Protocol of the Session on April 10, 2003

Das ist eine ausgesprochen europapolitisch dimensionierte Frage und auf diesem Schachbrett bin ich eine Nummer zu klein.

Schönen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Fragen liegen mir nicht vor. Damit sind wir am Ende der heutigen Fragestunde.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns im Kontext der Bundespolitik, auf Drucksache 4/329.

Antrag der Fraktion der CDU: Zukunft Mecklenburg-Vorpommerns im Kontext der Bundespolitik – Drucksache 4/329 –

Das Wort zur Begründung hat der Fraktionsvorsitzende der CDU-Fraktion Herr Rehberg.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Deutschland ist in Bewegung, Deutschland muss sich bewegen! Allen ist klar, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Das spüren wir, das spüren die Menschen in MecklenburgVorpommern deutlicher als die Menschen in Bayern oder Baden-Württemberg. Gerade die Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit aus der vergangenen Woche machen für unser Land wie seit Beginn des Jahres deutlich, wir müssen klotzen, meine Damen und Herren, gekleckert wurde in den letzten Jahren genug.

Nun hat der Bundeskanzler am 14. März einen Medienrummel inszeniert. Da hat er den Anschein erweckt, dass nicht er, sondern irgendjemand seit 1998 die Bundesrepublik Deutschland regiert. Seine Regierungserklärung erweckte Erwartungen in allen Schichten der Bevölkerung. Die Unternehmer erwarteten für sich den großen Befreiungsschlag zur Senkung der Lohnnebenkosten, die Kommunen die Rettung aus ihrer katastrophalen Finanzlage. Aber viele Menschen hatten auch schlichtweg Angst, was an Einschnitten verkündet werden sollte.

Ich will mich hier bei der Einbringung unseres Antrages mit meiner Bewertung noch zurückhalten, ich will sie Ihnen aber nicht vorenthalten. Das Ergebnis, die Umsetzung der Regierungserklärung des Bundeskanzlers, wird auch die Entwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpommern nachhaltig beeinflussen. Wie nachhaltig Entscheidungen der SPD-geführten Bundesregierung die Zukunft unseres Landes prägen, hat Ihr neuer Parteivorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren von der SPD, in der vergangenen Woche einmal mehr deutlich gemacht. Die ideologisch geprägte Ablehnung der ITER-Bewerbung durch den Bundeskanzler zeigt, dass der Aufbau Ost durch diese Bundesregierung kaum noch Bedeutung hat.

Und, Herr Minister Metelmann, wenn Sie sagen, unsere Bewerbung wurde direkt nicht angenommen, dann stellt sich doch die zentrale Frage: Warum hat sich die Bundesrepublik Deutschland für den Standort Greifswald gar nicht erst beworben bei der Europäischen Kommission? Das ist doch die zentrale Frage.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Wir wollen von Ihnen wissen, Herr Ministerpräsident, wie sich die Umsetzung der Regierungserklärung des Bundeskanzlers auf die Entwicklung des Landes auswirken wird. Dass Gerhard Schröder bei seiner Linie bleiben wird, daran hat er vor circa drei Wochen keinen Zweifel gelassen.

Meine Damen und Herren Abgeordnete, wie ernst wird eigentlich in Mecklenburg-Vorpommern von der Landesregierung die Verfassung genommen? „Die Landesregie

rung ist verpflichtet,“ – verpflichtet! – „den Landtag über die Vorbereitung von Gesetzen sowie über Grundsatzfragen der Landesplanung, der Standortplanung und Durchführung von Großvorhaben frühzeitig und vollständig zu unterrichten. Das gleiche gilt für die Vorbereitung von Verordnungen und Verwaltungsvorschriften, die Mitwirkung im Bundesrat sowie die Zusammenarbeit mit dem Bund, den Ländern, anderen Staaten, den Europäischen Gemeinschaften und deren Organen, soweit es um Gegenstände von grundsätzlicher Bedeutung geht.“ Meine Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, Zitatende, Artikel 39 Absatz 1 der Landesverfassung, der auch Sie zugestimmt haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sind das, was sich alles um die Regierungserklärung des Bundeskanzlers herumrankt, nicht Grundsatzfragen unseres Gemeinwesens? Ist hier nicht die Landesregierung in der Pflicht, ihren Informationspflichten nach der Landesverfassung nachzukommen?

Ein Weiteres, Frau Kollegin Gramkow, Herr Kollege Schlotmann! Wie ist es eigentlich um das Selbstverständnis dieses Landesparlamentes bestellt? Es geht um den Sinn des Föderalismus in Deutschland und wie wir die Bedeutung der Landesparlamente wieder stärken können. Ich finde es gut, ausgesprochen positiv, dass wir uns über Parteigrenzen hinweg in der Lübecker Erklärung vom 31. März diesen Jahres auf die Stärkung der Landesparlamente verständigen konnten. Sicher, die Union wollte noch mehr, als es in dieser Erklärung Niederschlag fand, aber Demokratie ist auch Kompromiss und deswegen bin ich, sind wir mit dem erreichten Kompromiss zufrieden.

Aber wenn wir solche Beschlüsse fassen, dann müssen wir sie in der täglichen Arbeit auch ernst nehmen, sie anwenden, unsere Interessen auch gegenüber der Regierung wahrnehmen. Und so heißt es auch in der Lübecker Erklärung unter III. Punkt 6.7, dass die Landesregierung die Landesparlamente zum frühestmöglichen Zeitpunkt über alle Bundesratsangelegenheiten zu unterrichten hat, die für das Land von herausragender politischer Bedeutung sind und wesentliche Interessen des Landes unmittelbar berühren. Es heißt sogar im Punkt 7, falls es um Gesetzgebungszuständigkeiten des Landesparlamentes geht, dann sind die Stellungnahmen des Parlamentes zu berücksichtigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun weist der vorliegende Antrag nicht ausdrücklich auf eine Bundesratsangelegenheit hin, aber große Teile dessen, was Gerhard Schröder am 14. März im Deutschen Bundestag vorgetragen hat, ist von herausragender politischer Bedeutung und zustimmungspflichtig im Bundesrat. Und deswegen werden die Interessen des Landes Mecklenburg-Vorpommern unmittelbar berührt.

Wie wir in den letzten Tagen aus der Presse entnehmen konnten, hat auch eine andere Fraktion in diesem Landtag ein erhebliches Interesse an einer Erklärung der Landesregierung zur Regierungserklärung von Kanzler Schröder. Wie wir es auch wenden, eines ist mir wichtig: Wenn wir die Föderalismusdebatte, die wir in Lübeck ernsthaft begonnen haben, zum Erfolg führen wollen, dann müssen wir die Landesregierung als Parlament stärker in die Pflicht nehmen.

Herr Ministerpräsident, dann machen Sie heute den Anfang! Wir und ich erwarten nicht einfach im Anschluss einige unverbindliche, unkritische Glaubensbekenntnisse

in Richtung Ihres Kanzlers und seiner Politik. Wir und die Menschen im Land erwarten von Ihnen eine detaillierte Darstellung über die absehbaren Folgen der Politik Ihrer Bundesregierung für das Land Mecklenburg-Vorpommern!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Ministerpräsident, ich möchte Sie gleich auffordern, nehmen Sie Stellung zu dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses! Ich muss Ihnen sagen, der gestrige Abend war ein guter Abend für Deutschland. Weg mit der Steuererhöhungsorgie von Eichel, keine Belastungen für die Bürger, keine Belastungen für die Personengesellschaften, Korrektur der Körperschaftssteuer! Ich muss sagen, ich bin froh und dankbar, dass hier die Union als Korrektiv im Bundesrat wirken konnte

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

und wirklich die zusätzlichen Belastungen für die Bürger und gerade für den Mittelstand verhindern konnte. Ich denke, das Motto kann nur sein: Nur mehr Wachstum schafft mehr Arbeitsplätze, mehr Steuern vernichten Arbeitsplätze! – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Rehberg.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Um das Wort hat zunächst gebeten der Ministerpräsident des Landes Herr Dr. Ringstorff.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Wir stehen in Deutschland vor großen Herausforderungen. Es geht darum, Deutschland für die Zukunft fit zu machen. Wir brauchen Reformen, um unsere an sich leistungsfähige Wirtschaft wieder flott zu bekommen und unsere Sozialsysteme sicher zu machen und zu modernisieren. Das ist nicht einfach, denn Reformen sind Knochenarbeit. Aber im Gegensatz zum jahrelangen Stillstand ist unter Kanzler Schröder vieles angepackt worden, damit Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit, Wohlstand und sozialer Zusammenhalt auch in Zukunft gesichert werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jetzt muss es mit der Arbeitspolitik und mit dem Gesundheitswesen weitergehen. Denn eines ist klar: Je schneller Deutschland an Fahrt gewinnt, desto besser kommt auch Mecklenburg-Vorpommern voran! Ich muss daran erinnern, dass wir noch nicht auf eigenen Beinen stehen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das merkt man!)

Das liegt auch daran, dass nach der Wende viele Weichen falsch gestellt und zu viel kaputtgeschlagen wurde, was eine Chance verdient hätte: zu viel Bürokratie, zu viel alte Strukturen, zu wenig neue Ideen, zu wenig zukunftsfähige Industrie- und Forschungsprojekte, zu viele Schulden und eine durch zu lange unkritisch betrachtete Steuer- und Förderpolitik aufgeblähte Bauwirtschaft, die auf Dauer nicht zu halten war und deren Wachstum strukturelle Defizite in Ostdeutschland lange nicht deutlich werden ließ.

Um ein Thema der Fragestunde aufzugreifen, Herr Rehberg: Der ITER ist doch schon zu Kohls Zeiten aufgegeben worden!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Es ist scheinheilig, jetzt große Trauerarien zu singen und zu behaupten, Kohl und Schäuble hätten sich für den ITER in Deutschland in Lubmin eingesetzt, während der damalige Forschungsminister Rüttgers bereits im Juli 1996 deutlich gemacht hatte, dass sich die Bundesrepublik nicht als Sitzland bewirbt.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Und sicherlich, das ist meine Auffassung, wirkt diese Entscheidung bis heute fort. Und all das fällt jetzt, wo die wirtschaftliche Lage in Deutschland und die Weltkonjunktur alles andere als erfreulich sind, doppelt und dreifach ins Gewicht. Jetzt haben wir den Rückgang in der Bauindustrie mit massiven Arbeitsplatzverlusten zu verkraften. Das überlagert die Fortschritte in anderen Bereichen und die gibt es in Mecklenburg-Vorpommern im verarbeitenden Gewerbe, in der Biotechnologie, in der Land- und Ernährungsgüterwirtschaft und im Tourismus. Das können selbst Sie nicht schlechtreden, Herr Rehberg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Aber wir müssen weiter vorwärts kommen. Je schneller Deutschland an Fahrt gewinnt, desto besser ist das für Mecklenburg-Vorpommern. Wir brauchen Reformen, damit die Konjunktur in Deutschland wieder anspringt, neue Arbeitsplätze geschaffen werden, die sozialen Systeme erhalten werden können, wir Wohlstand und soziale Gerechtigkeit in Deutschland sichern, damit die Menschen anpacken können und wissen, dass es sich lohnt. Wir brauchen Reformen, um die Zukunft zu gestalten und den jungen Menschen in unserem Land eine Perspektive zu geben. Die Menschen in Deutschland und gerade in Ostdeutschland haben bewiesen, dass sie den Mut und die Kraft haben, notwendige Schritte zu machen und zu verändern, was verändert werden muss. Aber sie wollen berechtigterweise wissen, wo es langgeht.

Der Bundeskanzler hat ein umfassendes Reformprogramm vorgelegt und der Reformkurs ist richtig. Wir werden insgesamt davon profitieren, auch wenn es zunächst einige Punkte gibt, die wehtun. Wasch mir den Pelz und mach mich nicht nass, das geht nicht. Es wird schmerzhafte Einschnitte geben und jeder in der Gesellschaft wird davon betroffen sein. Doch wir werden alles daransetzen, dass es so gerecht wie möglich zugeht.

Was jedoch allen schadet und keinem nutzt, ist, wenn dieses Reformpaket jetzt wieder völlig zerredet wird. Jetzt muss sich zeigen, ob die Union die Courage und die Kraft hat, die Regierung bei der Umsetzung der Reformen zu unterstützen

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

oder ob sie nur die eigene Konzeptionslosigkeit hinter ihren populistischen Forderungen versteckt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Das Problem der Union ist doch, dass Stoiber in München „hü“ sagt, worauf Merkel in Berlin „hott“ sagt, und dass kein Mensch weiß, woran er ist, wenn es darum geht,

von ihnen belastbare Aussagen zu bekommen. Und das, was Herr Stoiber auf den Tisch gelegt hat, würde unsere Lage nicht verbessern, sondern verschärfen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

das hat Herr Rehberg selbst festgestellt.

Mich würde aber schon interessieren, Herr Rehberg, welche Reformvorschläge die CDU in Mecklenburg-Vorpommern unterstützt. Herrn Stoibers Vorschläge nicht, das haben Sie deutlich gemacht. Aber vielleicht die von Herrn Minister Gillo in Sachsen zum Kündigungsschutz, wonach im Osten für Betriebe mit bis zu 80 Mitarbeitern 10 Jahre lang das Kündigungsschutzgesetz aufgehoben werden soll, oder die von Georg Milbradt, der sich gestern oder vorgestern, glaube ich, geäußert hat und der laut dpa für eine Kürzung der Sozialhilfe plädiert,