Protocol of the Session on November 14, 2001

Herr Glawe, Sie dürfen wieder auf Ihren Platz gehen.

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Staszak von der SPD-Fraktion. Bitte sehr, Frau Staszak.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Ausführungen zum Thema beziehen sich auf die Aspekte der Chancengleichheit für Frauen und Männer.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist sehr gut.)

Da gibt es viele Probleme,

(Dr. Ulrich Born, CDU: Ja.)

aber schreien hilft nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Harry Glawe, CDU: Sie hätten vorher was sagen sollen. Sie sind doch an der Regierung.)

Ja, Sie haben in vielem Recht, Herr Glawe. Mir macht auch die Langzeitarbeitslosigkeit von Frauen Sorge und die Arbeitslosigkeit im Allgemeinen ebenso. Aber wie gesagt, wir müssen gestalten und nicht schreien.

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Ulrich Born, CDU: Aber das geht doch mit Herrn Holter nicht, Frau Kollegin!)

Gerade mit der Fokussierung hierauf lassen sich Verbesserungen des SGB III durch das Job-AQTIV-Gesetz und damit qualitative Veränderungen der zukünftigen Arbeitsmarktpolitik in unserem Land aufzeigen.

(Harry Glawe, CDU: Ja.)

Ich will hier nicht verschweigen, dass dies nicht im Selbstlauf erfolgt ist. Dahinter stehen unter anderem die europäische Beschäftigungsstrategie,

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

die sich mit konkreten Anforderungen an die Chancengleichheit von Männern und Frauen im Nationalen Aktionsplan niederschlägt, dann die Vorgabe für den Europäischen Sozialfonds und nicht zuletzt die engagierte frauenpolitische Einmischung und Mitwirkung auf der Bundes- und Landesebene.

Sehr verehrte Abgeordnete, im Job-AQTIV-Gesetz ist erstmals die Gleichstellung von Frauen und Männern als durchgängiges Prinzip im allgemeinen Zielkatalog der Arbeitsförderung verankert. Dies hat zur Folge, dass die Belange von Frauen künftig bei allen arbeitsmarktpolitischen Programmen und Maßnahmen stärkere Berücksichtigung finden.

Damit wird der Gender-Mainstreaming-Ansatz umgesetzt, der sich inzwischen auch in der Politik der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern verbreitet. Gleichstellungsrelevant ist dabei nicht ausschließlich die Frauenförderquote, das heißt der quantitative Aspekt, der als Fördergebot in Paragraph 8 festgeschrieben ist, sondern Leistungen der aktiven Arbeitsförderung wirken vor allem auf die Beseitigung bestehender Nachteile sowie auf die Überwindung des geschlechtsspezifischen Ausbildungsund Arbeitsmarktes hin.

Das Job-AQTIV-Gesetz orientiert sich dabei verstärkt an der Lebenssituation von Frauen und korrigiert frauendiskriminierende Feststellungen des Arbeitsförderrechts. Beispielhaft hierfür sind die Verbesserungen erstens zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zweitens für die Berufsrückkehrer und drittens, die Förderung des Ehrenamtes wird auch angestrebt.

Im Job-AQTIV-Gesetz ist in Paragraph 8a der Auftrag zur familiengerechten Ausgestaltung von Maßnahmen festgeschrieben. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass Vereinbarkeit von Familie und Beruf nicht nur ein Problem von Frauen ist beziehungsweise sein soll. Längere Erwerbsunterbrechungen führen nachweislich aufgrund der allgemein steigenden Qualifikationsanforderungen zu erheblichen Problemen beim Wiedereinstieg in den Beruf. Frauen sind davon insbesondere betroffen, da sie in der Regel die sind, die wegen der Betreuung von Kindern befristet aus dem Beruf aussteigen.

Das bisherige Recht ist für Berufsrückkehrerinnen unzureichend. Sie sind häufig, vor allem bei mehr als einem Kind, von Lohnersatzleistungen ausgeschlossen und ihr Zugang zu den aktiven Maßnahmen ist erschwert.

Hier, im Job-AQTIV-Gesetz, wird es deutliche Verbesserungen geben. Mutterschutz sowie Kindererziehungszeiten werden wie Beschäftigungszeiten in der Arbeitslosenversicherung versichert werden. Der Bund übernimmt die Beiträge für die Zeit der Kindererziehung und die Krankenkasse für den Mutterschutz. Diese Einbeziehung in die Versicherungspflicht ermöglicht auch den Frauen den Zugang zu aktiven Maßnahmen der Arbeitsförderung, die ihre Ansprüche nach dem Erziehungsurlaub beziehungsweise der Elternzeit bisher verloren haben. Diese Neuregelung bedeutet auch in Mecklenburg-Vorpommern für eine zunehmende Zahl von Frauen, in den Schutz der Arbeitslosenversicherung einbezogen zu werden oder in die nächsthöhere Stufe der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld zu gelangen.

(Beifall Ute Schildt, SPD – Harry Glawe, CDU: Das ist aber auch keine Arbeit. Die wollen doch Arbeit haben.)

Und das ist positiv. Außerdem erhalten Erziehende, die an berufsfördernden Maßnahmen teilnehmen, künftig Kinderbetreuungskosten bis zur Höhe von 254 DM pro Monat erstattet

(Harry Glawe, CDU: Das ist aber gewaltig.)

gegenüber bisher 120 DM.

Eine neue Qualität wird auch die Berücksichtigung und Anerkennung des Ehrenamtes erhalten.

(Harry Glawe, CDU: Sind das denn Arbeitsplät- ze? – Sylvia Bretschneider, SPD: Tu mal nicht so, als wenn die Frauen bei euch arbeiten sollen!)

Darüber haben wir hier schon viel diskutiert. Zukünftig können arbeitslose Leistungsbezieher und Leistungsbezieherinnen ein zeitlich unbegrenztes Ehrenamt ausüben, wenn die berufliche Wiedereingliederung dadurch nicht beeinträchtigt wird. Dies ist nicht nur eine Erleichterung für das gesellschaftliche Engagement, damit verbunden sind auch der Erhalt und der Erwerb von sozialen Kompetenzen, die für das Chancenprofil zur Arbeitsvermittlung bedeutsam sein können. Ja, ich könnte dieses noch fortsetzen, aber meine Zeit ist um.

(Sylvia Bretschneider, SPD: Die CDU hört sowieso nicht zu.)

Meine Damen und Herren, wir haben eine gute Grundlage, aber wir müssen sie auch gestalten.

(Sylvia Bretschneider, SPD: Richtig.)

Das ist, denke ich, wirklich sehr nötig, das gebe ich gerne zu. – Danke.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS – Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Rehberg, Vorsitzender der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Rehberg.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Eigentlich ist eine Aktuelle Stunde viel zu kurz, um über bundes- und landespolitische Aspekte der Arbeitsmarktpolitik zu reden.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Deshalb sollte man nicht so lange Einlaufkurven haben.)

Was ich mich ganz besorgt frage, meine Damen und Herren von SPD und PDS, was lassen Sie sich eigentlich bieten in den letzten Wochen in der Debatte zum Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm ASP? Sie beschließen im Haushalt abschließend im Fachausschuss schon den Etat zu diesem Programm, ohne dass es dort eine Ressortabstimmung gegeben hat, ohne dass ein Entwurf über Programmsätze hinausgekommen ist, ohne dass konkret festgelegt worden ist, nach welchen Indikatoren denn die Mittel auf die Regionen verteilt werden, ohne dass Sie ganz konkret wissen, weil alle Förderbereiche deckungsfähig sind, in welche Förderbereiche welches Geld fließt.

Meinen Sie wirklich, meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Dankert – wir haben heute den 14. Nov e mber 2001 –, dass all das in den nächsten sechs Wochen bis zum 1. Januar 2002 zu leisten ist, wie zum Beispiel der reibungslose Start am 1. Januar 2002, die Bildung der regionalen Beiräte? Wie sieht es mit der Genehmigung von Förderrichtlinien durch die EU aus, wenn es denn notwendig ist? Was ist mit der Erstellung der Antragsformulare, mit der Schulung der Mitarbeiter, denn einige Programmpunkte ändern sich ja ganz erheblich? Wie sieht es mit der Umstellung der Software aus und wie gestaltet sich die Umstellung bei den Zuständigkeiten? Ich könnte die Fragen noch weiter fortführen. Haben Sie sich wirklich Gedanken darüber gemacht, denn bis heute ist ja offenkundig nur ein Entwurf vorhanden, wie das Ergebnis denn aussieht? Alles in sechs Wochen? Ab 1. Januar 2001 soll das alles in Kraft treten ohne Übergangsphase?

(Barbara Borchardt, PDS: Das stimmt doch nicht. Das wissen Sie doch, dass es Übergangsfristen gibt. Erzählen Sie doch nicht so was!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke mal, neue Aspekte der Arbeitsmarktpolitik sind gut und schön, aber sie müssen richtig vorbereitet werden. Und ich muss Ihnen sagen, dieses ganze Verfahren kommt mir mehr als unkoordiniert, ich will sogar sagen, chaotisch vor. Oder die Frage ist zu stellen: Was machen die regionalen Beiräte wirklich? Welche Kompetenz haben sie? Die Zusammensetzung steht auf dem Papier. Welche Kompetenz haben sie?

(Zurufe von Nils Albrecht, CDU, und Dr. Ulrich Born, CDU)

Nur einfach nach dem Windhundverfahren weiterreichen oder stimmen sie ab nach einer Satzung, nach einer Geschäftsordnung,

(Barbara Borchardt, PDS: Das steht doch alles da drin!)

welches Projekt das wichtigste ist? Wer bewilligt? Weiter das Versorgungsamt oder das Bauministerium?

(Dr. Ulrich Born, CDU: Herr Klinger.)

Wer macht das? Und was ist, wenn ein regionaler Beirat schon im Mai so viele Projekte auf dem Tisch hat, dass kein Geld mehr vorhanden ist?

(Barbara Borchardt, PDS: Na, sie kriegen doch ein Budget.)

Was tun sie dann? Alles Dinge, die völlig ungeklärt sind!

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist sicher richtig, neue Akzente zu setzen. Bloß wenn man sie denn setzt, dann muss man sie auch so setzen, dass sie zum Beispiel mit dem ja teils kritisierten, teils hochgelobten Job-AQTIV-Gesetz korrespondieren. Das heißt, wir haben im Augenblick durch Rot-Grün in Berlin und durch RotRot in Schwerin eine Novellierung in weiten Teilen der Arbeitsmarktpolitik. Ist das harmonisiert? Ich habe den Eindruck gewonnen, dass es an vielen Stellen nicht harmonisiert wurde. Ich kann Ihnen nur dringend raten, um kein Chaos vor Ort anzustellen, dass Sie sich sehr, sehr gut überlegen, ob wirklich der 1. Januar 2002 der richtige Einführungstermin ist!

Lassen Sie mich zum Schluss noch eines sagen, Herr Kollege Koplin: Ich wünschte mir Ihre Aufgeregtheit, was die Entsolidarisierung betrifft beim Programmpunkt 5.1 des ASP. Und wenn Sie den Programmpunkt nicht kennen, das ist der Programmpunkt, wo Herr Holter im Juni von heute auf morgen das Programm „Arbeit statt Sozialhilfe“ eingestellt hat, weil er kein Geld mehr hatte, und die Kommunen allein gelassen hat.

(Dr. Ulrich Born, CDU: So ist es.)