Protocol of the Session on April 10, 2003

(Beifall und Heiterkeit bei Gabriele Schulz, PDS)

Dies gilt auch, wenn der Zinssatz nur 0,5 Prozent betragen sollte,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, Sie haben Recht!)

denn die meisten Kommunen haben ihre Verschuldungsgrenze bereits erreicht oder gar überschritten.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, so ist es!)

Dagegen allerdings kann das 8-Milliarden-Euro-Programm für private Wohnungsbausanierung durchaus wirtschaftsfördernd und aktivierend für die Baukrise in Mecklenburg-Vorpommern sein.

Ein weiteres positives Signal ist die wiederholte Ankündigung des Bundeskanzlers, dass die Gemeindefinanzreform zum 01.01.2004 in Kraft treten soll. Allerdings gibt es gegenwärtig Streit zur Neuordnung der Gewerbesteuer, wir haben es ja bereits vernommen. Es wird spannend sein, inwieweit diese Reformen im Interesse der Kommunen des Landes sind.

Zur Mittelstandspolitik ist viel gesagt. Ich sage, dass es sich zeigen wird, welche Wirkung die Mittelstandsoffensive tatsächlich hat. Gut sind jedenfalls der geplante Abbau der Bürokratie und die Unterstützung für Existenzgründerinnen und Existenzgründer, die beispielsweise vom IHKBeitrag freigestellt werden sollen. Ob allerdings die Flexibilisierung der Handwerkerordnung bei uns greift und sich damit mehr Beschäftigte selbständig machen, bleibt in Mecklenburg-Vorpommern abzuwarten.

Meine Damen und Herren, gravierend wird sich in Mecklenburg-Vorpommern die geplante Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auswirken, und zwar einheitlich auf eine Höhe, die in der Regel zum Niveau der Sozialhilfe wird.

(Vizepräsident Andreas Bluhm übernimmt den Vorsitz.)

Das bedeutet doch nichts anderes, als dass das System der Arbeitslosenhilfe, die in Abhängigkeit vom letzten Lohn gezahlt wird, aufgehoben werden soll. Die Betroffenen sollen nur noch Leistungen in Höhe der Sozialhilfe erhalten, die eigentlich einmal als Existenzminimum angedacht war, und das bei voller Anrechnung des Vermögens, des Hauses, des Autos und des Sparbuches. Wo bleibt denn hier das viel beschworene Prinzip „fördern und fordern“? SPD und PDS sind sich einig, dass die Zusammenlegung nicht auf dem Niveau der Sozialhilfe und

zu Lasten der Kommunen erfolgen darf. So haben wir es im Koalitionsvertrag vereinbart und so wird es zumindest bei uns sein. Ich bin froh, dass sich die SPD auf ihrem letzten Parteitag noch einmal unmissverständlich zu dieser Forderung bekannt hat.

(Beifall Gabriele Schulz, PDS)

Und damit wir wissen, worüber wir reden, meine Damen und Herren, in Mecklenburg-Vorpommern leben 100.000 Menschen in Arbeitslosenhilfe. Die durchschnittliche Arbeitslosenhilfe beträgt 469 Euro. 44.000 Menschen sind derzeit in Sozialhilfe – übrigens im Anteil viel weniger als in vergleichbaren Altbundesländern – und sie erhalten als Hilfe zum Lebensunterhalt 279 Euro. Die angedachte Reform verschlechtert damit nicht nur die Lebenssituation jedes Einzelnen, sondern sie würde in unserem Land zu einem Kaufkraftverlust von 228 Millionen Euro führen. Meine Damen und Herren, das wäre ökonomisch für Mecklenburg-Vorpommern nicht verkraftbar.

In diesem Zusammenhang macht uns auch die vorgesehene Einteilung der Arbeitslosen- und Sozialhilfeempfänger in Erwerbsfähige große Sorgen, die durch die Bundesanstalt für Arbeit betreut werden, und Nichterwerbsfähige, die bei den Kommunen bleiben. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen! Oder nach welcher Mär soll hier eigentlich verfahren werden? Was bitte schön sollen jene Menschen tun, die aufgrund ihrer persönlichen Lebenssituation weder in das eine noch in das andere Hilfesystem passen? Schätzungen, meine Damen und Herren, gehen davon aus, dass in Mecklenburg-Vorpommern etwa 35.000 der heutigen Arbeitslosenhilfeempfängerinnen und Arbeitslosenhilfeempfänger davon betroffen sein könnten. Ich frage Sie: Was bringt das?

Insgesamt müssen wir leider feststellen, dass trotz der durchaus positiven Ansätze in der Agenda 2010, das Gros der geplanten Maßnahmen vor allem auf Kosten der Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer, auf Kosten der sozial Schwachen auch in Mecklenburg-Vorpommern gehen wird. Das ist keine zukunftsfähige Reform. Im Interesse der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes müssen wir uns gemeinsam dafür einsetzen, die Schieflage in der Agenda 2010 zu korrigieren. Denn genauso wichtig wie der Frieden nach außen ist der Frieden nach innen, ist der soziale Frieden auch in Mecklenburg-Vorpommern.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Frau Gramkow, gestatten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Thomas? (Zu- stimmung)

Bitte schön, Herr Thomas.

Frau Gramkow, Sie haben heute letztendlich doch auch eine erhebliche Kritik an Ihrem Koalitionspartner geübt. Wie kriegen Sie diesen Spagat mit Ihrer Regierungsverantwortung hier im Land hin? Das ist etwas, was mich doch interessiert.

(Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Ich denke, Herr Thomas, dass nach den Reden, vor allen Dingen des Ministerpräsidenten und auch der SPD-Fraktion, klar geworden ist, dass wir gemeinsam im Interesse der Menschen dieses Landes angetreten sind, auch für Verbesserungen bei der Agenda 2010 zu streiten und zu kämpfen. Dass man bun

despolitisch, weil wir zum Glück zwei unterschiedliche Parteien sind, unterschiedlicher Auffassung ist, das gehört dazu. Aber die Plattform der gemeinsamen Zusammenarbeit, zum Beispiel den Sozialabbau, nicht allein auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger zu betreiben, denke ich, da sind wir uns zutiefst einig. Leider scheint sich allerdings die CDU weit davon entfernt zu haben.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Frau Gramkow.

Es hat noch einmal ums Wort gebeten der Fraktionsvorsitzende der CDU Herr Rehberg. Bitte schön, Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Herr Präsident. Meine Damen und Herren Abgeordnete! Herr Backhaus ich stehe dazu, dass die Renten von 1990 (40 Prozent Ost) und 1998 (84 Prozent Ost) die durchschnittliche Rente erreicht haben. Das, glaube ich – und wenn ich mich richtig erinnern kann, hat die SPD in den Anfangsjahren auch diesen Rentenerhöhungen zugestimmt –,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig!)

das waren wir insbesondere der Kriegsgeneration im Osten schuldig.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Zuruf von Dr. Till Backhaus, SPD)

Das ist einfach soziale Verantwortung gewesen. Und wenn Sie beklagen, dass bei der Arbeitslosenversicherung, bei der Rentenversicherung, bei der Krankenversicherung bis auf wenige Ausnahmen das Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland einheitlich in allen 16 Bundesländern gestaltet worden ist, dann muss ich auch in Kauf nehmen – weil natürlich die Einkommenssituation gar nicht da war, die Bruttolöhne –, dass dieses steuerfinanziert passieren musste.

Herr Backhaus, zwei Dinge. Über Jahre hinweg, gerade zwischen 1999 und 2002, sind massiv Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt an die Bundesanstalt für Arbeit gegangen. Wenn ich die Zahl richtig im Kopf habe, bekommt die Rentenversicherung, damit sie überhaupt tragfähig ist, 77 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt. Das sind die Tatsachen! Herr Backhaus, nehmen Sie auch das bitte zur Kenntnis, dass in den letzten fünf Jahren die Rentenangleichung fast zum Stoppen gekommen ist. 1998 84 Prozent, heute 87 Prozent! Das heißt, Sie haben unter Rot-Grün in knapp fünf Jahren gerade mal 3 Prozent geschafft. Herr Kollege Backhaus, wenn Sie sagen, dass wir die Deutsche Einheit über die Verschuldung der Sozialsysteme finanziert haben, dann ist das nicht korrekt. Das Wichtigste war 1990, die Einheit zu gestalten, und das Nächste, was die Menschen erwartet haben, dass sie gerade in den Bereichen – und das war schwierig genug – nicht das Gefühl hatten, Menschen dritter oder vierter Klasse zu sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Das war das Entscheidende in diesen Jahren.

Ich bin, Herr Kollege Backhaus, sehr dafür, dass wir gemeinsame Initiativen gegen die Abwanderung entwickeln. Doch auch hier bleiben Sie bei der Wahrheit! 1997 hatten wir eine schwarze Null im Saldo der Abwan

derung. 1998 waren es 3.400 im Saldo und jetzt haben wir weit über 12.000.

(Wolfgang Riemann, CDU: Da ist Helmut Kohl dran schuld!)

Dann lassen Sie uns doch gemeinsam daran arbeiten, die Leistungsträger im Land zu halten. Ich habe genug Sozialkundeunterricht an Gymnasien gehalten, ob in Boizenburg oder in Demmin. Da schlagen wir die Zusammenarbeit überhaupt nicht aus. Nur was wir nicht mit uns machen lassen, ist, dass Sie so tun, als ob Sie erst seit dem heutigen Tag regieren. Nein, Sie waren von 1994 bis 1998 in der politischen Verantwortung. Sie tragen seit 1998 mit der PDS gemeinsam die politische Verantwortung in diesem Land. Stehen Sie auch zu den negativen Aspekten von politischer Verantwortung, genauso wie zu den positiven!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Herr Kollege Backhaus, wir können uns ja nun wirklich darauf verständigen, wie man mit einem Antrag umgeht. Kollegin Gramkow, man kann nicht auf alle Dinge der Regierungserklärung von Gerhard Schröder vom 14. März eingehen. Nur, Herr Kollege Backhaus, Sie sind auf überhaupt keinen Punkt eingegangen, auf gar keinen. Ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie einen Zwischenruf „Zur Sache!“ bekommen. Wenn Sie wirklich so lax einfach dem Bundeskanzler Schröder folgen oder sagen, na unsere Stimme im Bundesrat ist ja sowieso nicht notwendig, der ist eh unionsdominiert, lass die mal machen, dann frage ich mich wirklich: Wie sehen Sie politische Verantwortung? Sie sind alle substantiellen Antworten auf die Punkte der Regierungserklärung von Schröder schuldig geblieben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

An keiner Stelle sind Sie irgendwo bereit oder auch fähig gewesen, eine Antwort zu geben. Und, Herr Kollege Backhaus, man sollte den Landtag nicht mit dem eigenen Landesparteitag verwechseln. Ich bin Ihnen ja ungeheuer dankbar, dass Sie uns hier insbesondere die Positionen der CSU aufgezeigt haben. Das, was Edmund Stoiber vorschlägt, mag für den Freistaat Bayern möglicherweise richtig sein, denn die haben eine Arbeitslosenquote von knapp unter sechs Prozent. Die haben allein im Hotel- und Gaststättengewerbe 15.000 freie Arbeitsstellen und so weiter und so fort. Das ist doch ein erfolgreiches Bundesland.

(Klaus Mohr, SPD: 30 Jahre für gebraucht, Herr Rehberg.)

Aber was Sie vergessen – ich bin sofort fertig, Herr Präsident –, regiert wird hier von SPD und PDS und in Berlin von SPD und Grünen. Die Gesetze werden über den Deutschen Bundestag eingebracht. Dann wird man sich im Bundestag und im Bundesrat darüber unterhalten. Deswegen ist in erster Linie interessant, was sagt der Bundeskanzler und wie steht diese Landesregierung dazu, die hier in diesem Land Verantwortung trägt. Herr Kollege Backhaus, Sie haben als Landesvorsitzender einer großen Partei auch Verantwortung für dieses Land und deswegen erwarten wir Antworten zu den Punkten beim Sozialsystem und keine Büttenrede. Die können Sie in Valluhn oder in Satow halten. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Danke schön, Herr Rehberg.

Es hat noch einmal ums Wort gebeten der Abgeordnete Backhaus für die Fraktion der SPD.

Herr Rehberg, ich mache es wirklich kurz. Ich habe mich bemüht Ihnen dazustellen, wo unsere Schwerpunkte liegen werden. Dieses als eine Büttenrede zu bezeichnen, das ist von Ihnen schon bemerkenswert. Die Karnevalszeit ist ja nun bekanntlich eine ganze Weile zu Ende. Wenn ich das richtig aufgenommen habe, das, was Sie da in Demmin losgelassen haben, das soll ja auch nicht so ein doller Schreier gewesen sein. Aber gut, das lassen wir jetzt mal dahingestellt sein. Ich will nur noch eines deutlich machen, denn Fakt ist, dass mit Regierungsübernahme in Berlin die CDU den Menschen in Deutschland einen Schuldenberg von 1.500 Milliarden DM hinterlassen hat.

(Reinhardt Thomas, CDU: Der ist aber schon vorher hinterlassen worden, schon 1989. – Zuruf von Eckhardt Rehberg, CDU)