Protocol of the Session on April 10, 2003

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU – Harry Glawe, CDU: Was ist denn mit Ihnen los, Herr Backhaus?! Wer hat Ihnen das alles aufgeschrieben?)

Die Sozialhilfe wird für Arbeitsfähige mit Ausnahme von Alleinerziehenden tatsächlich auf 75 Prozent herabgesenkt. Das sind die Vorschläge, die Sie unterbreitet haben. Höhere Abschläge beim vorzeitigen Vorruhestand, darauf haben Sie ja in Ihrer Rede abgehoben. Aber in Wirklichkeit sagen Sie etwas, was innerhalb der CDU aktiv diskutiert wird. Oder: Das Vermögenssteuergesetz wird aufgehoben, Unternehmen bis zu 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen quasi vom Kündigungsschutz ohne Tarifbindung sowie der Arbeitzeitregelung freigestellt werden.

Das sind nur ein paar Gedanken, die Sie niedergeschrieben haben. Gleich nach dem Motto „Heuern und feuern“ soll es das in Zukunft in Deutschland geben und soll das möglich sein. Diese Art des Abbaus von Arbeitnehmerrechten gepaart mit Tiraden gegen Gewerkschaften ist es, wie Sie immer hier auch aufgetreten sind, und das hätten wir von Ihnen zu erwarten.

Für meine Fraktion sage ich sehr deutlich: Ja, mit der SPD in Berlin und Schwerin wird es den dringend notwendigen und maßvollen Umbau der Sozialsysteme geben. Das haben wir immer gesagt und das werden wir auch so umsetzen!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU)

Herr Dr. Backhaus, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrn Renz von der CDU-Fraktion? (Zustimmung)

Sehr geehrter Herr Dr. Backhaus, ich möchte gerne, bevor ich meine Frage stelle, noch einmal den Antrag verlesen, vor allen Dingen fürs Publikum.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das geht nicht!)

Damit wir noch wissen, wo...

(Unruhe bei Abgeordneten der SPD – Heinz Müller, SPD: Frage! Frage!)

Herr Abgeordneter, Sie können eine Frage stellen, aber hier nichts verlesen.

(Zuruf von Volker Schlotmann, SPD)

Meine Frage ist: Herr Dr. Backhaus, sprechen Sie noch zu diesem Antrag, um die Auswirkungen dieser Regierungserklärung der Bundesregierung darzustellen, oder sprechen Sie zum Programm der CDU?

(Heiterkeit und Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Vielleicht konnten Sie mir nicht folgen, weil es bei Ihnen in den Reihen etwas laut ist.

(Beifall bei der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Insofern sollten Sie mir vielleicht aufmerksam zuhören, weil jetzt noch ein paar Elemente kommen, die aus meiner Sicht für die Sozialdemokratie und für die Fraktion außerordentlich wichtig sind. Und vielleicht können wir uns dann ja nachher draußen ein wenig darüber unterhalten.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Noch einmal, es geht um den Wohlstand. Es geht darum, den Wohlstand dauerhaft zu sichern und den Sozialstaat in seiner Substanz zu garantieren, so, wie ich es am Anfang gesagt habe. Angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse brauchen wir aber auch ein Miteinander,

(Harry Glawe, CDU: Ja, genau. Richtig, sehr richtig!)

das will ich ausdrücklich sagen, um die Dinge überhaupt in den Griff zu bekommen. Deshalb sollten alle, auch die Union, denen die soziale, und das betone ich ausdrücklich, Marktwirtschaft noch etwas bedeutet, zusammenarbeiten und vernünftige Gesetze auf den Weg bringen.

(Harry Glawe, CDU: Ja.)

Dafür haben wir eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu erfüllen. Ich erwarte und bitte Sie dringend darum, auch auf Ihre Kollegen in den alten Bundesländern mit Einfluss zu nehmen, dass wir hier weiterkommen.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU, und Eckhardt Rehberg, CDU)

Ziel demokratischer Politik in unserem Bundesland ist es, denjenigen Menschen ausdrücklich zu helfen, die sich selbst nicht helfen können. Gleichzeitig werden wir diejenigen konsequent heranziehen, die stärker zum Gemeinwesen beitragen können. Gerade im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik darf es keinen Kahlschlag geben. Mecklenburg-Vorpommern kann zumindest mittelfristig auf ABM und SAM noch nicht verzichten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ob das steuerfinanziert wird, wie das Herr Gerster vorschlägt, oder beitragsfinanziert geschieht, das ist völlig egal.

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist nicht egal, für die Lohnnebenkosten zumindest nicht!)

Entscheidend ist, dass wir den Menschen eine Perspektive geben und sie in den Prozess wieder integrieren. Entscheidend für die Menschen hier ist mittelfristig die Beibehaltung des zweiten Arbeitsmarktes. Dazu gehören natürlich auch andere Modelle, wie zum Beispiel Lohnkostenzuschüsse in den strukturschwachen Gebieten, und ganz besonders Maßnahmen, die die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen und den älteren Menschen helfen, im Prozess der Beschäftigung und damit im Gemeinwesen weiterhin mit tätig zu sein. Das ist doch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der wir gemeinsam arbeiten müssen.

(Zuruf von Renate Holznagel, CDU)

Die Arbeitslosenstatistik macht mir, der gesamten Landesregierung und der Fraktion jeden Monat aufs Neue große Sorgen. Denken Sie etwa, Herr Rehberg, wir wären mittlerweile so abgestumpft, dass wir uns nicht ständig Gedanken darum machen, wie wir aus dieser Krise herauskommen? Glauben Sie wirklich, wir sind so abgestumpft? Ich bin gewiss kein Freund von Schuldzuweisungen, aber schon ein Freund von klaren Worten. War es denn nicht die Bundesregierung unter Ihrem Bundeskanzler Kohl,

(Kerstin Fiedler, CDU: Das sind keine Ausreden mehr! – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

der sich praktisch blind darauf verlassen hat, dass der liebe Gott es schon richten wird – so war es doch – und damit im Osten blühende Landschaften entstehen werden? So ist es doch gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU – Zuruf von Kerstin Fiedler, CDU)

Haben Sie das denn alles vergessen? Die Deutsche Einheit – und das wissen Sie doch auch ganz genau,

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

zum Glück gibt es viele ehrliche Menschen, mit denen man sich auch innerhalb der CDU darüber streiten kann, oder auch solche, die das überhaupt nicht anders sehen –,

(Zuruf von Kerstin Fiedler, CDU)

die Deutsche Einheit wurde im Wesentlichen auf der Grundlage der sozialen Sicherungssysteme finanziert. Das wissen Sie doch ganz genau.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Harry Glawe, CDU: Ja.)

Damit haben Sie doch, meine Damen und Herren der CDU, Ihre Wahlen gewonnen und dabei billigend

(Harry Glawe, CDU: Ja! Und Sie machen weiter damit! Sie machen weiter damit, Herr Backhaus!)

in Kauf genommen,

(Harry Glawe, CDU: Das ist so! Da haben Sie ja Recht!)

dass der Bereich der Sicherungssysteme geradezu explodieren wird und wir damit in die Katastrophe geführt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

So ist es doch gewesen! Jetzt schimpfen Sie mit uns, dass diese Systeme nicht mehr funktionieren. Das ist doch wirklich billiger Populismus.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Zurufe von Dr. Harald Ringstorff, SPD, und Volker Schlotmann, SPD – Heiterkeit bei Jörg Heydorn, SPD)

Wir sind ja kurz vor Ostern und eine größere Eierei kann ich mir von Ihnen wirklich nicht vorstellen. War es nicht die Treuhandanstalt mit ihren politischen Vorgaben?

(Zuruf von Rainer Prachtl, CDU)

Da habe ich ja mal von Ihnen Ordnungsrufe bekommen und musste den Landtag verlassen, obwohl das schöne frische gekochte Eier waren, Herr Prachtl,