Protocol of the Session on April 9, 2003

Zum Abwägungsgebot: Zum Regionalkreismodell existieren zweifelsfrei gegenläufige Interessen zwischen den Landkreisen, zwischen Land und Landkreisen, zwischen Landkreisen und kreisfreien Städten und kreisangehörigen Ämtern und Gemeinden. Eine Gewichtung, Bewertung und Verarbeitung aller entscheidungsrelevanten Gesichtspunkte ist meines Erachtens bisher noch nicht ausreichend überzeugend erfolgt. Annahmen und Vermutungen werden hier nicht ausreichen.

Zur Erforderlichkeitsprüfung: Ein Kreismodell wäre dann verfassungswidrig, wenn eine gleich gut geeignete und weniger in das Selbstverwaltungsrecht eingreifende Alternative verwirklicht werden kann.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Eine Intensivierung zwischenkreislicher Kooperation beziehungsweise die Minimierung vorhandener Kooperationsmängel durch angedachte Trägerschaftsmodelle sprechen dafür, dass ein Regionalkreismodell einer wesentlich vertieften Begründung bedürfte.

Abschließend bleibt zu fragen, warum bisher verwaltungswissenschaftlicher Sachverstand bei diesem in bundesdeutschen Flächenländern einmaligen Experiment ausgespart wurde. Bildhaft gesprochen: Nach dem Aufsetzen der Richtkrone dürfte auch dies kaum noch hilfreich sein.

Meine Damen und Herren, eine im Rechtsstaat nie auszuschließende verfassungsrechtliche Überprüfung wird nicht den einen oder anderen Lösungsansatz des Parlaments verwerfen. Verfassungsrechtlich bedenklich würde vielmehr sein, für stichhaltige Antworten und Modelle notwendige Fragen nicht gestellt zu haben. Aufgeworfene Fragen und Antworten zum Regionalkreismodell sprechen bisher eher für eine sehr zügige Erarbeitung von Alternativlösungen, um das Reformvorhaben insgesamt nicht zu gefährden. So habe ich auch vorhin die Aussagen der Redner auf der Demonstration empfunden.

Im Zweifelsfalle sollte daher unsere Entscheidung zugunsten der Empfehlung der Enquetekommission, wie sie der vorliegende Gesetzesentwurf aufzugreifen versucht, ausfallen. So jedenfalls war auch die Meinung des Präsidenten des Landesrechnungshofes im letzten Sonderausschuss zu verstehen. Ich zitiere sinngemäß: Das Regionalkreismodell trägt den Keim des verfassungsrechtlichen Scheiterns der Gesamtreform in sich.

(Beifall Dr. Armin Jäger, CDU)

Ich bin sicher, dass es im Innenausschuss und besonders im Sonderausschuss aufschlussreiche Debatten zu dieser Problematik und damit auch zum vorgelegten Entwurf der Änderung der Kommunalverfassung geben wird. – Ich danke Ihnen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Frau Abgeordnete Schulz.

Als Nächstes hat das Wort für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Jäger. Bitte schön, Herr Jäger, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eigentlich hatte ich geglaubt, dass man das, was wir vorgelegt haben, hier gar nicht näher zu begründen braucht, denn wir haben schon einmal darüber beschlossen.

Herr Kollege Müller, wir haben vorhin auf dem Flur gesagt, ihr habt ja eigentlich, so sagten Sie, nur das gemacht, was wir beschlossen haben.

(Heinz Müller, SPD: So ist es.)

Genau das haben wir getan.

(Heinz Müller, SPD: Jo!)

Ich glaube, das war auch nötig, denn was man heute vom Innenminister dazu hören musste, dass sich vor September gar nichts drehen wird, war doch sehr deutlich.

Wenn wir auf die Landesregierung warten müssen – und, Herr Innenminister, wenn Sie das so besonders herausstreichen, dass die Anhörungen dazu noch stattzufinden haben –, ja, natürlich! Gott sei Dank, haben wir das hier im Lande. Aber man kann nichts anhören, wenn man noch keinen Entwurf hat. Sie haben neun Monate Zeit gehabt und Sie haben gar nichts auf den Tisch gelegt. Jetzt erzählen Sie, was Sie Weitergehendes haben. Einverstanden, kommen Sie in die Beratung, und wir machen das weiter.

Übrigens, noch etwas: Ich weiß nicht, welche Veranstaltung Sie angesprochen haben, denn ich habe einige draußen im Lande durchgeführt. Das war gerade der Grund, Herr Kollege Ringguth hat es vorhin vollkommen übereinstimmend gesagt, wir beide haben den Eindruck, dass Ihr Zögern dazu führt, dass viele schon mögliche Zusammenschlüsse deswegen zurückgestellt werden, weil sich die Kollegen in den kommunalen Einrichtungen draußen sagen, was wird denn nun kommen.

Da gibt es auch sehr unterschiedliche Aussagen. Herr Innenminister, fragen Sie doch einmal Ihren Staatssekretär, was er uns im Innenausschuss schon alles erzählt hat. Da bin ich manchmal richtig zusammengezuckt. Herr Friese auch, aber der hat als Ausschussvorsitzender souverän gesagt, dass das, was die Enquetekommission beschlossen hat, unsere Grundlage ist. – Herzlichen Dank, Herr Friese.

Frau Schulz, eines muss ich Ihnen sagen, denn das, was Sie hier wiedergegeben haben, ist etwa 1:1, und das war toll. Das, was wir auf den Verwaltungsrechtstagen in Greifswald diskutiert haben, haben Sie gut zusammengefasst. Wenn Sie dabei gewesen sind,

(Gabriele Schulz, PDS: Ich war nicht da. – Angelika Gramkow, PDS: Da sehen Sie mal, wie gut sie ist.)

ich weiß nicht, ob Sie da waren. Ich habe Sie nicht gesehen. Nein, ich habe dafür gesorgt, dass sie die Protokolle bekommt. Ich habe nämlich den Antrag gestellt und unser Ausschussvorsitzender – wie immer schnell und entschlossen – hat dafür gesorgt, dass Frau Schulz sich schlau machen konnte. Nur eine herzliche Bitte: Wenn Sie das nächste Mal mitwirken, Frau Kollegin, dann machen Sie sich bitte vorher schlau! Sie haben, soweit ich weiß, auf der Ebene des Kabinetts in der Staatssekretärsrunde den Entwurf der Eckpunkte mitgetragen. Sie kritisieren jetzt, dass da nicht geprüft worden ist, ob diese Regionalkreise verfassungsmäßig überhaupt erforderlich sind.

Also, meine Damen und Herren, was wollen Sie nun eigentlich?

(Angelika Gramkow, PDS: Das muss man in den Eckdaten auch nicht, das muss man jetzt tun! Das ist ein Arbeitsauftrag!)

Es wäre nett, wenn Sie in Zukunft solche schlauen Ideen hätten, wenn sie angepasst sind. Ich sage Ihnen, eine verfassungsrechtliche Prüfung von hier und von heute würde genau zu dem führen, was Sie ausgeführt haben. Nämlich, Sie haben damals die Notwendigkeit überhaupt nicht geprüft. Das wollen wir aber nicht und deswegen legen wir den Gesetzentwurf vor.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS)

Aus diesem Grund bitte ich Sie, aus zwei Vorhaben, die wir in der letzten Wahlperiode hinter uns haben, mit der dritten eine Tradition zu machen. Wenn es dann hapert, stimmen Sie auch einmal der Opposition zu.

Zweimal haben wir es geschafft – ich entsinne mich, Herr Kollege Müller, wir waren alle ganz stolz darauf –, dass wir das Prinzip „wer bestellt, der zahlt“ in unsere Verfassung aufgenommen haben. Heute wollen, anders als bei natürlichen Vaterschaften, so furchtbar viele Väter sein. Und das ist in Ordnung.

(Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Das tragen wir mit Fassung. Das Zweite war das Standardöffnungsgesetz. Beides Entwürfe von uns.

(Heinz Müller, SPD: Richtig!)

Leider, Herr Innenminister, handhaben Sie das viel zu eng, aber das Gesetz ist gut. Und das Dritte, was wir vorlegen, ist die Änderung der Kommunalverfassung.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns mit der Verunsicherung draußen Schluss machen! Ich will jetzt auf die neun Monate, die es gedauert hat, bis wir dieses Gesetz vorgelegt haben, zurückkommen. Wir haben immer gedacht, er kommt, unser Innenminister. Er kam aber nicht. Die neun Monate sind um. Lassen Sie uns dieses Gesetz in die Ausschüsse verweisen! Herr Präsident, ich darf mit Ihrer Genehmigung zitieren, wie bei diesen schon genannten Verwaltungsrechtstagen der Beigeordnete des Städte- und Gemeindebundes Herr Lübking gesagt hat:

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

„In Mecklenburg-Vorpommern ist deshalb der Gesetzgeber aufgerufen, die Ergebnisse der Enquetekommission … unverzüglich“ – für Juristen heißt das ohne schuldhaftes Zögern, Herr Innenminister – „umzusetzen“. Und er sagt auch, warum: „… da es andernfalls zu einer fast zwangsläufigen ,Hochzonung‘ von gemeindlichen Aufgaben auf die Kreisebene führt.“ Das, was dieser Mann sagt, ist logisch. Er führt weiter aus, dass das mit Artikel 28 Absatz 2 Grundgesetz nicht zu vereinbaren wäre. Sie liegen also richtig, Frau Schulz, nur einige Wochen und Monate zu spät.

(Heiterkeit bei Gabriele Schulz, PDS: Es kann nie zu spät sein.)

Meine Damen und Herren, wir sind in diesem Landtag und in diesem Land nicht schlecht miteinander gefahren, wenn wir uns tief in die Augen gesehen und gesagt haben, egal, wer das eingebracht hat, wenn es eine vernünftige Sache ist, dann machen wir sie gemeinsam. Deswegen meine herzliche Bitte, denn die Türen haben wir im Sonderausschuss schon aufgemacht. Wir haben einen sehr weitsichtigen Vorsitzenden, den Kollegen Müller.

(Heinz Müller, SPD: Danke.)

Im Sonderausschuss haben wir eine Terminplanung und die Tür ist also auf. Dieser Gesetzentwurf ist in der Terminplanung des Sonderausschusses schon drin und wir haben schon entsprechende Beratungstermine vorgesehen. Meine Damen und Herren, dann tun Sie es mit uns zusammen und stimmen Sie für die Überweisung!

Übrigens, Herr Innenminister, Sie haben Recht, der Entwurf ist noch nicht ganz ausgefeilt. Wir müssen zum Bei

spiel die beamtenrechtliche Situation – Herr Kollege Müller und ich haben darüber schon längst gesprochen – der leitenden Verwaltungsbeamten noch näher regeln. Sicher ist es fragwürdig, wenn ich einen hauptamtlichen Amtsvorsteher habe, ob ich da noch einen leitenden Verwaltungsbeamten brauche. Aber lassen Sie uns das gemeinsam machen, denn die Kommunalverfassung sieht das, wenn wir das nicht ändern, so vor.

(Minister Dr. Gottfried Timm: Sie kriegen von uns auch noch einen Vorschlag, Herr Jäger.)

Kommen Sie also mit in die Ausschusssitzung! Lassen Sie uns die Dinge, die jetzt noch gemacht werden müssen, gemeinsam machen! Was ich mir wünsche ist, dass wir heute den Zug einfach in Bewegung setzen und die Beratungen in den Ausschüssen zügig fortführen, weil Eile geboten ist, Herr Innenminister.

Ich erwarte von uns gemeinsam, dass wir den Kommunalpolitikern vor Ort rechtzeitig vor ihrer Entscheidung, ob sie sich einer Kommunalwahl stellen wollen, Klarheit verschaffen. Wir wollen viele, viele Vertreter der Bürger in unseren Gemeindevertretungen haben und wir wollen auch viele, viele ehrenamtliche Bürgermeister haben. Aber bevor sie sich dieser Frage stellen, sollten wir ihnen sagen, wie die Kommunalverfassung, mit der sie dann arbeiten sollen, aussieht. Deswegen ist allerhöchste Eile geboten. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Dr. Jäger.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Müller für die Fraktion der SPD. Bitte schön, Herr Müller.

(Dr. Till Backhaus, SPD: Alles Müller, oder was? – Heinz Müller, SPD: Der andere Müller.)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, im letzten und vor allen Dingen im vorletzten Redebeitrag waren ein paar Aufgeregtheiten drin, die ich angesichts dessen, was uns hier als Gesetzentwurf von der CDU-Fraktion vorgelegt worden ist, überhaupt nicht verstehe. Ich glaube, wir können und wir sollten mit diesem Gesetzentwurf sehr ruhig und sehr sachlich umgehen.