Protocol of the Session on May 21, 2003

Zweitens. Gibt es schon einen konkreten Termin, damit die Vereine und Verbände auch hoffen können, dass sie dann endlich in den Genuss der Förderung kommen?

Man sollte dieses Thema tatsächlich nicht unterschätzen. Sie wissen sicherlich, dass circa zehn Prozent der Bevölkerung in Mecklenburg-Vorpommern auch im LSB organisiert sind und dass es sehr viele Leute betrifft. Für uns ist es unverständlich, dass hier nicht gehandelt wird. Wir sprechen diesen Fall konkret an. Es nützt uns nichts, hier Sonntagsreden zu halten. Wir wollen als Fraktion endlich Handlungsgrundlagen auf dem Tisch haben, Beschlussvorlagen, zu denen wir uns dann positionieren können, dass wir endlich Nägel mit Köpfen machen und nicht hier stundenlang über die Rolle der Bedeutung sprechen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke, Herr Abgeordneter Renz. Gestatten Sie eine Anfrage der Abgeordneten Frau Gramkow?

Mit größtem Vergnügen.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Bitte schön, Frau Gramkow, stellen Sie Ihre Frage.

Kennen Sie die Frage schon?

Herr Renz, Sie haben in Ihrer Darstellung insbesondere meine Kompetenz in der Frage von ehrenamtlicher Arbeit in Frage gestellt. Ich möchte Sie fragen: Glauben Sie, dass jemand, der im

Ehrenamt einen Schweriner Judoclub mit 250 Kindern betreut in der Vorstandsarbeit ausschließlich auf ehrenamtlicher Basis und mit ehrenamtlichen Trainern, keine Ahnung hat?

Das glaube ich auf keinen Fall! Ich kann das auch nur begrüßen, dass Sie ehrenamtlich in diesem Bereich tätig sind. Für mich ist es aber sehr unverständlich, wenn ich dieses Beispiel vom Sport anfüge, und dazu stehe ich auch, dass Sie in dieser Art und Weise reagiert haben, Frau Gramkow. Ihr Engagement im ehrenamtlichen Bereich, da kann ich nur sagen, machen Sie weiter so!

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, PDS und CDU – Beifall bei einzelnen Abgeord- neten der CDU – Heinz Müller, SPD: Da fällt einem nicht mehr viel ein.)

Danke schön, Herr Abgeordneter.

Als Nächstes hat das Wort der Abgeordnete Herr Heydorn für die Fraktion der SPD. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute hat Herr Renz den Beweis angetreten, dass er eine sehr eingeschränkte politische Handlungsfähigkeit hat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Kerstin Fiedler, CDU: Das war aber daneben!)

Erst einmal das Thema: Bürgerschaftliches Engagement. Herr Renz, wären Sie doch noch ein bisschen bei mir sitzen geblieben und hätten Sie mir gesagt, dass Sie es nicht verstanden haben, ich hätte es Ihnen erklärt. Bürgerschaftliches Engagement wird in der Regel, immer wenn Leute fragen, was ist denn bürgerschaftliches Engagement, ja, sagen die, das ist das Ehrenamt.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Falsch!)

Diesen Beweis hat auch Herr Renz gerade hier wieder eindrucksvoll angetreten. Was verstehen die Leute dann unter Ehrenamt? Die einen sagen: Es ist dazu da, um die öffentlichen Mittel zu schonen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Nee, nee, nee.)

Es gibt aber noch die andere Fraktion, zu der Fraktion scheint Herr Renz dazugehörig zu sein. Das Ehrenamt ist dazu da, um für seine Arbeit möglichst viele öffentliche Mittel in Anspruch nehmen zu können.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Das ist die zweite Fraktion, die das Thema Ehrenamt beantwortet. Wenn man sich aber nun die Frage stellt, was bürgerschaftliches Engagement ist, dann geht das natürlich in erheblichem Umfang weiter.

Herr Renz, auch Sie werden doch zur Kenntnis genommen haben, dass sich unsere Welt rapide verändert. Unsere Welt verändert sich sehr schnell. Vor allen Dingen hat sich unsere Welt im Bereich der Arbeitswelt verändert. Das hat im erheblichen Umfang Auswirkungen auf unsere sozialen Sicherungssysteme, das hat sogar sehr große Auswirkungen auf unsere sozialen Sicherungssysteme. Das kriegen wir in der jetzigen Diskussion sehr stark mit, wie es mit der Agenda 2010 und mit dem Thema Leistungsreduzierung und Leistungskürzung läuft.

Wenn wir uns die Situation in der Bundesrepublik einmal ansehen, dann haben wir immer noch folgenden Sachverhalt zur Kenntnis zu nehmen, dass wir Defiziten, Pflege, andere Geschichten, dass wir denen Sozialleistungen entgegenstellen. Irgendjemand hat ein Defizit und wir stellen eine Sozialleistung, eine staatlich regulierte Sozialleistung zur Verfügung. Auf der einen Seite tragen wir soziale Wohltaten bis weit in die Mitte der Gesellschaft hinein, das heißt, Gutverdienende, das Thema Kindergeld, Erziehungsgeld et cetera, et cetera. Auf der anderen Seite belasten wir die Menschen unseres Staates in erheblichem Umfang mit Steuern und Abgaben.

Jetzt habe ich das Thema mal mit meinem Genossen Brodkorb diskutiert und der gibt mir folgenden Hinweis. Er sagt, das hat ja auch eine Funktion. Diese Funktion der Partizipation ist dazu da, um den sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten. Das Thema, dass alle zahlen und alle was davon haben, das hält die Gesellschaft zusammen.

Wenn man sich das Thema bürgerschaftliches Engagement mal unter diesem Aspekt ansieht, dann muss man Folgendes zur Kenntnis nehmen: Bürgerschaftliches Engagement hat etwas mit dem kulturellen Paradigmenwechsel zu tun. Es geht um einen kulturellen Paradigmenwechsel. Es geht letztendlich darum, darüber nachzudenken, ob dieser soziale Kitt auch in anderer Form organisiert werden kann als dadurch, dass man auf der einen Seite den Menschen etwas abverlange und auf der anderen Seite den Menschen etwas zukommen lasse.

Welche Situation finden wir vor? Wir gehen nach wie vor mit der Gießkanne über das Land und verteilen alles gleichmäßig. Nur der Schwall, der aus der Gießkanne kommt, der wird im Grunde genommen immer schwächer. Wir müssen uns darüber Gedanken machen, ob wir so weitermachen oder ob wir uns irgendwann auf die, die wirklich auf diese monetären Dinge angewiesen sind, konzentrieren.

Das Thema bürgerschaftliches Engagement ist auch eine Form von Chanceneröffnung. Es eröffnet die Möglichkeit der gesellschaftlichen Selbstorganisation über das heutige Maß deutlich hinaus. Menschen können damit die Chance erhalten, sich so viel unabhängiger von Fremdleistungen zu machen und einen größeren Teil ihrer Probleme selbst zu erledigen oder im Zusammenwirken mit anderen Menschen zu lösen.

Ich will eines klarstellen: Es hat nichts mit der Entlastung öffentlicher Haushalte zu tun, es hat auch nichts mit Deregulierung zu tun. Wir können nicht hergehen und sagen, wir entlasten die öffentlichen Haushalte und packen das alles ins Ehrenamt, denn es wird schon irgendeinen geben, der irgendwann damit anfängt, mit dem Thema Deregulierung wird das nicht mehr gemacht und jenes nicht mehr gemacht. Denn wenn man im Grunde genommen das tun will, muss man Menschen dafür sensibilisieren. Man muss Menschen dahin führen, dass sie sagen: Jawohl, das sind unsere Aufgaben, das sind die Aufgaben des Individuums in einer emanzipatorischen Zivilgesellschaft.

In diesem Sinne werden in dem Bereich der Zivilgesellschaft Leistungen zu erbringen sein, die ich hier folgendermaßen beschreiben will: Einmal Leistungen der Sozialisation und der kulturellen Selbstverständigung. Es werden Leistungen im Rahmen der Partizipation zu erbringen sein – Partizipation im Sinne von Teilhabe der Bürger an der demokratischen Willensbildung – und es werden Leis

tungen bei der bedürfnisgerechten Bearbeitung und Lösung gesellschaftlicher Probleme zu erbringen sein. Wenn man sich das mal ansieht, dann ist es notwendig, dass hier gesellschaftliche Voraussetzungen geschaffen werden. Gesellschaftliche Voraussetzungen zu einem bürgerschaftlichen Engagement in umfassendem Sinne, dazu will ich einige Beispiele geben, sind Geld oder andere Formen von Einkommen, es ist frei gestaltbare Lebenszeit, es ist ein die Kommunikation und die Interaktion förderndes Wohnumfeld. Wie wohnen Menschen heute?

(Torsten Koplin, PDS: Ach so, ja.)

Bürgerschaftliches Engagement hängt im erheblichen Umfang davon ab, wie die Menschen wohnen, wie sie miteinander umgehen und wie sie Nachbarschaften pflegen. Was gibt es im Grunde genommen für Möglichkeiten der Selbstorganisation und der wechselseitigen Unterstützung von Menschen in ihrem Wohnumfeld?

Wenn man auf der einen Seite an den hohen Anteil von alten Menschen denkt, den wir in unserer Gesellschaft haben, denn wir haben in 10 bis 20 Jahren hier eine demographische Situation wie im südlichen Italien, auf der anderen Seite haben wir alleinerziehende Mütter, die Kinder zu versorgen haben. Hier gibt es ein weites Feld, was mit bürgerschaftlichem Engagement im Wohnumfeld zu tun hat. Ein ganz wichtiger Punkt beim Thema bürgerschaftliches Engagement ist das Thema Gesundheit und ein weiteres Thema ist das Thema Wissen und Fertigkeiten, das heißt, um das zu tun, muss ich letztendlich über Wissen und Fertigkeiten verfügen und ich muss eine Kultur der sozialen Eigenverantwortung herstellen.

Deswegen, Herr Renz, noch einmal, ich hoffe, Sie haben gut zugehört, es geht hier nicht darum, irgendwelche Blasen in die Landschaft zu setzen, sondern es geht darum, einen umfangreichen Prozess zu befördern. Das ist Sinn und Zweck unseres Antrages und deswegen bitte ich um Ihre zahlreiche Zustimmung, auch durch Sie, Herr Renz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Danke schön, Herr Heydorn.

Es hat jetzt ums Wort gebeten die Sozialministerin des Landes Frau Dr. Linke. Bitte schön, Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Zunächst zu dem Anliegen, das Herr Renz in die Debatte mit eingebracht hat. Der Volksmund sagt: Langer Rede kurzer Sinn. So kann es vielleicht auch mit dieser Sachlage sein. Es ist so, dass es üblich ist, dass Förderrichtlinien immer mal überarbeitet werden, und bis die neue in Kraft tritt, gelten selbstverständlich die alten Förderrichtlinien.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Die Landesregierung hat 90 Prozent der Mittel an den LSB für dieses Jahr bereits überwiesen. Zehn Prozent sind laut geltender Richtlinie im Sommer zu überweisen. Also ich denke, jeder weiß, der LSB ist der Beliehene der Landesverwaltung für die Sportangelegenheiten. Sie müssten sich dorthin wenden und dann die Dinge alle dort klären. So weit dazu.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Bürgerschaftliches Engagement – das ist so, wie es bereits hier von meinen Vorrednern gesagt wurde – findet häufig nicht im Zentrum des großen Geschehens statt, ist nicht immer deutlich sichtbar, oft genug geht es ein in die vielen kleinen Formen der Dienstleistungen für das Gemeinwohl. Viele Menschen in unserem Land wenden einen großen Teil ihrer Freizeit auf, sie zeigen Initiative, bringen Initiativen auf den Weg, sie dienen der Gemeinschaft und dem Gemeinwohl. Ohne ihr tatkräftiges Engagement wäre vieles in unserem Lande nicht vorstellbar. Ihnen gilt von dieser Stelle mein Dank, meine persönliche Anerkennung. Dieses Engagement, diese Initiativen dürfen wir nicht als selbstverständlich ansehen. Ich denke, wir wollen sie weiter fördern.

Mit dem heutigen Antrag der Koalitionsfraktionen wird der Landesregierung nunmehr ein Arbeitsauftrag aus den Schlussfolgerungen der genannten Enquetekommission des Bundestages erteilt, den wir, den die Landesregierung im Interesse des Anliegens zeitnah zu erledigen hat.

Die Bundestagskommission orientierte vor allem auf eine möglichst große Breite und eine möglichst große Vielfalt des bürgerschaftlichen Engagements. Es ist deshalb nur folgerichtig, dass die Kommission zunächst die grundsätzliche Gleichheit der Ziele des Engagements festgestellt hat. Frühere Vorstellungen, dass etwa soziales Engagement höherwertiger sei als kulturelles, gelten dabei als überholt. Alle Arten von persönlichen Motiven des Engagements sollen nach den Vorschlägen der Kommission gleichermaßen Anerkennung finden. Dazu gehört das traditionelle Engagement aus christlicher oder humanistischer Überzeugung, dazu gehört aber auch der Wunsch, sich weiterzubilden, der Wunsch nach sozialem Ansehen oder auch die Hoffnung, über dieses Ehrenamt den eigenen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden beziehungsweise auf diese Weise zu erleichtern.

Positiv wurde durch die Enquetekommission das Konzept des ermöglichenden Staates hervorgehoben. Aufgabe von Parlamenten und Regierungen sowie öffentlichen Verwaltungen ist es demnach, Hindernisse zu beseitigen und wo erforderlich einfach handhabbare Regelungen zu schaffen. Wo Regelungen überflüssig erscheinen, sollen diese konsequent abgebaut werden. Bei der in unserem Lande anstehenden Struktur- und Verwaltungsreform sollte auch diese Idee ihren Niederschlag finden und wir sollten hier aufmerksam auf entsprechende Anregungen der Bürgerinnen und Bürger eingehen. Das sind nur einige Aspekte aus dem Bericht der Enquetekommission. Aber schon daraus wird deutlich, bürgerschaftliches Engagement ist umfassender, wesentlich umfassender als das traditionelle, aber unvermindert wichtige Ehrenamt.

Ein wichtiger Impuls ging in Mecklenburg-Vorpommern vom Internationalen Jahr der Freiwilligen 2001 aus. So entstanden unter anderem die Bürgerstiftung Wismar und die Parchimer Bürgerstiftung, die sich das freiwillige Engagement in allen gemeinnützigen Bereichen vereins-, generations- und bereichsübergreifend zum Ziel gesetzt haben. Diese Stiftungen signalisieren einerseits einen Aufbruch zu noch mehr bürgerschaftlichem Engagement und bieten andererseits dafür einen wertvollen Rahmen, dies fortzusetzen. Aus meiner Sicht ist das ein unterstützungswürdiger und nachahmenswerter Ansatz.

Das 1997 in Kraft getretene Kinder- und Jugendfördergesetz Mecklenburg-Vorpommern regelt zum Beispiel

den Rechtsanspruch auf Beratung und Fortbildung der ehrenamtlich Tätigen den örtlichen Trägern der Jugendhilfe gegenüber. Nach diesem Gesetz besteht in Mecklenburg-Vorpommern auch die Möglichkeit, Freistellung von der Arbeit unter Lohnfortzahlung für ehrenamtliche Tätigkeit in Bereichen der Jugendarbeit zu erhalten. Für diese konkrete Arbeitsgelderstattung verausgabte das Land im Jahr 2002 23.450 Euro. Die privaten Arbeitgeber stellten für diese Summe insgesamt 65 Mitarbeiterinnen an 296 Arbeitstagen frei, um ihnen die Fortbildung für ihre ehrenamtliche Tätigkeit zu ermöglichen.

Bürgerschaftliches Engagement zeigt sich aber auch im Bereich Gesundheit. Triebfeder ist häufig zunächst die eigene Betroffenheit, aus der heraus dann oftmals eine umfassende Initiative erwächst. Die Tätigkeit in den vielen Vereinen und Verbänden der Selbsthilfe ist in dieser Beziehung mustergültig. Mein Haus fördert zum Beispiel fünf Selbsthilfekontaktstellen, die koordinierend für Vereine und Verbände der Selbsthilfe tätig sind. Wir haben die Forderungen in einem Gesamtvolumen von rund 102.000 Euro aus gutem Grund auch im Nachtragshaushalt 2003 nicht angetastet. Angesichts jüngster Arbeitsbesuche, die ich im Behindertenforum Greifswald, das zur Startphase 1993 200.000 DM vom Land erhielt, beziehungsweise anlässlich eines Arbeitsbesuches im Haus der Begegnung in Schwerin, das 1997 880.000 DM Unterstützung erhielt, konnte ich mich von der beispielhaften Arbeit, der engen Kooperation, der Bündelung vieler Aktivitäten und schließlich der effektiven Arbeit von mehr als 20 Vereinen und Verbänden unter einem Dach überzeugen.