Protocol of the Session on January 31, 2002

(Zuruf von Annegrit Koburger, PDS)

wenn Sie den Antrag gestellt haben.

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS – Harry Glawe, CDU: Bei einer Million arbeitslosen Jugendlichen in Deutsch- land. – Glocke des Vizepräsidenten)

Es ist ein in Deutschland häufig anzutreffendes Phänomen, bei dem ich mich allerdings frage, wem das nützt.

(Barbara Borchardt, PDS: Nach Aussagen der CDU vor 1998 gibt es keine arbeitslosen Jugendlichen.)

Fakt ist, dass noch nie in der Geschichte Deutschlands in einer Legislaturperiode so viel für Familien und Alleinerziehende getan wurde wie in dieser, Herr Riemann.

(Wolfgang Riemann, CDU: Vorrechnen, vorrechnen!)

Ich rechne es Ihnen gleich vor.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Ich werde es Ihnen gleich vorrechnen.

Zunächst aber ein paar Anmerkungen zur Absenkung des Haushaltsfreibetrages und deren Hintergrund.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Die eine soziale Leistung war die Einführung der dynamisierten Rente. – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Herr Präsident, wenn die CDU einen Antrag stellt und dann nicht einmal diese paar Herren, die hier dasitzen, bereit sind zuzuhören,

(Steffie Schnoor, CDU: Ist das eine Diskriminierung von Frauen?)

dann weiß ich gar nicht, warum wir hier noch reden sollen.

(Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Also, meine Damen und Herren, ich bitte Sie doch, der Ministerin zu folgen.

Dann können Sie rausgehen, das ist mir lieber.

Wir haben eine Geschäftsordnung in diesem Hause und die dient dazu, dass man sich hier über vorliegende Anträge vernünftig verständigt. Ich bitte das zu beachten.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Wir hören auch zu.)

Jaja.

Zunächst aber ein paar Anmerkungen zur Absenkung des Haushaltsfreibetrages und deren Hintergrund. Mit Beschluss vom 10.11.1998 hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber klare Vorgaben gegeben, in welcher Art und Höhe Kinder steuerlich zu berücksichtigen sind. In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Haushaltsfreibetrag, der nur Alleinerziehenden zustand und nicht Eheleuten, verfassungswidrig ist. Und jetzt zitiere ich aus dem Bundesverfassungsgerichtsurteil: „Art. 6 Abs. 1 GG enthält einen besonderen Gleichheitssatz. Er verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen.“ Das heißt, er untersagt eine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen sowie von ehelichen gegenüber anderen Erziehungsgemeinschaften. „Dieses Benachteiligungsverbot steht jeder belastenden Differenzierung entgegen, die an die Existenz einer Ehe... oder die Wahrnehmung des Elternrechts in ehelicher Erziehungsgemeinschaft... anknüpft.... Eine Benachteiligung liegt auch vor, wenn Ehepartner oder Eltern wegen ihrer Ehe... von Steuerentlastungen ausgeschlossen werden... Das Gesetz“ – hier der Haushaltsfreibetrag – „versagt den Abzug allein wegen des Tatbestandes der Ehe und verstößt insoweit gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 6 Abs. 1 GG.“

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts sind für den Gesetzgeber bindend. Sie nehmen dem Gesetzgeber Gestaltungsmöglichkeiten, die von seinem Spruch abweichen. Der Gesetzgeber war darum bemüht im Zugzwang und hatte mit Wirkung ab 2002 die verfassungswidrige Lage zu beseitigen. Durch das Zweite Familienfördergesetz wird die Benachteiligung von Ehepaaren nunmehr beseitigt. Was ist das schließlich für ein familienpolitisches Signal, das Eltern die steuerliche Begünstigung nimmt, wenn sie heiraten? Diese Diskriminierung von Ehepaaren musste auch aus familienpolitischer Sicht beseitigt werden.

Der Gesetzgeber hat sich aber entschlossen, den Haushaltsfreibetrag nicht generell zum Stichtag 1. Januar 2002 abzuschaffen. Für Alleinerziehende, die bisher schon den Haushaltsfreibetrag erhalten und in ihre Finanzplanung einbezogen haben, so genannte Altfälle, wird dieser Freibetrag bis zum Jahre 2005 langsam auslaufen. Das führt dazu, dass die so genannten Altfälle in diesem Jahr die Abschmelzung des Haushaltsfreibetrages finanziell überhaupt nicht spüren, weil die gleichzeitige Anhebung des allgemeinen Kinderfreibetrages, den also Alleinerziehende und Eltern bekommen, zu einer vollständigen Kompensation führt.

(Wolfgang Riemann, CDU: Das sehen die Betroffenen aber anders.)

Neufälle, also diejenigen Alleinerziehenden, die im letzten Jahr keinen Haushaltsfreibetrag erhalten haben, bekommen auch in diesem Jahr keinen. Eine Öffnung der Übergangsregelung für Neufälle widerspräche der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, weil Neufälle sich eben nicht finanziell umstellen lassen.

Nun haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, durchaus Recht, wenn Sie in Ihrem Antrag ausführen, dass es zwei Wege gibt, um die Vorgabe des Verfassungsgerichtes zu erfüllen. Entweder hebt man den Haushaltsfreibetrag, wie geschehen, auf oder man gesteht auch Verheirateten diesen Haushaltsfreibetrag zu. Dagegen spricht aber eine Erhöhung der allgemeinen Kinderfreibeträge, die heute schon auskömmliche 5.808 Euro betragen, und ein weiterer Freibetrag von 2.871 Euro wäre sachlich überhaupt nicht zu rechtfertigen. Das würde im Übrigen zu Steuermindereinnahmen von schätzungsweise 10 Milliarden Euro führen, Geld, das weder im Bund noch in den Ländern, und jetzt, meine Damen und Herren von der CDU, noch in den Kommunen zur Verfügung steht. Ich habe mal ausgerechnet, welche Konsequenzen das für Mecklenburg-Vorpommern hätte. Im Land wären es knapp 100 Millionen Euro und bei den Kommunen wären es 20 Millionen Euro, die uns dadurch verloren gingen.

(Heinz Müller, SPD: Schau an! – Angelika Peters, SPD: Interessant.)

Also Reduzierung der Einnahmen bedeutet entweder Ausgabenreduzierung oder Anhebung der Schulden. Familienpolitik bedeutet aber auch, eine gerechte Verteilung der Lasten zwischen den Generationen herzustellen

(Wolfgang Riemann, CDU: Und wenn wir ein Ministerium weniger haben, holen wir das wieder rein.)

und nicht die heutige Elterngeneration auf Pump zu Lasten ihrer Kinder besser zu stellen. Der eingeschlagene Konsolidierungskurs ist der Garant für eine gerechte Lastenverteilung und darf ja gerade im wohlverstandenen Interesse unserer Kinder nicht verlassen werden. Aber Sie von der CDU vergessen ja nur zu gerne, dass man ein Wort wie „sparen“ auch mit „Gerechtigkeit für die kommenden Generationen“ übersetzen kann und muss. Bei Ihnen heißt das immer nur „kaputtsparen“.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Nein, nein, nein!)

Und außerdem wirkt die Entlastung durch eine Erhöhung des Kinderfreibetrages aufgrund seiner progressiven Ausgestaltung nur bei Besserverdienenden besonders stark, während Geringverdiener sogar leer ausgehen

können, eine Wirkung, die ebenfalls nicht gewollt sein kann.

Sie sehen, meine Damen und Herren, die Vorwürfe der Opposition sind nicht haltbar. Die Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsbeschlusses erfolgt ausgewogen und unter Vermeidung sozialer Härten.

(Harry Glawe, CDU: Glauben Sie das alles, was Sie da reden? – Wolfgang Riemann, CDU: Die Betroffenen sehen das aber anders.)

Und dazu komme ich jetzt. Die besonderen Probleme, die Alleinerziehende zu bewältigen haben, werden auch nicht verkannt. Das BMF und das BMJ prüfen zurzeit noch, ob es möglich ist, die engen verfassungsrechtlichen Spielräume noch mal neu zu gestalten, aber eine verfassungsrechtlich haltbare Verbesserung für Alleinerziehende werden wir natürlich im Bundesrat unterstützen.

Nun wie angekündigt zur Familienförderung insgesamt. Sie haben vorhin die 10 Milliarden Euro genannt, Herr Riemann.

(Wolfgang Riemann, CDU: 11.)

Alles in allem ist die Familienförderung der Jahre 1998 bis heute gekennzeichnet durch eine noch nie da gewesene Kraftanstrengung der öffentlichen Haushalte in der Familienpolitik. Seit SPD und Grüne regieren, sind die Aufwendungen für Familien um 8,7 Milliarden Euro auf 48,6 Milliarden Euro pro Jahr erhöht worden.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Das ist eine Steigerung um rund 20 Prozent.

Von 1998 bis 2002 ist das Kindergeld für das erste und zweite Kind um je 41 Euro angehoben worden. Das bedeutet, Eltern mit zwei Kindern erhalten nun 3.696 Euro pro Jahr.

(Harry Glawe, CDU: Dafür wurde die Ökosteuer eingeführt.)

Das sind rund 1.000 Euro mehr als im Jahre 1998.

(Wolfgang Riemann, CDU: Und wie viel lassen sie davon wieder an der Tankstelle?)

Aber, Herr Riemann, das wissen wir doch ganz genau. Jemand, der durchschnittliche 15.000 Fahrkilometer mit einem Mittelklasseauto fährt,

(Wolfgang Riemann, CDU: Wird nur ganz gering belastet durch die Ökosteuer.)

hat bei 7 Pfennig Steigerung, ich nenne es jetzt mal so, Kosten von etwa 100 DM pro Jahr. Herr Riemann, erzählen Sie...

(Wolfgang Riemann, CDU: Wieso? Um viermal sieben ist es schon gestiegen.)

Ja, viermal sieben, dann sind das 400 DM im Jahr, Herr Riemann.