Protocol of the Session on May 21, 2003

Insofern bleibt fraglich, ob die angekündigten Zielsetzungen mit diesem Gesetz tatsächlich erreicht werden. Auch die Träger der Grundsicherung berichten bei der Umsetzung des Gesetzes von erheblichen Schwierigkeiten. Wir werden abwarten müssen, ob dies Anlaufschwierigkeiten sind oder ob sich Defizite des Gesetzes offenbaren. Kritik hat das Grundsicherungsgesetz bei den Kommunen hervorgerufen. Eine vollständige Erstattung der unmittelbaren und mittelbaren Kosten, die den Kommunen im Vollzug des Grundsicherungsgesetzes erwachsen, wird nicht sichergestellt.

Der Bund hat eine politische Verantwortung für die den Kommunen aus dem Grundsicherungsgesetz erwachsenen Mehrkosten zwar grundsätzlich anerkannt und stellt insgesamt 409 Millionen Euro zur Verfügung, befürchtet wird jedoch ein weit höherer Bedarf für die Leistungen der Grundsicherung. Hier muss abgewartet werden, ob es ausreicht, dass die Bundeszuweisungen alle zwei Jahre überprüft werden, erstmalig zum 31. Dezember 2004, und entsprechend erhöht werden, wenn die Abweichungen mehr als zehn Prozent betragen.

Wir in Mecklenburg-Vorpommern tun alles, was in unseren Möglichkeiten steht, um die Belastungen der Kommunen zu reduzieren. Wir werden es mit dem Ihnen vorliegenden Entwurf des Ausführungsgesetzes tun. Was wird geregelt?

Erstens. Wir wollen den auf Mecklenburg-Vorpommern entfallenden Anteil der Erstattungsleistungen des Bundes in vollem Umfang und unverzüglich an die Landkreise und die kreisfreien Städte weitergeben.

Zweitens. Während die Kommunen im ersten Halbjahr bis zur Weiterleitung der Mittel die Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz vorfinanzieren müssen, haben sie in der zweiten Jahreshälfte die Verfügungsgewalt über den ihnen zustehenden Anteil des Festbetrages und können etwaige Mehrbelastungen aus dem vorangegangenen Halbjahr durch Zinszuwächse kompensieren.

Drittens. Der Entwurf regelt die Möglichkeit der Heranziehung von kreisangehörigen Ämtern und kreisfreien Gemeinden.

Viertens. Notwendig war schließlich auch die Änderung des Flüchtlingsaufnahmegesetzes, um die notwendigen Abstimmungen mit den Regelungen des Wohngeldgesetzes zu gewährleisten und Doppelleistungen auszuschließen.

Ich wünsche diesem Gesetzesvorhaben im Sinne der Betroffenen eine zügige Beratung und Verabschiedung in diesem Hause, damit auch in unserem Land ein Stück mehr an Rechtsklarheit bei der Umsetzung des Grundsicherungsgesetzes gewonnen werden kann. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Vielen Dank, Herr Minister Holter.

Im Ältestenrat wurde ein Aussprache mit einer Dauer von 45 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Abgeordnete der SPD-Fraktion Herr Heydorn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will zunächst erst einmal mit einer Feststellung anfangen: Gott sei Dank trägt die CDU im Bund keine Regierungsverantwortung.

(Heiterkeit bei Michael Ankermann, CDU)

Wenn sie die tragen würde, dann würde es dieses Grundsicherungsgesetz nicht geben. Damit hat man sich seitens der CDU des sozialpolitischen Blindflugs entlarvt. Dieses Grundsicherungsgesetz bringt Verbesserung. Es ist seit dem 01.01.2003 in Kraft getreten. Es bringt für Menschen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, die mindest 18 Jahre alt und dauerhaft erwerbsgemindert sind, Verbesserungen.

Herr Holter, ich muss Ihnen an der Stelle Leistungsminderung deutlich widersprechen. Das mag sein, dass das zutrifft für die Leute, die in stationären Einrichtungen sind. Aber wenn man sich mal die Situation im Verhältnis zur Hilfe zum Lebensunterhalt ansieht, dann gibt es im Grunde genommen auf die Normalhilfe zum Lebensunterhalt einen Aufschlag, das heißt, die Leistungssumme ist erhöht worden. Es gibt für Behinderte insoweit einen Aufschlag, wenn sie das Merkzeichen „G“ im Ausweis haben.

Das Thema Schutz der Unterhaltspflichtigen ist auch angesprochen worden. Der Einkommens- und Vermögensschutz für die betroffenen Leistungsbezieher hat sich deutlich verbessert. Die Anrechnungsgrenzen der Hilfe zum Lebensunterhalt, die hier zur Anwendung kommen, sind deutlich verbessert worden.

Das Thema Bewilligungszeitraum hat sich für die Leute also deutlich verbessert. Die Bewilligungszeiträume der Grundsicherung werden für ein Jahr vorgenommen. Der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt definiert sich immer neu. Das heißt, er wird von Tag zu Tag neu. Für die betroffenen Leute ist das insoweit eine deutliche Verbesserung. Das Thema Fahrbewilligung ist jetzt viel einfacher, als es immer bei der Hilfe zum Lebensunterhalt in der Vergangenheit der Fall war.

Ich stelle mir die Frage: Warum kommen wir mit unserem Ausführungsgesetz erst jetzt?

(Harry Glawe, CDU: Ach nee!)

Denn das Ausführungsgesetz regelt doch ein paar Dinge, die nach meinen Dafürhalten schon ruhig hätten etwas eher geregelt werden können. Es ist einmal der Punkt Zuständigkeit. Zuständig nach dem Grundsicherungsgesetz für die Ausführung des Grundsicherungsgesetzes sind die Kreise und kreisfreien Städte. Das bedeutet, dass die Leute aus den kreisangehörigen Gemeinden oft weite Wege zurückzulegen haben, um in die Kreisstädte und in die Kreisverwaltungen zu kommen, um dort den Antrag auf Grundsicherung stellen zu können, ganz anders als beispielsweise bei der Sozialhilfe. Bei der Sozialhilfe haben wir ja die Regelung, dass die Kreise diese Dinge auf kreisangehörige Gemeinden delegiert

haben, so dass das Thema Sozialhilfe in den kreisangehörigen Gemeinden erledigt werden kann. Das ist bei Grundsicherung nicht der Fall. Dazu bedurfte es also eines Landesgesetzes. Das wollen wir jetzt auf den Weg bringen.

Die zweite Regelung, die hier vorgenommen werden soll, ist das Thema Verteilungsmaßstab. Es ist darauf hingewiesen worden, dass der Bund Leistungen über das Thema Wohngeld erstattet. Er erstattet dies an die Länder. Die Länder müssen den Verteilungsmaßstab, wie sie das an die zuständigen Träger weitergeben, definieren. Das passiert in diesem Ausführungsgesetz.

Und die dritte Geschichte ist das Flüchtlingsaufnahmegesetz. Darin sind Erstattungsregelungen für jüdische Kontingentflüchtlinge getroffen worden. Weil auch jüdische Kontingentflüchtlinge grundsätzlich einen Anspruch auf Grundsicherung haben, muss das im Flüchtlingsaufnahmegesetz ergänzt werden.

Ich möchte deswegen um Ihre Zustimmung bitten, um den Gesetzentwurf in den Sozialausschuss zu überweisen. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Heydorn.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete der CDU-Fraktion Herr Glawe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Heydorn, also ich kann nur sagen, Gott sei Dank gibt es die CDU,

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

denn das, was Sie hier auf Bundesebene entwickelt haben, ist eigentlich ein bürokratisches Monster. Das muss ich Ihnen mal so sagen.

(Heinz Müller, SPD: Als Opposition ist die CDU wichtig. Das sollte sie bleiben.)

Ja, das ist auch in Ordnung. Jetzt hören Sie mal gut zu!

Wenn Sie davon ausgehen, dass wir in diesem Land Mecklenburg-Vorpommern – wir haben mal geschätzt – etwa 36.000 Anträge haben, dann ist das, denke ich, eine erhebliche Zahl.

Die SPD hat ja festgestellt, dass das Ausführungsgesetz jetzt doch schon sechs Monate auf sich warten lässt. Und da stellt sich natürlich die Frage: Wer spielt hier Hase und Igel in diesem Land, wie arbeitet die Abteilung Soziales im Gesundheitsministerium oder ist das Chefsache, meine Damen und Herren? Die Frage stellen wir uns seit Monaten.

In der Sache selbst sei Folgendes gesagt: Es geht darum, Grundsicherung auf der einen Seite zu verbessern, aber gleichzeitig fallen viele durch dieses Gesetz wieder in Sozialhilfe. Und das ist Ihre Errungenschaft, die Sie auf Bundesebene durchgesetzt haben. Das ist Ihnen, glaube ich, noch gar nicht aufgegangen, denn sonst hätten Sie diese Rede, Herr Heydorn, hier so nicht gehalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, Sie sprachen ja davon, wie schön es ist mit den Bewilligungen für die Betroffenen, die

einen Auffüllungsbetrag erhalten sollen. Ich bringe Ihnen mal zwei Beispiele aus zwei Landkreisen:

In einem Landkreis sind 1.600 Anträge bis heute gestellt worden, davon sind 429 abgelehnt worden und in 147 Fällen wurden Nachfragen an die Antragsteller sozusagen gestellt. Übrigens hat der Fragebogen der Antragsteller ja schon sechs Seiten. Das muss man sich mal vorstellen, was das für über 65-jährige Bürger bedeutet.

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Also Bürokratie ist ja nichts dagegen. Ich kann Ihnen das auch gerne mal alles zur Verfügung stellen. Falls der eine oder andere den Wunsch hat, dann mache ich das gerne.

(Jörg Heydorn, SPD: Legen Sie mal einen Sozialhilfeantrag daneben!)

Und jetzt komme ich mal zu den Bewilligungen. Sie sprachen ja darüber, wie das mit den Bewilligungen so ist. In dem einen Landkreis, von dem ich rede – er ist PDSregiert –, gibt es 27 Genehmigungen.

(Zuruf von Torsten Koplin, PDS)

Nein, ich sage es Ihnen so. Das sind nun mal die harten Fakten.

(Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS)

In der Bundesrepublik Deutschland insgesamt werden 30 Prozent aller Anträge bewilligt.

(Torsten Koplin, PDS: Bewilligung ist doch keine Willkür.)

Hören Sie doch mal zu! Sie müssen doch auch mal die Wahrheit vertragen können, meine Damen und Herren.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Heinz Müller, SPD: Dann erzählen Sie uns die doch mal!)