die Einführung der Bürgerversicherung. Ich denke, ebenfalls die schrittweise Einführung aller Bürgerinnen und Bürger in die Krankenversicherung, eben die echte Bürgerversicherung, so, wie sie der Fraktionsvorsitzende Herr Schlotmann hier dargestellt hat, ist unausweichlich. Und ich appelliere an Sie: Lassen Sie uns in der weiteren Reform an Bismarck anknüpfen! Entscheiden wir uns für die Bürgerversicherung, das ist die zeitgemäße Form des Bismarck’schen Grundsatzes der solidarisch-paritätisch finanzierten Sozialversicherung. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es steht mir ja nicht zu, das intellektuelle Niveau der Redebeiträge meiner Kollegen hier zu analysieren.
Ich möchte aber einmal kundtun, dass der Redebeitrag des Kollegen Renz zu einem Problem, zu einem gesamtgesellschaftlichen und hochbrisanten Problem unserer Zeit an Peinlichkeit aus meiner Sicht kaum zu überbieten ist.
Meine Damen und Herren, einige Kritiker der Bürgerversicherung – auch in unseren eigenen Reihen – behaupten, dass es nicht sinnvoll sei, mehr Geld in ein System hineinzupumpen, das ihrer Meinung nach marode ist, ohne vorher die Strukturen zu optimieren und dadurch alle Wirtschaftlichkeitsreserven auch innerhalb der Selbstverwaltungskörperschaften ausgeschöpft zu haben.
Nun, meine Damen und Herren, die eben verabschiedete Gesundheitsreform ist sehr wohl an Strukturen herangegangen, darauf haben auch meine Vorredner schon hingewiesen, wenngleich auch nicht in dem Maße, wie wir Sozialdemokraten uns das gewünscht hatten.
Mehr war aber in den Konsensgesprächen mit der Opposition auch nicht drin. Allerdings haben wir durch den Kompromiss sehr wohl den Fuß in die Tür gestellt, um jederzeit an notwendigen Strukturveränderungen und -verbesserungen im System weiterarbeiten zu können. Lassen Sie mich zunächst einige Beispiele darstellen, bevor wir auf das Problem der Bürgerversicherung zurückkommen:
Jedes Auto wird vom TÜV genauer untersucht und überprüft als medizinische Behandlungsqualität. Deshalb muss Gesundheitspolitik dafür sorgen, dass keine unnötigen oder wirkungslosen Untersuchungen, Behandlungen und Medikamente mehr zu Lasten der Beitragszahler verordnet werden.
In Deutschland gibt es immer noch mehr Ultraschalluntersuchungen als in Westeuropa und den USA zusammen. In keinem Land gibt es so viele Herzkatheterunter
suchungen und auch bei den Arzneimitteln muss zu allererst die notwendige und wirkungsvolle Versorgung der Patienten und Menschen und nicht die Dividende der Pharmakonzerne im Vordergrund stehen.
Hier waren wir auf dem richtigen Weg, aber die Opposition in Berlin hat mit ihrer Bundesratsmehrheit bei den Konsensgesprächen sinnvolle und richtige Reformen wider besseres Wissen verhindert.
(Lorenz Caffier, CDU: Gott sei Dank! – Harry Glawe, CDU: Haben Sie überhaupt mitgekriegt, wer verhandelt hat?)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir müssen endlich dafür sorgen, dass Medikamente nur dann von den Beitragszahlern bezahlt werden, wenn sie einen Nutzen haben. Wir müssen endlich dafür sorgen, dass eine vernünftige Qualitätssicherung im Gesundheitswesen stattfindet. Ein von den Interessenvertretern unabhängiges Institut zur Qualitätssicherung ist deshalb unbedingt notwendig. Dieses Thema werden wir heute noch besprechen. Weiterhin wollen wir dafür sorgen, dass die Patientenrechte angemessen geschützt werden. Ein Patientenschutzgesetz ist deshalb auch schon in Vorbereitung. Und vor allem brauchen wir eine vernünftige Gesundheitsaufklärung und Prävention. Das Wissenschaftszentrum in Berlin hat berechnet, dass ein Viertel aller Ausgaben im Gesundheitswesen durch vernünftige Prävention eingespart werden könnten. Aber das ist nicht das Entscheidende. Entscheidend ist, dass nur durch vernünftige Prävention, gute Gesundheitserziehung und gute Gesundheitsbildung viele Menschen gesund bleiben können.
Es ist immer besser, Krankheiten zu verhindern, statt sie zu heilen. Ich denke, meine Damen und Herren, da sind wir einer Meinung. Mit dem Präventionsgesetz, welches die Bundesgesundheitsministerin vorbereitet, wird es einen Meilenstein in der Gesundheitsvorsorge in Deutschland geben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die eben genannten Beispiele gehören zu den notwendigen Strukturveränderungen des Gesundheitswesens, die wir Sozialdemokraten als Daueraufgabe für eine Optimierung der Ausgabenseite der gesetzlichen Krankenkassen betrachten und die uns über die nächsten Jahrzehnte stets begleiten wird. Weitaus gewichtiger ist jedoch die Lösung der Frage, woher künftig das Geld kommt, mit dem ein noch so gutes, hochwertiges und effizientes Gesundheitswesen bezahlt werden soll, und wie die Lasten dafür gerecht verteilt werden.
Das, meine Damen und Herren, ist eine grundsätzliche gesellschaftspolitische Frage, vor deren Beantwortung wir uns nicht drücken können. Sind wir eine Gesellschaft, die Krankheit für ein privates Problem hält oder die Kranken mit ihren Problemen weitgehend allein lässt? Oder sind wir eine Gesellschaft, die die Absicherung des Risikos Krankheit als eine Aufgabe betrachtet, die alle gemeinsam tragen sollen? Sind wir eine Gesellschaft, in der die Starken für die Schwachen, die Gesunden für die Kranken einstehen? Letzteres möchte ich jedenfalls und kämpfe auch dafür, dass wir eine solche Gesellschaft sind und bleiben.
Sehr geehrte Damen und Herren! „Langfristig droht uns eine Beitragslücke von fünf Prozentpunkten, die wir nicht durch die Erhöhung der Arbeitskosten finanzieren können. Ich sehe keine Alternative zur Einführung der Bürgerversicherung: Wir können nicht die Krankenversicherung durch die kranken Menschen sanieren lassen – mit nach oben offener Selbstbeteiligung und Leistungsausgrenzungen.“
So, jedenfalls, meine Damen und Herren und Kollegen von der CDU, argumentiert Horst Seehofer in der „Frankfurter Rundschau“ vom 25.09.
Das Konzept der solidarisch finanzierten gesetzlichen Krankenversicherung genießt bereits jetzt eine hohe Akzeptanz. Es entspricht einem breiten gesellschaftlichen Grundkonsens, dass der Schutz vor Krankheit und Wiederherstellung von Gesundheit ein Gut ist, welches vor egoistischen materiellen Interessen Vorrang haben muss. Die Akzeptanz eines Bürgerversicherungsmodells wird darüber hinaus wachsen, je deutlicher folgende Effekte eintreten: erstens die relevante Senkung des Beitragssatzes für Arbeitnehmer und Arbeitergeber sowie zweitens die gerechte und gleichmäßige Lastenverteilung. Unumgänglich ist dafür, über die Ausgestaltung der Beitragsbemessungsgrenze zu diskutieren. Alternativen, die hierbei erörtert werden, sind unter anderem das Anheben der Beitragsbemessungsgrenze auf die Höhe der gesetzlichen Rentenversicherung beziehungsweise die völlige Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze. Aus reinen Gerechtigkeitsempfindungen heraus bin ich hier ein Vertreter der reinen Lehre. Das ist eine persönliche Anmerkung meinerseits.
Den unsozialen Kopfpauschalen, wie sie unter anderem der hessische Ministerpräsident Koch, neuerdings auch die Herzog-Kommission und Frau Merkel ganz energisch fordern, und den neoliberalen Privatisierungsstrategien der Pharmakonzerne und ihrer Lobbyisten setzen wir ein modernes Modell der Solidarität, Gerechtigkeit und der persönlichen Freiheit entgegen,
das uns natürlich weiterhin verpflichtet, ständige Anpassungen der Strukturen innerhalb des Systems vorzunehmen und die Ausgaben unter Kontrolle zu halten. Solidarische Bürgerversicherung und permanente Strukturüberprüfungen und -anpassungen sind gemeinsam die Garanten für ein zukunftsfähiges, leistungsstarkes und sozial gerechtes Gesundheitswesen in Deutschland.
Meine Damen und Herren! „Wir wollen keine Gesellschaft von Egoisten.“ „Alle müssen sich beteiligen – und zwar entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Das Erwerbseinkommen alleine kann nicht mehr die Bemessungsgrundlage für Sozialbeiträge sein. Das ist eine notwendige Antwort auf die Veränderungen der Arbeitswelt: Auch auf Mieten, Zinsen und Pachten müssen Beiträge gezahlt werden. … Auch in Zeiten der Globalisierung müssen die Starken für die Schwachen eintreten. … Es geht um eine epochale politische Weichenstel
lung. Da sollte man sich nicht von kleinkarierten parteitaktischen Eifersüchteleinen leiten lassen.“
Meine Damen und Herren, ich kann mich dieser Einschätzung von Herrn Horst Seehofer nur uneingeschränkt anschließen und hoffe, dass auch Sie, meine Damen und Herren von der CDU, die Worte Ihres Sozialexperten ernst nehmen, und bitte Sie daher um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.
Herr Dr. Nieszery, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass das Wort „kleinkariert“ ein unparlamentarischer Ausdruck ist.
Sehr geehrter Herr Nieszery, um inhaltlich noch ein Stück voranzukommen, hatte ich die Frage gestellt, die ich an dieser Stelle wiederholen möchte: Hat aus Ihrer Sicht die Bürgerversicherung Nachteile? Wenn ja, welche? Ich würde dann gerne noch zwei Fragen stellen.
Sie haben versucht zu umschreiben, wie Sie zur Beitragsbemessungsgrenze stehen. Ich würde noch mal ein klares Wort von Ihnen an dieser Stelle hören. Halten Sie die Festlegung einer Beitragsbemessungsgrenze für richtig und auch für sozial gerecht?