Ja, das setzt die Zustimmung der Fraktion der CDU voraus. Davon gehe ich im Moment nicht aus. Oder, Herr Glawe?
Geht die CDU-Fraktion damit konform, dass mit dem Bericht der Ministerin der Antrag für erledigt erklärt werden kann?
Dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2909. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Danke schön. Damit ist der Antrag
der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2909 bei Zustimmung der Fraktion der CDU und Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und PDS abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – Fachkräftesicherung für soziale Bedarfe in Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 3/2911. Hierzu liegt Ihnen – soeben ausgeteilt – ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf der Drucksache 3/2957 vor.
Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: Fachkräftesicherung für soziale Bedarfe in Mecklenburg-Vorpommern – Drucksache 3/2911 –
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Antrag „Fachkräftesicherung für soziale Bedarfe“ berührt ein hochaktuelles Thema. Es gibt keinen sozialen Bereich, in dem sich die dortigen Akteurinnen und Akteure nicht Gedanken machen über die Zukunft der fachlichen Leistungen und somit auch über die Fachkräftesicherung. Die Diskussion wird nahezu ausnahmslos bei allen Leistungserbringern mit großer Ernsthaftigkeit geführt. Aber leider gibt es auch hier Ausnahmen. Der Oppositionsführer in diesem Hause hat in der Debatte um die demographische Entwicklung gestern die Thematik der Fachkräftesicherung für soziale Bedarfe in unzulässiger und unseriöser Weise lediglich auf die ärztliche Versorgung reduziert. Das Ergebnis eines solchen Umgangs mit dem Thema ist nichts anderes als politische Brunnenvergiftung.
Die Akteurinnen und Akteure im sozialen Bereich und die, die für ihre Rahmenbedingungen Sorge tragen, werden gegeneinander aufgezählt. An die Stelle des Suchens nach gemeinsamen Lösungen tritt das Anprangern aus rein politischem Kalkül. Die Frage der Fachkräftesicherung ist jedoch zu wichtig, als dass sie auf der Wahlkampfbühne der CDU verkommt.
(Harry Glawe, CDU: Na, na! – Sylvia Bretschneider, SPD: Richtig. – Zuruf von Nils Albrecht, CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Denken Sie mal an die Vergangenheit! Da würde ich mal ein bisschen vorsichtiger sein.)
Sehr geehrte Damen und Herren, Gesundheits- und Sozialpolitik ist elementare Daseinsvorsorge. Deshalb ist Fachkräftesicherung für soziale Bedarfe eine existentielle Frage für den Erhalt und die Verbesserung der Lebensqualität in unserem Land. Wir können in MecklenburgVorpommern auf eine solide soziale Infrastruktur verweisen. Und ich möchte noch mal exemplarisch einige Beispiele nennen. Das ist imposant genug, was ich Ihnen jetzt hier zusammenstellen darf. Hierzu zählen:
die verschiedenartigsten Beratungs- und Betreuungsstellen, zum Beispiel Schwangerschaftsberatungsbeziehungsweise Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, Beratungsstellen für Menschen mit Behinderungen, Schuldnerberatung, Suchtberatung, allgemeine soziale Beratungsstellen, Familienberatungsstellen, Beratung für Wohnungsnotfälle, Erziehungsberatungsstellen, Beratungsstellen für Arbeitssuchende und Beratungsstellen für Schwule, Lesben und deren Angehörige
Diese Aufzählung ist immer noch unvollständig, denn hinzu kämen noch viele Strukturbestandteile im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik beziehungsweise der Sportpolitik. Es ist uns seitens der PDS und SPD an dieser Stelle ein tiefes Bedürfnis, all denjenigen, die sich tagaus, tagein für das Schicksal ihrer Mitmenschen aufopferungsvoll engagieren, recht herzlich zu danken.
Auch wenn wir auf eine solide soziale Infrastruktur verweisen können, gibt es aktuell – und noch mehr mit Blick auf die Zukunft – Herausforderungen, die gemeistert werden müssen. Diesbezüglich möchte ich auf die Erkenntnisse aus zwei Gesprächen der Obleute des Sozialausschusses am 11. April diesen Jahres verweisen. Wir wurden darin durch die Liga der Wohlfahrt über die Situation im Pflegebereich informiert. Sie hatten im Vorfeld – die Vertreterinnen und Vertreter der Liga – der Zusammenkunft in 50 ihrer Einrichtungen eine Blitzumfrage über die Struktur der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen durchgeführt. So wurde erhoben, dass in den Pflegedienstleistungen sich niemand befindet, der jünger als 30 Jahre ist. Hingegen ist jede vierte Pflegedienstleiterin beziehungsweise jeder vierte Pflegedienstleiter älter als 50 Jahre. Unter den examinierten Pflegekräften mit dreijähriger Ausbildung sind lediglich zehn Prozent jünger als 30 Jahre, dafür ist fast jede zweite Pflegekraft älter als 45 Jahre. Unter den Pflegekräften mit einjähriger Ausbildung sind keine zehn Prozent jünger als 30 Jahre.
Das alles weist darauf hin, dass wir in den nächsten drei bis fünf Jahren, so wir nicht durch unser aller Bemühen erfolgreich sind, vor einem echten Generationsproblem im sozialen Bereich stehen. Der Anspruch, um das klarzustellen, muss in einer ausgewogenen Struktur aus Erfahrung und Wissen verbunden mit Kreativität und frischen Ideen bestehen.
Ein zweites Gespräch am selben Tag, das die Obleute mit dem Virchow-Bund, also den Fachärzten führten, beleuchtete die Situation der Facharztpraxen im Land. So haben wir beispielsweise die Situation, dass in Schweriner Orthopädien die Zahl der Praxen rückläufig, die der zu behandelnden Patientinnen und Patienten zugleich stark ansteigend ist. Hatte eine Orthopädie Mitte der 90er Jahre etwa 1.200 bis 1.400 Patientinnen und Patienten zu ver
sorgen, so sind es mittlerweile weit über 2.000. Ernst zu nehmende Recherchen verweisen darauf, dass Fachärztinnen und Fachärzte durchschnittlich 15 Prozent mehr Arbeitszeit in der Praxis verbringen als ihre Kolleginnen und Kollegen in den alten Bundesländern, hierfür jedoch 23 Prozent weniger Honorar erhalten. Allein an diesen wenigen Beispielen wird erkennbar, vor welchen Herausforderungen wir gemeinsam stehen.
Sehr geehrte Damen und Herren, von den Einzelbeispielen absehend gibt es vier Hauptgründe, warum wir uns mit der Fachkräftesicherung für soziale Bedarfe beschäftigen müssen:
Erstens. Aufgrund der ökonomischen und gesellschaftlichen Veränderungen hieße es, Eulen nach Athen zu tragen, wenn ich hier beispielsweise vertiefend über den medizinischen, den medizintechnischen oder pharmakologischen Fortschritt sprechen würde. Aber diese Fragen bilden den Hintergrund für ökonomische und gesellschaftliche Veränderungen ebenso wie die wachsende Bedeutung von Prävention und Fürsorge oder die Qualifikations- und Kooperationsansprüche in unserer Gesellschaft. Herausforderungen ergeben sich an dieser Stelle auch aus der Tatsache, dass die Globalisierung der Wirtschaft bei gleichzeitiger Flexibilisierung des gesellschaftlichen Lebens des Einzelnen mit sozialem Stress und gesellschaftlichen Spannungen einhergehen.
Zweitens. Die Notwendigkeit der Fachkräftesicherung beruht auf sozialen Wandlungen in der Gesellschaft. Wir haben es mit tiefgreifenden Veränderungen in den sozialen Beziehungen zu tun. Ich verweise auf die Zunahme der Singlehaushalte quer durch alle Generationen oder darauf, dass viele Vereine und Verbände über die tendenziell nachlassende Bereitschaft, Verantwortung für andere zu übernehmen, sich einzubringen, klagen, oder aber darauf, dass in zunehmendem Maße die heranwachsende Generation Schwierigkeiten damit hat, den sozialen Alltag zu bewältigen. Mehr und mehr Menschen sind nicht konfliktfähig. Daraus erwächst in logischer Konsequenz eine Zunahme von Beratungs- und Betreuungsnotwendigkeiten. Eine fehlende Professionalität dieser Beratungs- und Betreuungsleistungen würde bestehende Probleme nicht lösen, sondern eher noch verschärfen.
Drittens. Die Wichtigkeit der Fachkräftesicherung für soziale Bedarfe erwächst aus dem demographischen Wandel. Da wir am gestrigen Tag ausreichend Beispiele für die demographischen Veränderungen in unserer Gesellschaft aufgeführt haben, möchte ich hier auf Zahlen und Fakten verzichten.
Viertens. Die Absicherung der fachlichen Leistungen im Sozial- und Gesundheitsbereich sind auch in quantitativer und qualitativer Hinsicht zu gewährleisten. Dabei verweise ich auf zahlreiche Argumente, die dieser Tage im Umfeld des Ärztetages in Rostock eine Rolle spielten. Wichtig erscheint mir aber an dieser Stelle nicht nur, auf ein unausgewogenes Netz der ambulanten Versorgung hinzuweisen, sondern vor allen Dingen über qualitative Aspekte zu sprechen.
Zur Fachkräftesicherung gehört in besonderem Maße zum Beispiel auch die ärztliche Weiterbildung. So gibt es einen hohen Bedarf darin, dass Ärztinnen und Ärzte in der Lage sind, somatische Erkrankungen – auch aus geriatrischer Sicht – zu beurteilen und zu behandeln. Einen älteren Patienten zum Beispiel nicht nur in Hinblick auf seine Lungenerkrankung zu behandeln, sondern seinen Ge
sundheitsstatus ganzheitlich zu betrachten und eine Anschlussheilbehandlung in Form einer geriatrischen Rehabilitation zu veranlassen, ist nicht zuletzt eine Frage der sozialen Kompetenz des Arztes oder der Ärztin. Und darum geht es.
Wir halten die Anregung des Sachverständigenrates für eine konzertierte Aktion des Gesundheitswesens, um einen weiteren Gedanken anzuknüpfen,
dass Hausärztinnen und Hausärzte während ihrer Weiterbildung zum Beispiel auch in Hospizen, Herr Prachtl, tätig werden, für sehr sinnvoll.
Fachkräftesicherung ist, das sehen Sie daran, nicht nur eine Frage der Zahl von zu besetzenden oder unbesetzten Stellen, sondern geht inhaltlich viel weiter. Das Ziel muss immer die Befriedigung des sozialen Bedarfs sein. Unter Befriedigung des sozialen Bedarfs verstehen wir jede Handlung, die dazu beiträgt, dass die Bürgerinnen und Bürger in ihrem sozialen Umfeld ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden erhalten, stärken beziehungsweise wiederherstellen können.