Protocol of the Session on September 11, 2003

rung, Bürokratieabbau und Verwaltungsvereinfachung noch nicht hinreichend Rechnung tragen.“ Die magere Ausbeute wird also damit begründet, dass die Verwaltungsbediensteten, die eine Vorschrift erdacht haben, schlecht dafür geeignet sind, nun zu prüfen, ob diese Regel noch notwendig ist. Wer will sich schon selbst eingestehen, dass seine Arbeit überflüssig war? Also hält die Kommission die Einrichtung einer neuen Normprüfstelle in der Staatskanzlei für notwendig. Nicht der richtige Weg, wie wir meinen.

Wer sollte eigentlich besser geeignet sein als die Fachleute der einzelnen Ressorts, nun zu prüfen, ob eine Regelung noch notwendig ist? Dort sitzt die geballte Fachkompetenz, die es für die Verwaltungsmodernisierung zu nutzen gilt.

(Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Die Schwierigkeit besteht doch sicherlich vielmehr darin, die Fachressorts zu motivieren. Und diese Motivation erreicht man nach Personalführungskriterien mit einer Zielvereinbarung, die auf das Erreichen eines positiven Ziels gerichtet ist. Als Beispiel: Streiche 30 Prozent der Vorschriften deines Hauses, das ist eine klare Vorgabe, die man notfalls auch mit Sanktionen belegen kann, falls das Ziel nicht erreicht wird.

(Reinhard Dankert, SPD: Ja, das ist so wie in Hessen, aus drei eine.)

Aber wenn Sie dagegen sagen, streiche alle überflüssigen Vorschriften, dann ist das ein unklares und nicht sanktionsfähiges Ziel. Von daher ist es kein Wunder, dass die Kommission gerade durch den bewussten Verzicht auf die Formulierung eines bestimmten Prozentsatzes keine großen Erfolge bei ihren Deregulierungsbemühungen erreicht hat. Punkt 2 unseres Antrages fordert daher eine Zielvereinbarung, nach der mindestens 30 Prozent der Vorschriften zu streichen wären.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Gabriele Schulz, PDS: Sie haben doch den Zwischenbericht gelesen.)

Ich hatte Ihnen ja schon gesagt, Frau Schulz, unser Antrag hat bereits jetzt einen Erfolg.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Und wenn es nur 29 werden?)

Der Justizminister hat ebenfalls punktgenau diese 30 Prozent aufgeschrieben.

Eine Zielvereinbarung des Landtages mit der Landesregierung beinhaltet dann der Punkt 3 unseres Antrages. Bis spätestens 30. Juni 2004 muss die Landesregierung danach einen Prüfbericht vorlegen und begründen, warum die verbliebenen Rechtsverordnungen noch notwendig sind. Eine derartige Fristsetzung halten wir für notwendig, um den notwendigen Zeitdruck zu erzeugen, denn ohne die Arbeit der Kommission irgendwie herabsetzen zu wollen, andere Bundesländer, meine Damen und Herren, sind, was die Deregulierung betrifft, eben deutlich weiter als wir in Mecklenburg-Vorpommern.

Das Saarland, Sie hatten es schon gesagt, Herr Dankert,

(Reinhard Dankert, SPD: Ich war bei Hessen, aber Saarland auch.)

oder Hessen, die haben 2.000 Vorschriften gestrichen, auch in Bayern. Und wir? Die Streichliste hat 47 Punkte bisher.

(Reinhard Dankert, SPD: Die Zahl bestreitet ja auch keiner.)

Diese Landesregierung hätte einfach schon viel früher eine Deregulierungskommission einsetzen müssen. Immerhin ist Ihre Koalition ja bereits seit 1998 in Regierungsverantwortung und hatte bereits im Koalitionsvertrag des Jahres 1998 vereinbart: „Die Landesregierung hält die weitere Reform der öffentlichen Verwaltung auf Landes- und Kommunalebene für erforderlich.“

(Reinhard Dankert, SPD: Das stand ‘94 auch drin.)

Das war 1998. „Ziele der Reform sind Transparenz, Bürgernähe, Entbürokratisierung und Leistungssteigerung.“ Aber passiert ist zu wenig. Daher diese Frist.

(Heiterkeit bei Reinhard Dankert, SPD)

Durch die Regelung, dass die Landesregierung begründen muss, warum die verbleibenden Rechtsvorschriften noch notwendig sind, soll erreicht werden, dass wirklich nur noch die zwingend notwendigen Regelungen übrig bleiben.

Viertens. Die Kommission des Justizministers hat sich richtigerweise mit den bereits seit 1996 bestehenden Möglichkeiten zur Rechtsvereinfachung und Reduzierung der Vorschriften auf das unbedingt erforderliche Maß beschäftigt. Bereits seit diesem Zeitpunkt – seit 1996 – enthält die Geschäftsordnung der Landesregierung nämlich zahlreiche Prüffragen, nach denen jedes Vorhaben der Landesregierung auf Notwendigkeit, Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und Verständlichkeit hin zu überprüfen ist. Da muss unter anderem geprüft werden, ob überhaupt etwas geschehen muss, welche Alternativen es gibt, ob die Landesregierung oder eine andere nichtstaatliche Stelle handeln muss, ob ein Gesetz gemacht werden muss oder eine andere Regelung ausreicht, ob jetzt gehandelt werden muss oder noch abgewartet werden kann, um weitere Änderungen zu sammeln, ob der Regelungsumfang erforderlich ist, ob Kosten und Nutzen in angemessenem Verhältnis stehen und, und, und. Wenn diese Prüffragen, die noch etliche Unterpunkte enthalten, wirklich sorgfältig beantwortet werden, dann dürfte es eigentlich keine Überregulierung in Mecklenburg-Vorpommern geben. Aber ganz offensichtlich, meine Damen und Herren, wird diese Normprüfung entweder gar nicht oder nur unzureichend durchgeführt.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Wie sonst ist es zu erklären, dass in der SVZ vom 9. September 2003 zu lesen war, dass der Landesregierung der „Amtsschimmel des Monats“ übergeben wurde.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Eine ganze Schimmelherde!)

Für 1.500 Euro Förderung je Lehrstelle wird den Handwerksbetrieben ein 17-seitiges Formular abverlangt. Herr Petters ist in seiner Rede darauf sehr intensiv eingegangen. Eins ist sicherlich richtig, die Handwerkskammer Schwerin kritisiert zu Recht eine maßlos überzogene Bürokratie,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

und das heute.

Die Deregulierungskommission stellt zu den Prüffragen der Geschäftsordnung fest, „die mit diesem Verfahren

verbundenen Erwartungen haben sich jedoch offenkundig in der Praxis nicht erfüllt“, und will ein Controllingverfahren einführen, in dem eine zusätzliche zentrale Normprüfstelle eingerichtet wird.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Voland?

(Lorenz Caffier, CDU: Das ist während der Einbringung nicht zugelassen.)

Entschuldigung, Herr Caffier. Frau Voland, also bitte in der Debatte.

Fahren Sie bitte fort.

Also unnötiger zusätzlicher Verwaltungsaufwand, meinen wir, und deshalb wenig Erfolg versprechend, weil hier wieder die Verwaltung sich selbst kontrollieren soll. Meine Damen und Herren, wir wollen aber, dass der Landtag die Möglichkeit bekommt, das jeweilige Normprüfungsverfahren zu kontrollieren, und fordern daher, dass die Prüffragen zwingend schriftlich beantwortet werden müssen und dem Landtag vorzulegen sind.

In dem letzten Punkt unseres Antrages sind wir uns mit der Deregulierungskommission des Justizministers einig. Die bereits gegenwärtig in der gemeinsamen Geschäftsordnung der Landesregierung vorgesehenen Befristungsregelungen für Rechtsvorschriften werden nicht ausreichend angewandt. Darüber sind wir uns wirklich einig, denn bisher sind nur in drei Rechtsbereichen Befristungen vorgesehen worden, nämlich beim Standardöffnungsgesetz, bei der Standardöffnungsverordnung

(Heinz Müller, SPD: Zu Recht.)

und in der Hundehalterverordnung, Herr Müller. Das ist wirklich zu wenig.

Anders als die Kommission, die mit Hilfe eines umständlichen Verfahrens die Einhaltung der Soll-Vorschrift sicherstellen will, fordern wir eine einfache und generelle Verpflichtung zur Befristung bei allen Verwaltungsvorschriften des Landes. Dies zwingt nämlich die jeweiligen Ressorts und das Parlament in gewissen Zeitabständen einfach dazu, zu überprüfen, ob die Regelungen noch sinnvoll sind und ob sie sich in der Praxis wirklich bewährt haben.

Meine Damen und Herren, Deregulierung ist die Regulierung der Überregulierung. Deregulierung ist nicht mit der Arbeit der Kommission des Justizministers beendet, sondern sie ist ein Prozess, der nicht nur durch die Landesregierung, sondern auch durch das Parlament als Gesetzgeber ständig begleitet werden muss. Man muss nur einfach anfangen. Daher bitte ich um Zustimmung zu dem Antrag der CDU-Fraktion. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Als Erster hat ums Wort gebeten der Justizminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Sellering. Bitte schön, Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Herr Ringguth, lassen Sie uns nicht darüber streiten, ob auf Ihren Antrag vom 27. August 2003 hin der Bericht vom 14. August verfasst worden ist. Ich glaube, das führt uns nicht weiter.

(Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeordne- ten der SPD – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Sondern lassen Sie uns über die Sache reden. Lassen Sie uns über die Sache reden, das ist wichtig genug. Und ich fände es sehr wohltuend, Herr Dr. Born, dass nach der Erörterungsweise bei den letzten beiden Tagesordnungspunkten wir bei diesem wichtigen Punkt zu einer sachlichen Auseinandersetzung finden würden.

Ich freue mich, dass Ihr Antrag deutlich macht, meine Damen und Herren von der CDU, dass wir bei Deregulierung und Bürokratieabbau das Gleiche wollen. Ihr Antrag zielt ja genau in die Richtung, die die Landesregierung mit ihren Beschlüssen, zuletzt mit dem Kabinettsbeschluss vom 02.09., eingeschlagen hat, nämlich Deregulierung und Bürokratieabbau zu betreiben. In der Sache bleiben Sie ein bisschen zurück, weil Sie sich beschränken auf den Vorschriftenabbau. Und ich denke, da sind wir uns einig, dass eine wirkliche Deregulierung, ein wirklicher Bürokratieabbau nur bedingt mit der Zahl von Vorschriften zu tun hat, sondern da geht es um weitergehende Dinge. Da geht es darum, dass wir Verwaltungsverfahren vereinfachen müssen. Wir müssen dazu kommen, dass die Aufgaben, die wir staatlich erledigen müssen, dass wir die einfach mit weniger bürokratischem Aufwand erledigen.

Wir müssen weiter dazu kommen, als dritte Aufgabe bei der Deregulierung, dass wir bürokratische Gängelung abbauen. In meinem Hause zum Beispiel ist es so, dass wir den nachgeordneten Gerichten auf vielen Seiten genau detailliert vorschreiben, welchen einzelnen Schritt sie gehen müssen, um eine Aufgabe zu erfüllen. Das ist nicht richtig. Sondern richtig ist, das ist politische Steuerung, ein Ziel vorzugeben, genaue Angaben zu machen, welches Ziel man erreichen will, und dann die Freiheit zu geben, dieses Ziel mit den vernünftigen und angemessenen Mitteln zu erreichen. Das gibt Eigenverantwortung, das gibt Motivation. Das gilt zum Beispiel sehr stark auch im Bereich Schule, wo wir sehr viel ganz genau vorschreiben, wie was vermittelt werden soll, und das erstickt Motivation. Das ist die dritte Aufgabe bei Deregulierung und Bürokratieabbau.

Und die vierte und sehr wichtige Aufgabe ist, dass wir alles das, was wir tun an staatlichen Aufgaben, einer ernsthaften Kritik unterziehen, dass wir uns fragen, die ganze Bandbreite staatliche Aufgaben, die wir da wahrnehmen, muss die so wahrgenommen werden oder müssen wir uns nicht in Zeiten enger und knapper Kassen mit weniger bescheiden, uns von einigen Aufgaben lösen.