Protocol of the Session on September 11, 2003

Machen wir das nachher draußen?

(Heiterkeit bei Peter Ritter, PDS: Oh, das ist heute schon das zweite Angebot rauszugehen.)

Ich gebe ja nie die Hoffnung auf, zur Sachlichkeit zurückzukommen bei Ihnen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Sie sind ja nicht mitgekommen.)

Meine Damen und Herren, die Aufhebung der Ortsbeschränkung, die der Innenminister verfügt hat, wie gesagt, das ist schon ein ziemlich langer Erlass, der den Behörden den Bruch des bundesdeutschen Rechts anrät. Denn Sie haben selber gemerkt, sie kommen da nur mit einer Ausnahmebestimmung aus. Und Sie haben auch …

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist doch hervorragend. Die gibt es aber.)

Ja, es ist eine hervorragende Arbeit zur Umgehung des Gesetzes. Wenn Sie das gut finden, mag das so sein. Ich bin groß geworden in der Vorstellung, dass zuerst einmal Rechtsstaatlichkeit gilt.

(Jörg Heydorn, SPD: Das ist eine Frage des Menschenbildes, was man hat.)

Das ist ein Menschenbild, genau das ist es,

(Peter Ritter, PDS: Aber Menschliches interessiert ja nicht. Das sehen wir ja an Ihrem Fraktionsvorsitzenden.)

nämlich auch für Asylbewerber klare, für sie auch verständliche Regelungen! Und wenn die den Erlass erst lesen müssen – das wird übrigens anempfohlen den Behörden, sie sollen diesen Erlass den Asylbewerbern nahe bringen –, dann verstehe ich überhaupt nicht mehr, was das soll. In Paragraph 56 Absatz 2 Asylverfahrensgesetz legis materiae steht drin, dass es eine Residenzpflicht gibt.

(Wolfgang Riemann, CDU: Genau.)

Sie gilt auch in Mecklenburg-Vorpommern, denn noch sind wir nicht aus der Bundesrepublik Deutschland ausgetreten, meine Damen und Herren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Und von dieser Residenzpflicht wird nun in einem langen Erlass des Innenministers und in einer Verordnung, die auch vom Herrn Ministerpräsidenten ordnungsgemäß unterzeichnet worden ist, angeblich eine Ausnahme gemacht und von dieser Ausnahme gibt es dann wieder eine Ausnahme. Die steht jetzt nicht in der Verordnung, sondern die steht in dem Erlass des Innenministers. Und da steht drin, also Leute, wenn das passiert, was wir befürchten, nämlich dass Asylbewerber die größere Bewegungsfreiheit zu Straftaten benutzen, dann schränken wir das ein.

Die Verwaltungen, die ich befragt habe, haben mir gesagt, das ist ein Verwaltungsaufwand: Jetzt müssen wir in jede Befugnis, die wir erteilen, zugleich hineinschreiben, wenn er schon mal Straftaten begangen hat, es wird begrenzt auf den Sitz der Ausländerbehörde, das heißt auf den Kreis, in dem der Asylbewerber die Entscheidung über seinen Antrag abwartet. Das müssen sie jetzt eigens machen. Das heißt, wir müssen alle durchprüfen.

(Peter Ritter, PDS: Wie viel sind denn das?)

Und das Zweite ist, …

(Peter Ritter, PDS: Wie viel sind denn das?)

Wie viel das sind? Das kann ich Ihnen sagen.

(Peter Ritter, PDS: Ja.)

Das werden wir in Kürze wissen, wenn wir den Verwaltungsaufwand …

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS: Ach! – Peter Ritter, PDS: Das kann ich ja nicht wissen.)

Entschuldigung, ich kann doch einen Erlass – ich weiß, dass Sie jetzt lachen, das ist typisches Unwissen –,

(Angelika Gramkow, PDS: Anscheinend.)

dieser Erlass, liebe Frau Gramkow,

(Angelika Gramkow, PDS: Ja.)

ist am 01.09. dieses Jahres in Kraft getreten.

(Jörg Heydorn, SPD: Also können Sie uns das nicht sagen.)

Also, ich bin zwar ziemlich gut in Verwaltungssachen, aber Hellseher bin ich nicht,

(Peter Ritter, PDS: Aber Sie haben uns doch gesagt, Sie haben Verwaltung gemacht.)

das sind Sie. Sie haben ja diesen ganzen Kram erst angeleiert. Das muss man auch mal sagen.

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Sie werden in die Geschichte dieser Republik eingehen mit der Regelung, die der Innenminister erlassen hat: Lass erst mal einen eine Straftat begehen und dann gehen wir wieder auf die gesetzliche Regelung zurück.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

So wörtlich im Erlass, meine Damen und Herren, nachzulesen. Das ist schon ein richtig tolles Ergebnis einer Verwaltungskunst.

Das Nächste ist, es war seinerzeit übereinstimmend zwischen den beiden großen Parteien SPD und CDU, dass das Hingehen zum Sachleistungsprinzip dazu beitragen sollte, bestimmte, nicht gewollte Inanspruchnahme – ich spreche jetzt sehr vorsichtig, damals hat man von anderen Worten Gebrauch gemacht – zu verhindern. Das hat sich auch bewährt. Meine Damen und Herren, es ist für Schlepper nicht mehr so attraktiv, in Asylbewerberunterkünften Druck auf hier lebende Menschen auszuüben, um ihnen die paar Euro – jetzt sind es Euro, damals waren es Mark – abzuluchsen, die nämlich vom Schlepperlohn noch aufzubringen waren. Glauben Sie mir, wenn Sie so weitermachen, dann werden wir irgendwann mal darüber nachdenken, was ist das für ein Menschenbild, Herr Kollege Heydorn, welches Asylbewerber diesem Druck aussetzt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Peter Ritter, PDS: Aber da ist doch nicht der Asylbewerber dran schuld.)

Das ist nämlich die reale Wirklichkeit.

(Peter Ritter, PDS: Da verwechseln Sie doch ein bisschen was. – Jörg Heydorn, SPD: Das ist unglaublich, was Sie hier zusammen- konstruieren! Das ist echt zum Kotzen! – Zuruf von Kerstin Fiedler, CDU)

Meine Damen und Herren, ich gebe das wieder, was Sie, wenn Sie sich etwas Mühe machen würden, in den …

(Lorenz Caffier, CDU: „Kotzen“ ist unparlamentarisch.)

Ach, Herr Kollege Heydorn, ich erkläre Ihnen das mal bei einem Glas Bier, wie man sich miteinander ausspricht. Ich bestehe nicht darauf.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS)

Aber ich wäre jetzt doch erfreut, Herr Ritter, wenn Sie Ihre Diskussionen …

Herr Dr. Jäger, einen kleinen Moment mal bitte.

Ja, danke schön.

Also bei aller Meinungsverschiedenheit, meine Damen und Herren, der Gebrauch unparlamentarischer Begriffe und eines Klimas, das uns den Redner nicht mehr verstehen lässt,

(Reinhardt Thomas, CDU: Richtig.)

glaube ich, ist trotz aller unterschiedlichen Auffassungen hier unwürdig für dieses Hohe Haus.

(Beifall Wolf-Dieter Ringguth, CDU)