Protocol of the Session on June 25, 2002

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Wir werden nach der Freien Hansestadt Bremen das zweite Bundesland sein, das eine europarechtlich vollständige landesgesetzliche Rechtsgrundlage zur Umweltverträglichkeitsprüfung vorlegt. Deshalb ist es mir ein Bedürfnis, allen am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten zu danken, die durch konstruktive Beiträge an diesem schönen Erfolg ihren Anteil haben.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Das gilt für die Parlamentarier ebenso wie für die beteiligten Verbände.

Der zügige Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens ist durchaus keine Selbstverständlichkeit, denn es handelt sich um nicht ganz einfache spezifische fachliche Inhalte, die zu bewerten waren. Ich bin sehr froh, dass die Struktur, die wesentlichen Inhalte und das vorgesehene Verfahren des Regierungsentwurfes in den parlamentarischen Beratungen nicht geändert worden sind. Aus umweltpolitischer Sicht ist das sehr zu begrüßen. Damit wird es den Vollzugsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern ermöglicht, bundes- und landesrechtliche Zulassungs- und Planungsverfahren nach gleichen oder gleichartigen Maßstäben und Anforderungen zu bearbeiten.

Erschwert wurde das Gesetzgebungsverfahren, Herr Kollege Klostermann hatte schon darauf hingewiesen, vor allem dadurch, dass die Beratungen von allgemeinen verfassungsrechtlichen und umweltpolitischen Grundsatzfragen überlagert waren, die durchaus unterschiedlich, zum Teil kontrovers beurteilt werden. Ich meine zum einen die Auseinandersetzung über den Geltungsbereich des verfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzips und zum anderen die Diskussion darüber, ob mit dem Gesetzentwurf eine 1:1-Umsetzung des EU-Rechts vorliegt oder ob der Entwurf über gemeinschaftsrechtliche Vorgaben hinausgreift. Diese Diskussion wird sicherlich auch immer wieder fortgeführt werden.

Ich denke, zur Konnexitätsregelung gibt es trotz weitgehender Verständigung entsprechend der gemeinsamen Erklärung noch kleine Meinungsverschiedenheiten bei EU-Standards, die den Verwaltungsvollzug generell betreffen und damit keiner gezielten Übertragungsentscheidung auf die Kommunen unterliegen. Und das ist bei den meisten EG-Richtlinien der Fall. Dennoch bestand Einigkeit in den kommunalen Landesverbänden zu dem vorgelegten Gesetzentwurf, auf eine Kostenfolgeabschätzung zu verzichten. Der Grund dafür war, dass der mit der Umweltverträglichkeitsprüfung verbundene Mehraufwand gegenüber den geltenden Umweltvorschriften im Voraus kaum zu bestimmen ist. Das hängt von der Zahl, vom

Umfang der notwendigen UVP-Prüfungen ab. Insbesondere ist das wichtig im Zusammenhang mit der Ansiedlung von Projekten an bestimmten Standorten. Das Umweltministerium wird diesen Mehraufwand entsprechend der Absprache mit den kommunalen Landesverbänden zunächst durch pauschalierte Zuschläge für die Durchführung der UVP- sowie der Einzelfallprüfung im Rahmen der anstehenden Neufassung der Umweltkostenverordnung berücksichtigen. Nach einer gewissen Vollzugserfahrung werden die betreffenden Gebührensätze gemeinsam mit den kommunalen Landesverbänden auf ihre Kostendeckung untersucht und erforderlichenfalls angepasst.

Ich will an dieser Stelle betonen, dass wir eine ähnliche Verständigung mit den Vertretern der Wirtschaft anstreben. Die Vereinigung der Unternehmensverbände und die Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern haben in der Anhörung übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass der Gesetzentwurf über die Anforderungen der Richtlinie hinausgehe. Dies wurde mit der Einführung eines neuen Instruments der Einzelfallprüfung und der Besorgnis begründet, dass sich diese zu vorläufigen Umweltverträglichkeitsprüfungen entwickeln oder die Behörden aus Unsicherheit regelmäßig eine UVP fordern könnten. Das Umweltministerium hat demgegenüber im Gespräch mit den Wirtschaftsverbänden klargestellt, dass die Einführung von Einzelfallprüfungen sich zwingend aus dem eingeschränkten Ermessensspielraum ergibt, der den Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie eingeräumt ist. Maßgeblicher Zweck der Richtlinie ist nämlich, dass auch vor der Zulassung kleinerer Vorhaben, die insbesondere an sensiblen Standorten erheblich nachteilige Umweltauswirkungen haben könnten, eine UVP durchzuführen ist.

Die von Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren von der Opposition, beantragte Einführung hoher Bagatellschwellen ohne jede fachliche Begründung unabhängig vom Standort würde daher nur zu weiteren Beanstandungen durch die EU-Kommission führen und die Planungssicherheit der betreffenden, teilweise mit EUMitteln zu fördernden Investitionen und Infrastrukturmaßnahmen gefährden. Im Verhältnis dazu wird allein die Einzelfallprüfung zu keinem unverhältnismäßig hohen Mehraufwand führen.

Das Umweltministerium hat gegenüber den Wirtschaftsverbänden dargelegt, dass es sich bei der Einzelfallprüfung um eine überschlägige Prüfung handelt, die regelmäßig bereits auf der Grundlage der Antragsunterlagen und der vorliegenden Umweltdaten vorgenommen werden kann. Im Übrigen widerlegt die bisherige Verwaltungspraxis die Annahme, die Behörden würden aus Unsicherheit in aller Regel eine UVP fordern. Bei den dem Umweltministerium nachgeordneten Vollzugsbehörden ist Letzteres nur dann der Fall gewesen, wenn von dem Vorhaben tatsächlich erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen ausgingen beziehungsweise zu befürchten waren. Ich gehe davon aus, dass im Bereich des Wirtschaftsministeriums und des Bauministeriums sich ähnliche Erfahrungen darstellen lassen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, entgegen Annahmen oder Behauptungen darf ich feststellen, dass mit diesem Umsetzungsgesetz ein Beitrag geleistet wird zur Gleichrangigkeit von umwelt- und wirtschaftspolitischen Zielen. Zum einen werden grundlegende, aus dem Vorsorgegebot abgeleitete Ziele europäischer Umweltpo

litik wirksam ins Landesrecht überführt, zum anderen ist auch im Gesetzesvollzug sichergestellt, dass die Belange der Wirtschaft angemessen Berücksichtigung finden.

(Beifall Karsten Neumann, PDS)

Dieses war ein schwieriger Weg, aber wir sind ihn gemeinsam gegangen. Dementsprechend habe ich den Wirtschaftsverbänden auch zugesagt, dass sie bei der Überprüfung der Kostendeckung der Gebührenregelungen mit den kommunalen Landesverbänden hinzugezogen werden, um durch die damit auch verbundene Gebührenkontrolle unnötige Belastungen für die Wirtschaft zu vermeiden.

Da wir diesen Weg gemeinsam gegangen sind, meine Damen und Herren, der schwierig, aber erfolgreich war, darf ich Sie bitten, dem Entwurf der Landesregierung nach den Beratungen im Parlament zuzustimmen. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Jetzt haben Sie das Wort, Frau Holznagel. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gut Ding will Weile haben. Das haben sich die Bundesregierung und die Landesregierung wohl auch bei dem vorliegenden Gesetzentwurf gedacht, denn nur so ist es zu verstehen, dass wir den Gesetzentwurf heute hier in Zweiter Lesung beraten.

(Caterina Muth, PDS: Das ist aber jedem Gesetz eigen, dass es eine Zweite Lesung gibt.)

Obwohl die UVP-Änderungsrichtlinie und die IVURichtlinie bereits im Jahre 1999 in nationales Recht umzusetzen waren, geschah dies auf Bundesebene erst am 2. August 2001 mit dem In-Kraft-Treten des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änderungsrichtlinie, der IVU-Richtlinie und weiterer EG-Richtlinien. Trotz mehrerer Aufforderungen meiner Fraktion, eine zügige Umsetzung in Landesrecht vorzunehmen, geschah seitens der Landesregierung nichts. Stattdessen wurde eines der modernsten Landesnaturschutzgesetze der Bundesrepublik ohne Notwendigkeit novelliert.

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Na, na, na! – Minister Dr. Wolfgang Methling: Oh!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur um Sanktionen der EU im Interesse des Landes auszuschließen, haben wir den Gesetzentwurf im Umweltausschuss im wahrsten Sinne des Wortes durchgepaukt.

(Dr. Harald Ringstorff, SPD: Wer hat denn das aufgeschrieben?)

Auf das Ansinnen der Regierungsvertreter, auf eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf zu verzichten, konnten wir dann doch nicht eingehen. Hier frage ich mich, wo das Demokratieverständnis der Landesregierung bleibt, dieses überhaupt in den Ausschuss einzubringen. Aufgrund der bereits erwähnten Dringlichkeit hinsichtlich der Umsetzung europäischer Richtlinien und dem Druck der Landesregierung wollten die Koalitionäre im Rahmen der Ausschussberatungen auf eine öffentliche Anhörung verzichten. Heute können wir fraktionsübergreifend feststellen, dass es richtig war, diese öffentliche Anhörung durchzuführen, denn der von der Landesregierung eingebrachte Gesetzentwurf ist weder fachlich noch ver

fassungsrechtlich – ich möchte es mal so sagen – als großer Wurf zu bezeichnen.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Das können Sie aber nicht im Ernst sagen, Frau Holznagel.)

Stellvertretend für alle Angehörten möchte ich hier nur den Vertreter des Naturschutzbundes Deutschland zitieren. Der stellte fest: „Ausschlaggebend sei jedoch letztlich der vom Gesetzgeber beschlossene Gesetzestext, der hinreichend eindeutig formuliert sein müsse. Die Einwände des NABU seien vor allem als rechtstechnische Vorschläge zu verstehen.... Diesbezüglich habe der Gesetzeseinbringer – die Landesregierung – nicht die nötige Sorgfalt bei rechtstechnischen Überlegungen walten lassen.“ Aus diesen Sachverhalten würden die Vorschläge des NABU resultieren.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl die Dringlichkeit der Umsetzung der EU-Richtlinien der Landesregierung bekannt war, hat sie es bis heute nicht vermocht, grundlegende verfassungsrechtliche Fragen hinsichtlich des Konnexitätsprinzips zu klären.

(Siegfried Friese, SPD: Die sind geklärt.)

Hier haben Sie, meine Damen und Herren der Landesregierung, Ihre Hausaufgaben nicht gemacht und Ihr Problem in den Landtag verschoben.

Meine Damen und Herren, im Rahmen der öffentlichen Anhörung wurde deutlich, dass der Gesetzentwurf keine 1:1-Umsetzung der europäischen Richtlinien vorsah. Hier, Herr Minister, haben Sie den Dissens bereits angekündigt. Vielmehr beabsichtigte die Landesregierung trotz anderslautender Bekundungen, verschärfte landesrechtliche Bestimmungen zur UVP-Vorprüfung im Gesetz zu verankern, die zu Wettbewerbsverzerrungen und zum Nachteil der Unternehmer in Mecklenburg-Vorpommern führen würden. Hierzu zählen insbesondere die in der Anlage zu Artikel 1 Paragraph 3 Absatz 1 aufgeführten Schwellenwerte des Gesetzentwurfes. Gerade hierzu gab es seitens der Anzuhörenden vielfältige Änderungsvorschläge, die in der Beschlussempfehlung des Umweltausschusses ihren Niederschlag fanden. Seitens meiner Fraktion wurden fünf Änderungsanträge hinsichtlich der Änderung von Schwellenwerten gestellt, von denen leider nur zwei von den Koalitionären im Umweltausschuss mitgetragen wurden.

(Caterina Muth, PDS: Aber immer- hin! Keine schlechte Quote.)

Ja doch, das ist okay.

Dass diese Umsetzung des vorliegenden Gesetzentwurfes weitreichende Auswirkungen auf Investitionsvorhaben und Infrastrukturprojekte in unserem Land nach sich ziehen wird, kann man meines Erachtens auch an dem eindeutigen Votum des Wirtschaftsausschusses erkennen – ein eindeutiges Votum, das möchte ich hier noch mal betonen. So hat der Wirtschaftsausschuss dem Umweltausschuss empfohlen, die Vorschläge und Intentionen der schriftlichen Stellungnahmen ganz zu übernehmen und den Gesetzentwurf entsprechend zu ändern.

(Caterina Muth, PDS: Ja, so sind die Wirtschafts- leute – brauchen immer länger, um etwas zu begreifen. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Begründet wurde dies damit, dass es aus wirtschaftlicher Sicht wünschenswert sei, dort, wo ein Ermessen des Landes bei rechtlicher Umsetzung wirtschaftsrelevanter

EU-Richtlinien bestehe, möglichst wirtschaftsfreundlich zu verfahren.

(Caterina Muth, PDS: Wie wär’s denn mit umweltfreundlich?!)

Meine Damen und Herren, genau dieser Ansatz ist richtig, denn Ökologie und Ökonomie sind zwei Seiten einer Medaille.

(Caterina Muth, PDS: Genau!)

Und nur wenn der ökologische Aspekt in den wirtschaftlichen Aspekt einfließt, nur dann kann Nachhaltigkeit herauskommen.

Insgesamt bleibt festzustellen, dass der Gesetzentwurf zu spät vorlag und gravierende Mängel aufwies. Diese Mängel konnten im Rahmen der parlamentarischen Beratung leider nur zum Teil ausgeräumt werden. Um aber Mecklenburg-Vorpommern vor Sanktionen der EU zu bewahren, haben wir uns im Umweltausschuss darauf verständigt, dem Landtag die vorliegende Beschlussempfehlung zu geben. Um aber die Kritik am Gesetz deutlich werden zu lassen, wird meine Fraktion sich der Stimme enthalten. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Unruhe bei Abgeordneten der PDS – Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Jetzt hat Frau Muth das Wort. Bitte sehr, Frau Muth.

(Andreas Bluhm, PDS: Nun aber los, Frau Muth!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Umweltverträglichkeitsprüfung – wie oft wohl war sie schon Thema in diesem Landtag, ist in Form von Gesetzesvorhaben, Anträgen oder als Bestandteil von Reden zum Thema Umwelt und Wirtschaft hier benannt worden?! Wie oft schon ging mit ihr einher die Mär vom Verhinderungsinstrument oder vom Hemmschuh freier Wirtschaftsentfaltung?! Dass dem nicht so ist, sondern Vorhaben wirtschaftlich und ökologisch optimiert werden, dürfte nun inzwischen klar sein.

(Peter Ritter, PDS: Sollte! – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Das glaubst du aber auch bloß!)

Wie viele umweltpolitische Themen gab auch die UVP Gelegenheit, zur Frage der Notwendigkeit, zum Sinn oder Unsinn von Umweltschutz zu debattieren, im Übrigen oft zu später Stunde, so wie heute auch.

(Beifall Beate Mahr, SPD – Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Meine Damen und Herren, da dieses meine letzte Rede in diesem Hohen Hause ist,