Protocol of the Session on October 9, 2003

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Als Erste hat um das Wort gebeten die Sozialministerin des Landes Frau Dr. Linke. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben wieder das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Gesundheitsreform in Gestalt des GKVModernisierungsgesetzes hat am 26. September den Bundestag in Erster Lesung passiert und ich gehe davon aus, dass es nun wahrscheinlich doch wesentliche Ände

rungen nicht mehr geben wird, so dass ich sagen kann, dass der Ihnen vorliegende Entschließungsantrag eine im Gesetzentwurf formulierte Absicht beinhaltet, die die Landesregierung und die sie tragenden Parteien sehr begrüßen.

Es handelt sich um das im Paragraphen 139 a fixierte Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Diese Einrichtung soll als ein fachlich unabhängiges rechtsfähiges wissenschaftliches Institut errichtet werden, dessen Träger der gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte- und Krankenkassen sein soll. Hierzu kann eine Stiftung des privaten Rechts errichtet werden. Finanziert werden soll das Institut durch die Vertreter der Leistungserbringer, also der Ärzte und der Spitzenverbände der Krankenkassen je zur Hälfte.

Die Begründung des Gesetzentwurfes hebt insbesondere auf die Gewährleistung des dynamischen Prozesses der Fortentwicklung der medizinischen und der pflegerischen Leistungen ab. Ein Beteiligungsrecht des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung wird eingeräumt. Im Übrigen soll aber die Unabhängigkeit des Instituts gewährleistet bleiben.

(Harry Glawe, CDU: Sehr richtig.)

Ja, das habe ich gerade deshalb gesagt. Es ist also ein unabhängiges Institut.

(Harry Glawe, CDU: Jawohl.)

Ein solches Institut, das sowohl, Herr Glawe, dem Qualitäts- als auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichtet ist, stellt ein Novum für das deutsche Gesundheitswesen dar.

Bezüglich des Erfordernisses eines derartigen Institutes beziehe ich mich ausdrücklich auf die hier von Herrn Koplin in der Einbringungsrede ausgeführten Erörterungen. Die Einrichtung und Ausgestaltung der Arbeitsweise des Instituts erfordern gemeinsame Bemühungen der Leistungserbringer und der Kostenträger. Sie in diesen Bemühungen zu unterstützen ist Anliegen der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern.

Wir empfehlen den Einrichtungsbeteiligten, das Institut in unserem Bundesland, und zwar am Standort Greifswald zu gründen. Dieser Empfehlung liegen folgende Gesichtspunkte zugrunde. Greifswald bietet mit seiner Universität ausgewiesene wissenschaftliche Disziplinen, vor allem in der Medizin, aber auch in den Wirtschaftswissenschaften, die mit dem künftigen Institut kooperieren sollten. Insbesondere die langjährigen Erfahrungen in der evidenzbasierten Community Medicine bieten ein breites Feld von Anknüpfungspunkten zum Auftrag des Institutes. Die wechselseitige Beeinflussung medizinischen Fortschritts und ökonomischer Effizienz kann zu neuen interessanten universitären Forschungsansätzen führen. Da die Beurteilung des Fortschritts neben den medizinischen Wirkungen und Nebenwirkungen auch nicht medizinische Risiken während des Fortschrittsprozesses einbeziehen muss, sind die hierfür angewandten Verfahren ständig zu evaluieren, und hier ist auch eine Kooperation mit der Universität außerordentlich vorteilhaft.

Mir scheint, dass bei derartigen Prozessen insbesondere auch der Präventionsaspekt stärker berücksichtigt werden sollte. Die Wissenschaftsfelder Kuration, Rehabilitation, aber auch Palliation werden ständig bearbeitet. Wenn es gelänge, dem wissenschaftlichen Anspruch an

Prävention in der Zukunft stärkeres Gewicht zu verleihen, würde das mittel- und langfristig mit Sicherheit die Folgesektoren der Heilung und der Nachsorge medizinisch und damit natürlich auch finanziell die gesetzlichen Krankenkassen entlasten.

Beiträge dazu erwarte ich auch von dem neu zu gründenden Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. Die Ansiedlung einer solchen wissenschaftlichen Institution wäre geeignet, den Forschungsstandort Greifswald, das Land Mecklenburg-Vorpommern, aber natürlich auch die Forschungsleistungen der neuen Länder zu würdigen und zu stärken. Lassen Sie uns deshalb gemeinsam weiterhin initiativ werden, um den Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen sowie das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung von der Eignung des Standortes Greifswald zu überzeugen. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Frau Dr. Linke.

Es hat jetzt um das Wort gebeten der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur des Landes Professor Dr. Metelmann. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Einrichtung eines derartigen Institutes für Qualitätssicherung in der Medizin entspricht ja einer viele Jahre alten Forderung, nicht nur des Medizinischen Fakultätentages der Hochschulen, sondern auch der Bundesärztekammer, des Hartmannbundes und des Marburger Bundes. Der Grundgedanke der Einrichtung ist also nur mitzutragen, ein wunderbares Instrument, was wir wirklich in der Medizin brauchen.

Es ist auch gar keine Frage – und Frau Dr. Linke hat es mit vielen Details ausgeführt –, dass unser Land und insbesondere die Universität Greifswald dafür ein ausgezeichneter Standort wären. Ich denke nicht nur an das Stichwort Community Medicine. Ich denke auch an die große Gesundheitsstudie „Gesundheit in MecklenburgVorpommern“,

(Harry Glawe, CDU: Vorpommern!)

Pardon, Vorpommern, genau. Stichprobenartig bei 15.000 Menschen die Gesundheitsdaten erfasst, gut verteilt: Männer, Frauen, Junge, Alte aller möglichen Berufe. Eine derartige Studie gibt es in ganz Europa nicht noch einmal. Die Lehrstühle sind angesprochen worden, die Kooperationen, das ist alles wunderbar.

Trotzdem, wenn wir das wirklich erfolgreich machen wollen – und ich gehe davon aus, dass wir das wirklich alle wollen –, dann müssen wir auch sehen, dass das kein Selbstläufer ist. Es gibt vier Problempunkte, die wir ansprechen müssen.

Erster Problempunkt: In dem Augenblick, wo wir aus den theoretischen Erarbeitungen zur Qualitätssicherung den nächsten Schritt machen wollen in Richtung klinische Studien, Fallstudien, Erprobungen einzelner Empfehlungen, werden wir in Greifswald mit dem Mangel an Patienten und dem Mangel an Hochschulbetten konfrontiert werden. Wir sind nicht geeignet für eine eigenständige Studie, die die Aussagen des ersten Schrittes in der Qua

litätskontrollinstitution untersetzen könnte. Wir müssen also frühzeitig versuchen, wie man das bei klinischen Studien immer macht, wenn es multizentrische Studien sind, die Leitstrukturen dafür in Greifswald anzubieten. Zu dem Antrag gehört also auch, dass wir deutlich machen, es wird ohne eine Multicenterstudie nicht gehen. In der zweiten Phase der Erarbeitung müssen wir in unserem Antrag dann auch die Kompetenzen der Hochschule, was klinische Studien angeht, einbinden.

Zweites Problem, das wir lösen müssen: Wir haben das sehr auf Community Medicine basiert. Das ist auch völlig richtig, aber wir haben eine Lücke im Bereich Public Health. Public Health betrachtet die allgemeine Gesundheitssituation nicht wie Community Medicine aus der ärztlichen Perspektive, sondern aus der sozialwissenschaftlichen Perspektive. Das kommt gelegentlich zu anderen Ansätzen. Wir haben im Lande keinen Lehrstuhl, kein Institut für Public Health. Wir sind also angewiesen auf die Kooperation. Wir müssten in unseren Antrag unbedingt mit hineinbringen die Kooperation mit der Universität Lund und mit Malmö – beides ausgewiesene Zentren für den Bereich Public Health und Community Medicine, dort zusammengefasst unter dem Begriff Gesamtmedizin.

Dritter Punkt: Wir müssen davon ausgehen, dass die Ärzteverbände, die Sie ja genannt hatten, Frau Dr. Linke, in der Entscheidungssituation den Standort MecklenburgVorpommern nicht präferieren. Das ist in einem ersten Kamingespräch deutlich geworden, einem Kamingespräch mit der Wissenschaftsministerin. Es gibt bestimmte Vorbehalte, die man nicht alle ganz rational ergründen kann. An dieser Stelle wäre es sicherlich hilfreich, wenn wir dann auch die guten Leistungen der beiden medizinischen Fakultäten in diesem Lande in der Ausbildung deutlich machen. Da hilft uns im Augenblick ausgesprochen, dass wir gerade wieder die frischen Ergebnisse der zentralen Prüfung der Mediziner auf dem Tisch haben. Das Institut für medizinische Prüfungsfragen in Mainz gibt immer, wenn ein Prüfungsturnus dieses, wenn man so will, Zentralprüfungssystems vorbei ist, die ersten Ergebnisse heraus. Diese sehen für uns ausgesprochen günstig aus. In der ersten ärztlichen Prüfung gehören unsere beiden medizinischen Fakultäten im Lande unter 66 Kontrahenten bundesweit zu den führenden fünf. Das müssen wir präsentieren. Das ist ein wichtiges Argument, denn wenn Qualitätskontrolle und Qualitätsentwicklung sinnvoll sein sollen, dann müssen sie frühzeitig in die Ausbildung hineingehen, da haben sie einen Multiplikatoreffekt. Junge Ärztinnen und Ärzte müssen ausgebildet werden mit dem Bewusstsein für Qualität in der Medizin.

Und der vierte Punkt ist eine Hürde, die wir überwinden müssen, und das sind schlicht und einfach die Krankenkassen. Hier gibt es erhebliche Vorbehalte gegen den derzeitigen Zustand der Universitätsklinika in unserem Lande. Man versucht kräftig, die beiden Hochschulklinika einzudampfen. Es gibt Vorstellungen davon, dass man gut die Hälfte der Betten einsparen könnte. Das würde den Standort dann restlos ungeeignet machen für ein Qualitätsentwicklungszentrum.

Ich glaube, an dieser Stelle kann man nur argumentieren mit dem Hinweis, gerade die Krankenkassen brauchen Evidence Base Medicine – Herr Kollege, Sie haben das angesprochen –, eine Grundlage für Qualitätsentwicklung. Wir sollten die Hochschulsituation in diesem Lande und die Wissenschaftszentren, die dazugehören, nutzen, damit wir etwas beitragen können zur Qualitäts

entwicklung in der Medizin. Und das kann nur im Interesse der Krankenkassen sein. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Minister.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Glawe. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kollegen! Der Antrag, den die PDS und die SPD auf den Weg gebracht haben, ist zumindest rechtsförmlich nicht ganz korrekt. Deswegen haben wir uns erlaubt, Änderungsanträge zu stellen. Ich möchte sie jetzt im Einzelnen nicht vortragen, Sie können sie nachlesen.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Haben wir auch schon.)

Einmal geht es darum, dass Sie den Begriff „Behörde“ darin haben. Ich denke, das kann man so nicht machen.

Die Ministerin hat vorgetragen, worum es sich handelt. Auch diese Frage ist entschieden, und zwar am 26. September im Deutschen Bundestag. Alle Parteien haben parteiübergreifend die Eckpunkte festgelegt, wie das Modernisierungsgesetz auszusehen hat, und haben dabei auf eine Schaffung einer Stiftung sowie eines Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen hingewiesen und es festgeschrieben. Und das haben wir uns erlaubt, in Ihrem Antrag korrekt zu ändern. Ich hoffe, dass Sie damit auch umgehen können.

(Volker Schlotmann, SPD: Das können wir. – Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS: Wir werden es mal versuchen.)

Es geht darum, obwohl die Chancen nicht groß sind – das wissen wir alle hier –, trotzdem zumindest auf der einen Seite eine gewisse Aufmerksamkeit für beide medizinische Fakultäten im Land zu schaffen. Und das, was der Minister vorgetragen hat, ist richtig, aber die entscheidende Frage ist letzten Endes so zu stellen: Wie kommen wir mit den Fallpauschalen, mit Benchmarking und mit der Gesundheitsreform, die ja vor gut einem Jahr verabschiedet worden ist, klar?

Ich hatte in der letzten Aktuellen Stunde Herrn Minister schon einmal darauf hingewiesen, dass es in besonderer Weise bei den Universitäten, also bei der Grundversorgung und damit auch bei Forschung und Lehre zu Problemen kommen kann und wird, und zwar deswegen – ich hatte damals die Zahl genannt –, weil in Rostock und in Greifswald die Fallzahldurchschnitte etwa zwischen 3.100 und 3.400 Euro pro Fall liegen. Das, was im Lande durch die Krankenkassen passieren wird, ist die Zahl, die wir ab 2006 wahrscheinlich haben werden mit Blick auf die Umsetzung, einen Durchschnittsfallwert von etwa 2.500 Euro. Das heißt, wir haben hier an den Universitäten nachher ein Finanzierungsproblem und damit auch ein Beschäftigungsproblem und, wenn man so will, in gewisser Weise ein Qualitätsproblem, weil man dann wahrscheinlich Abstriche in der medizinischen Versorgung machen muss. Man muss auch über die Zusammenlegung von einzelnen Abteilungen nachdenken. Das ist dann wieder verbunden mit der Frage nach Forschung und Lehre und wie ich mit den Studenten in der medizinischen Ausbildung umgehe. Da wir sozusagen

einen hohen Standard haben, der auch bundesweit anerkannt ist, wäre es also äußerst bedenklich, wenn wir in dieser Frage ein Problem bekommen würden.

Insgesamt will ich nur sagen: Bei den Antragstellern hätte ich mir etwas mehr Sachlichkeit und vor allen Dingen beim Umgang mit dem Gesetz, beim Abschreiben von Gesetzen –

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sorgfalt.)

Sorgfalt, genau, danke, Herr Kollege – etwas mehr Sorgfalt bei der Formulierung des Antrages gewünscht. Wir haben deswegen den Änderungsantrag gestellt. Wenn Sie unserem Änderungsantrag zustimmen können, werden wir auch dem Antrag zustimmen.

(Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das ist aber Erpressung, Herr Kollege!)

Ich denke, das, was wir machen können, haben wir dargelegt. Frau Ministerin hat ja auch den Lapsus, den Sie sozusagen begangen haben, vor etwa zwei Stunden in einer Presseerklärung richtig gestellt. So viel, Herr Koplin, zu Ihrem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU, PDS und Volker Schlotmann, SPD)

Danke schön, Herr Glawe.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Dr. Nieszery. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach so viel geballter ministerieller Kompetenz bleibt einem als normaler Abgeordneter nur noch wenig zu sagen zu dem Thema, ob wir das Institut hier in Mecklenburg-Vorpommern ansiedeln oder nicht. Die klare Aussage der SPD-Fraktion ist: Wir unterstützen jede Maßnahme, die dazu führen wird, dieses Institut in Mecklenburg-Vorpommern anzusiedeln. Besonders sympathisch ist Ihr Vorschlag, Frau Ministerin, es in Greifswald anzusiedeln. Auch in Anbetracht des heutigen Debattenverlaufes kann jetzt wohl niemand mehr sagen, für Vorpommern werde von Seiten der Landesregierung nichts mehr getan. Wir werden diesem Antrag und auch dem Änderungsantrag zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Harry Glawe, CDU)