Protocol of the Session on October 18, 2001

(Heiterkeit bei Peter Ritter, PDS, und Monty Schädel, PDS)

Vielleicht hören wir das heute. Offenbar gehören illegale Graffitis zum Bild der bunten multikulturellen Gesellschaft, wie sie einige Damen und Herren in diesem Lande anstreben. Auch bei illegalen Graffiti-Schmierereien wurde letztlich von SPD und Grünen nur die Prävention als alleiniges Allheilmittel gepriesen. Genauso ist das nachzulesen in der Stellungnahme der rot-grünen Bundesregierung zum Gesetzentwurf des Bundesrates. Herr Ministerpräsident – er ist leider nicht da –, mit dieser Stellungnahme sind trotz Ihres Bedauerns vom 28.03. vorigen Jahres SPD und Grüne offiziell zu illegalen Graffiti-Parteien in diesem Lande geworden.

(Torsten Koplin, PDS: Na, na, na!)

Wir haben absolut nichts gegen Prävention, ganz im Gegenteil. Erfolge können aber nur erzielt werden, wenn wir auch bei Graffiti das ausgewogene Verhältnis zwischen Repression und Prävention zur Maxime unseres Handelns machen.

Was die Prävention anbelangt, ist die CDU den so genannten Präventionsparteien in Mecklenburg-Vorpommern, denke ich, auch ein gutes Stück voraus. Im Dezember 1999 wurde mit der tatkräftigen Unterstützung meiner Kollegin Gesine Skrzepski, Kreistagspräsidentin von

Rügen, und meiner Wenigkeit das Projekt „Kunst statt Gewalt“ in Dargast auf Rügen ins Leben gerufen. Damit wollten wir gemeinsam ein Zeichen setzen für die soziale Integration durch Kunst für straffällig gewordene Sprayer.

Der Landesvorsitzende der PDS lacht. Haben Sie bessere Projekte?

(Peter Ritter, PDS: Darf ich nicht mal mehr lachen, Herr Thomas?! Muss ich Sie zukünftig fragen, ob ich lachen darf? – Heiterkeit bei Monty Schädel, PDS)

An dem Projekt waren beteiligt unter anderem Professor Puritz, Kunstwissenschaftler der Universität Greifswald,

(Peter Ritter, PDS: Herr Born lacht auch.)

Axel Thiel, Leiter einer internationalen Arbeitsgruppe im legalen Graffiti-Bereich und Sozialpädagoge, sowie die Noha Film-Gesellschaft Berlin.

(Gesine Skrzepski, CDU: Das müsst ihr euch mal angucken!)

Übrigens, Dr. Timm – er ist auch nicht da –, während er in der vorigen Woche erst von der Entwicklung eines Präventionsprojektes redete, haben die weltbesten Graffiti-Künstler unter Leitung von DAIM – das ist sein Künstlername, mit bürgerlichem Namen Mirco Reisser – im vorigen Sommer mit unserer Unterstützung das Kulturgebäude des Kunsthofes Dargast in das größte GraffitiKunstwerk Europas verwandelt.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Gesine Skrzepski, CDU – Gesine Skrzepski, CDU: So ist es.)

Das ist ansehbar und, ich denke, auch eine Attraktion, eine touristische Attraktion für Rügen. Was Graffiti-Künstler wirklich können, bewiesen sie bei der erstmaligen Gestaltung eines Bildes auf einem 6 mal 13 Meter großen Segel. Das Bild des schwedischen Postseglers „Hiorten“ wurde von den Graffiti-Künstlern so hervorragend gestaltet, dass es zur Attraktion der Hanse Sail des Jahres 2000 wurde.

(Beifall Gesine Skrzepski, CDU)

Das war übrigens unsere Idee, mit der wir als CDULandtagsfraktion das Präventionsprojekt auf Rügen tatkräftig unterstützt und dafür geworben haben.

(Beifall Dr. Ulrich Born, CDU, und Gesine Skrzepski, CDU – Zuruf von Norbert Baunach, SPD)

Herr Justizminister und Herr Dr. Timm sind ja nun in einen Wettbewerb getreten bei diesem Thema. Wir haben aber bisher konkrete und wirksame Schritte im präventiven und repressiven Bereich, das heißt ausgewogen, vermisst. Herr Minister Sellering, 1.000 DM Belohnung als Ersatz für eine richtige Bundesratsinitiative zur Gesetzesverschärfung sind aus unserer Sicht zu wenig,

(Zurufe von Torsten Koplin, PDS, und Monty Schädel, PDS)

aber natürlich immer noch besser als gar nichts. Nach I hren Presseerklärungen gehen wir diesmal davon aus, dass Sie unserem Antrag wirklich zustimmen müssen. Sie können aber auch – und das wäre eine Bitte unsererseits – das Präventionsprojekt auf Rügen unterstützen, indem Sie

die Jugendrichter unseres Landes darüber informieren. Wir könnten uns vorstellen, dass in vielen Fällen statt Jugendstrafen nach Paragraph 17 und 18 Jugendgerichtsgesetz Zuchtmittel nach Paragraph 13 möglich sind. Der Richter kann eine Straftat auch mit Zuchtmitteln ahnden. Darunter fällt die Erteilung von Auflagen. Herr Justizminister, eine Auflage könnte auch sein die Integration des verurteilten illegalen Sprayers in das Präventionsprojekt des Kunsthofes Dargast auf Rügen. Das bringt aus unserer Sicht mehr als der Aufruf zur Belohnung, der sich ja doch nicht als so erfolgreich erwiesen hat.

Als wortreicher Graffiti-Bekämpfer erwies sich wieder mal der Innenminister, allerdings erst, nachdem wir unseren Antrag vorgelegt haben. Dass dem Innenminister unser Präventionsprojekt entgangen ist, nehmen wir ihm nicht übel. Die CDU-Fraktion fordert im Rahmen ihres Antrages vom September vorigen Jahres gegen Rechtsextremismus auch ein Modellprojekt „Graffiti Ex“ zur Beseitigung rechtsextremistischer Schmierereien. Es ist ein Armutszeugnis, dass SPD und PDS diese Passage in den Ausschüssen einfach gestrichen haben. Noch blamabler ist es, dass laut Presseerklärung vom 10.10. Dr. Timm erst jetzt ein Präventionsprojekt entwickeln lassen will. Der Innenminister weiß wohl immer noch nicht, was in seinem Haus so alles läuft. Unser Präventionsprojekt wurde zu Recht schon im vorigen Jahr finanziell unterstützt. Dafür möchten wir uns bei ihm noch bedanken.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Wir vermissen auch, dass der Innenminister bis heute keine spezielle Einsatzgruppe der Polizei zur Aufklärung und Zurückdrängung von Graffitis gebildet hat, so wie in Sachsen zum Beispiel und in Bayern. Das wäre das Mindeste gewesen, was er nach unserem Präventionsprojekt vom Dezember hätte in Angriff nehmen müssen.

Das alte Thema, das alte Leiden in diesem Landtag: Worte und Taten. Und dabei ist es doch relativ einfach. Die juristische Streitfrage, ob der Tatbestand einer Sachbeschädigung nach Paragraph 303 Strafgesetzbuch nur dann erfüllt ist, wenn die Substanz die Sache nachhaltig – nachhaltig ist das Entscheidende – schädigt oder die Brauchbarkeit beeinträchtigt, muss endlich entschieden werden. In Paragraph 303 Absatz 1 und Paragraph 304 Absatz 1 Strafgesetzbuch, Fassung vom 13. November 1998, werden jeweils die Worte „beschädigt oder zerstört“ durch die Wörter „zerstört, beschädigt oder verunstaltet“ ersetzt.

(Kerstin Kassner, PDS: Das ist es doch nicht.)

Und verunstalten durch Graffiti ist keine Kunst, sondern eine Straftat, die Schäden in Millionenhöhe in unserem Land verursacht. Mit dem Merkmal „beschädigt“ gehen wir dann allen teuren Gutachten und sinnlosen Prozessen zu Lasten der Allgemeinheit beziehungsweise der Eigentümer aus dem Wege. In Österreich und in der Schweiz ist das im Übrigen schon lange vernünftig geregelt.

Ich denke, es ist an der Zeit, Farbe zu bekennen. Herr Dr. Timm, Herr Sellering, bei allem Respekt für Ihre, wenn auch unzureichenden und späten Initiativen, Musterverordnungen, in denen Graffitis als Ordnungswidrigkeiten definiert werden, und Belohnungen sind auch akzeptabel, aber das genügt aus unserer Sicht überhaupt noch nicht, die Probleme sind mittlerweile viel zu groß. Stimmen Sie daher der Unterstützung der Bundesratsinitiative des Lan

des Baden-Württemberg und damit unserem Antrag zu! Bei allen weiteren Plänen, die Sie angekündigt haben, werden Sie dann aufgrund unserer Erfahrungen, die wir ja nun wirklich im präventiven und repressiven Bereich haben, die Unterstützung finden, die Sie dafür benötigen, und in diesem Sinne bitte ich Sie um die Unterstützung dieses Antrages. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Justizminister Herr Sellering. Bitte sehr, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sicherheit und Ordnung erfordern in diesen Tagen ganz besondere Anstrengungen. Die Bundesregierung, die hierbei in erster Linie gefordert ist, macht eine sehr gute Arbeit und auch hier im Lande ergreifen wir alle Maßnahmen, die notwendig sind. Das war gestern ausführlich hier ein Thema.

Neben diesen besonderen Aufgaben und Anstrengungen muss aber natürlich unsere Tagesarbeit selbstverständlich weitergehen und das gilt auch für das Thema Graffiti. Ich bitte, dieses Thema nicht gering zu schätzen. Diese Schmierereien sind ein großes Ärgernis. Aber nicht allein das. Wenn wir Müllecken, sinnlose Zerstörung von Bushaltestellen und dergleichen und Graffiti-Schmierereien zulassen, wird das als Rückzug des Staates aufgefasst und auch als Einladung zu weiteren Straftaten verstanden. Deshalb müssen wir alles unternehmen, um solche Schmierereien zu verhindern.

(Beifall Angelika Peters, SPD)

Und dazu ist sicherlich der wichtigste Schritt, dass ganz klargestellt wird, dass solche Graffiti-Schmierereien – es geht hier nicht um Kunst, das ist uns allen klar, das mag es auch geben, aber wir reden über die Schmierereien – eine Straftat sind, eine Sachbeschädigung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und CDU)

Ich habe zu diesem Thema zahlreiche Diskussionen mit Bürgern geführt und es ist niemandem zu vermitteln, dass solche Sauereien an den Häusern, dass das keine Sachbeschädigung des Hauses sein soll.

(Beifall Gesine Skrzepski, CDU: Endlich mal ein anständiges deutsches Wort!)

Aber, meine Damen und Herren, zum jetzigen Zeitpunkt ist unverständlicherweise die Rechtslage noch so.

(Kerstin Kassner, PDS: Ebendrum.)

Und zwar steht dahinter die Überlegung, wenn ich das, was ich da ranschmiere, wieder abwaschen kann, ohne dass etwas zurückbleibt, dann ist ja die Fassade nicht beschädigt. Das führt zu merkwürdigen Blüten in der Rechtsprechung. Es führt zum Beispiel dazu, dass es immer verfeinertere und hochtechnische Mittel gibt, um Fassaden zu reinigen, natürlich mit entsprechendem finanziellen Aufwand. Und wenn es dann gelingt, mit diesem hohen finanziellen Aufwand die Fassade so zu reinigen, dass keinerlei Rückstand bleibt, dann führt das, also dieser hohe Aufwand, zur Straflosigkeit des Täters.

(Ministerin Sigrid Keler: Das kann nicht wahr sein.)

Das kann nicht wahr sein und das ist auch niemandem zu vermitteln.

Der zweite Punkt ist, dass es natürlich manchmal Diskussionen darüber geben kann, wie toll ist das jetzt weggewaschen, ist die Fassade wieder wie vorher. Die jetzige Rechtslage führt dazu, dass wir manchmal Sachverständigengutachten einholen müssen für viel Geld hinsichtlich der Frage, ob die Fassade nun wie vorher ist oder nicht. Das alles kann nicht sein und deshalb ist es ganz wichtig, dass wir klarstellen, Graffiti-Schmierereien auf den Hauswänden sind Sachbeschädigungen, sind eine Straftat.

Der Vorteil ist auch noch, dass wir dadurch, dass wir Graffiti-Schmierereien klar zur Straftat machen, das gesamte Instrumentarium an Einwirkungsmöglichkeiten zur Verfügung haben, das jedem guten Richter zur Verfügung steht, wenn jemand einer Straftat überführt wird. Es ist ja nicht nur so, dass wir wählen können, etwas mehr oder etwas weniger Rizinus, also etwas mehr oder weniger Geldstrafe oder Haftstrafe, sondern wir haben ja auch die Möglichkeit, den einzelnen Täter mit solchen Auflagen zu belasten, dass wir hoffen, dass wir ihm dadurch das Unrecht seiner Tat möglichst klug vor Augen führen. Und ich kann mir im Graffiti-Bereich sehr gut vorstellen, dass es sinnvoll sein kann, Täter dazu zu zwingen, die Sauereien wieder wegzumachen.

(Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Das gilt nicht – das muss ich ausdrücklich sagen, das würde ich keinem Richter empfehlen –, das gilt natürlich nicht, wenn jemand sein schmuckes Häuschen gerade fertig gestellt hat. Dann möchte ich den Täter, nachdem er es beschmiert hat, nicht mit der Wurzelbürste daran lassen. Aber es gibt Bereiche, wo ich mir gut vorstellen kann, dass man eine ganz Fassade reinigen kann. Und ich glaube auch, die erzieherische Wirkung, wenn Bürger dabei zuschauen, wie solche Täter am Werke sind, die darf man auch nicht unterschätzen.

Meine Damen und Herren, das, was ich hier vortrage, ist klare Haltung dieser Regierung seit Regierungsantritt 1998. Der Ministerpräsident hat in seiner damaligen Funktion als Justizminister, das ist eben schon erwähnt worden, im Bundesrat für diese Bundesratsinitiative gestimmt, hat sie unterstützt und auch dazu beigetragen, dass der Bundesrat einen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Leider ist es dann so – das stimmt, Herr Thomas, was Sie vorgetragen haben –, dass die damalige Lage im Bundestag so war, dass der Bundestag diese Anregung des Bundesrates nicht übernommen, sondern abgelehnt hat. Das war auch die Lage bei meinem Amtsantritt und deshalb war für mich eine Frage, wie gehe ich damit um, wenn ich das erreichen will, was ich Ihnen eben vorgetragen habe. Es hat natürlich eine schöne deklaratorische Wirkung, wenn MecklenburgVorpommern eine Gesetzesinitiative startet, die aber letztlich wieder keinen Erfolg hat, sondern in diesem Bereich ist es einfach wichtig, dass wir mit den anderen Bundesländern zusammenarbeiten,

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)