Protocol of the Session on May 29, 2002

(Heinz Müller, SPD: Das war das einzig Vernünftige, was er gesagt hat.)

Denn im Gegensatz zu meinem Vorredner bin ich der Meinung, dass wir wahrlich hier unserem Mandat genüge tun, wenn wir uns diesem Thema widmen.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD)

Und da verweise ich noch mal ganz besonders auch auf die Beschlussempfehlung. Zum einen, denke ich, ist das darin begründet, dass wir damit unseren Verfassungsauftrag erfüllen. Und ich trete sicherlich offene Türen ein, wenn ich darauf verweise, dass wir im Artikel 5 unserer Landesverfassung niedergeschrieben haben beziehungsweise sich daraus ableitet, das Recht auf Leben und die körperliche Unversehrtheit zu garantieren. Und im Artik e l 14 wird dieser Anspruch noch mal konkretisiert und ausgeformt. Er besagt, dass Kinder und Jugendliche vor der Gefährdung ihrer körperlichen und seelischen Entwicklung besonders zu schützen sind. Und zum anderen, meine ich, werden wir hier unserem Mandat gerecht, weil wir uns aus politischer Sicht einer Herausforderung der ökonomischen Entwicklung stellen. Ich bin also betrübt darüber, erfahren zu haben von Herrn Albrecht, dass er substantiell in den meisten Punkten mitgeht, aber an einer Stelle dann stehen bleibt und sagt, das ist eine Frage der Zuständigkeit.

Und jetzt muss ich noch mal auf etwas zurückkommen, was Herr Dr. Ebnet vorhin gesagt hat. Er hat mir so aus dem Herzen gesprochen: Es ist ein Demaskieren Ihres Anliegens von vorhin, soeben geschehen, weil die demographische Entwicklung ganz konkret etwas mit Gesundheit zu tun hat. Das haben wir, denke ich mal, vorhin auch festgestellt. Und jetzt, wenn es um gesundheitliche Belange und Gesundheitsschutz geht, jetzt wird’s konkret und bezogen – Herr Dr. Rißmann hat das ausführlich dargelegt – auf das Handeln unseres Landes, da verweigern Sie sich und sagen, das ist Bundessache.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Nils Albrecht, CDU: Das ist nicht wahr.)

Und Sie nutzen Ihre Argumentation oder versuchen es zumindest, da den Keil reinzutreiben zwischen Bundespolitik und Landespolitik. Und an dieser Stelle gelingt Ihnen das nicht.

(Nils Albrecht, CDU: Der ist ja da.)

Denn sicherlich gibt es Bundesregelungen, das haben wir in der Anhörung auch gehört, da gibt es ja die Übereinkunft der Spitzenverbände mit den sechs Mobilfunkbetreibern, aber die Sendeantennen und die konkreten Auswirkungen der Sendeantennen sind vor Ort spürbar, sie betreffen die Lebensqualität der Menschen und deswegen geht uns das natürlich was an.

(Nils Albrecht, CDU: Was hat der Minister- präsident gesagt? – Angst machen gilt nicht!)

Und Sie haben ausgeführt, dass die Kommunen lediglich aus baurechtlichen Gründen hier involviert sind. Genau das ist ja der springende Punkt: lediglich aus baurechtlichen Gründen. Die gesundheitspolitischen Aspekte bleiben völlig außen vor. Und auch die Regulierungsbehörde, die Sie hier ins Feld führen, ist sozusagen nicht damit befasst, gesundheitspolitische Aspekte zu betrachten und hier entsprechend zu agieren. Das ist dann schon unsere Sache und dafür kriegen wir letztendlich hier auch unser Geld, um uns dem zu widmen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Die PDS sagt, für eine wirksame Umwelt- und Gesundheitsschutzpolitik muss das Vorsorgeprinzip gelten. Herr Dr. Rißmann hat das Vorsorgeprinzip ebenfalls erwähnt. Vorsorge, das möchte ich hier noch mal vertiefen, ist notwendig, wenn ein späterer Schadenseintritt nicht hinreichend ausgeschlossen werden kann. Und das Vorsorgeprinzip ist in der Anwendung notwendig, wenn Verursachungszusammenhänge nicht hinreichend bekannt sind. Und beides, beides ist in Bezug auf unser heutiges Thema der Fall. Wichtig ist also, vorsorglich aufzuklären, zu informieren und die Forschung zu koordinieren.

Und ich hab, weil ich hier ja zu diesem Thema reden wollte, mich vorgestern mit Schülerinnen und Schülern in Neubrandenburg unterhalten und hab sie gefragt, was sie denn so im Zusammenhang mit Mobilfunk und Sendeantennen wissen beziehungsweise was ihnen da durch den Kopf geht. Und da erfuhr ich natürlich erst einmal etwas von der Faszination Handy. Ein Handy, das in ist, wurde mir gesagt, ist anschließbar ans Internet. Damit kann man nicht nur telefonieren, sondern auch Radio hören und es als Diktiergerät benutzen und, und, und. Aber gleichzeitig habe ich festgestellt im Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern, die waren zwischen 16 und 18 Jahre, dass es eine ganz enorme Sorg- und Ahnungslosigkeit hinsichtlich möglicher gesundheitlicher Auswirkungen gibt. Wörtlich sagte die eine: „Wenn ich ein Handy in der Hand hab, denke ich doch nicht an Gesundheit.“

Und neben der Faszination der Technik wirkt Werbung – das ist die Schlussfolgerung daraus, aus dem Gespräch, eine der Schlussfolgerungen –, sie wirkt motivierend und manipulierend zugleich. Angesichts der Dominanz der Werbung gehen Untersuchungsergebnisse, so, wie sie Herr Dr. Rißmann hier aufgeführt hat, rasch unter.

Ich möchte eine weitere anfügen, wir haben sie auch in der Anhörung behandelt, und zwar die Ergebnisse einer repräsentativen italienischen Studie. Die Italiener haben herausgefunden, dass im Umkreis von zwei Kilometern um die Sendemasten herum das Leukämierisiko bei Kindern doppelt so hoch war wie gewöhnlich. Und das, denke ich mal, ist doch Alarmsignal genug. Welche Beweise wollen wir denn noch heranführen, um die Ernsthaftigkeit und Wichtigkeit unserer Thematik zu begründen? Mögliche Gesundheitsfolgen zu dramatisieren ist wohl unangemessen, das mag sein, aber eine Stellungnahme eines Mobilfunkbetreibers zu Kriterien der Standortauswahl – sie befindet sich im Übrigen auch in unseren Unterlagen – spricht Bände, ist bezeichnend und macht gleichzeitig nachdenklich.

Woran messen die Mobilfunkbetreiber die Auswahl ihrer Standorte für diese Sendemasten:

1. funktechnische Eignung

2. langfristige Verfügbarkeit

3. optische Verträglichkeit

4. bautechnische Eignung und

5. Wirtschaftlichkeit

Gesundheitspolitische Betrachtungen, meine Damen und Herren, spielen überhaupt keine Rolle und das geben die Herrschaften auch zu. Gerade an dieser Stelle ist es mir wichtig, darauf hinzuweisen, dass nicht alles, was sich rechnet, volkswirtschaftlich auch sinnvoll ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Da komme ich zu einer ökonomischen Betrachtung, weil Sie sich ja ausgelassen haben, Herr Albrecht, zu den UMTSLizenzen, also die vor zwei Jahren im Auktionsverfahren für die Bundesregierung ersteigerten 50 Milliarden Euro.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Es wäre doch sinnvoll, wenn man einen Teil davon für die Forschung verwendet.)

Herr Eichel braucht das Geld, um zu entschulden, das steht außer Zweifel, und doch ist Herr Eichel, der Bundeshaushalt, nicht der Gewinner.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Ich sage Ihnen, wer der Gewinner dieser ganzen Auktion ist: Das sind die Banken. Die Banken sind die Gewinner, denn das Geld ist ja nie geflossen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ein Teil des Geldes muss für die Forschung eingesetzt werden.)

Es hat sich nur verlagert von dem einen Schuldner zum anderen Schuldner. Aber ich kann Ihnen auch sagen, wer die Verlierer sind: Die Verlierer sind die Steuerzahler und die Kleinaktionäre. Durch bereits vorgenommene Abschreibungen

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Sehen Sie mal, Herr Glawe, so ist das nämlich.)

auf die gebotenen 50 Milliarden Euro der Betreiber, 50 Milliarden haben sie angekündigt zu zahlen …

(Unruhe bei Dr. Ulrich Born, CDU, Harry Glawe, CDU, und Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Darf ich mal um die Aufmerksamkeit der verbliebenen Herrschaften der CDU bitten?!

(Glocke der Vizepräsidentin)

Aus den vorderen Reihen.

(Harry Glawe, CDU: Ich bin nicht betroffen, ich habe keine Aktien.)

Von den 50 Milliarden Euro, die sozusagen jetzt verbindlich zugesichert sind, haben sich die Mobilfunkkonzerne mit 4,8 Milliarden Euro schon verabschiedet, weil sie die steuerlich abschreiben. Und diese steuerliche Abschreibung geht letztendlich zu Lasten der Gemeinschaft. Milliardenschwere Kapitalvernichtung, das kommt noch hinzu, nichts anderes passiert im Moment an den Börsen, trifft vor allem die Kleinaktionäre. Und das Bedrohliche, und deswegen erwähne ich das hier letztendlich, ist, dass sich die Finanzgeschäfte von der direkten Absicherung der Industrie und des Handels, wozu das Aktiengesetz mal initiiert wurde, gelöst haben und es besteht die ernste Gefahr, dass die soziale Substanz unseres Gemeinwesens verzehrt wird.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Das hat doch mit unserem Antrag nichts mehr zu tun.)

Ja, ein großer Bogen, weil es in einem großen Zusammenhang letztendlich zu sehen ist.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das hat jetzt mit dem Antrag nichts mehr zu tun.)

Und um dem entgegenzusteuern, muss man Maßnahmen ergreifen. Und ich sage, Maßnahmen sind zum Beispiel, die demokratische Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Unternehmen zu stärken. Dazu gehört, dass die Europäische Zentralbank und die Zentralbanken unter öffentliche Kontrolle zu stellen sind …

(Dr. Ulrich Born, CDU: Was sagt denn der Landwirtschaftsminister dazu? – Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Das gehört auch zum Antrag, das gehört zur Lebensqualität, mit der wir hier natürlich zu tun haben.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Was sagt denn der Land- wirtschaftsminister dazu? – Harry Glawe, CDU: Packen Sie schon ein, Herr Minister?)

… und die Devisentransaktionen sind zu versteuern im europäischen Raum.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Es wird doch gesagt, dass die Rindviecher ‘nen Schaden haben.)

Eine einheitliche Zinseinkommenssteuer und Kapitalgewinnsteuer sind notwendig.

Sehr geehrte Damen und Herren, die PDS-Fraktion bekräftigt aus umweltpolitischen und gesundheitspolitischen Erwägungen die Beschlussempfehlung.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Jawohl!)