Protocol of the Session on March 13, 2002

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Jäger von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Jäger.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf sollte nach seiner erklärten Zielsetzung die Rechtsgrundlagen

der amtlichen Vermessungs- und Katasterführung an veränderte Anforderungen anpassen. Herr Kollege Friese hatte als Ausschussvorsitzender das Ziel ja umschrieben.

Der Innenausschuss hat eine Reihe von Änderungswünschen, die der Innenminister noch in die Beratung gegeben hatte, im Endergebnis auch so beschlossen, denn es waren teilweise Dinge, die übersehen worden waren, teilweise Dinge, die sich in der Zwischenzeit als notwendig erwiesen hatten. Es gab da keinen Streit. Das gilt auch für den von der Notarkammer vorgetragenen Wunsch, den Notaren ausdrücklich das Recht zum Abruf aus dem automatisierten Liegenschaftskataster zu gewähren. Auch da gab es eine einhellige Beschlussfassung.

Dagegen können wir die nun auch noch für die Vergangenheit, also rückwirkend vorgesehene gebührenpflichtige Einmessungspflicht für genehmigungsfreie Bauvorhaben nicht mittragen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Herr Kollege Friese hat mit Recht darauf hingewiesen, was damals der Sinn war, nämlich Deregulierung. Was Sie, meine Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen – ich glaube, auf Vorschlag des Innenministers, wie ich das in den Beratungen verstanden habe –, vorhaben, nämlich eine rückwirkende Einführung einer Gebührenpflicht, nur weil Sie einen Prozess verloren haben, weil das Land einen Prozess verloren hat, das ist ein deutlicher Angriff auf den Rechtsstaat und auf das Vertrauen des Bürgers in diesen Rechtsstaat.

(Beifall und Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Und das werden wir nicht mitmachen.

Und, Herr Vorsitzender des Innenausschusses, da darf ich etwas ergänzen, das haben Sie nicht vorgetragen, aber das möchte ich gern sagen, nämlich noch in der Begründung zum Paragraphen 11 – das ist die Vorschrift – weist der Innenminister darauf hin, dass die nach Paragraph 64 Landesbauordnung – das ist die Freistellung von der Genehmigungspflicht übrigens für Einfamilienhäuser in qualifizierten Bebauungsplangebieten, für die Praktiker in unserem Hause, also wo junge Familien die Möglichkeit haben zu bauen, diese wollen Sie jetzt im Nachhinein noch gebührenpflichtig stellen –,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

also der Herr Innenminister hat darauf hingewiesen, dass nach geltender Rechtslage, so der Regierungsentwurf, diese nicht einmessungspflichtig seien.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)

Also im Gegensatz zu dem, was Sie eben dargestellt haben, da ist etwas vermengt worden.

Und wie das so war, damals im Jahr 1994 – und Sie können sich vorstellen, dass ich noch genau weiß, was diese Landesbauordnung wollte –, im Jahr 1994 sollte gerade für junge Familien in typischen Bebauungsplangebieten, wo es eigentlich keine Probleme gibt,

(Siegfried Friese, SPD: Nein.)

dieses lange, umständliche...

Ja, doch! Sie wissen das als Bürgermeister. Wenn der Bebauungsplan ordentlich ist, Herr Friese, und das hoffe ich mal, dann brauchen Sie also keine Ausnahmen zu genehmigen, dann steht da alles drin und dann brauchen

Sie als Baugenehmigungsbehörde, wenn Sie das richtig machen, eigentlich nur den grünen Stempel draufzudrücken.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)

Aber das dauert dann wieder drei Monate mit Beauftragung aller Ämter und das wäre unsinnig. So war damals die Auffassung des Gesetzgebers, die wir, glaube ich, alle noch teilen. Und nun haben wir das so gemacht.

Und jetzt kommen Sie mit einer nachträglichen Einmessungspflicht und Sie begründen das richtig überzeugend: Das amtliche Kataster wäre nicht vollständig. Prima! Also damit kann ich jede Genehmigungspflicht begründen, damit kann ich jede gebührenpflichtige Einmessung begründen. Aber was passiert denn wirklich?

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Ja, das ist eine Selbstbeschäftigung der Katasterverwaltung.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Selbstbedienungsladen.)

Das ist ziemlich unnötig, wie wir alle wissen, denn in der Praxis hat sich gezeigt, dass wir bei geltender Rechtslage – a l so so, wie der Innenminister es hier dargestellt hat, es bestand ja keine Einmessungspflicht, sie soll ja nachträglich eingeführt werden – trotzdem die Unterlagen haben. Warum wohl? Weil die Bauunterlagenverordnung auch gilt. Und in der steht nun drin, dass sie in einem aus der amtlichen Vermessung gewonnenen Lageplan die Lage des Gebäudes, so, wie es gebaut werden soll, darzustellen haben. So. Und was Sie jetzt wollen, ist, Sie wollen anschließend noch mal herkommen und einmessen, ob es auch tatsächlich so gebaut ist.

(Siegfried Friese, SPD: Und wer garan- tiert, dass das Haus wirklich dort steht?)

Können Sie nicht gucken? Gucken Sie doch, ob genau nach den Bebauungsunterlagen, nämlich nach der Bauunterlagenverordnung gebaut ist! Und dann sind wir so weit. Wir brauchen keine nachträgliche Einmessung.

(Beifall Dr. Christian Beckmann, CDU, und Dr. Ulrich Born, CDU)

Und was wir auf keinen Fall brauchen, ist der Eingriff in das Rechtsstaatsbewusstsein unserer Bürger, Jahre danach, weil irgendjemand es nicht ertragen kann, dass er in einem Prozess nicht Recht behalten hat – das ist doch der Hintergrund –,

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist das.)

und weil das mitten in dem laufenden Verfahren so ist. Da wollen Sie den Bürgern noch mal nachträglich in die Tasche greifen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist die reine Arroganz der Macht.)

Ich finde das nicht in Ordnung.

Übrigens, dass das so ist, hatte bis zu den Beratungen im Innenausschuss offenbar so mancher der Kollegen geglaubt. So hat zum Beispiel der Kollege Böttger mit dem Brustton der Überzeugung

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja, ja.)

in der Beratung am 6. März gesagt: Das gilt natürlich nicht – als ich darauf hinwies, Herr Kollege Böttger –, das gilt natürlich nicht für die Vergangenheit.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja, ja.)

Das haben Sie geglaubt. Dann hat Ihnen freundlicherweise Herr Staatssekretär Bosch erläutert: Nee, nee, Herr Böttger – also er hat das vornehmer gesagt –, es gilt natürlich für die Vergangenheit. Nur deswegen haben wir ja diesen Änderungsantrag vorgelegt bekommen, den Sie als die beiden Fraktionen eingebracht haben. Und als Sie darüber belehrt waren,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Herr Innenmi- nister, das ist die Arroganz der Macht.)

hatte ich ja geglaubt, nun sagt mein Kollege Böttger, den ich ja aus unserem Schweriner Stadtparlament gut kenne, jetzt sagt er, da mache ich nicht mit. Weit gefehlt!

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja.)

Es wurde so abgestimmt, wie der Herr Innenausschussvorsitzende vortrug. Die Koalitionsfraktionen, alle Abgeordneten waren dafür, die Bürger rückwirkend zu belasten. Meine Damen und Herren, das müssen Sie dann draußen mit den Bürgern erörtern.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Nur weil der Innenminister eine Niederlage vor dem Gericht nicht akzeptieren kann.)

Herr Kollege Böttger, ich versichere Ihnen, ich werde Ihnen Gelegenheit geben, dazu Stellung zu nehmen.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist ein tolles Rechtsstaatsverständnis des Innenministers.)

Aber, meine Damen und Herren, es gab einen anderen Punkt, der auch sehr streitig war. Herr Kollege Friese hat ihn freundlicherweise vorgetragen. Wir waren der Auffassung, dass sich das System der Öffentlich bestellten Vermessungsingenieure in unserem Lande bewährt hat, dass wir damals zur Verschlankung der Verwaltung eingeführt haben, aber auch, weil wir nicht genügend Vermesser in den Verwaltungen hatten, die dafür gesorgt haben, dass über die Jahre die Investitionsvorhaben gerade im gewerblichen Bereich in unserem Land sehr zügig ablaufen konnten. Denn jeder weiß, ich brauche erst eine Vermessung, ehe ich vernünftige Bauantragsunterlagen vorlegen kann. Das gilt im normalen Baugenehmigungsverfahren wie nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz, also auch für die industriellen Bauten. Diese Büros haben in den vergangenen Jahren, als Not am Mann war, die Leistungen erbracht, so dass die Vorhaben in unserem Lande zügig – und ich kenne einige Vorhaben aus eigener Mitwirkung – verwirklicht werden konnten.

Was nun passiert ist – und da möchte ich mal deutlich sagen, wie Ursache und Wirkung manchmal vertauscht werden: Sie haben den Kommunen im Finanzausgleich Geld weggenommen. Wir streiten, ob es 120 Millionen – ich rede jetzt in Mark – oder 200 Millionen waren, jährlich. Und was haben die Kommunen gemacht? Sie haben versucht, jede Mark, die sonst noch so nebenbei einzunehmen war, einzufordern. Und wo macht man das? Im Gebührenbereich. Dadurch ist ein Missverhältnis entstanden. Es wurde in einzelnen Bereichen im kommunalen Bereich, bei den kommunalen Katasterbehörden mehr eingemessen, ein operatives Geschäft gemacht, als das vorher der Fall war. Und erst daraus ergab sich der Bedarf, ein vernünftiges Katastergesetz zu ändern und festzuschreiben, dass die Kommunen nur in bestimmten Fällen, nämlich für den Eigenbedarf, wie zum Beispiel auch die Landgesellschaft, die ebenfalls operative Messtrupps

hat, selber einmessen können. Nichts da von Abschaffen kommunaler Tätigkeit, wie das von Ihnen dargestellt wird, sondern Beschränken auf die Tätigkeit, für die damals bei der Kommunalisierung der Katasterverwaltung – übrigens, Konnexitätsprinzip, frühere Landesregierungen, obwohl es da noch nicht in der Verfassung stand, die haben es aber gemacht –, bei der Kommunalisierung der Katasterverwaltung war es so, dass gleich Geld mit runtergegeben wurde an die Kommunen, sinnvollerweise nicht fürs Vermessen, sondern für die Führung des amtlichen Liegenschaftskatasters.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Richtig.)