundesratsinitiative den richtigen Ansatz zeigen.

Der Bundesgerichtshof, so scheint es, mutiert zwangsweise zum Reparaturbetrieb für ein stümperhaft formuliertes Mietrecht. Jedoch hat der Bundesgerichtshof in dieser

Situation sehr schnell entschieden und keinen Zweifel daran gelassen, dass, wenn Mietverträge vor dem 01.09.2001 abgeschlossen worden sind und nach Mietdauer gestaffelte gesetzliche Kündigungsfristen wörtlich oder sinngemäß wiedergeben, diese fortgelten, und zwar auch dann, wenn sie formulargemäß vereinbart wurden. Das BGH-Urteil vom 18. Juni 2003 bedeutet, dass Altmietvertrag eben nicht gleich Altmietvertrag ist. Abzugrenzen sind alte Mietverträge, in denen die alten Fristen gerade nicht in einer Vertragsklausel genannt, sondern mit einer Fußnote erläutert oder in denen die alten Fristen explizit nicht genannt wurden. Die Kündigung richtet sich in diesen Fällen nach dem geltenden Recht. Es handelt sich demnach um eine problemlose dynamische Rechtsverweisung.

Nur die Mietverträge, die die alten Fristen – und um die geht es Ihnen ja – wörtlich oder sinngemäß wiederholen, sind Ihnen ein Dorn im Auge. Jedoch der BGH ist nun mal unumstößlich der Auffassung, dass wörtlich oder sinngemäß wiedergegebene Fristen eben vertragliche Vereinbarungen sind, denn dieses ergibt sich ebenfalls aus dem Wortlaut der Übergangsvorschriften des Artikels 229 Paragraph 3 Absatz 10 EBGB. Wissen Sie, hier wird bestimmt, dass Paragraph 573 c Absatz 4 BGB eben keine Anwendung findet, wenn abweichende Kündigungsfristen vor dem 01.09.2001 durch den Vertrag vereinbart worden sind.

Die BGH-Entscheidung fußt auf der schriftlichen Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung für das Mietrechtsreformgesetz. Danach sollte mit der Übergangsvorschrift aus Gründen des Vertrauensschutzes sichergestellt werden, dass vor dem In-Kraft-Treten des Mietrechtsreformgesetzes wirksam vereinbarte Kündigungsfristen auch zukünftig wirksam bleiben. Wer hier – und den Eindruck hat man unterschwellig – das Lied vom schwachen, hilflosen Mieter und dann möglicherweise vom schmarotzenden Vermieter anstimmt, verkennt die Realitäten des Wohnungsmarktes, ganz besonders hier in Mecklenburg-Vorpommern.

Die unterschiedlichen Kündigungsfristen, mit denen die rot-grüne Regierungskoalition die ausgewogene Symmetrie einseitig zu Lasten der Vermieter veränderte, lehnte die CDU bereits im Jahre 2001 ab und an diesem Standpunkt hat sich bis heute nichts geändert. Einen Antrag, der einem asymmetrischen Kündigungsrecht Vortrieb leistet, können, wollen und werden wir nicht mittragen. Gerade der private Kleinvermieter wird durch solche Regelungen enorm benachteiligt oder gänzlich abgeschreckt. Es ist durchaus richtig, den gesellschaftlichen Veränderungen – und die sind ja hier noch gar nicht angesprochen worden – vielleicht Rechnung zu tragen. Bei Verzug, bei Umzug, bei einem zweiten Wohnsitz die Voraussetzung einer erhöhten Mobilität zu haben und dem Rechnung zu tragen – all das sind Dinge, über die man natürlich nachdenken muss. Aber besser für die Menschen hier in Mecklenburg-Vorpommern wäre es, wenn man sich auch mit dem Fakt beschäftigt, wenn Sie Ihre Berliner Kollegen dazu anhalten würden, das Debakel um die Pendlerpauschale zu beenden, oder eine sichere zukunftsträchtige Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt sicherstellen könnten.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass man lieber beim alten ausgewogenen, verlässlichen und verständlichen Mietrecht geblieben wäre. Das ist unsere Sicht. So hätten wir heute die Verkomplizierungen gar nicht erst gehabt. In

diesem Fall – und es ist schon fast ein Zufall, dass man heute Morgen mit dem guten alten Bismarck angefangen hat – würde ich ganz gerne mit einem Bismarck-Zitat auch enden. Und zwar äußerte dies eine Broschüre, die Sie alle kennen, die sich mit Bau und Wohnungseigentum beschäftigen. Dort sagte eine Rechtsanwältin Ricarda Breiholdt aus Hamburg, die sich sehr mit der Materie beschäftigt hat: „Wie hätte es Reichskanzler Otto Graf von Bismarck doch so zutreffend gesagt: ,Mit den Gesetzen ist es wie mit den Würstchen. Manchmal ist es besser, wenn man nicht sieht, wie sie gemacht werden.‘“

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Frau Strenz.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Lück von der Fraktion der PDS.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine Vorredner haben hier ja schon gesagt, dass am 1. September 2001 die jüngste Mietrechtsreform in Kraft getreten ist. Ich glaube, dass dieses neue Mietrecht von vielen kaum bemerkt worden ist, besonders auch die Veränderungen bei den Kündigungsfristen. Auch so genannte einfache Zeitmietverträge sind ja jetzt nicht mehr zulässig. Auch das wurde von vielen gar nicht bemerkt.

Bei der Abrechnung von Betriebskosten gab es vor allem drei Veränderungen. Und die möchte ich doch noch mal hervorheben, weil sie ja auf ganz viele Mieter Einfluss haben. Das ist einmal die Kostenumlage auf die Miete, das sind die Ausschlussfristen für Nachforderungen des Vermieters und die Einwendungen, die dem Mieter zustehen gegen die Abrechnungen. Also bei den Betriebskostenabrechnungen gelten die neuen Vorschriften allerdings nicht für Abrechnungszeiträume, die vor dem In-KraftTreten des Mietreformrechts liegen.

Welche Kündigungsfristen bei so genannten Altmietverträgen angewandt werden, ist ja in der Übergangsregelung, in der Übergangsvorschrift geregelt. Nun, nach dem neuen Mietrecht, gelten die neuen Kündigungsfristen auch für Altmietverträge. Ausnahmen gibt es nur, wenn in den alten Verträgen eine Vereinbarung über Kündigungsfristen enthalten ist. Und da gibt es ja die zwei Varianten, nämlich einmal wurde in den alten Verträgen ausdrücklich von der derzeit gültigen Kündigungsfrist abgewichen, oder zweitens, es wurde in einem so genannten Formularmietvertrag, von dem Frau Strenz ja schon sprach, der alte Gesetzestext wörtlich oder auch sinngemäß wiedergegeben oder darauf Bezug genommen. Genau um diese Ausnahmeregelungen und speziell um die so genannten Formularmietverträge geht es aber.

Vor der Mietrechtsreform galten je nach der Dauer der Mietverhältnisse für beide Mietparteien Kündigungsfristen von drei, sechs, neun und von zwölf Monaten. Nun ist es verändert worden ganz im Sinne der Mieter, auf drei Monate ist es abgesenkt worden.

(Karin Strenz, CDU: Ausschließlich.)

Eine vertragliche Abweichung hiervon zu Lasten des Mieters ist nicht mehr möglich. Für den Vermieter gilt seit dem 01.09.2001 je nach Vertragsdauer eine Kündigungsfrist von drei, sechs und neun Monaten. Enthält also ein Mietvertrag, der vor dem 1. September 2001 abgeschlossen wurde, keine Vereinbarung über Kündigungsfristen,

so gilt unabhängig von der Vertragsdauer die neue gesetzliche Frist von drei Monaten. Dies ist jedoch nicht der Regelfall, sondern die Ausnahme. Eine Ungleichbehandlung von Mietern und längere als dreimonatige Kündigungsfristen müssen aus heutiger Sicht auch als unbillige Härte angesehen werden. Vermieter – das meine ich und das sehen seriöse und auch zukunftsfähige Wohnungsunternehmen genauso – können Mieterbindungen auf Dauer nur durch Service und auch durch Rechtssicherheit erreichen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Ihnen liegt der Antrag der Koalitionsfraktionen vor, mit dem wir für beide Mietparteien mehr Rechtssicherheit erreichen wollen. Wenn sich geltendes Recht als Hemmschuh für persönliche und auch für gesellschaftliche Entwicklung erweist, dann muss es auch korrigierbar sein. Und es ist doch paradox, wenn von unseren Menschen auf der einen Seite mehr Flexibilität gefordert wird und verlangt wird und auf der anderen Seite diese Flexibilität durch gesetzliche Regelungen gleichzeitig beschränkt wird. So sieht es die Bundesregierung als zumutbar an, dass Menschen, die arbeitslos werden, spätestens nach drei Monaten Arbeitslosigkeit in der ganzen Bundesrepublik umherziehen und sich bei Androhung von Sperrzeiten und Leistungsentzug einen neuen Wohnort suchen müssen.

(Zuruf von Karin Strenz, CDU)

Andererseits kommen die Betreffenden aus ihren Mietverträgen womöglich nicht heraus.

(Präsidentin Sylvia Bretschneider übernimmt den Vorsitz.)

Meine Damen und Herren, Sie sehen also, dass eine Gesetzesänderung beziehungsweise Korrektur und Richtigstellung unabdingbar ist. Alles andere würde zu Lasten der Mieter gehen und deren berechtigte Interessen vertreten wir hier. Ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Reinhard Dankert, SPD)

Vielen Dank, Frau Lück.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Heydorn von der SPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Frau Strenz, es kommt natürlich immer darauf an, wen man fragt. Wenn man einen Rechtsbeistand des Verbandes Norddeutscher Wohnungsunternehmen fragt, dann kriegt man natürlich solche Aussagen. Das liegt einfach daran, das ist wahrscheinlich im Norden die größte Vermieterorganisation, die wir haben, und dass die sich natürlich zu der durchgeführten Reform nicht positiv äußern, das kann man an dem Punkt verstehen und nach

vollziehen. An deren Stelle hätte ich da auch keine andere Auffassung vertreten.

Aber ich muss Ihnen widersprechen. Die Mietrechtsreform hat in der Tat zu klaren Formulierungen geführt. Das ganze Mietrecht ist deutlich verständlicher geworden und es ist transparenter im gesamten Aufbau. Und jeder, denke ich, kommt damit heute besser klar.

Ich gebe Ihnen im Folgenden Recht: Was das Thema Kündigungsfristen angeht, ist die Intention des Gesetzgebers nicht vernünftig umgesetzt worden, denn der Gesetzgeber hatte erkannt, dass wir mit gewissen Megatrends zu leben haben, die unsere Gesellschaft in erheblichem Umfang verändern. Zum Beispiel ist eines dieser Themen das Thema Arbeitnehmermobilität. Und das Thema Arbeitnehmermobilität spielt auch in Mecklenburg-Vorpommern eine Rolle. Also jemand, der in irgendeiner Form darauf angewiesen ist, sehr schnell den Arbeitsplatz oder den Wohnort zu wechseln, weil er einen Arbeitsplatz an anderer Stelle angenommen hat, der ist in der Situation, da schnell handeln zu müssen. Dem wollte der Gesetzgeber Rechnung tragen. Und der Gesetzgeber wollte von seiner Ursprungsintention dem auch für die Altverträge Rechnung tragen. Was misslungen ist, ist letztendlich die Formulierung, die da ins BGB eingeflossen ist. Und wir wollen in der Tat jetzt eine Initiative starten, dass das noch mal zugunsten der Mieter, die ja in erster Linie davon betroffen sind, verändert wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Heydorn.

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/809. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist dem Antrag mehrheitlich mit den Stimmen der SPD- und der PDS-Fraktion gegen die Stimmen der CDU-Fraktion und einigen Stimmenthaltungen bei der CDU-Fraktion gefolgt.