Protocol of the Session on January 31, 2002

Ja, viermal sieben, dann sind das 400 DM im Jahr, Herr Riemann.

(Zuruf von Nils Albrecht, CDU)

Und hier kriegen sie 1.000 Euro im Jahr mehr pro Kind. Also rechnen Sie doch mal aus! Ich komme gleich noch zu dem anderen. Also Ihre Milchmädchenrechnungen gehen doch nicht auf. Sie möchten es immer gern, aber es geht doch nicht.

(Wolfgang Riemann, CDU: Die Miet- nebenkosten sind nicht gestiegen, was?)

Die Kinder- und Betreuungsfreibeträge sind zum 1. Januar 2002 um weitere 700 Euro auf jetzt 5.808 Euro angehoben worden. Bei nicht zusammen veranlagten Ehepaaren steht jedem Elternteil der halbe Betrag zu.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Zum Vergleich: Von 1998 bis 2002 haben sich die Kinderfreibeträge fast verdoppelt. Um speziell die Erwerbstätigen nicht im Regen stehen zu lassen, können diese für Kinder unter 14 Jahren auch noch zusätzliche Betreuungskosten geltend machen. Dazu kommen die Auswirkungen der Steuerreform, von denen alle Bürgerinnen und Bürger unmittelbar profitieren, gerade auch die Geringverdiener.

(Wolfgang Riemann, CDU: Die Begeisterung wächst, Frau Keler.)

Dazu gehören namentlich die Anhebung des steuerlichen Grundfreibetrages und die drastische Senkung des Eingangssteuersatzes.

(Angelika Gramkow, PDS: Wir hätten das Existenzminimum aber trotzdem etwas höher nehmen können.)

Also wer ehrlich ist, weiß, dass er mehr Geld im Portemonnaie hat. Und die Leute, mit denen ich mich unterhalte, wissen, dass ich rechnen kann, und die verneinen das auch nicht.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Die Förderung von Familien spielt sich aber nicht nur im Steuerrecht ab, auch in anderen Lebensbereichen sind unter der jetzigen Regierung erhebliche finanzielle Erleichterungen für Familien geschaffen worden. Ich nenne Ihnen einige Beispiele: Verbesserung beim Wohngeld mit einem Volumen von 720 Millionen Euro im Jahr, mehr Erziehungsgeld durch eine deutliche Anhebung der Einkommensgrenzen – außerdem gibt es jetzt Erziehungsgeld auch bei Arbeitslosigkeit –, mehr Ausbildungsförderung durch die Erhöhung der BAföG-Sätze. Vor allem aber auch bei der so genannten Riester-Rente werden Familien durch eine zusätzliche Kinderzulage deutlich bevorteilt. Und bei der Wohnungsbauförderung hat es ebenfalls Verbesserungen gegeben, zum Beispiel durch Erhöhung der prämienbegünstigten Höchstbeträge bei der Bausparförderung.

Sie sehen, meine Damen und Herren, alleine die 8,7 Milliarden Euro, die seit Regierungsantritt zusätzlich in die Familienförderung geflossen sind durch Steuererleichterung und durch das Kindergeld, sind zielgenau eingesetzt und kommen vor allem denjenigen zugute, die es am meisten brauchen, den Geringverdienenden, egal ob alleinerziehend oder in Familie.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Annegrit Koburger, PDS: Alleinerziehende sind auch Familien.)

Danke schön, Frau Ministerin.

Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Frau Koburger von der Fraktion der PDS.

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Es tut mir ja nun Leid, aber, Frau Ministerin,

(Ministerin Sigrid Keler: Jaja.)

an vielen Punkten muss ich Ihnen doch heftig widersprechen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Angelika Gramkow, PDS – Barbara Borchardt, PDS: Was ist denn hier los?)

Wir haben eine Situation bei Alleinerziehenden, die eben keine angebliche Schlechterstellung der derzeitigen Regelung, sondern eine tatsächliche bringt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Das Problem liegt darin, dass so, wie Sie das eben auch sagten – und das war meines Erachtens kein Lapsus –, diese Form des Zusammenlebens mit Kindern nicht als Familie betrachtet wird. Und das ist das Problem in dieser Politik,

(Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig. Das kennt leider das Steuerrecht nicht.)

in der Steuerpolitik insbesondere, und daran, denke ich, muss endlich gearbeitet werden. Vielleicht sollten auch einige von den Finanzpolitikerinnen und -politikern auf Landes- und Bundesebene der SPD mal Vorschläge der ASF mit dazunehmen, wie man das gestalten könnte, auch was die Vorschläge des Deutschen Frauenrates anbelangt. Dort gibt es ausreichend Intentionen.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU)

Aber, meine Damen und Herren von der CDU, so glücklich werden Sie über meine Ausführungen auch nicht sein,

(Angelika Gramkow, PDS: Genau. – Harry Glawe, CDU: Aber nicht so doll heute, nicht so doll bitte.)

weil Sie schaffen es langsam, dass ich meinen pädagogischen Optimismus doch noch verliere.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Was?! – Zurufe von Wolfgang Riemann, CDU, und Peter Ritter, PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Ich denke, Sie haben Ausdauer.)

Ausgehend von Ihrem Titel bei dem Antrag könnte ja die geneigte Leserin und der geneigte Leser davon ausgehen, dass es Ihnen hier wirklich um eine ernst zu nehmende Problemlösung geht.

(Harry Glawe, CDU: Frau Koburger, nicht so doll!)

Doch der Antragstext einschließlich der Begründung wie auch das, was hier von Herrn Riemann vorgetragen wurde,

(Harry Glawe, CDU: Ich sitz extra schon hier auf der linken Seite. – Barbara Borchardt, PDS: Das hilft Ihnen auch nicht. – Harry Glawe, CDU: Das hilft auch nicht?! – Dr. Ulrich Born, CDU: Na, na, na!)

macht deutlich, dass es Ihnen nur um ein populistisches Haudrauf und das Verkaufen Ihrer alten unsozialen Kamellen geht.

(Nils Albrecht, CDU: Oh!)

Die Situation Alleinerziehender in dieser Bundesrepublik ist von dem höchsten Armutsrisiko geprägt, wie die

seit Jahren bekannten Untersuchungen belegen. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Alleinerziehende haben wesentlich größere Schwierigkeiten, einen Erwerbsarbeitsplatz zu bekommen und dann vielleicht auch noch einen gut bezahlten. Insbesondere in den alten Bundesländern ist das Angebot an Kinderbetreuungsplätzen unzureichend von der Anzahl her wie auch von den angebotenen Öffnungszeiten oder zum Beispiel einem Angebot an warmem Mittagessen. Das heißt, der Anteil der alleinerziehenden Sozialhilfeempfängerinnen ist erheblich und zum großen Teil führen bestimmte Bundesgesetze dazu, dass Alleinerziehende regelrecht in die Sozialhilfe gedrückt werden, wie zum Beispiel das Bundeserziehungsgeld- und -urlaubsgesetz, so Leid, wie mir das tut.

(Karla Staszak, SPD: Und die Kinder werden auch zu Sozialhilfefällen.)

Je mehr Kinder, umso größer das Armutsrisiko von Familien.

(Angelika Gramkow, PDS: Richtig.)

Bei Alleinerziehenden verschärft sich dieses Problem noch.

(Barbara Borchardt, PDS: Und das habt ihr immer abgestritten, ihr Bösen! – Harry Glawe, CDU: Was?! – Barbara Borchardt, PDS: Ja.)

Der Familienleistungsausgleich über steuerliche Maßnahmen begünstigt immer diejenigen, die über ein hohes Einkommen verfügen. Diese Situationsschilderung ist allen bisherigen Bundesregierungen ins Stammbuch geschrieben worden.

(Angelika Gramkow, PDS: Sehr richtig.)

Insbesondere 1994, im Übrigen das Internationale Jahr der Familie, wurde von zahlreichen außerparlamentarischen und parlamentarischen Kräften auf diese prekäre Situation aufmerksam gemacht und entsprechende Veränderungen eingefordert beziehungsweise auch Wege dahin vorgeschlagen, wie zum Beispiel ein existenzsicherndes Kindergeld sowie die Anhebung von Sozialhilferegelsätzen gemäß der europäischen Definition des Existenzminimums. Eine Eigeninitiative seitens der damaligen KohlRegierung ist nicht erfolgt. Erst durch entsprechende Entscheide des Bundesverfassungsgerichts wurden zaghafte Veränderungen vorgenommen. Und bereits in meiner Rede zu einem ähnlich gelagerten Antrag seitens der CDU habe ich deutlich gemacht, welche Hinterlassenschaft nach 16 Jahren CDU-dominierter Familienpolitik abzuarbeiten ist. Dass die rot-grüne Bundesregierung in nicht unerheblichem Maße Finanzen zur Erhöhung des Kindergeldes wie auch von Kinderfreibeträgen bereitgestellt hat, und das – was Frau Ministerin hier noch an anderen Beispielen gebracht hat –, um dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gerecht werden zu können, ist zwar löblich,

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

doch zu kritisieren ist, dass die strukturellen Mängel des Familienleistungsausgleiches zur Benachteiligung und zum Auseinanderdriften zwischen Partnerschaften mit und ohne Kindern wie auch zwischen gut verdienenden und schlecht verdienenden Familien führen.

(Beifall Rudolf Borchert, SPD, Karla Staszak, SPD, Barbara Borchardt, PDS, und Angelika Gramkow, PDS)

Daraus ergibt sich, dass sich trotz finanzieller Aufstockung die prekäre Lage der Familien mit Kindern und insbesondere mit sehr geringem Einkommen und solchen, die von Sozialhilfe abhängig sind, und insbesondere der Alleinerziehenden nicht verbessert, sondern verschlechtert hat.