Protocol of the Session on May 29, 2002

Und das, was wir im Moment machen, dass das Arbeitsministerium gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium ganz deutlich zeigt, wo die Zukunftsperspektiven im Lande sind, wo man die Gelder zielgerichtet einsetzt, das wollen Sie im Grunde genommen überhaupt nicht, zumindest wollen Sie es nicht wahrnehmen. Denn Sie, und das sage ich so frei heraus, Sie haben uns die ganzen anderen Jahre immer deutlich gesagt, Fortbildung und Umschulung sind notwendig, aber ob die Menschen da weiterhin eine Zukunft haben, das ist eine andere Frage.

Warum sagen Sie nicht deutlich, Demographie hat auch was mit Familienfreundlichkeit im Land zu tun?

(Nils Albrecht, CDU: Richtig.)

16 Jahre Kohl-Politik war eine familienunfreundliche Politik. Auch das müssen wir …

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Aber Margot Honecker war sehr familienfreundlich.)

Aber genau das ist es, genau das ist es – familienunfreundliche Politik.

(Wolfgang Riemann, CDU: Die war sehr familienfreundlich mit ihrer Zwangsadoption.)

Wo sind denn die Kindertagesstätten in den alten Bundesländern?

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Wo sind denn die ganzen Familienfördermaßnahmen,

(Glocke des Präsidenten)

die im Grunde genommen bei uns gelaufen sind?

(Dr. Margret Seemann, SPD: Die Ein- kommensgrenze für BAföG wurde nicht angehoben, für das Erziehungsgeld nicht.)

Da haben wir doch in den neuen Bundesländern eine ganz andere Ausgangssituation, als Sie jemals vorweisen können. Und das müssen wir doch auch mal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Familienfreundlichkeit ist ein ganz, ganz wesentlicher Bestandteil für die demographische Entwicklung in den neuen Bundesländern und in Deutschland überhaupt.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das wusste schon Frau Honecker.)

Aber auch das wollen Sie nicht weiter zur Kenntnis nehmen.

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal sind Wandern, sich in der Welt umzusehen und Erfahrungen zu sammeln nicht nur negativ, sondern positiv zu bewerten. Gerade für das Zusammenwachsen Deutschlands und Europas ist dies wichtig,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Die Zahlen stimmen alle nicht. Die Zahlen stimmen alle nicht, Herr Ebnet. 430 Millionen DM oder Euro? Sie haben vorhin gerade DM und Euro verwechselt.)

hat es eine soziale, kulturelle, politische und damit auch eine gesamtgesellschaftliche Bedeutung.

(Unruhe bei Minister Dr. Otto Ebnet und Dr. Ulrich Born, CDU)

Und vorhin, Herr Rehberg, haben Sie noch mal darauf hingewiesen. Ich selbst habe eine Tochter, 18 Jahre. Sie kommt zu mir nach Hause und sagt: Mutti, ich habe hier eigentlich gar keine Zukunft, was soll ich hier eigentlich noch? Sie sagt nicht, ich möchte das und das studieren und ich möchte hier im Land bleiben und im Grunde genommen auch die guten Wissensstandorte hier in Mecklenburg-Vorpommern nutzen, nein, im Grunde genommen spielt sich jetzt schon psychisch was in den Köpfen unserer jungen Menschen ab, weil Sie jeden Tag immer nur eins thematisieren: Abwandern von jungen Leuten.

(Beifall Dr. Margret Seemann, SPD – Wolfgang Riemann, CDU: Daran sind 16 Jahre Helmut Kohl schuld.)

Und ich sage auch, für uns ist das ganz, ganz schmerzlich, dass junge Leute weggehen, aber im Grunde genommen sollten wir uns doch alle gemeinsam mal angucken, wie denn die ganzen Fragen hier zu lösen sind, und nicht nur immer alles negativ darstellen. Verlassen Menschen jedoch unser Land, und das sagen wir auch deutlich, weil es hier nicht genügend und entsprechende Ausbildungs- und Arbeitsplätze gibt und weil die vorhandenen Stellen zum überwiegenden Teil nicht ausreichend entlohnt werden, dann hat das eine ganz andere Bedeutung als aus der Sicht des Wanderns. Und übrigens ist das auch ein Marktmechanismus des kapitalistischen Systems, meine Damen und Herren von der CDU, das immer Sie heraufbeschwören und nicht wir. Nach zwölf Jahren deutscher Einheit …

(Wolfgang Riemann, CDU: Dann bauen wir doch wieder eine Mauer, dann kann keiner wandern. – Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Das hat doch niemand gesagt. Ach, Sie sind auch fürs Wandern?!

(Wolfgang Riemann, CDU: Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten. Nein.)

Nein, Wandern ist doch etwas ganz Normales. Das sagen wir doch auch. Was wir möchten, ist, ganz vernünftige Alternativen für die Menschen hier in Mecklenburg-Vorpommern darzustellen, dass sie nicht aus wirtschaftspolitischer Sicht sagen, ich gehe weg, sondern dass sie frei entscheiden können, bei einer Perspektive, die sie überall haben können, hier im Land zu bleiben. Und diese Perspektive können wir ihnen doch eröffnen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Womit? Womit?)

Ich sage noch eins. Es ist viel wichtiger für die jungen Leute, sich hier einzubringen für zukunftsorientierte Sachen, als, ich sage mal, sich ins gemachte Nest in den alten Bundesländern zu setzen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja richtig. Aber dann müs- sen Sie auch die Voraussetzungen dafür schaffen.)

Ich glaube, es ist viel, viel besser, dass man den jungen Leuten sagt, hier in Mecklenburg-Vorpommern gibt es die und die Zukunftsperspektiven, hier hast du eine Chance, dich einzubringen, dich vernünftig …

(Wolfgang Riemann, CDU: Womit? Mit „Jugend baut“ mit zweimonatiger Be- schäftigung und dann wieder arbeitslos?!)

Ach! Sie wissen doch überhaupt nicht Bescheid. Nehmen Sie doch nicht immer einige Maßnahmen! Gehen Sie doch mal komplex ran!

(Wolfgang Riemann, CDU: Aber das hat der Minister doch heute gesagt.)

Wo haben Sie denn was gegen Jugendarbeitslosigkeit gemacht? Ich kann mich noch sehr deutlich daran erinnern, als wir draußen demonstriert haben gegen die Arbeitslosigkeit und Sie hier im Landtag gestanden und gesagt haben, was wollen die denn, das ist ganz normal, dass man arbeitslos ist.

(Wolfgang Riemann, CDU: Und ist es besser geworden in den vier Jahren, ja?)

Da war ich noch draußen, im außerparlamentarischen Bereich. Und das hat uns sehr weh getan und insbesondere den Leuten,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Und heute demons- trieren Sie nicht mehr. Das ist der Unterschied.)

die sich einbringen wollten in die Gesellschaft. Und Sie haben es nicht zur Kenntnis genommen!

(Angelika Gramkow, PDS: Natürlich demons- trieren wir heute auch noch, Herr Born. – Peter Ritter, PDS: Vor Ihrem Büro würde ich ganz gern noch mal demonstrieren, Herr Born, zu jeder Zeit. – Dr. Ulrich Born, CDU: Dann kommen Sie mal vorbei!)

Was Sie heute gebracht haben, was Sie heute hier demonstriert haben,

(Unruhe bei Dr. Ulrich Born, CDU, Wolfgang Riemann, CDU, und Peter Ritter, PDS)

und das will ich auch noch einmal sagen, Sie haben heute in der gesamten Debatte immer nur Widersprüche dargestellt in Ihrer eigenen Argumentation. Auf der einen Seite die aktive Arbeitsmarktpolitik, die Sie in der Hoffnung auf einen Wahlerfolg 1998 mit den bekannten, inzwischen von Ihnen verteufelten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen eingesetzt haben. Die taugen nun nichts mehr, müssen deshalb weg. Und vieles, vieles andere mehr.

Und zum Abschluss, weil die rote Lampe jetzt leuchtet.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist die rote Laterne.)

Ich denke, wir brauchen keinen Abwanderungsgipfel, sondern – so, wie der …

Danke schön, Herr Born.

(Peter Ritter, PDS: Und Sie sind das Laternenmännchen.)