Protocol of the Session on May 21, 2003

Weitere Vorschläge beziehen sich auf die Etablierung einheitlicher Dokumentationsverfahren im Akut- und Rehabilitationsbereich und auf die Einrichtung einer in meinem Hause angesiedelten ständigen Arbeitsgemeinschaft Geriatrie, in welcher Akutkliniken, Rehakliniken, Kassen, Medizinischer Dienst der Krankenkassen und unser Ministerium die auftretenden Probleme der Geriatrie analysieren und gemeinsam dann Problemlösungen und Empfehlungen erarbeiten könnten. Die Krankenhausgesellschaft hat sich mit dem vom Sozialministerium bereits eingebrachten Konzept – so, wie ich es eben dargelegt habe – grundsätzlich einverstanden erklärt. Die Kranken

kassen hingegen lehnen diese Neuregelung rundweg ab. Die Notwendigkeit eines Geriatriekonzeptes wurde sogar vollkommen in Zweifel gezogen.

Ich halte diese Position der Krankenkassen für problematisch. Selbstverständlich werde ich weiterhin mit ihnen im Gespräch bleiben und auch Kompromisse suchen. Jedoch bei derart weit auseinander liegenden Positionen ist das mitunter kein einfacher Prozess. Und, sehr geehrter Herr Glawe, Sie haben ja das Problem der Einweisung eben anschaulich dargestellt, und ich denke, wir sind auch in der Art des Herangehens an das Konzept relativ übereinstimmender Auffassung. Es sind aber die Krankenkassen, die fachlich sinnvolle Konzepte seit Monaten aus finanziellen Erwägungen blockieren. Und ich denke, das sollen eben auch die Abgeordneten wissen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Die Kassen haben die eigentlichen Steuerungsinstrumente in der Hand – das ist klar – und können durch Kostenübernahmepraxis Patientenströme steuern. Diese Praxis können wir als Landesregierung nicht auf dem Verordnungswege ändern und das muss ich hier deshalb eben wie gesagt auch so deutlich vortragen.

Das Geriatriekonzept der Landesregierung, an dem wir arbeiten, kann deshalb nur einen Rahmen für abgestimmte freiwillige Handlungsweisen aller Beteiligten abstecken. Und deshalb noch einmal: Das Geriatriekonzept kann nur mit den Kassen verabschiedet werden, wenn es eine wirkliche Verbesserung der Versorgungssituation der betroffenen Bürgerinnen und Bürger bewirken soll.

Ich betrachte es als Teilerfolg, wenn durch die Moderation meines Hauses eine Arbeitshilfe für die frühzeitige Identifizierung geriatrischer Patienten in Akutkrankenhäusern erarbeitet wurde. Auch das hat lange gedauert. Nun besteht aber die berechtigte Hoffnung, dass diese Arbeitshilfe in den Krankenhäusern in unserem Land angewandt und auch dazu beitragen wird, den Versorgungsbedarf besser zu bestimmen.

Die adäquate medizinische Versorgung älterer Menschen ist ein Thema, bei dem politische Grabenkämpfe – das zeigt ja auch dieser gemeinsame Antrag – nicht angebracht sind. Ich verstehe es als Ermutigung und als den Wunsch, ein gemeinsames Problem auch gemeinsam zu lösen. In der kommenden Woche – Herr Glawe hatte es angedeutet – werde ich ein seit langem vereinbartes Gespräch mit den Vertretern der drei geriatrischen Rehabilitationskliniken führen. Ich werbe deshalb noch einmal für diese gemeinsame Erklärung des Landtages, auch dafür, die drei geriatrischen Standorte in MecklenburgVorpommern zu erhalten sowie weiterzuentwickeln, und werde Sie selbstverständlich gern über die Ergebnisse der Beratungen und Gespräche informieren. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Frau Ministerin.

Als Nächstes hat das Wort der Abgeordnete Herr Koplin für die Fraktion der PDS.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Erst einmal möchte auch ich meiner Freude Ausdruck verleihen, dass es gelungen ist, hier eine Übereinkunft zu erzielen. Und Respekt, Herr Glawe, für

die Geste, dass wir das sozusagen hier nicht mit Mehrheiten verabschieden, sondern einen Konsens finden. Das ist ein gutes Beispiel dafür, wie Sozialpolitikerinnen und Sozialpolitiker sich im Vorfeld so weit einigen, dass sie einem Konsens entsprechend Material zur Beschlussfassung vorlegen können. Überhaupt finde ich es schon bemerkenswert, dass das gelungen ist.

Koalition und Opposition haben im Vorfeld das gleiche Thema aufgegriffen, was ja deutlich macht, dass wir hier einen akuten Handlungsbedarf haben, und dafür gibt es aus meiner Sicht zumindest zwei tiefere Gründe. Der eine liegt darin, dass der Generationenvertrag unbedingt ein festeres Fundament braucht, als es bislang der Fall ist. Dieser Generationenvertrag betrifft ja nicht nur aus persönlichen oder gesellschaftlichen Gründen die Verhältnisse zwischen Großeltern, Eltern und Kindern, also dreier Generationen, sondern durch das Erreichen eines höheren Lebensalters erleben vier oder fünf Generationen den gleichen Zeitabschnitt. Insofern kommt der Geriatrie, also der Altersmedizin, ein viel höherer Stellenwert zu. Das muss sich auch in der Fortschreibung eines Geriatriekonzepts in Mecklenburg-Vorpommern widerspiegeln und zum anderen erwächst ein Handlungsbedarf aus Sicht der PDS aus den Diskussionen um die Reform des Gesundheitswesens. Das sollte, so meinen wir, im Kern drei Ziele verfolgen:

Erstens die Verbesserung der Einnahmeseite der GKV, denn auch eine verbesserte Einnahmeseite würde ja dazu führen, dass für die geriatrische Rehabilitation und deren Entwicklung mehr Ressourcen zur Verfügung stehen.

Zweitens muss ein Ziel darin bestehen, strukturelle Veränderungen im Versorgungssystem herbeizuführen. Hierzu gehört auch die Einbettung der geriatrischen Rehabilitation in vernetzte Versorgungseinheiten. Sowohl Herr Heydorn als auch Herr Glawe haben darüber gesprochen.

Und ein drittes Ziel muss darin bestehen, Prävention und Gesundheitsförderung deutlich zu stärken. Hierbei geht es um die Prävention vor dem Alter, aber auch die Prävention im Alter. Zugleich gehört hierzu auch die Gesundheitsförderung im Rahmen der Altersmedizin.

Die PDS stellt an verbesserte Qualität in der geriatrischen Rehabilitation und die Fortschreibung eines Geriatriekonzepts drei Kernanforderungen. Und wenn nun zu erfahren war, dass die Kassen blockieren, dann bedauere ich das ausgesprochen, denn dadurch entsteht letztendlich nicht nur ein Schaden für die Patientinnen und Patienten, die nicht in den Genuss dieser Einrichtungen kommen, sondern letztendlich auch ein volkswirtschaftlicher Schaden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Wenn es erst dazu kommen muss, haben mir sowohl Ärzte als auch Patientinnen und Patienten gesagt, dass jemand in eine solche Einrichtung eingewiesen wird, wenn er in einem Akutkrankenhaus gewesen ist, dann fallen ja im Vorfeld Kosten an, die schon hätten vermieden werden können. Und diese Betten, sowohl im Akutkrankenhaus als auch in der Reha, sind ja nicht billig. Insofern schneiden sich letztendlich die Kassen ins eigene Fleisch.

Wir haben dennoch – Frau Ministerin hat da unsere volle Unterstützung – die Absicht, diesen Prozess weiter voranzutreiben. Deswegen auch unser Engagement für diesen Antrag. Wir verbinden unser Engagement mit drei Forderungen:

Erstens muss es um die Ganzheitlichkeit der medizinischen Versorgung gehen, denn angesichts der Multimorbidität, also der Vielzahl von Erkrankungen des Patienten, ist es nahezu sinnlos, zum Beispiel eine Herzmuskelschwäche zu behandeln, wenn nicht gleichzeitig bestehende Krankheitsbereiche wie zum Beispiel Demenz, Blasenstörungen, Zuckerkrankheit und arterielle Verschlusskrankheit der Beine gleichzeitig in das Behandlungskonzept aufgenommen werden.

Eine zweite Zielstellung, die wir mit unserem Engagement verbinden, ist, etwas zu tun, um die Zusammenarbeit zwischen stationärem und ambulantem Bereich zu verbessern. Die Zuweisungspraxis, ich sagte das schon, ist aus medizinischen, aber auch aus betriebswirtschaftlichen, letztendlich aber vor allen Dingen aus volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnhaft. In der 11. Sitzung des Sozialausschusses sind wir von allen drei Kliniken über die Belegungszahlen informiert worden. Kalkuliert wurde mit 93 bis 95 Prozent Auslastung und alle Kliniken liegen darunter teilweise bei 70 Prozent. Und insofern ist auch hier, sage ich mal, den Kassen gegenüber ein fahrlässiges Verhalten zu attestieren.

Dritter Punkt aus unserer Sicht, die Berücksichtigung der Mehrdimensionalität. Gerade weil geriatrische Patienten in allen Fällen einen komplexen medizinischen Handlungsbedarf haben, müssen Altersmedizin, Akutmedizin, Reha, Hilfsmittelversorgung, Palliativmedizin, Präventivmedizin und sozial flankierende Maßnahmen miteinander verbunden werden. Überhaupt ist eine intensivere Vernetzung der vorhandenen Versorgungsangebote das A und O. Dieses 2-Topf-Denken Krankenhaus und Reha auf der einen Seite, Pflegestufe und Pflegekasse auf der anderen, schadet den Patienten und der Volkswirtschaft letztendlich.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Sehr geehrte Damen und Herren, die PDS engagiert sich für die Verbesserung der Qualität der geriatrischen Rehabilitation und tritt für die Verbesserung des Zugangs zur geriatrischen Rehabilitation ein, weil die Situation in der geriatrischen Reha auch ein Gütesiegel für das Gesundheitsland Mecklenburg-Vorpommern ist und weil die geriatrische Reha für die Betroffenen das Leben lebenswerter macht. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Heinz Müller, SPD)

Danke schön, Herr Koplin.

Als Nächstes hat das Wort der Abgeordnete Herr Heydorn für die Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich denke, der Sachverhalt ist eindeutig und von allen nachvollziehbar dargelegt. Ich möchte jetzt den bereits angesprochenen Änderungsantrag einbringen.

Zu dem Änderungsantrag ist Folgendes zu sagen: Wir haben hier den Konsens gesucht, haben die wesentlichen Teile aus dem einen Antrag und aus dem anderen zusammengefügt und sind der Meinung, dass wir mit dem Änderungsantrag einen noch besseren Antrag vorlegen. Wir bitten um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Danke schön, Herr Heydorn.

Nunmehr hat das Wort der Abgeordnete Herr Glawe für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen Und Herren! Selbstverständlich, Frau Ministerin, komme ich Ihrem Wunsch gerne nach, es kurz z u machen. Ich habe nur zwei Anmerkungen: Wir haben 184 Betten und das heißt, 12 Betten auf 100.000 Einwohner ist nicht zu viel in diesem Bereich. Deswegen, denke ich, sind wir uns alle einig, dass wir uns für dieses Konzept einsetzen.

Und eine Anmerkung noch: Frau Ministerin, natürlich habe ich, glaube ich, Ihrer Vorgängerin das auch immer vorgehalten, vielleicht hat sie heute darauf gewartet. Natürlich liegt auch ein bisschen die Aufsicht beim Sozialministerium, zumindest über die Kasse der AOK. Da kann man ab und zu, denke ich, ein bisschen darauf gucken. Aber insgesamt gebe ich Ihnen Recht, die Selbstverwaltung ist in diesem Falle natürlich in besonderer Weise gefragt. Aber man kann ja ab und zu auch mal ein bisschen drücken. So, jetzt höre ich schon auf. – Vielen Dank.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Kerstin Fiedler, CDU)

Danke schön, Herr Glawe. Ich schließe damit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Im Rahmen der Aussprache ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 4/437 zurückgezogen worden.

Ich lasse nunmehr zunächst abstimmen über den interfraktionellen Änderungsantrag auf der Drucksache 4/475. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich ums Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der interfraktionelle Änderungsantrag auf Drucksache 4/475 einstimmig angenommen.

Wer nunmehr dem Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/440 mit den soeben beschlossenen Änderungen zuzustimmen wünscht, den bitte ich ums Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag der Fraktionen der SPD und PDS auf Drucksache 4/440 mit den soeben beschlossenen Änderungen einstimmig angenommen.

Ich rufe nunmehr auf den Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD– Bürgerschaftliches Engagement, auf der Drucksache 4/439.

Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Bürgerschaftliches Engagement – Drucksache 4/439 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Koplin von der Fraktion der PDS.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Etwa Mitte des vergangenen Jahres beendete die Enquetekommission des Bundestages mit dem Titel „Zukunft des bürgerschaftlichen Engagements“ ihre Arbeit. Ihr wird ja nachgesagt, dass Mitglieder dieses Gremiums oft gar nicht an einer wirklich tiefgründigen

Debatte mit solchen Schlussfolgerungen interessiert waren, die Staatlichkeit und Gesellschaft in Teilbereichen verändern könnten. Vielmehr soll es oft um Klientelpolitik gegangen sein. Wie dem auch gewesen sein mag, der circa 850 Seiten umfassende Abschlussbericht bietet ausreichend Punkte, die, bezogen auf Mecklenburg-Vorpommern, durchdacht werden müssen, inwieweit sie Relevanz besitzen für die Arbeit der Landesregierung und damit auch für eine zu verändernde Lebenswirklichkeit in unserem Bundesland.

Die im Antrag von PDS und SPD genannten Schwerpunkte stellen natürlich keine abschließende Aufzählung dar. Weshalb wir diesen Antrag stellen, ergibt sich zum einen aus dem Gewicht, das dem bürgerschaftlichen Engagement zukommen sollte, und zum anderen aus der eher beiläufigen Resonanz, die es in Politik und Medien erfährt. Die Arbeit der Kommission wurde kaum beachtet, das Ergebnis fand nur flüchtige Zuwendung, auch im Jahr des Ehrenamtes. Wir wollen, dass es zumindest in Mecklenburg-Vorpommern anders ist.

Bezogen auf den Sozialstaat, den es zu verteidigen gilt, ist der Begriff der Bürgergesellschaft zugleich Wirklichkeitsbeschreibung und Programm. Im Rahmen einer sozialstaatlichen Demokratie sind die Gesellschaftsmitglieder der Bundesrepublik Mitglieder einer Bürgergesellschaft. Wird Bürgergesellschaft gemessen an solchen Kriterien wie der Bereitschaft zur Beteiligung an Angelegenheiten des Gemeinwesens, der Fähigkeit, sich zusammenzutun, und den Möglichkeiten, auch tatsächlich etwas zu bewegen, ist sie hierzulande ein unvollendetes und immer wieder gefährdetes Projekt. Es beinhaltet zum Beispiel einen Beitrag zur sozialen Integration und einen demokratiepolitischen Beitrag im Sinne einer Schule der Demokratie.

Andererseits wird heute vieles aus Parlamenten und Rathäusern an freie Träger, an Public Relations und Private Public Partnership oder an Management ausgelagert, an ein Bündnis für Arbeit delegiert oder mit einschlägigen Komissionen à la Hartz und Rürup beschlussfertig vorverhandelt. Derartige Formen von angeblich mehr Bürgergesellschaft bedeuten aber vielfach auch durchaus die Gefahr des Verlustes an Demokratie, wenn sie etwas weniger Verantwortung für diejenigen, die keine unmittelbaren Interessen an der Sache haben, weniger Öffentlichkeit und weniger Kontrolle des professionellen und politischen Geschäfts und vielleicht mehr Klüngelei mit sich bringen.

„Bürgerschaftliches Engagement“ ist ein Sammelbegriff, der sehr viele Assoziationen weckt und in den ebenso viel gepackt wird. Er ist auch von allen Lagern sehr unterschiedlich besetzt. Wir finden keine Partei, die nicht mit Bürgergesellschaft und bürgerschaftlichem Engagement als Leitorientierung wirbt. Vom konservativen Spektrum wird das klassische Ehrenamt dazu gezählt: historisch gewachsen in der kommunalen Selbstverwaltung, in der Honoratiorenversammlung, in der preußischen Städtereform als eine Männerveranstaltung von interessierten besitzenden Bürgern mit entsprechendem Einkommen. Der zweite Ursprung ist das Vereinswesen, spätestens seit 1848 des Deutschen Lieblingsort. Wenn man diesen engen Bereich verlässt, wird es schwierig, da fangen dann die Grenzziehungen an, zum Beispiel die Frage: Wie viel bürgerschaftliches Engagement findet sich in den klassischen Großorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, Parteien oder Gewerkschaften wirklich? Diese Frage ist mehr als berechtigt!