Protocol of the Session on March 12, 2003

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Torsten Koplin, PDS: Oh!)

wären analog zum Kohlepfennig Subventionen für das Gesundheitssystem etwa über die Einführung eines wie auch immer genannten Raucherbein-Cents oder eines Leberzirrhose-Euros

(Reinhard Dankert, SPD: Teerpfennig.)

durchaus wünschenswert, wenn man bedenkt, dass der volkswirtschaftliche Schaden der durch diese Suchtmittel hervorgerufenen Krankheiten jährlich circa 40 Milliarden Euro beträgt.

(Beifall Dr. Martina Bunge, PDS: Richtig.)

Der weitaus größte Teil dieser Kosten geht zu Lasten der Krankenkassen. Die ebenfalls erwogene Ausgrenzung von Privatunfällen sollte auf bestimmte Risikogruppen beschränkt werden. Eine Gesundheitsreform, die diesen

Namen auch verdient und dabei den Fortbestand des Solidarprinzips im Auge hat, darf sich nicht auf die einfachsten Lösungen beschränken, indem sie durch Einschränkung des Leistungskataloges mit der Eigenbeteiligung der Versicherten lediglich mehr Geld ins System spült. Vielmehr müssen im Mittelpunkt der Reformen die Beseitigung von Effizienz- und Effektivitätsmängeln sowie eine sinnvolle und sozial gerechte Erweiterung der Finanzierungs- und Beitragsgestaltung stehen.

Um auch künftig für circa 70 Millionen Bürger einen weitgehenden Versicherungsschutz, ein umfangreiches Angebot an Gesundheitsleistungen und einen hohen Versorgungsstandard vorhalten zu können, müssen alle Beteiligten auch mehr oder weniger große Opfer bringen. Die Politik wird sich dazu bekennen müssen, ob Solidarität und Parität in der Gesundheitsversorgung noch zeitgemäße Werte sind, und sie müssen sich auch klar dazu bekennen, welchen Preis sie haben. Die Sozialdemokraten haben eine Antwort gegeben. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Herr Dr. Nieszery.

Das Wort hat jetzt die Sozialministerin Frau Dr. Linke.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Gesundheitspolitik ist aus Sicht dieses Landes mit seinen mehr als 45.000 Beschäftigten im Gesundheitswesen eben nicht nur Gesundheitspolitik, sondern ganz besonders, wie es auch schon angeklungen ist, Standort-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Wir hier in MecklenburgVorpommern sind in ganz besonderem Maße auf Solidarität und Ausgleich zwischen Jung und Alt, Arm und Reich, West und Ost, aber auch Nord und Süd angewiesen. Wenn das Gesundheitssystem nun innerhalb der Bundesrepublik neu geordnet wird, dann ist für unser Land allerhöchste Wachsamkeit geboten. Und Sie können sicher sein, dass uns da nichts entgehen wird!

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Die Union hat in den letzten Tagen und Wochen gemeinsam mit den Unternehmensverbänden tiefe Einschnitte in das Gesundheitswesen dieses Landes gefordert. Sie will Mehrbelastungen für die Bürgerinnen und Bürger durchsetzen, sie will sich ganz offenbar aus dem Solidarprinzip verabschieden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Harry Glawe, CDU – Torsten Koplin, PDS: Davon war nichts zu hören.)

Sie will die Kosten von Krankheit privatisieren. Sie will grundlegend zu Lasten der Schwachen in dieser Gesellschaft umverteilen. Und es ist die Aufgabe für die Vertreter der PDS und SPD, den Bürgerinnen und Bürgern im Land zu verdeutlichen, wer für welches Konzept steht.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Dazu kann eine Landtagsdebatte einen sehr guten Beitrag leisten.

(Heiterkeit bei Eckhardt Rehberg, CDU: Dann warten Sie mal den Schröder am Freitag im Bundestag ab!)

Deshalb begrüße ich die Idee der PDS,

(Eckhardt Rehberg, CDU: Da warten Sie mal schön den Freitag ab! – Torsten Koplin, PDS: Wir sind jetzt hier in der Aktuellen Stunde.)

die Gesundheitspolitik zum Thema der Aktuellen Stunde hier und heute zu machen.

(Eckhardt Rehberg, CDU: Der 25 Millionen Euro in der Gesundheitsreform einsparen will.)

In der Koalitionsvereinbarung mit der SPD hat sich die PDS auf eine Reihe von Eckpunkten einigen können, die ich hier noch einmal hervorheben möchte, weil sie in der nunmehr anstehenden aktuellen Diskussion einen völlig neuen Stellenwert erhalten. Es heißt in der Vereinbarung: „Die Landesregierung unterstützt … eine Gesundheitsreform, die das Solidarprinzip stärkt und allen Menschen den Zugang für eine erforderliche medizinische Versorgung ermöglicht. Der einheitliche Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung … ist zu erhalten“

(Torsten Koplin, PDS: So ist es.)

„und der sozialen Funktion des Gesundheitswesens ist Rechnung zu tragen. Der medizinische Fortschritt und die demografische Entwicklung erfordern eine Verbesserung der Einnahmesituation der Gesetzlichen Krankenversicherung.“

(Harry Glawe, CDU: Sehr Richtig! Sehr Richtig!)

„Die Sicherung und weitere Ausgestaltung des Risikostrukturausgleichs auf Bundesebene bleibt ein besonderes Anliegen der Landesregierung.“

Diese Koalitionsvereinbarung ist nunmehr gut vier Monate alt. Wir haben damit eine gute und eine gemeinsame Basis für unsere Politik. Wir werden diese Grundpositionen auch bei der gegenwärtigen Gesundheitsreform des Bundes einbringen und verteidigen.

(Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU)

„Reformen sind Gesetzesvorhaben, die die Lebensqualität der Menschen spürbar verbessern.“, so der Sozialdemokrat Willy Brandt. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, sollten wir hier alle nicht aus den Augen verlieren. Dieser Gedanke sollte auch für die anstehende Reform das Programm sein. Der Wandel im Gesundheitswesen muss deshalb eine deutliche Verbesserung der Effektivität dieses Systems mit einer deutlichen Qualitätsverbesserung der medizinischen Versorgung und mit einem kontrollierten Wachstum der Ausgaben verbinden. In diese Richtung geht vieles, was Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt in ihren Eckpunkten für eine Gesundheitsreform zusammengefasst hat. In ähnlicher Weise hat sich der DGB in zwei aktuellen Stellungnahmen zur Gesundheitsreform 2003 positioniert. Dieses Herangehen entspricht auch der Politik unserer Landesregierung.

Wir werden als Sozialministerium Ende des Monats den Gesundheitsbericht für das Jahr 2001 vorlegen und damit auch Rechenschaft über wesentliche Entwicklungen in diesem Bereich abgeben.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Eines ist jedoch sicher: Privatisierungen und Ausgabenbegrenzungen helfen bei der Lösung von Problemen nicht weiter.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Wie müssten oder wie sollten wir an die Gestaltung eines effektiven Gesundheitssystems herangehen? Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern 35 Krankenhäuser, in die wir in den letzten 10 Jahren rund 1,5 Millionen investiert haben. Wir haben in diesem Land darüber hinaus 66 Rehakliniken, in die privates Kapital von rund 1,5 Milliarden Euro geflossen sind. Wir wollen, dass dieses Kapital für die Menschen in unserem Land einen höchstmöglichen Nutzen bringt. Deshalb sollen unsere Krankenhäuser für bestimmte Bereiche der ambulanten Versorgung geöffnet werden. Wir wollen sie, abgestimmt mit allen Partnern, zu Kompetenz- und Gesundheitszentren ausbauen.

Gerade in den ländlichen Gebieten unseres Landes werden wir als Flächenland nicht auf kleinere Krankenhäuser in den Bereichen Chirurgie, Innere Medizin und mit Abstufungen auch im Bereich Gynäkologie, Geburtshilfe und Pädiatrie verzichten können. Schon heute aber haben diese Krankenhäuser – Herr Glawe hat darauf hingewiesen – Schwierigkeiten, die Mindestbesetzung im Bereich des ärztlichen Personals zu garantieren. Die Erlöse aus dem stationären Bereich reichen nicht aus, um rund um die Uhr den Facharztstandard abzusichern. Wir können für die Zukunft Synergieeffekte erzielen, wenn wir es den Häusern ermöglichen, sich im Bereich der integrierten Versorgung über den bisherigen Geschäftsbereich hinaus zu betätigen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Möglich erscheint mir das im Bereich der DiseaseManagement-Programme. Der DGB hat hier vorgeschlagen, Krankenhäuser als Koordinationszentren für Maßnahmen der integrierten Versorgung aufzubauen. Dies ist für mich außerordentlich gut nachvollziehbar.

Möglich ist aber auch eine Nutzung der Krankenhäuser in Bereichen, die bisher entweder nicht oder nur unzureichend abgedeckt wurden. Beispielhaft erscheint mir hier der Bereich der Palliativbetreuung, insbesondere für ein würdiges Verbringen der letzten Lebenstage oder Lebenswochen von chronisch kranken Menschen. In Großstädten und Ballungszentren haben sich hierfür Hospizeinrichtungen etabliert, die in unserem Flächenland aber für eine wohnortnahe Betreuung nicht zur Verfügung stehen. Dieser Grenzbereich zwischen Akutbehandlung und Pflege wäre durchaus sinnvoll im Verbund mit oder am regionalen Krankenhaus anzusiedeln. Hier ist sowohl pflegerischer Sachverstand vorhanden als auch im akuten Fall schnell ärztlicher Sachverstand erreichbar.

Wir werden diesen Gedanken konsequent bei der Fortsetzung der Krankenhausplanung in diesem Land umsetzen. Herr Glawe hat dieses Thema angesprochen.

(Torsten Koplin, PDS: Jetzt hat er die Antworten.)

Das wird auch ein Teil unserer Antwort auf die Herausforderungen des Fallpauschalensystems sein. Wir werden das mit den Krankenhäusern und den anderen Beteiligten gemeinsam angehen. Morgen ist Beteiligtenrunde, wir werden das erörtern.

Wir haben den Planungsbeteiligten auf Wunsch des Sozialausschusses des Landtages auch vorgeschlagen, die Geltungsdauer des Krankenhausplanes zu verlängern, um eben erste Erfahrungen mit dem neuen Entgeltsystem abzuwarten. Darüber haben wir in den letzten Wochen mit vielen Partnern Einigkeit erzielt. Wir werden dennoch mit den Beteiligten regionale Schwerpunkte der

Planung auch unter Beachtung der fachärztlichen Versorgungsmöglichkeiten erörtern.

In dieser Woche habe ich mich mit dem Geschäftsführer der Krankenhausgesellschaft einigen können, dass wir gemeinsam eine Veranstaltung zum Thema „Das Krankenhaus als Gesundheits- und Kompetenzzentrum der Zukunft“ mit überregionaler Beteiligung organisieren werden. Wir werden das noch vor der Sommerpause tun, um Impulse für den anstehenden Gesetzgebungsprozess geben zu können und im Rahmen dessen dann eben alle erforderlichen Entscheidungen zu treffen. Ich halte das für einen vielversprechenden Ansatz, bei dem wir gerade für unser Land viel erreichen können. Wir haben hier Chancen, die wir alle gemeinsam nutzen sollten.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Wichtig erscheint mir, dass integrierte Versorgungsformen sich aller zivilrechtlich möglichen Unternehmensformen bedienen können. Wir brauchen ausdrücklich einen Vorrang des Sozialrechts vor dem Berufsrecht. Immer noch geht das ärztliche Berufsrecht viel zu sehr von der überkommenen Form der Einzelpraxis aus. Warum soll nicht in Zukunft viel mehr als bisher die Einzelpraxis von der Praxisgemeinschaft oder einer poliklinikähnlichen GmbH abgelöst werden? Gerade für Ärztinnen, die sich oft vor dem Risiko einer Niederlassung scheuen, wäre dies ein zusätzlicher Anreiz, mit dem wir ärztliches Personal, das bisher dem Markt entzogen ist, erschließen könnten.

Ich sehe auch hier gute Möglichkeiten, dem immer wieder beschworenen Ärztemangel in einem Flächenland wie unserem zu begegnen. Denn wo heute noch erfahrene Landärztinnen oder Landärzte praktizieren und es schwer fällt, Interessenten für eine Praxisnachfolge zu gewinnen, könnte die medizinische Versorgung zukünftig von einem nahe gelegenen Zentrum aus punktuell wahrgenommen werden. Für mich gehört zu einer integrierten Versorgung, zu einer Versorgung aus einer Hand, auch eine konsequente Stärkung des Hausarztes. Auch in diesem Punkte stimme ich dem Abgeordneten Glawe, der hier vorhin darauf hingewiesen hat, zu. Die primäre Inanspruchnahme des Hausarztes muss konsequent durch finanzielle Anreize wie den Wegfall der Zuzahlung oder durch Bonuspunkte gefördert werden.

Meine Partei tritt seit langem für Qualitätsmanagement sowie Leitlinien und medizinische Standards ein. Sie sind von zunehmender Bedeutung, um gesichertes Wissen auch tatsächlich den Patientinnen und Patienten zugute kommen zu lassen. Leitlinien und medizinische Standards müssen jedoch praxisbezogen sein und dürfen nicht in Abhängigkeit von der Industrie erstellt werden.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)