Herr Nolte, bevor ich das vergesse, vorweg: Die Finanzplanungsratdokumente sind immer öffentlich, die können Sie sich jederzeit abrufen, aber ich bringe Sie Ihnen auch gern aus Berlin mit. Das ist überhaupt kein Problem.
„Gesamtstaatliches Defizit abbauen – Schuldzuweisungen beenden“, so lautet die Überschrift über dem CDUAntrag, den wir heute hier behandeln. Es sollte Sie eigentlich nicht überraschen, meine Damen und Herren von der CDU, mit beiden Teilen dieses Mottos kann ich sehr gut leben. Der Defizitabbau für den Haushalt unseres Landes stand von Anfang an im Zentrum meines politischen Handelns. Dabei haben wir in den letzten sechs Jahren gute Fortschritte gemacht. Im Jahr 2001 betrug die Nettokreditaufnahme mit 331,6 Millionen Euro nur noch knapp ein Drittel dessen, was wir im Jahre 1996 mit 1.045 Millionen Euro verkraften mussten. Und diesen Kurs werden wir fortsetzen, und zwar nicht deshalb, weil uns irgendjemand dazu
auffordert hat oder weil wir dafür einen Stabilitätspakt brauchen. Treibendes Motiv für den Abbau von Defizit und Nettokreditaufnahme ist vielmehr die Reduzierung der Zinslasten und damit die nötige Vorsorge für die Zukunft unserer Kinder.
Auch der zweite Teil des Mottos, „Schuldzuweisungen beenden“, geht in Ordnung. Schuldzuweisungen bringen uns nicht voran. Wichtig ist vielmehr aktives Handeln. Mich wundert nur, dass diese Auffassung gerade von Ihnen vertreten wird, meine Damen und Herren von der CDU, denn abgesehen von Schuldzuweisungen haben Sie in dieser Legislaturperiode noch nicht viel zu bieten gehabt. Die Überschrift Ihres Antrages kann ich also unterstützen, aber außer der Überschrift ist in Ihrem Antrag so gut wie gar nichts richtig. Exemplarisch will ich hier nur Folgendes erwähnen: Die Behauptung, die Steuerreform begünstige einseitig Kapitalgesellschaften, ist falsch.
(Beifall Heidemarie Beyer, SPD – Wolfgang Riemann, CDU: Warum? – Georg Nolte, CDU: Ach, lesen Sie doch mal die „WirtschaftsWoche“!)
Ich glaube, da haben viele von Ihnen immer so im Auge und im Gesichtsfeld, Kapitalgesellschaften, das sind nur große Nebenaktiengesellschaften. Es gehören auch GmbHs dazu und die sind in Mecklenburg-Vorpommern häufig kleine und mittlere Unternehmen. Sie gehören genauso zu den Gewinnern der Steuerreform wie die Personengesellschaften, denn die Einkommenssteuersätze, die für diese Unternehmen gelten,
sind schon im Jahr 2001 abgeschmolzen und werden bis 2005 noch deutlich abgeschmolzen werden. Das Volumen der Steuerrechtsänderung steigt allein für den Mittelstand bis 2005 auf jährlich 11,8 Milliarden Euro an.
Die privaten Haushalte werden durch die Anhebung des Grundfreibetrages und der Tarifänderung um 16,4 Milliarden Euro, die Großunternehmen dagegen nur um 3,6 Milliarden Euro entlastet.
Diese positive Wirkung der Steuerreform auf den Mittelstand war einer der wesentlichen Gründe für die Landesregierung, der Steuerreform im Bundesrat zuzustimmen.
Eine weitere Wahrheit der Steuerreform, nämlich die vollständige Entlastung der Personenunternehmen von der Gewerbesteuer, verdrängen Sie offenbar völlig.
Aus meiner Sicht sind das Rahmenbedingungen, die für unsere heimische Wirtschaft notwendig, aber insgesamt
auch komfortabel sind. Vor diesen Realitäten verschließen Sie nach wie vor die Augen, wohl nicht zuletzt, um nach wie vor die Mär von der Benachteiligung des Mittelstandes unters Volk zu bringen, wie es Ihr frisch angeheuerter wirtschaftspolitischer Sprecher Matthias Stinnes erst kürzlich wieder versucht hat.
Die Ausfälle bei der Körperschaftssteuer und teilweise bei der Gewerbesteuer haben dagegen vielfältige Ursachen. Ich will sie jetzt mal nennen:
1. Ausfälle von etwa 8 Milliarden Euro resultieren aus der Tarifabsenkung für Gewinne, in der Regel von 40 Prozent auf einheitlich 25 Prozent. Damit haben wir eine Angleichung an das internationale Niveau vorgenommen, mit der die Attraktivität für künftige Investitionen deutlich verbessert wird. Das war gewollt.
2. Gewollt war auch, wenn auch nicht so schnell, dass bei der Ausschüttung von bereits versteuerten Gewinnen die Körperschaftssteuer zurückgeholt werden kann. Der Gesetzgeber hat dafür eine Frist von 15 Jahren vorgesehen. Dass bereits im ersten Jahr ein überaus großer Teil dieser Gewinne ausgeschüttet wurde, war nicht zu erwarten. Das Verhalten der Steuerpflichtigen lässt sich eben nicht bis ins Letzte vorhersehen. Im Übrigen muss für diese ausgeschütteten Gewinne selbstverständlich Kapitalertragssteuer gezahlt werden und da haben wir ein Plus von 7,8 Milliarden Euro.
3. Das restliche Drittel – und jetzt kommen wir zu Ihren vielen Punkten – geht auf Steuerausfälle des Konjunkturrückgangs, auf die Abschreibung für UMTS-Lizenzen, die Zwangsarbeiterentschädigung oder auch zum Beispiel für die Rückstellung der Bayer AG wegen drohender Schadenersatzleistungen – ich sage das Stichwort „Lipobay“ – und für Stiftungen zurück.
Es spricht also viel dafür, dass sich schon in diesem Jahr das Aufkommen bei der Körperschaftssteuer wieder stabilisieren wird. Die Ergebnisse der ersten zwei Monate deuten auch darauf hin.
Die Auseinandersetzung mit Ihrer oberflächlichen Kritik an der Bundesregierung könnte ich beliebig fortsetzen, aber das würde aus meiner Sicht nur von den grundsätzlichen Fragen der künftigen Finanzpolitik in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa ablenken. Für derartige Profilierungsdebatten sind mir die Probleme zu ernst. Deshalb will ich hier die drei entscheidenden Problemkreise beim Abbau des gesamtstaatlichen Defizits noch einmal hervorheben:
Erstens. Der 1997 beschlossene europäische Stabilisierungs- und Wachstumspakt ist maßgeblich von dem damaligen Bundesfinanzminister Theo Waigel beeinflusst worden. Er hat in letzter Minute die Defizitkriterien in die Verhandlungen eingebracht. Ich erinnere noch einmal an diese Kriterien, die zum Eintritt ins Euro-Land berechtigten:
Allen war klar, dass dies die Einstiegskriterien waren und dass auf Dauer kein Land an ausgeglichenen Haushalten vorbeikommen würde. In vielen europäischen Ländern ist das konsequenter umgesetzt worden als bei uns. Deutschland hat zwar die Kriterien eingebracht, aber 1997 und 1998 keine Anstrengungen unternommen, seine Schulden deutlich abzusenken.
Ja, wer war an der Regierung? Ich habe ja schon damals in der Finanzministerkonferenz gesessen und miterlebt, wie gestritten wurde. Damals ging es immer nur darum, wie mögliche Sanktionen zwischen dem Bund und den Ländern aufgeteilt werden könnten.
Und jetzt, Herr Nolte, kommen wir zu dem fatalen Fehler, den Sie vorhin genannt haben: Ach, hätte er sich doch den Blauen Brief schicken lassen, dann wären wir jetzt nicht in der Zwangslage. Sie glauben doch wohl nicht im Ernst, dass die Kommission den Blauen Brief geschickt hätte und anschließend keine Maßnahmen daran gehängt hätte, keine Konsequenzen. Gerade dadurch, dass das verhindert werden konnte, konnte es nämlich verlängert werden von 2002 auf 2004. Also, Sie müssen sich mit den Unterlagen ein Stück mehr beschäftigen.
Ich gebe Ihnen nachher gern dieses Papier, da können Sie nachlesen, wie das eigentlich vorgesehen war.
(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU: Aus dem Bundesfinanzministerium. – Georg Nolte, CDU: Aus der Rechenzentrale.)
Heute geht es Bundesfinanzminister Eichel darum, die Defizite wieder zurückzuführen. Eichel will dauerhafte und strukturelle Verbesserungen in den Haushalten organisieren. Beispiele dafür sind die jetzt beginnende Reform der Gemeindefinanzen, der sozialen Sicherungssysteme, die Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe und die Reform des öffentlichen Dienstrechts. Das aktuelle Stabilitätsprogramm von Dezember 2001 enthält nämlich bereits das Ziel eines nahezu ausgeglichenen Staatshaushaltes für 2002 als klare Verpflichtung. Und dann ist das jetzt noch mal bis 2004 verlängert worden. „Nahezu ausgeglichen“ bedeutet, dass maximal noch 13 Milliarden Euro Schulden gemacht werden dürfen. Nur damit wir auch mal die Größenordnung kennen.
Ich halte es deshalb für unverantwortlich, wenn die Opposition im Bund und im Land den Bundesfinanzminister mit Vorwürfen überschüttet, obwohl er sich in diesem Punkt in der Kontinuität mit der Zielsetzung befindet, die die vorige Bundesregierung in Brüssel initiiert hat.
Zweitens. Zu Recht erinnert der Bundesfinanzminister daran, dass die finanzpolitischen Ziele nur im Zusammenwirken aller beteiligten Ebenen erreicht werden können, also Bund, Länder, einschließlich Kommunen, plus Sozialversicherungssysteme.
Der Bund ist im Jahre 2001 seiner Verantwortung gerecht geworden, indem er sein Finanzierungsdefizit um 1 Milliarde Euro auf 23 Milliarden Euro abgesenkt hat. Bei den Ländern hingegen ist das Finanzierungsdefizit von 9,8 Milliarden im Jahr 2000 auf 26,5 Milliarden in 2001 gestiegen. Dafür mag es objektive Ursachen geben. Es ist
aber völlig richtig, dass am 21. März in einer Sondersitzung des Finanzplanungsrates über die Ursachen diskutiert und Konsequenzen gezogen werden. Das Beispiel unseres Landes zeigt, dass es auch anders geht.
Mecklenburg-Vorpommern hat von 2000 auf 2001 die laufenden Ausgaben nur um ein Prozent erhöht, und das, obwohl wir eine Reihe von unabweisbaren Mehrausgaben zu verkraften hatten, wie zum Beispiel Personalausgaben einschließlich der Zusatz- und Sonderversorgungssysteme,
(Wolfgang Riemann, CDU: Das haben Sie doch gar nicht gebraucht in den letzten Jahren. Da haben Sie doch so viel Luft drin gehabt.)