Protocol of the Session on October 17, 2001

das die Wegweisung von Gewalttätern im häuslichen Bereich gesetzlich geregelt hat. Wir sind damit also Vorreiterin bei der Schaffung gesetzlicher Grundlagen für den notwendigen und bereits eingeleiteten Paradigmenwechsel bei der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen. Mit dieser Gesetzesänderung schaffen wir die Möglichkeit einmal der Wegweisung wie auch der Erteilung eines Betretungsverbotes für die Gewalttäter und damit Rechtssicherheit für die Polizei, die zu Einsätzen gerufen wird, und gleichzeitig auch ein deutliches, ein sehr deutliches Stoppzeichen für die Gewalttäter sowie ein Verantwortlichmachen für die Tat.

Im Verbund mit der Bundesebene – dort ist abschließend im Verfahren das Gewaltschutzgesetz – wird damit eine verbesserte Unterstützung und Hilfe für die Opfer gegeben, indem es zielgenauer ausgerichtet und auch die Verantwortlichkeit an dem Verursacher der Gewalt festgemacht wird. Es bietet aber auch gleichzeitig die Chance, mehr Sanktionen gegenüber Gewalttätern zu ermöglichen, indem verbesserte Ermittlungsarbeiten durch die

Polizei als Basis für die staatsanwaltschaftliche Tätigkeit gesichert werden.

Und ich möchte hier noch einmal einiges zu einigen Missverständnissen wie auch zu falschen Annahmen sagen, die in der Anhörung eine Rolle gespielt haben, auf die abgehoben wurde, die zum Teil in den Köpfen von Politikerinnen und Politikern noch drin sind wie auch im allgemeinen gesellschaftlichen Umfeld. Da wären solche Vermutungen, dass mit dieser Regelung die Obdachlosigkeit befördert wird, wofür im Prinzip noch keiner einen Beweis vorlegen konnte. Die Ergebnisse in Österreich – das erste Land, das auf mehrjährige praktische Erfahrung zurückblicken kann – belegen dagegen, dass die Wegweisung zu keinem Obdachlosen geführt hat.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Nein.)

Das Gesetz gilt dort seit 1997. Die erfolgten Erhebungen sagen aus, dass etwa 60 Prozent der Gewalttäter bei Mutti untergekommen sind und die restlichen Prozent verteilen sich auf das Unterkommen in Pensionen, bei Bekannten, Freunden oder anderen Familienangehörigen. Allerdings geschieht das nicht im Selbstlauf. Die Polizei übergibt dem Gewalttäter bei der angeordneten Wegweisung, bei der Belehrung eine Übersicht über mögliche Unterkünfte für die Zeit der Wegweisung. Daraus geht also hervor, wir brauchen hier entsprechende polizeiliche Handlungslinien, die auch umgesetzt werden, damit dann Beamtinnen und Beamte entsprechend agieren können.

Eine weitere Annahme – und ich gebe zu, ich bin dieser am Anfang auch aufgesessen – war, man könnte eventuell dann den Bedarf in Frauenschutzhäusern reduzieren. Auch hier hat Österreich bewiesen oder belegt, dass dies nicht so ist.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Wir haben einen scheinbaren Anstieg an Gewalttaten, nein, wir haben ein Sichtbarwerden, ein verstärktes Sichtbarwerden dieser Gewalttaten im häuslichen Bereich. Und durch diese neue Herangehensweise haben wir derzeit eine Überbelegung von Frauenschutzhäusern, wie wir sie zum Beispiel Anfang der neunziger Jahre in Mecklenburg-Vorpommern hatten.

(Harry Glawe, CDU: Was?)

Die Ursachen sind sehr vielschichtig. Ich will nur einige wenige nennen. Durch diese neue Herangehensweise werden mehr Frauen ermutigt, sich überhaupt bei der Polizei zu melden beziehungsweise auch zu ihr zu gehen. Eine weitere Ursache ist die Schwierigkeit bei der Bewältigung des Gewalttraumas beim Verbleib an dem Ort, wo die Frau, Kinder über Monate, Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte Erniedrigungen, Brutalität, zum Teil Todesängste ausgestanden haben. Das sind nur einige wenige der Ursachen, die zu einer vermehrten Inanspruchnahme von Frauenschutzhäusern führen. Und das ist auch der Hintergrund für die Entschließung zu diesem Gesetz.

Wir haben auch – das hat Herr Innenminister hier schon deutlich gemacht – die angestrebten Wegweisungstage, 7 Tage, auf 14 erhöht. Das ist ebenfalls der Anhörung geschuldet, den Erfahrungen in der BRD und Österreich in der Antigewaltarbeit. Wir wissen, dass Gewalttaten und vor allem die polizeilichen Einsätze dazu vorrangig am Wochenende geschehen, die Gerichte nicht so erreichbar sind am Wochenende, und wir brauchen hier einfach, um den Opfern besser helfen und angemessene Hilfe und

Unterstützung geben zu können, einen größeren Zeitraum von 10 Arbeitstagen. Deswegen haben wir uns insgesamt für 14 Tage entschieden.

Mit der Gesetzesänderung – das sage ich ganz klipp und klar – ist das Problem noch keinesfalls gelöst. Jetzt geht die Arbeit erst richtig los. Ich sagte vorhin schon, wir brauchen dringend einen Leitfaden für das polizeiliche Handeln. Und ich denke, das, was von CORA in Zusammenarbeit mit der Polizeidirektion Rostock erarbeitet wurde, kann hierfür eine gute Basis sein. Ich denke, wir brauchen weiter ein neues Curriculum für die Aus- und Fortbildung sowie Weiterbildung der Polizei, damit wir hier auch entsprechend Ausbilderinnen und Ausbilder zur Verfügung haben, die sich mit der Thematik Gewalt gegen Frauen auskennen. Und wir brauchen drittens ein Netz von gut ausgestatteten Interventionsstellen, weil ohne diese die Wegweisung nicht funktioniert. Wir brauchen hier für die Opfer entsprechende Begleitung und Beratung und dafür diese Interventionsstellen.

Und ich möchte hier auch noch mal uns als Politikerinnen und Politiker aufrufen, dass wir uns weiter mit einreihen in den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen, um hier die Gesellschaft weiter zu sensibilisieren, aber auch im Verbund mit den vielen Akteurinnen und Akteuren der unterschiedlichen Bereiche weitere Fortschritte erzielen zu können.

Ich möchte abschließend die Gelegenheit benutzten, um mich bei allen, die an dieser Regelung und an diesem Ergebnis mitgewirkt haben, zu bedanken und uns allen gemeinsam für unsere neuen Wege, die wir beschreiten, viel Erfolg zu wünschen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS, Beate Mahr, SPD, und Heinz Müller, SPD)

Vielen Dank, Frau Koburger.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schädel von der PDS-Fraktion.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ursachen, warum wir über das SOG verhandeln, liegen nicht in den Ereignissen des 11. Septembers begründet. Die Änderungsnotwendigkeit beim SOG lag in den rechtswidrigen Formulierungen, die bereinigt werden mussten. Andere Änderungen wurden damit verbunden, und mensch könnte fast geneigt sein zu frohlocken, dass die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen sich darüber einig sind, die weiteren Grundrechtseinschränkungen, die die CDU damit zu verbinden versuchte, nicht zuzulassen. Doch leider eben nur fast, denn einige neue Punkte dieses Gesetzes verdienen ebenso kritisiert zu werden wie die Versuche der CDU, da sie sich als nicht viel weniger als Einschränkungen von Grundrechten erweisen, politische Betätigung behindern können und der Polizei beinahe willkürliches Vorgehen ermöglichen.

Ich habe zum neuen SOG eine etwas andere Einschätzung als die bisher hier gemachten.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das haben wir gemerkt.)

Dass ich das so sage, ist keine bösartige Unterstellung, auch wenn es sicher einigen hier das Bild meiner Person bestätigen würde. Meine Einschätzung beruht auf meinen Erfahrungen in außerparlamentarischer Arbeit mit der Polizei. Und diese Erfahrungen sind sicher auch ein wenig anders als die der meisten Kolleginnen und Kollegen.

Hierbei, um das auch mal zur Kenntnis zu geben, konnten mir trotz wiederholter Versuche von Polizei und Ermittlungen von Staatsanwaltschaften niemals Straftaten nachgewiesen werden. Niemals bin ich für irgendetwas verantwortlich gemacht worden von Gerichten, es sei denn, es waren Aktionen des gewaltfreien Widerstandes,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Sie haben Glück, dass Sie in einem Rechtsstaat leben. Da haben Sie noch Glück.)

und da ist es einfach gesetzmäßig, da solche Verfahren eingeplant werden.

Die von mir angesprochenen drohenden Einschränkungen von Grundrechten, die ich sehe, sehe ich in der Ergänzung des Paragraphen 52 Absatz 3 der Wegweisung beziehungsweise des Aufenthaltsverbotes von bis zu zehn Wochen aus ganzen Gemeinden. Ich sage bereits heute voraus – trotz aller anders lautenden Versicherungen des Ministeriums sowie auch der Rednerin und der Redner hier –, dass hiermit ein Mittel für die Ordnungsbehörden und die Polizei geschaffen wird, mit denen sie Protestveranstaltungen gegen herrschende politische Verhältnisse oder aktuelle Vorgänge be- und verhindern werden. Das sage ich hier heute voraus.

Es wird mit dem Verweis auf das neue SOG zu willkürlichen Einschränkungen von Grundrechten auf Freizügigkeit und/oder der Demonstrationsfreiheit und/oder der freien Meinungsäußerung für Personen kommen, denen nachgesagt wird – nicht nachgewiesen –, dass sie sich, in welcher Form auch immer, kriminell betätigen werden. Die „tatsächlichen Anhaltspunkte“, die die Behörden dafür haben müssen, werden genauso vorhanden sein, wie sie momentan für die Rasterfahndung und die damit verbundene Kriminalisierung ganzer Bevölkerungsgruppen begründbar sind. Etwas Genaues weiß mensch nicht! Doch es wird jetzt erst einmal gerastet und es wird dann erst einmal ein Aufenthaltsverbot ausgesprochen und Grundrechte werden eingeschränkt.

Die Proteste im Nachhinein werden bedeutungslos sein! Unschuldsvermutungen gelten nicht mehr! Das ist Handeln, bevor eine Straftat begangen werden wird. Die Polizei weiß bereits im Vorfeld, wann jemand eine Straftat begehen will, und weiß auch bereits im Vorfeld, dass diese Person diese auch wirklich umsetzt. Deshalb wird sie vorher das Betreten der betreffenden Gemeinden verbieten. Die Demonstrationsverbote bei Castortransporten, zum Beispiel entlang der Bahnstrecke, sind dann nicht mehr nötig. Die Demonstranten erhalten einfach ein Aufenthaltsverbot. Die Ordnungsbehörden brauchen sich dann nicht mehr von Gerichten nachsagen zu lassen, wie es nach dem letzten Castortransport ins Wendland geschehen ist, dass solche umfassenden Demonstrationsverbote ungerechtfertigte Eingriffe in Grundrechte sind. Veranstaltungen zum Beispiel in Städten sind nur noch mit durch die Polizei ausgesuchtem Publikum möglich.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

So wird Demonstrationsfreiheit in Mecklenburg-Vorpommer politisch eingeschränkt werden, aber auch auf viele andere Ereignisse wird es anwendbar sein. Die Polizei und die Ordnungsbehörden werden schon Begründungen finden, um Aufenthaltsverbote auszusprechen. Ich sage nur „Rasterfahndung“.

Auf den zweiten Kritikpunkt, die wachsweichen Formulierungen des Gesetzes im Paragraphen 55 zur Gewahr

samnahme von Personen, die zu weitläufigen Auslegungen geradezu einladen, möchte ich hier jetzt nicht ausführlicher eingehen. Aber auch hier wird die kreative Umsetzung durch die Polizei sicher nicht lange auf sich warten lassen. Ausreichend Anlässe zu demonstrieren gibt es ja leider. Es wird sich zeigen müssen, ob diese Regelungen dann auch gerichtsfest sein werden!

Neben den genannten Verschärfungen wird mensch in dem Gesetz vergeblich Regelungen suchen, die es ermöglichen, Ordnungsbehörden oder die Polizei zu kontrollieren. Jahrelang waren es auch Forderungen der Koalitionsfraktionen SPD und PDS. Bürgerinnen und Bürger sollten die Möglichkeit haben, auch Kritik an der Polizei und deren Arbeit zu formulieren und sich nicht mit allgemeinen Erklärungen abspeisen zu lassen.

(Zuruf von Gerd Böttger, PDS)

Jetzt hätten Sie die Möglichkeit und die Mehrheiten gehabt, Bürgernähe zu zeigen. Leider nicht zu finden in diesem Gesetz ist zum Beispiel eine Polizeikommission mit der Aufgabe, „interne Fehlentwicklungen und daraus folgende Gefährdungen der Einhaltung rechtsstaatlichen Verhaltens der Polizei zu erkennen und darüber zu berichten“, wie es noch(!) in Hamburg eine gibt. Das wäre hier ein Beitrag gewesen, öffentliche Kritik an der Polizeiarbeit zu entkräften. Oder meinen Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Polizei unfehlbar ist? Auch die Polizei besteht nur aus Menschen. Es geht um die bürgernahe und jederzeit verfassungsgebundene Polizei, nicht aber um eine allwissende, allzuständige oder unfehlbare Superbehörde. Demokratie basiert auf Kontrolle. Wenn diese Kontrolle nicht mehr gewährleistet ist, verselbständigt sich auch in der Demokratie der Apparat. Deshalb werden Gerichtsentscheidungen von übergeordneten Gerichten kontrolliert und die Regierung wird durch das Parlament kontrolliert. Politische Parlamentsentscheidungen werden notfalls auch durch Gerichte kontrolliert.

Ebenso fehlt in dem Gesetz die lange von der PDS, aber auch von der SPD geforderte Einführung von Namens- und Nummernschildern für Polizeibeamte, damit Bürgerinnen und Bürger zur effizienten Kontrolle der Exekutive beitragen können. Versuchen Sie doch mal einen Polizisten nach einem Einsatz zu beschreiben: Blaue Augen hatte er. Oder war es doch eine Sie? Eine schwarze Gesichtsmaske unter dem Helm,

(Zuruf von Lorenz Caffier, CDU)

Dienstrangabzeichen gab es keine. Einige hatten helle, grüne Anzüge an, andere waren etwas dunkler, einen Kratzer auf dem Helm. Oder waren es drei Kratzer? Eine Identifizierung ist so nicht möglich. Oftmals wird Demonstrationsteilnehmern die Auflage erteilt, nicht gegen das Vermummungsverbot zu verstoßen. Und wir hatten hier auch die Zwischenrufe aus der CDU: Wer nichts zu verbergen hat, braucht sich auch nicht zu vermummen. Klar erkennbar soll er sein. Richtig, sage ich! Natürlich, aber doch bitte auch für die PolizistInnen, weil die natürlich auch Fehler machen können. Was haben die BeamtInnen denn zu verbergen, wenn sie wie zum Beispiel am 14. Juli in Neubrandenburg bei 25 Grad Celsius Gesichtsmasken aufhaben mussten, um nicht erkannt zu werden? Weshalb trugen die BeamtInnen nicht einmal ein Dienstrangabzeichen? Über wen sollen Bürgerinnen und Bürger, die am Rande auf dem Weg standen, die Situation beobachteten und von der Polizei in die Büsche geschubst wurden, sich beschweren? Über einen Polizisten in grüner Uniform? Es

geht nicht darum, Polizistinnen und Polizisten etwas anzuhängen,

(Harry Glawe, CDU: Also jetzt reicht’s bald! Das ist ja unglaublich, was Sie da vortragen!)

es geht darum, dass durch eine Kontrolle, durch eine Identifizierung die Möglichkeit eröffnet wird, Verfehlungen einzelner Beamter zu verfolgen und zum Schutz der Polizei vor pauschaler Verurteilung beizutragen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Harry Glawe, CDU: Es ist nicht zu fassen hier. – Zuruf von Peter Ritter, PDS)

Herr Schädel, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich bitte Sie, zum Ende zu kommen.

Ein Satz nur noch.

Daran müsste doch auch der Polizei gelegen sein und den Abgeordneten hier.

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU)

Auch PolizistInnen dürfen sich nicht im rechtsfreien Raum bewegen. Der berechtigte Schutz der Privatsphäre der BeamtInnen muss natürlich geregelt sein.

(Unruhe bei Abgeordneten der CDU)

Diese Versäumnisse wie auch die am Beginn genannten Punkte machen es mir unmöglich,

(Harry Glawe, CDU: Unglaublich ist das! – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Unglaublich ist das nur, wenn man das Unglaubliche nicht hören will.)