Protocol of the Session on April 9, 2003

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Einzelberatung über den von den Fraktionen der SPD, CDU und PDS eingebrachten Entwurf eines Elften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern auf Drucksache 4/253. Der Rechts- und Europaausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf der Fraktionen

der SPD, CDU und PDS auf Drucksache 4/253 mit den in der Beschlussempfehlung auf Drucksache 4/377 enthaltenen Maßgaben anzunehmen.

Wir kommen zur Einzelabstimmung.

Ich rufe auf die Artikel 1 bis 3 sowie die Überschrift entsprechend der Beschlussempfehlung des Rechts- und Europaausschusses. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei zwei Stimmenthaltungen sind sie mehrheitlich angenommen. Damit sind die Artikel 1 bis 3 sowie die Überschrift entsprechend der Beschlussempfehlung des Rechts- und Europaausschusses auf Drucksache 4/377 angenommen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung.

Wer dem Gesetzentwurf im Ganzen entsprechend der Beschlussempfehlung des Rechts- und Europaausschusses auf Drucksache 4/377 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Gesetzentwurf entsprechend der Beschlussempfehlung des Rechts- und Europaausschusses auf Drucksache 4/377 bei zwei Stimmenthaltungen mehrheitlich angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 3: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion der CDU – Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern, auf Drucksache 4/326.

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU: Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern (5. ÄndG KV M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 4/326 –

Das Wort zur Einbringung hat der Abgeordnete WolfDieter Ringguth von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war kurz vor Weihnachten, als die CDU-Fraktion hier im Landtag die Landesregierung aufforderte, die notwendigen Gesetzentwürfe zur Umsetzung der Beschlüsse der Enquetekommission nun doch bitte endlich vorzulegen.

Eigentlich müssten wir uns doch einig sein. Einstimmigkeit in der letzten Sitzung des Landtages in seiner 3. Legislaturperiode, als mit Entschließungsantrag aller Fraktionen dem Bericht der Enquetekommission auf Drucksache 3/2972 zugestimmt wurde. Bekenntnis der Landesregierung in dieser Legislaturperiode zur Umsetzung der Enquetebeschlüsse in den Eckpunkten zur Reform der öffentlichen Verwaltung auf Drucksache 4/205. Eine tatsächliche Umsetzung der Beschlüsse, das heißt eine gesetzliche Normierung, die endlich Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für die untere kommunale Ebene bedeuten würde, bis heute, kurz vor Ostern, Fehlanzeige meine Damen und Herren!

Das sorgt auch weiterhin für erhebliche Verunsicherungen bei den Gemeinden und Ämtern in unserem Lande. Ehemalige Kollegen fragen mich immer wieder nach Bestandsgarantien für freiwillige Verwaltungsfusionen. Einige mutmaßen, dass vor dem Hintergrund der geplanten gewaltigen Kreiszuschnitte die Empfehlungen der Enquetekommission, zumindest die Regeleinwohnerzahlen, eigentlich nur noch Makulatur seien.

Bürgermeister und Bürger befürchten, dass bei sehr großen Verwaltungsstrukturen mit deutlich über 20 Gemeinden oder gar 30 amtsangehörigen Gemeinden oder auch geschäftsführend verwalteten Gemeinden, der Druck auf die gemeindliche Selbständigkeit sehr groß wird. Sie wollten aber ihre Eigenständigkeit bewahren. Viele sehen die ehrenamtliche Arbeit vor Ort gefährdet. Von toten Gemeinden, in denen nichts mehr passieren würde, ist die Rede. Die seit Wochen im Lande geführte Diskussion zu Mindesteinwohnerzahlen für Verwaltungen von 20.000 bis 25.000 Einwohnern, die erforderlich sei, um dann eine Fülle bisher kreislicher Aufgaben übernehmen zu können, die aber noch nirgends beschrieben sind, führt zu weiteren Verunsicherungen.

Meine Damen und Herren, dabei haben wir eigentlich keine Zeit zu verlieren. Der begonnene Reformprozess zur Umstrukturierung der Verwaltung der Ämter und amtsfreien Gemeinden muss fortgeführt werden. Der Schwung muss aufrechterhalten bleiben. Und das Prinzip der Freiwilligkeit dieser notwendigen Verwaltungsfusionen, aber auch der Fusionen einzelner amtsangehöriger Gemeinden, ist für die Akzeptanz der entstehenden neuen Einheiten bei den Bürgern und auch bei den Mitarbeitern der Verwaltungen, die viel für den Aufbau dieses Landes getan haben, unendlich wichtig.

Das Ende der Freiwilligkeitsphase am 31.12.2004 ist daher eine wichtige Zäsur. Eigentlich, meine Damen und Herren, liegt sie aber bereits ein halbes Jahr davor. Die wahre Zäsur für das Ende der Freiwilligkeit ist der Tag der Kommunalwahl 2004, im Spätfrühjahr oder Frühsommer nächsten Jahres, in unserem Land. Bis dahin haben wir nur noch weniger Zeit als ein Jahr. Was bis dahin nicht politisch beschlossen ist und mit Verträgen und Vereinbarungen auch gesichert ist und was bis dahin nicht auch vom Innenministerium genehmigt ist, hat kaum noch die Chance auf Freiwilligkeit. Und wer da meint, dass man die notwendigen Entscheidungen den neugewählten Vertretungen überlassen kann, die sich dann auch erst noch konstituieren müssen, riskiert mehr als nur den Verlust der Hochzeitsprämie.

Meine Damen und Herren, das bedeutet aber, dass die Entscheidungsträger vor Ort in den amtsfreien Gemeinden und in den amtsangehörigen Gemeinden jetzt Rechtsklarheit und Rechtssicherheit für ihre Entscheidungen brauchen. Sie müssen sich jetzt darauf verlassen können, dass die Ergebnisse von zwei Jahren Arbeit des Parlamentes und die Ergebnisse von zwei Jahren Arbeit der 20 Mitglieder der Enquetekommission in 47 Sitzungen – Wissenschaftler, Mitglieder des Landtages und Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände – nun auch in Gesetze gegossen werden. Ankündigungen auf Hochglanzbroschüren, meine Damen und Herren, nützen hier wenig.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Herr Minister Dr. Timm, als ich Sie am 7. März 2003 in einer Ausschusssitzung fragte, wann denn wohl mit einem Gesetzentwurf aus Ihrem Hause zur Umsetzung der Enquetebeschlüsse, hier insbesondere in Bezug auf die Änderung der Kommunalverfassung, zu rechnen sei, antworteten Sie: In Wochen bis Monaten.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig, das hat er gesagt.)

Meine Damen und Herren, damit es eben nicht so lange dauert, hat die CDU-Fraktion den Entwurf eines Fünften

Gesetzes zur Änderung der Kommunalverfassung für das Land Mecklenburg-Vorpommern vorgelegt. Dieser Entwurf setzt die Beschlüsse der Enquetekommission aus der 3. Legislaturperiode in Bezug auf die notwendigen Änderungen der Kommunalverfassung um und wir legen wirklich Wert darauf zu sagen, sie setzt sie 1:1 um.

(Siegfried Friese, SPD: Das ist ja nicht immer gut.)

Das ist manchmal schon gut.

Wir jedenfalls verfolgen dieses Prinzip und haben die Formulierung daher zumeist wörtlich aus dem Bericht der Enquetekommission „Zukunftsfähige Gemeinden und Gemeindestrukturen in Mecklenburg-Vorpommern“ auf Drucksache 3/2959 vom 3. Juli 2002 übernommen. Auf eine Begründung der einzelnen Vorschläge kann hier insoweit verzichtet werden, als dass sie sich ebenfalls ausschließlich aus dem Bericht der Enquetekommission herleiten.

Auf eine parallele Änderung des Kommunalwahlgesetzes wurde nach Vorlage eines Ressortentwurfes für die Novellierung des Kommunalwahlgesetzes, das sich zurzeit in Verbandsanhörung befindet, verzichtet. Es bleibt Aufgabe des Innenministeriums, die Entschädigungsverordnung entsprechend der Maßgabe der Beschlüsse der Enquetekommission zu ändern, und der Haushaltgeber wird aufgefordert, im Nachtragshaushalt die Sonderzuwendungen für Gemeindefusionen in Höhe von 1,5 Millionen Euro pro Fusionsfall nun auch einzustellen.

Meine Damen und Herren, der notwendige Umstrukturierungsprozess der Verwaltung der Ämter und amtsfreien Gemeinden wird durch die vorgeschlagene Gesetzesänderung erheblich an Dynamik gewinnen. Man wird nicht nur miteinander sprechen, sondern es wird auch endlich gehandelt werden. Nach Berechnungen des Städte- und Gemeindetages werden im kreisangehörigen Raum Verwaltungen entstehen, die im Durchschnitt für 10.000 bis 12.000 Bürger zuständig sind und circa 25 Mitarbeiter haben werden. Das ist nach unserer Auffassung eine gute Balance zwischen Verwaltungskraft auf der einen Seite und Orts- und Bürgernähe auf der anderen Seite, gerade im Hinblick auf die kleinteiligen Strukturen und auf die geringe Bevölkerungsdichte in unserem Land. Es sind Strukturen, von denen wir der Auffassung sind, dass sie zukunftsfähig sind, zukunftsfähig auch im Hinblick auf die vor uns stehenden Aufgaben der Funktionalreform.

Meine Damen und Herren, ich hoffe daher im Interesse der Gemeinden und Ämter unseres Landes auf eine zügige Behandlung in den Ausschüssen und eine Verabschiedung der Gesetzesänderung, möglichst bitte bis zur Sommerpause. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU)

Vielen Dank, Herr Ringguth.

Um das Wort gebeten hat jetzt der Innenminister des Landes Herr Dr. Timm.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Kommunalverfassungsnovelle ist ein wesentlicher Bestandteil der vor uns liegenden Verwaltungsreform. Das heißt, sie gibt den rechtlichen Rahmen her für einen Sonderteil, nämlich die Ämterfusion, über die der Herr Abgeordnete Ringguth eben gesprochen hat.

Ich würde an dieser Stelle sagen, dass hier eigentlich kein Anlass für unterschwellige Polemik ist, Herr Ringguth. Vielleicht habe ich es auch falsch verstanden, ich will Ihnen nur sagen, wir als Landesregierung sind natürlich gehalten, unsere Kommunalverfassungsnovelle anzuhören. Das dauert vielleicht länger, als es bei Ihnen dauern mag. Sie ist unter Hochdruck in Arbeit und wir werden Ihnen so früh wie es geht, nämlich nach den Vorschriften der Geschäftsordnung der Landesregierung, unser Exemplar zuleiten.

Allerdings gehen wir in wesentlichen Teilen über Ihre Vorschläge hinaus und über die will ich gleich noch einmal sprechen. Ich will nur darauf hinweisen, dass wir uns als Landesregierung im Beschluss vom 21. Januar 2003, dem Eckpunktebeschluss zur Verwaltungsreform, ausdrücklich an die Beschlüsse der Enquetekommission aus der letzten Legislaturperiode gebunden haben, sowohl im Blick auf die Ämtergröße als auch zum Beispiel im Blick auf die Leitlinien zur Funktionalreform. Dieses hatten wir in der letzten Sonderausschusssitzung erörtert.

Wenn es eine Verunsicherung gegeben haben sollte in Mecklenburg-Vorpommern, dann sicherlich nicht deswegen, weil wir Beschlüsse der Landesregierung in Broschüren veröffentlichen, in der ja eins zu eins nachzulesen war, wie wir die Enquetekommissionsbeschlüsse umsetzen. Sondern vielleicht, Herr Ringguth, deswegen, weil die CDU-Fraktion oder die Partei – ich weiß nicht, wie das im Einzelnen war – auf den so genannten CDU-Bildungsveranstaltungen ja ausdrücklich die Beschlüsse der Enquetekommission in Frage gestellt haben.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nee, nee!)

Insofern bin ich sehr froh, dass Sie mit diesem Gesetzentwurf zu den Zahlen der Enquetekommission zurückkehren.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Damit ist ein wesentlicher Teil der Verunsicherung beseitigt, meine Damen und Herren, und im Übrigen auch klargestellt,

(Beifall Siegfried Friese, SPD, und Heinz Müller, SPD)

dass der Landtag und die Koalition, für diese sage ich es hier ausdrücklich, die Positionen des Landkreistages zu diesen Ämterfusionen nicht teilt.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Wir wollen die Beschlüsse der Enquetekommission umsetzen. Wenn Sie das auch wollen, dann stelle ich hiermit fest, wir wollen es gemeinsam.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Und ich sage noch einmal, wir sollten auch diese Gemeinsamkeit jetzt nicht künstlich in Frage stellen, sie ist vorhanden.

Wenn ich mir im Lande die derzeitige Debatte zur Ämterfusion ansehe, dann stelle ich mit großer Freude fest, dass wir deutlich weitergekommen sind als etwa noch vor einem halben Jahr. Im Herbst 2002 habe ich nicht zu hoffen gewagt, dass wir so große Aktivitäten in den Gemeindevertretungen und Amtsausschüssen zur freiwilligen Fusion von Amtsverwaltungen, auf der Basis

der 8.000er-Zahl der Enquetekommission, haben werden. Faktisch aber, da gebe ich dem Städte- und Gemeindetag Recht, zeigt sich heute, dass wir deutlich größere Einheiten kriegen, die im Durchschnitt weit oberhalb von 8.000 Einwohnern pro Amtsverwaltung liegen werden.

Wenn man sich das im Einzelnen ansieht, Herr Ringguth, dann haben wir in Ihrem Bereich – zwar nicht in Ihrem Wahlkreis, aber der Landkreis Neustrelitz ist ja nicht ganz weit weg von Ihrem Wirkungsgebiet – fast schon alles erledigt. Die Ämter Wesenberg und Mirow müssen noch eine Vereinbarung unterschreiben. Es hapert wie an manch anderem Orte auch noch an der Frage, wo der Amtssitz liegen soll. Wenn das gelöst ist, ist Neustrelitz im Grunde genommen durch.

In anderen Landkreisen haben wir vergleichbare Erscheinungen. Nordvorpommern, das lese ich gerade in der Zeitung, hatte gestern in der Kreistagssitzung noch einige Aufregungen wegen der unterschiedlichen Auffassung bei zwei Ämtern in diesem Landkreis zur Debatte gestellt.

In Ludwigslust und Nordwestmecklenburg haben wir folgende Lage: Die beiden Landräte haben weitere deutliche Vorgaben für die Ämterfusion in diesen beiden Kreisen gemacht. Es zeigt sich, dass die Debatte dahin führen wird, dass die Ämter deutlich größer werden als die 8.000er Zahl der Enquetekommission. Vielleicht nicht ganz so groß, wie es der Landrat Bräunig ursprünglich gewollt hat. Aber auch diese Impulse sind wichtig.

Wir gehen davon aus, dass durch die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltungen auch die Regulierungsdichte in der geltenden Kommunalverfassung gelockert werden kann.