Protocol of the Session on May 22, 2003

Die Erfassung …

Herr Riemann, nehmen Sie doch erst einmal Fakten zur Kenntnis!

Deutschland ist ein reiches Land. Die Erfassung aller Vermögensbestände der privaten Haushalte in Deutschland ergibt zurzeit einen Gesamtwert von 10 Billionen Euro, eine 1 mit 13 Nullen.

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: Da ist aber noch was zu holen, Herr Borchert!)

Davon entfallen jeweils 40 Prozent auf Immobilien und Geldvermögen, 10 Prozent auf Gebrauchsvermögen und knapp 10 Prozent auf Betriebsvermögen. Ein statistischer Durchschnittswert von circa 250 Euro pro Haushalt bestätigt eindrucksvoll, dass Deutschland ein reiches Land mit einem beträchtlichen Wohlstandsniveau ist.

Neusten Angaben des US-Wirtschaftsmagazin „Forbes“ zufolge liegt Deutschland mit 43 Dollarmilliardären auf Platz 2 hinter den USA mit 222 Milliardären. In der Liste der Superreichen der Welt liegen die Aldi-Brüder Karl und Theo Albrecht mit einem Vermögen von 25,6 Milliarden US-Dollar auf Platz 3 der Rangliste. 25,6 Milliarden US-Dollar, das heißt mehr als drei Länderhaushalte von Mecklenburg-Vorpommern!

Der Reichtum in Deutschland wächst weiter, aber nicht für alle. Vermögen ist sehr ungleichmäßig verteilt. Nach dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung gehörten 1998 den unteren 50 Prozent der Haushalte nur 4,5 Prozent des gesamten Vermögens. Auf der anderen Seite verfügten die reichsten 10 Prozent der Haushalte über etwa die Hälfte des gesamten Vermögens.

(Wolfgang Riemann, CDU: Die zahlen 70 Prozent der Steuern. – Angelika Gramkow, PDS: Nee, gar keine. – Wolfgang Riemann, CDU: Das ist so!)

Diese Konzentration des Vermögens nimmt weiter zu, eben auch im erheblichen Maß durch Vererbung, denn in Deutschland werden jedes Jahr mindestens – mindestens – Vermögen von über 200 Milliarden Euro vererbt. Davon, meine Damen und Herren, werden lediglich 3 Milliarden Euro – 3 Milliarden Euro – vom Staat als Erbschaftssteuer erhoben.

(Angelika Gramkow, PDS: Richtig, das sind Peanuts!)

Das sind vergleichsweise Peanuts für die einen, aber für die anderen natürlich auf der Einnahmeseite viel Geld.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der Verschuldung öffentlicher Haushalte und der notwendigen Finanzierung von Aufgaben im Sinne des Gemeinwohls muss natürlich ohne ideologische Scheuklappen, Herr von Storch, die Frage diskutiert werden: Wie kann der Staat sicherstellen, dass Erben großer Vermögen einen angemessen Beitrag entsprechend ihrem Leistungsvermögen zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben leisten?

Es ist ja nun wahrlich nicht so, dass in der Geschichte der Bundesrepublik die CDU die Erbschaftssteuer nicht gewollt hat, abschaffen wollte. Das habe ich bisher nicht gehört. Umso mehr verwundert es mich, Herr von Storch, dass Sie sich heute ganz offensichtlich einer Reform der Erbschaftssteuer mit dem Ziel, diese langfristig als Einnahmeseite zu sichern, ablehnen. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.

(Kerstin Fiedler, CDU: Nennen Sie die Steuererhöhung nicht immer Reform!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit welcher Zielsetzung muss das bestehende Erbschaftssteuergesetz verändert werden? Es sind insgesamt drei Zielsetzungen aus meiner Sicht. Da werden wir sicherlich an einer oder zwei Stellen natürlich auch einen Dissens feststellen, das ist nicht die Frage. Aber ich möchte die drei Zielsetzungen noch einmal nennen:

Erstens geht es bei dieser Reform um Rechtssicherheit und Planungssicherheit. Das ist das Eine.

Zweitens – und selbstverständlich, Herr von Storch, da könnten wir uns wahrscheinlich in unterschiedlichen Positionen bewegen – geht es auch mit dieser Reform uns zumindest darum, die Steuereinnahmen der Länder zu verbessern. Ich weiß nicht, was daran schlecht sein soll.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Drittens geht es selbstverständlich auch um das Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Das ist wohl wahr. Ich nehme auch zur Kenntnis, dass Ihnen anscheinend dieser Wert nicht so viel wert ist.

Ich habe in meiner Eingangsrede schon etwas gesagt zu Rechtssicherheit und Planungssicherheit und die Gefahr, die besteht, dass ab 2006 wir überhaupt keine Erbschaftssteuer mehr in Deutschland haben. Wie sich in den Sitzungen der Fachleute der für Erbschaftssteuer zuständigen Vertreter der Finanzminister aller Länder aber zeigt, ist man sich parteiübergreifend grundsätzlich darüber einig, dass das Bewertungsverfahren zur Erb

schaftssteuererhöhung reformiert werden muss, um die Erbschaftssteuer damit wieder verfassungskonform zu machen. Ich glaube, dieser Punkt müsste zumindest hier parteiübergreifend doch zu einer gewissen Sachlichkeit wenigstens führen können.

Weiterhin geht es um die Verbesserung der Steuereinnahmen der Länder. Da möchte ich noch mal die bisherigen Steuereinnahmen nennen: deutschlandweit 2001 im Ist 2,5 Milliarden Euro, geplant sind für 2003 deutschlandweit 3,2 Milliarden Euro in allen Bundesländern praktisch.

Mecklenburg-Vorpommern: Wir hatten 1997 eine IstEinnahme von 5,6 Millionen Euro bei der Erbschaftssteuer, 2000 im Ist 2,9 Millionen Euro. Geplant waren für den Doppelhaushalt 2002/2003 jeweils 4 Millionen Euro. Durch den Nachtrag mussten wir hier absenken, anpassen auf 3 Millionen Euro. Aber Frau Keler hat darauf verwiesen, in dem Länderfinanzausgleich profitieren wir von der Gesamteinnahme der Erbschaftssteuer in einer Größenordnung von 61 Millionen Euro, das heißt, wir reden hier ganz konkret, ganz konkret, über die Gefahr, dass unser Land ab 2006 eine Mindereinnahme durch Wegfall von Erbschaftssteuer in Höhe von 64 Millionen Euro praktisch zu verkraften hätte. Da habe ich von möglichen Steuermehreinnahmen noch gar nicht gesprochen, Herr von Storch.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Jetzt kommen wir mal zu den Mehreinnahmen. Das wäre doch gar nicht schlecht, wobei ich sicher bin, die Umfragen haben es bewiesen, dass die Mehrheit der Menschen in unserem Land, nicht nur in MecklenburgVorpommern, sondern darüber hinaus, überhaupt gar nichts dagegen haben. Das haben eindeutig Umfragen bewiesen, dass die Reichen, die Vermögenden in unserer Gesellschaft einen größeren Beitrag leisten können. Von daher wäre schon noch mal die Frage, wer hier wirklich die Mehrheitsmeinung vertritt.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)

In Abhängigkeit von der Höhe der Steuersätze – zurzeit 30 Prozent – und Freibeträge wären aus meiner Sicht Mehreinnahmen in Deutschland durchaus möglich in Größenordnungen zwischen 1,5 und 2 Milliarden Euro.

(Angelika Gramkow, PDS: Ein bisschen mehr könnten es aber noch sein.)

Für Mecklenburg-Vorpommern könnten das Mehreinnahmen sein in der direkten Steuereinnahme von 1 bis 2 Millionen Euro, über den Länderfinanzausgleich entsprechend höher, ich glaube, Geld, was wir gut gebrauchen können.

Drittens. Ich sagte es bereits, es ist ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit, die Erben von Großvermögen – ich betone, von Großvermögen – gemessen an den Kosten des Sozialstaates zum Beispiel zu beteiligen. Es kann doch nicht sozial gerecht sein, wenn Arbeitslose, Arbeitslosenhilfebezieher und Kranke zusätzliche Belastungen übernehmen sollen und die Starken der Gesellschaft sich nicht im gleichen Maße beteiligen müssen.

(Beifall Dr. Martina Bunge, PDS, und Angelika Gramkow, PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun gibt es aber bei diesem Thema bei der CDU und FDP – und Herr von Storch hat da eine Kostprobe geliefert – ideologisch

motivierte Reflexe, die jegliche Veränderung bei der Erbschaftssteuer ablehnen. Dazu passend kommentiert Oliver Schumacher in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 29. März 2001: „Es ist wieder die große Stunde der Panikmacher und Märchenerzähler. SPD-geführte Bundesländer wollen die Erbschaftssteuer auf Grundbesitz erhöhen. Schon befürchtet die Wirtschaft eine Enteignungswelle, die Opposition sieht Omas Häuschen zwangsversteigert und Leitartikler wähnen den Beginn einer gigantischen Schröpfungsaktion. Um ein Fazit vorwegzunehmen: Diese Prognosen sind Unsinn. Keines der Horrorszenarien wird wahr werden.“

Herr Schumacher hat natürlich völlig Recht, denn schließlich reden wir hier über Steuerzahler, die lediglich in einer Größenordnung von sage und schreibe 0,25 Prozent betroffen sind. Ich wiederhole: Nur 0,25 Prozent der Steuerzahler in Deutschland sind von möglichen Veränderungen an der Erbschaftssteuer betroffen. Die Steuerveränderung wird also nur eine absolute Minderheit von Vermögenden treffen. Wer also heimlich darauf hofft, im Testament mit Omas Häuschen bedacht zu werden, braucht sich vor einer Gesetzesinitiative zur Erbschaftssteuer nicht zu fürchten.

(Beifall Reinhard Dankert, SPD, und Angelika Gramkow, PDS)

Warum ist das so? Es wird auch weiterhin großzügige Freibetragsregelungen geben. Für Ehegatten bedeutet das, dass unverändert die Übertragung eines Hauses zu Lebzeiten steuerfrei bleibt und im Todesfall eine Steuer erst erhoben wird, wenn der Erwerb den Freibetrag von sage und schreibe 307.000 Euro sowie gegebenenfalls den Versorgungsfreibetrag von 256.000 Euro überschreitet. Hinzu kommen Freibeträge für jedes Kind in Höhe von 205.000 Euro und gegebenenfalls bis zu einem Alter von 27 Jahren gestaffelte Versorgungsbeiträge von 52.000 bis 100.000 Euro. Schätzungen haben ergeben, dass 85 Prozent der Verkehrswerte der Einfamilienhäuser unter 250.000 Euro liegen und nur bei 6 Prozent über 350.000 Euro, so dass – ich wiederhole – nur ein sehr geringer Teil der Erben überhaupt betroffen wären, wirklich nur die Großerbschaften beziehungsweise die Großvermögen.

Jetzt zur Wirtschaft. Bei der Besteuerung von Betriebsvermögen, insoweit gebe ich Herrn von Storch zumindest im Ansatz Recht, müssen Lösungen gefunden werden, die die Wirtschaft nicht über Gebühr belasten. Es geht insbesondere um Unternehmensnachfolge. Nur was heißt „über Gebühr“? Da muss man schon mal zur Kenntnis nehmen, dass es bereits jetzt möglich ist, dass bei Unternehmensnachfolgen eine zehnjährige zinslose Stundung möglich ist und die Europäische Kommission bereits seit 1998 und die Deutsche Juristische Gesellschaft ebenfalls festgestellt haben, dass beim gegenwärtigen Niveau der Erbschaftssteuer eine Existenzgefährdung und Probleme der Unternehmensnachfolge absolut ausgeschlossen sind. Also wenn Unternehmen momentan Probleme haben in Deutschland, das zuhauf, dann garantiert nicht wegen der Erbschaftssteuer.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glaube, dass wir heute ganz klar gemacht haben, dass wir dringend eine zügige Neuregelung der Erbschaftssteuer brauchen. Ich zitiere Ralf Stegner, aktueller Finanzminister Schleswig-Holsteins: „Finanzpolitik sollte sich nicht hinter Gerichtsurteilen verstecken. Politik muss erklären, kämpfen, Proteste aushalten, Diskussionsforen suchen.“ In die

sem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Borchert.

Das Wort hat jetzt die Fraktionsvorsitzende der PDS Frau Gramkow.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich gestehe ein, ich hatte heute eine gewisse Angst davor, dass die CDU-Fraktion angesichts der aktuellen Haushaltslage, der Debatten in den Ländern und im Bund sowie der Vorschläge von Herrn Merz in dieser Frage doch glattweg diesem Auftrag an die Landesregierung zustimmen könnte.

(Rudolf Borchert, SPD: Sie hätten sich anschließen können.)

Meine Angst ist mir genommen. Es hätte dann für mich schon einige Schwierigkeiten bedeutet, nach außen hin zu erklären, wie denn dieser Sinneswandel für die CDU, im Interesse des Landes zu handeln, nämlich die Einnahmen zu stabilisieren, zustande kommen sollte. Ich brauche mir keine Sorgen zu machen, es bleibt alles beim Alten.

(Zuruf von Rudolf Borchert, SPD)

Wir sind die Neider. Wir sind diejenigen, die sowieso mit Argusaugen auf Vermögenswerte gucken und nur darauf bedacht sind, sie dem anderen wegzunehmen. Bleiben Sie bei dieser Auffassung!

Ich sage, ohne Einnahmen geht es nicht, auch nicht beim Staat. Und selbst wenn man der liberalen Flanke frönt, weiß man, dass es ganz ohne Staat und staatliche Aufgaben eben auch nicht geht.

(Torsten Koplin, PDS: Ansonsten rufen Sie doch immer nach dem Staat.)

Deshalb ist es legitim, dass man über Einnahmesituationen spricht und dass man hier sagt, nicht wie 1996, hier besteht die Gefahr, dass eine wesentliche Einnahmequelle des Landes wegbricht. Wir müssen uns dazu verhalten. Wir machen den Vorschlag, es zu verändern und in diesem Veränderungsprozess das zu berücksichtigen, was auch kritisch zu sehen ist: Omas Häuschen, die Freibeträge zu überprüfen, die Frage von kleinen und mittelständischen Unternehmen und Unternehmensnachfolge zu prüfen.

Aber ich sage auch, die Reform der Vermögens- und der Erbschaftssteuer ist ein wesentlicher Ansatz, um den Umverteilungsprozess, der in den letzten 30 Jahren erfolgt ist in der Bundesrepublik Deutschland, nämlich von Vermögen und Finanzierung von unten nach oben, dass wir diesen umkehren müssen, weil es am Ende darum geht, Reichtum auch gerechter zu verteilen und den Umverteilungsprozess von oben nach unten auszugestalten.