Protocol of the Session on January 30, 2002

schauen Sie noch einmal in einem Nachschlagewerk unter dem Begriff „Abschreckung“ nach, der hat nun wirklich in der Jugendkriminalität überhaupt nichts zu suchen. Das ist einfach Unsinn.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist Ihre ideologische Verblendung.)

Es wird sich niemals …

Das hat mit Ideologie nun wirklich nichts zu tun.

Es wird sich niemals …

(Dr. Armin Jäger, CDU: Doch! Doch!)

Lieber Herr Dr. Jäger, stellen Sie sich die Jugendgang an der Ecke vor,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

die ist kurz davor einzugreifen. Dann sagt einer zum anderen, du, ich glaube, dafür gibt es drei Tage Jugendarrest. Und dann sagen die anderen, dann machen wir es doch nicht.

(Heiterkeit bei Dr. Arnold Schoenenburg, PDS)

Das ist einfach so was von weltfremd, das ist unsinnig.

(Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU – Dr. Armin Jäger, CDU: Bei uns sagen Sie dann schon mal überhaupt nichts. Der Justizminister quatscht, aber im Landtag redet er so wie gehabt. Es ist ein unverantwortliches Gerede in der Öffent- lichkeit und den Antrag lehnen Sie einfach ab.)

Ein bisschen was passiert, liebe Damen und Herren von der CDU. Nehmen Sie bitte einige Fakten zur Kenntnis. Ich glaube, dass das für Ihre Arbeit ganz sinnvoll sein könnte. Sie haben operiert mit den 23.494 Tatverdächtigen und haben so Lärm geschlagen, als ob da irgendwas angestiegen sei. In Wahrheit ist die Zahl gegenüber 1999 um zehn Prozent zurückgegangen. Und was sehr wichtig ist, wir erfassen bei den 23.000 auch die kleinsten Übertretungen. Für uns muss es doch darum gehen, wie viel schwere Taten wir haben, und da kann ich sagen: Straftaten gegen das Leben minus ein Drittel, Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung minus 20 Prozent, Rohheitsdelikte minus 5 bis 6 Prozent. Das sind nur die Taten von 1999 bis 2000.

Da ich für die Justiz zuständig bin, würde ich Ihnen auch gerne ein bisschen was dazu erzählen,

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

wie die Justiz, …

(Heidemarie Beyer, SPD: Das wollen sie doch gar nicht hören.)

Wenn Sie dazwischenrufen, hören Sie das nicht. Wenn das Thema Sie nicht interessiert, dürfen Sie nicht so einen Antrag stellen. Jetzt müssen Sie zuhören.

Meine Damen und Herren! Wie die Justiz mit diesen Tätern umgeht, das können wir grob in zwei Blöcke unterteilen, nämlich in diejenigen Taten und Täter, die angeklagt werden müssen, und in diejenigen geringfügigen Täter, wo wir das Verfahren einstellen können mit der Gewissheit, mit der Prognose, diese Täter kommen nicht wieder.

Und dann muss ich ganz klar sagen, wir unterscheiden bei der Anklage drei Bereiche: Jugendkammer, Jugend

schöffengericht, Jugendrichter. Und da ist es so, dass wir beim Jugendschöffengericht die allerschwerste Kriminalität haben. Meist geht es um Taten gegen das Leben. Und wenn Sie vergleichen, wie sich die Zahlen entwickelt haben, dann haben wir von 155 in 1999, 157 im Jahr 2000 die Zahlen des ersten Quartals. Wenn wir die hochrechnen, kommen wir knapp über 100. Das ist ein Minus von 25 Prozent. Das halte ich für eine sehr gute Entwicklung. Aber ich möchte Ihnen vor allem auch noch die Zahlen des Jugendschöffengerichts vorhalten. Hier geht es um die schwere Kriminalität, die voraussichtlich mit Haftstrafe geahndet wird. Und die Taten, um die wir uns da kümmern mussten, sind gesackt vom Jahr 1999 von 4.415 auf 3.631 in 2000. Und dieser Trend setzt sich fort. Das ist eine sehr gute Entwicklung. Ich denke, damit können wir sehr zufrieden sein.

Ich habe eben unsere Richter gelobt. Ich will in diesem Zusammenhang auch noch einmal auf das Lieblingsthema von Herrn Helmrich eingehen, nämlich die Anwendung von Jugendstrafrecht für Heranwachsende. Wenn wir sagen, wir wenden in den Fällen, wo es angemessen ist und die gesetzlichen Voraussetzungen, die ich jetzt nicht herbeten will, vorliegen, auch für Heranwachsende Jugendstrafrecht an, dann kann die Begründung dafür nur sein, dass wir auf diese Weise durch die Anwendung des Jugendrechts, weil wir da eine breitere Palette von Eingriffsmöglichkeiten haben, auch bei Heranwachsenden erreichen, dass sie einmal und nie wieder kommen. Nur dadurch lässt sich rechtfertigen, dass wir auf Heranwachsende Jugendrecht anwenden. Dieser Nachweis lässt sich durch die Statistik führen und deshalb bin ich sehr zuversichtlich, dass wir hier im Lande mit der Jugendkriminalität in der richtigen Weise umgehen.

Ich kann auch noch auf einen Punkt hinweisen, der sehr für die Arbeit unserer Richter und Staatsanwälte spricht. Wir sind hier mit die Schnellsten in der Bundesrepublik, was das Vor-Gericht-Stellen, Anklagen und Verurteilen von jugendlichen Straftätern angeht. Da hilft es auch nicht, wenn Sie vollmundig sagen, das stimmt nicht so. Dann müssen Sie in die Statistik sehen: bei rechtsextremen Straftaten 2,3 Monate im Durchschnitt.

Und, meine Damen und Herren, ich sage vor diesem Hintergrund ganz deutlich: Ich habe keinen Anlass, aus dem Bauch heraus jetzt Dinge zu beschließen, die unnötig sind und die nicht helfen,

(Reinhardt Thomas, CDU: Ach, Sie wollen nicht.)

bloß um mich in der Öffentlichkeit als martialischen Sicherheitsexperten darzustellen. Meine Damen und Herren, gerade Sicherheit braucht Sachkunde und Solidität. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Danke schön, Herr Minister.

Ums Wort hat noch einmal gebeten der Abgeordnete Herr Helmrich von der Fraktion der CDU.

Herr Minister, ich habe nur zweieinhalb Minuten Zeit, deshalb ganz kurz, ohne das im Detail zu erklären: Wir haben im Jugendstrafrecht im Prinzip dasselbe, als Strafzweck die Spezialprävention und die Generalprävention. Die Generalprävention ist von der Rechtsprechung kaputtgemacht worden im Jugendstrafrecht.

(Siegfried Friese, SPD: Hier ist das Plenum! – Heiterkeit bei Heidemarie Beyer, SPD)

Verzeihung.

Die Generalprävention ist von der Rechtsprechung im Jugendstrafrecht mehr und mehr abgelehnt worden, bis wir zum Schluss entsprechende Urteile des Bundesgerichtshofs gehabt haben. Ich kämpfe seit langem gegen diese Rechtsprechung und finde mehr und mehr Anhänger. Ich kenne diese Rechtsprechung. Ich weiß, dass Gerichte, wenn das zum BGH geht, das dann wieder aufheben. Ich halte diese Rechtsprechung für falsch.

Zu dem Beispiel, das Sie gebracht haben mit der Clique, lassen Sie mich ein anderes Beispiel dagegensetzen. Sie haben einen Jugendlichen, der auf einem Parkplatz erwischt wird, weil er wieder eingebrochen hat, um das Radio zu klauen oder sonst wie das Auto durchzuwühlen. Er ist schon fünf-, sechs-, siebenmal bei der Polizei gewesen. Die Polizei ist frustriert, weil die Gerichte mit dem nichts gemacht haben. Er wird auch nirgends eingewiesen, zum Beispiel in ein Heim, was auch möglich wäre als Erziehungsmaßnahme. Es passiert nichts.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Und die Clique sieht, er kommt wieder. Ich wiederhole den Satz immer wieder, weil er tatsächlich aus einem Polizeiprotokoll stammt. Er war gefragt worden, was soll nun mit dir werden. Er sagt: „Wieso denn? Die machen ja nischt mit mich.“ So. Und das sieht die ganze Clique. Deswegen müssen wir das bei solchen Jugendlichen, wenn wir sie anfassen und Maßnahmen ergreifen, so machen, dass auch die Clique das sieht.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Auch das muss berücksichtigt werden. Denn wenn überhaupt Generalprävention etwas bewirkt, dann bei solchen Jugendlichen, wo sie sagen: Mensch, hier musst du aufpassen. Der hat Jugendarrest gekriegt. Da willst du nicht hin.

(Siegfried Friese, SPD: Hier ist das Parlament!)

Und deswegen kämpfe ich dafür, dass wir generalpräventive Gesichtspunkte bei Jugendlichen im Urteil, in der Entscheidung berücksichtigen, denn da hat sie am ehesten eine Chance zu wirken. Die sehr abgehobene Begründung – ich will das jetzt alles nicht wiederholen –, dass man niemanden benutzen darf für etwas anderes, die ist meines Erachtens überholt, und man sollte hier den Dingen klarer ins Auge sehen, um uns allen gemeinsam innerhalb der Gesellschaft zu helfen.

(Dr. Henning Klostermann, SPD: Hier sitzt das Parlament!)

Entschuldigen Sie, dass ich manchmal besonders den Herrn Minister angesprochen habe.

(Angelika Peters, SPD: Manchmal?! – Annegrit Koburger, PDS: Wenn Sie Dialoge wünschen, dann können Sie sich doch in die Ecke setzen.)

Danke sehr.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2625. Wer diesem Antrag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Danke schön. Gegenprobe. – Danke schön. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2625 bei Zustimmung der Fraktion der CDU und Gegenstimmen der Fraktionen der SPD und PDS abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrages der Fraktionen der PDS und SPD – EG-Richtlinien 2000/43 und 2000/78, auf der Drucksache 3/2620.

Antrag der Fraktionen der PDS und SPD: EG-Richtlinien 2000/43 und 2000/78 – Drucksache 3/2620 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Neumann von der Fraktion der PDS.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! EG-Richtlinien 2000/43 und 2000/78, es wurde sicher zu Recht kritisiert, dass das eine sehr technische Überschrift ist. Manchmal kommen die Autoren dann in den Verdacht, sie wollen nur verhindern, dass man merkt, worum es geht. Deshalb hier von mir vorneweg, worum geht es? Die Botschaft dieser beiden Richtlinien zur Gleichstellung aus Brüssel lautet schlicht und einfach: Wir müssen mal wieder etwas für die Menschen tun. Kleiner geht es leider nicht. Es geht bei diesen Richtlinien um Menschenrechte.