Protocol of the Session on June 26, 2002

Und mit diesem Gesetz soll ab morgen alles anders sein? Sehr verehrter Herr Dr. Bartels, daran glauben Sie wohl auch nicht. Also gemach mit wohlfeilen Worten und Versprechungen! Die Praxis und nicht die Verheißung wird zeigen, wie modern dieses Gesetz ist. Erst die Praxis wird zeigen, wie weit Wissenschaftsministerium und Hochschulen bereit sind, die Freiheiten so aufzuteilen, dass hinter dem Gleichheitszeichen auch Hochschulautonomie herauskommt.

Dass das Gesetz so seine Tücken hat, dass andere Determinanten den Wünschen noch oft entgegenstehen, will ich Ihnen an der Abarbeitung von Empfehlungen versuchen nahe zu bringen. Das Centrum für Hochschulentwicklung entwickelte diese Empfehlungen, um den gegenwärtigen Entwicklungsstand bei der Einführung von Globalhaushalten an Hochschulen in Deutschland in einem Gutachten für die CDU-Landtagsfraktion in Sachsen darzustellen. Ich beziehe mich hier aufgrund des Zeitlimits nur auf die Empfehlungen, die den Umfang der Freiheiten beschreiben, die im Rahmen von Globalhaushalten vorgehalten werden sollen,

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Es wäre besser, wenn Sie mal über die konkreten Änderungen reden würden. Dann wüss- ten wir wenigstens, worum es geht.)

damit dieser Begriff auch Anwendung finden kann.

Gemach, gemach, Herr Dr. Bartels!

Ich weiß nicht, inwieweit den Damen und Herren der Regierungskoalitionen und dem Minister dieses Gutachten bekannt ist. Es ist im Internet beim CHE abrufbar und ich empfehle es als lesenswert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, hier die erste Empfehlung: „Grundlegende Ziele sollten eine Integration von Personal- und Bauausgaben in Globalhaushalten und eine Reduzierung auf eine minimal notwendige Zahl an Titeln sein.“ So das CHE.

Aber, meine Damen und Herren, wie heißt es im Gesetz in Paragraph 15 Absatz 2: „ Die Haushalte der Hochschulen werden als budgetierte Globalhaushalte ausgebracht.“ So weit, so gut. Da sich dieser Passus im Gesetz gegenüber dem Entwurf nicht verändert hat, können wir sicher in der Begründung eine Definition des budgetierten Globalhaushaltes finden. Da heißt es zum einen, es wird die Anzahl der Titel auf ein Minimum reduziert – zwei Zuschusstitel je Hochschule. Ein Teil der Empfehlung ist damit scheinbar erfüllt. Dann heißt es aber weiter: die Einräumung weitgehender Deckungsfähigkeiten, die Ermöglichung der Übertragbarkeit bestimmter Beträge und Wirtschaftsplan. Das klingt alles sehr gut, bis dann der verbindliche Stellenplan kommt. Und dieser verbindliche Stellenplan, von dem das Ministerium nicht abweichen will und wird, das wird das Mittel der Finanzministerin sein, um nur scheinbare Globalhaushalte durchzusetzen. Und das haben wir auch schwarz auf weiß, denn am 18. September vorigen Jahres machte das Bildungsministerium in einer Stellungnahme hinsichtlich der Zahnmedizin an der Universität Rostock an die SPD-Fraktion Folgendes deutlich: „Ebenso wird ein vollständiger Globalhaushalt ohne Stellenplanbindung... ausgeschlossen,...“ Zitatende. Meine Damen und Herren, der Stellenplan und der Umfang der damit verbundenen Kosten beträgt 70 Prozent und mehr eines Hochschulhaushaltes. Wenn der Stellenplan nicht in den Globalhaushalt integriert wird, dann haben wir keinen echten Globalhaushalt.

Sehr geehrter Herr Bluhm, wir haben ihn auch dann nicht, wenn wir die Bewirtschaftung der Stellen und Mittel nicht mehr als staatliche Aufgabe definieren. Was hat denn das, was Sie als mehr Autonomie im Ausschuss definierten, in der Realität zur Folge? Im jetzigen Haushalt wurden im Stellenplan der Ernst-Moritz-Arndt-Universität pauschal 150 Stellen mit einem kw-Vermerk versehen. Dieser verbindliche Stellenplanvermerk ist ein Diktat des Finanz- und Wissenschaftsministeriums, bis hierher noch ohne Zielvereinbarung. Die Hochschulen wurden nun aufgefordert, diese Stellen zu spezifizieren. Können und wollen sie nicht, da in jeder Hochschule das die Schließung eines Studienganges zur Folge hätte. Und nach der gegenwärtigen Gesetzeslage muss die Spezifizierung nun durch die Fachaufsicht wahrgenommen werden. Damit müssen dann die entsprechenden Ministerien über die Schließung entsprechender Studiengänge verfügen, wenn sie diese Stellen spezifizieren.

Also, Herr Bluhm, die wichtigen Entscheidungen werden von der Landesregierung getroffen und die Hochschulen müssen zusehen, wie sie die im Rahmen ihrer neu gewonnenen so genannten Autonomie umsetzen. Schöne Autonomie, die Sie da versprechen! Können Sie sich die Folgen für die Kanzler ausmalen, die nach acht Jahren wiedergewählt werden wollen und denen Sie jedes Jahr mit dem Haushaltsgesetz und dem verbindlichen Stellenplan eine solche Aufgabe zuweisen? Das harmoniert einfach nicht.

Auch die Bauausgaben sind nicht in den Haushalten integriert. Sie haben noch nicht deutlich gemacht, wie die zentrale Liegenschaftsverwaltung hinsichtlich der Hochschulen funktionieren soll. Im Errichtungsgesetz für die BBL steht in Paragraph 5 zwar der Hinweis, dass Hochschulen und Justizvollzugsanstalten – ich finde diese Kombination schon sehr beachtenswert – spezifische Bedürfnisse haben, aber nicht die Hochschulen werden als Nutzer und Vertragspartner definiert, sondern das

Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur. So frage ich mich also weiter: Wo werden die Investitionskosten veranschlagt? Wo werden die Bauunterhaltungskosten veranschlagt? Welche Handlungsmöglichkeiten werden die Kanzler künftig zur Bewirtschaftung haben? Alles Fragen, die noch längst nicht geklärt sind. Und ich bin skeptisch, dass die BBL, wenn wir schon einmal so ein Gesetz verabschiedet haben, auf die Bewirtschaftung der Hochschulliegenschaften verzichten wird. Wo bleibt dann ihre Legitimation?

Wie Eckhardt Rehberg schon deutlich machte, ich möchte Sie davor warnen, ich möchte Sie eindringlich davor warnen, auch in diesem Fall Nordrhein-Westfalen nachzueifern. Erkundigen Sie sich dort, wozu ein staatlich gesteuertes Liegenschaftsmanagement in der Hochschulpolitik führen kann!

Für die erste Empfehlung möchte ich also zusammenfassen: Da es weiter verbindliche Stellenpläne geben wird, haben wir keine vollständigen Globalhaushalte zu erwarten.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Sie können nicht mal richtig lesen.)

Da die Liegenschaftsverwaltung zentralisiert wurde, für die Hochschulen keine separaten Vereinbarungen getroffen wurden,

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Auch das können Sie nicht richtig lesen.)

ist auch keine Integration von Investitionen und Bewirtschaftungskosten zu erwarten. Also wird die erste Empfehlung des CHE im wesentlichen Punkt nicht umgesetzt.

Meine Damen und Herren, ich komme zur zweiten Empfehlung: „Der Grundsatz der unbegrenzten Deckungsfähigkeit und Übertragbarkeit (von dem es genau definier- te Ausnahmen geben kann) sollte als Teil der Finanzverfassung von Hochschulen gesetzlich verankert werden.“ So das CHE.

Dieser Grundsatz wird nicht definiert. Sie sind nicht bereit, unbegrenzte Deckungsfähigkeiten und Übertragbarkeiten einzuräumen.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Schon wieder diese Hellseherei.)

Im Gegenteil, Sie gehen in der Begründung nur von Übertragbarkeit bestimmter Beträge aus und wollen nur eine weitgehende Deckungsfähigkeit einräumen, keine generell unbegrenzte. Damit bestimmt die Landesregierung weiter maßgeblich über die Haushaltsgestaltung der Hochschulen, nicht der Gesetzgeber. Das wird vom CHE in Bezug auf Mecklenburg-Vorpommern auch explizit angemerkt. So, wie Sie in der Begründung hinsichtlich der zweiten CHE-Empfehlung Globalhaushalte definieren, wird auch die zweite Empfehlung nicht eingehalten.

Meine Damen und Herren, die dritte Empfehlung: „Die Mittelschöpfung aus freien Stellen ist die wesentliche Grundlage für die Bildung einer finanziellen Manövriermasse der Hochschulen. Sie ist damit unverzichtbarer Bestandteil der Globalisierung.“ So das CHE.

Aber, meine Damen und Herren, darauf finden wir keinen Hinweis im Gesetz. Und wie ist die Erfahrung der letzten Jahre mit dem Modellversuch? Die Beträge, die in Neubrandenburg, Wismar und Stralsund aus freien Stellen erwirtschaftet wurden, standen im Haushalt des Folgejahres den Hochschulen nicht mehr zur Verfügung.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Aber das ist doch überhaupt nicht wahr! Sie sa- gen jetzt ganz bewusst die Unwahrheit.)

Der Begriff der so genannten Effizienzdividende macht immer wieder die Runde und kennzeichnet die Politik des Finanzministeriums bei der Flexibilisierung der Hochschulhaushalte in den vergangenen Jahren, eben die erwirtschafteten Mittel wieder dem Landeshaushalt zuzuführen. Die Effizienzdividende hat nichts mit der dritten Empfehlung des CHE zu tun – auch da also durchgefallen.

(Unruhe bei Dr. Gerhard Bartels, PDS)

An anderer Stelle sagt das CHE dazu: …

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Worüber reden Sie eigentlich?)

Ach, Herr Dr. Bartels, beruhigen Sie sich!

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Aber wenn Sie hier rumlügen, das kann ich einfach nicht dulden.)

Lassen Sie den Blutdruck nicht so sehr steigen, das ist nicht gut für Ihre Gesundheit!

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Lassen Sie mal meine Gesundheit meine Sorge sein!)

Ich zitiere noch einmal das CHE:

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Zitiert Sie eigentlich den CIA? – Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS)

„Der Verbleib der Effizienzdividende und die Übernahme unternehmerischer Risiken sind konsequente und komplementäre Bausteine einer autonomen Haushaltsführung.“

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Ich verstehe nur CIA.)

So weit aus dem oben genannten Gutachten für die CDU-Landtagsfraktion auf Seite 24.

Ich komme zur vierten Empfehlung: „Globalhaushalte der Hochschulen und zentrale Mittel des Landes sollten über einen Formelmechanismus automatisch aufeinander abgestimmt werden.“ So das CHE.

Meine Damen und Herren, das betrifft das Kapitel 0770 „Allgemeine Bewilligungen – Wissenschaft, Forschung und Hochschulen“. Ich kann hier aber im Doppelhaushalt 2002/ 2003 keinen Ansatz erkennen, in dem eine automatische formelgebundene Mittelzuweisung zentraler Titel erfolgt, die originär Bestandteil des Kapitels 0770 sind.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Da müssen Sie mal richtig hingucken! Ich habe Ihnen das schon mal zu erklären versucht. – Zuruf von Annegrit Koburger, PDS)

Ich kann auch keinen Ansatz erkennen, dass dieser Minister einmal daran gedacht hat, das Kapitel 0770 auf die Hochschulen aufzuteilen.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Also nein!)

Im Gegenteil, nur in zwei Titeln sind größere Töpfe gebildet worden, die über formelgebundene Mittelzuweisung künftig ausgeschöpft werden. Dabei ist die Formel für den einen Topf klar und über die Formel des zweiten Topfes wurde lange gestritten. Beide Töpfe wurden zudem nicht über Mittel aus dem Kapitel 0770 gebildet, son

dern aus Mitteln, die aus den einzelnen Hochschulen abgezogen wurden und nun neu verteilt werden.

(Wolfgang Riemann, CDU: So ist es.)

Hier wurde damit der umgekehrte Weg gegangen. Dieser Sammelansatz, so, wie er gebildet wurde, ist das ganze Gegenteil von Hochschulautonomie und entspricht auch nicht der Empfehlung des CHE.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, anhand der kurz skizzierten Widersprüche von Anspruch und Realität, die sich aus den weiter unklaren Formulierungen des Gesetzes ergeben, sehen wir, dass im Gesetz eine klare Definition des Globalhaushaltes zwingend notwendig ist. Die Unwägbarkeiten, die mit diesem Gesetz verbunden sind, sind für die Hochschulen zu groß. Das zeigen die vier dargestellten Beispiele, meine ich, sehr genau.

Meine Damen und Herren, Sie schränken sogar die Verlässlichkeit von Zielvereinbarungen wieder ein, indem Sie das Wissenschaftsministerium quasi zu jeder Zeit ermächtigen, mit den Hochschulen neue Verträge abzuschließen.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Ach du meine Güte! Sie haben aber wirklich gar nichts verstanden.)