Es kann uns doch nicht darum gehen, in diesem Konflikt zwischen Bestellern und Handwerkern völlig einseitig zugunsten der Handwerker Partei zu ergreifen. Jeder von Ihnen wird jemanden kennen, der gebaut hat, oder selbst schon einmal gebaut haben und dabei die Feststellung gemacht haben, dass es häufig Leistungen gibt, die noch zu verbessern sind. Ich habe nicht vor, meine Hand dazu zu reichen, unser Rechtssystem in dieser Weise einseitig zu verändern. Das sage ich auch den Handwerkern, die, jedenfalls dann, wenn wir nicht mehr in großer Runde sind, deutlich zugegeben, dass wir selbstverständlich viele mängelhafte Leistungen im Bau haben.
Meine Damen und Herren! Selbstverständlich berücksichtige ich als Justizminister das Problem „Zahlungsmoral“ vor allem auch dann, wenn zu entscheiden ist, wo das der Justiz zur Verfügung stehende knappe Personal bevorzugt einzusetzen ist. Das sind schwierige Entscheidungen und, Herr Thomas, Sie haben Recht, die wären sicherlich leichter zu treffen, wenn wir zusätzlich in Größenordnungen Personal einstellen könnten. Aber auch in diesem Punkt müssen wir ehrlich zueinander sein. Es ist einfach nicht realistisch, dass wir zusätzliche Mittel für eine Personalaufstockung in der Justiz aufbringen können. Auf den öffentlichen Veranstaltungen fordern auch ab und zu die betroffenen Bauunternehmer, dass die Justiz mehr Personal einstellen soll. Wenn ich dann aber entgegenhalte, dass das Land jede Mark nur einmal ausgeben kann, und sie dann frage, wie würden Sie denn als
Unternehmer entscheiden, ob wir diese eine Mark lieber für Wirtschaftsförderung oder Investitionen ausgeben sollten oder zur Vermehrung des Personals in der Justiz, dann stellt sich schnell heraus, dass es auf diese Frage nur eine einzige Antwort gibt.
Meine Damen und Herren! Dieses Land muss mit seinen Mitteln sparsam umgehen. Das betrifft vor allem die Personalkosten und das gilt auch für die Justiz. Auch die Justiz muss alle Möglichkeiten der Effektivitätssteigerung ausschöpfen. Dabei ist es selbstverständlich meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Personalausstattung zur Erfüllung der Aufgaben ausreichend ist. Das tue ich.
Das gilt auch für den Bereich der Gerichtsvollzieher, in dem wir allerdings, das muss ich offen sagen, Probleme haben, unsere Stellen vollständig zu besetzen, und zwar deshalb, weil es in ganz Deutschland an ausgebildeten Gerichtsvollziehern fehlt. Ich könnte das im Einzelnen erläutern, warum das so ist. Wir haben darauf reagiert und in diesem Jahr bereits neun Justizbedienstete zur Verstärkung vorübergehend mit Gerichtsvollzieheraufgaben betraut. Meine Forderung, aus dem, was sich in den letzten Jahren in Deutschland entwickelt hat, ist, dass wir die Ausbildung der Gerichtsvollzieher verändern müssen. Wir werden in den kommenden Jahren 30 Gerichtsvollzieheranwärter in die Ausbildung geben.
Meine Damen und Herren! Als Fazit dessen, was ich Ihnen vorgetragen habe, kann ich nur sagen: Verabschieden Sie sich von Ihrem Antrag! Mit solchen populistischen Forderungen, die entweder unehrlich sind oder zum Teil auf Unkenntnis beruhen, wecken Sie völlig unrealistische Erwartungen. Damit ist den Handwerkern wahrlich nicht gedient. Das ist einfach unseriös. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Justizminister, Sie haben das, was ich fragen wollte, ganz am Schluss angesprochen. Ich möchte eine ergänzende Frage stellen. Teilen Sie denn wenigstens meine Auffassung, dass wir in Zukunft sehr viele Insolvenzen vermeiden könnten oder in der Vergangenheit hätten vermeiden können, wenn wir rechtzeitig dafür gesorgt hätten, dass Gerichtsurteile in unserem Lande – ich meine jetzt Urteile der Zivilgerichte – auch wirklich vollstreckt werden können, indem wir entsprechend in der Zeit, die Ihren Amtsvorgängern zur Verfügung stand, dafür gesorgt hätten, dass Gerichtsurteile auch durch Gerichtsvollzieher vollstreckt werden?
Ich will auf Ihre Frage hin jetzt nicht tief in das Gerichtsvollzieherproblem einsteigen. Nur so viel: Die Gerichtsvollzieherprobleme sind durch eine Gesetzesänderung 1998 entstanden und in der Folge haben sich Dinge entwickelt, da müsste man in der Tat mal genauer nachsehen, ob sich das schon so dramatisch ausgewirkt hat, wie Sie das jetzt sagen. Anfang des Jahres habe ich die Situation als dramatisch empfunden und deshalb reagiert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mich würde einmal interessieren, wie viel Fälle von wirklicher Wirtschaftskriminalität in diesem Sinne es in unserem Lande wirklich gibt. Die CDU versucht zu suggerieren, dass in jedem Fall, wo ein Kunde eine Rechnung nicht sofort oder nicht in der ausgewiesenen Höhe bezahlt, gleich ein Fall mangelnder Zahlungsmoral vorliegt. Aber ich frage: Wer kennt nicht auch zumindest einen Fall, in dem Forderungen von Handwerkern aufgrund von Mängeln nicht oder nicht ganz bezahlt wurden? Kennen wir nicht alle Häuslebauer, die mit irgendeinem Handwerker über Kreuz liegen, weil die Arbeit nicht ordnungsgemäß ausgeführt wurde? Ich denke, wir sind uns einig, dass in solchen Fällen nicht von mangelnder Zahlungsmoral gesprochen werden kann. So selbstverständlich scheint mir diese Feststellung nicht. Wenn ich einmal die Presse hierzu verfolge, stelle ich fest, zum Thema „mangelnde Zahlungsmoral“ kann man jede Woche etwas in den Zeitungen lesen. Es ist allemal ein populäres Thema und Zeitungen müssen und wollen verkauft werden. Die so genannte mangelnde Zahlungsmoral kann doch nur in solchen Fällen vorliegen, in denen die Forderung des Handwerkers unbestritten ist, der Kunde auch zahlen kann, dieses aber nicht tut. Über diese Fälle müssen wir uns Gedanken machen und nach Lösungen suchen.
Mir fiel im Zusammenhang mit Ihrem Antrag ein Zitat von Kurt Tucholsky aus dem Jahre 1929 ein, das bezeichnenderweise aus der Geschichte „Der verengte Gesichtskreis“ stammt und wo zu lesen steht: „Leute erwarten auch mitunter zu viel vom Gesetz.“ Ich möchte fragen: Wer glaubt denn ernsthaft, dass mit Gesetzesänderungen die Moral geändert werden kann? Die SPD-geführte Bundesregierung ist bereits gesetzgeberisch tätig geworden mit dem Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen aus dem Jahr 2000. Wenn ich es recht sehe, erfüllt dieses Gesetz nicht alle Erwartungen, die an es geknüpft wurden. Nun, meine Damen und Herren, dann lassen Sie uns dieses Gesetz prüfen und gegebenenfalls verbessern. Dazu sind wir bereit. Inzwischen liegt auch eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr vom 29. Juni 2000 vor.
Mir scheint, das Problem der mangelnden Zahlungsmoral liegt auf anderen Gebieten. Zum einen hängt es damit zusammen, dass ein wesentliches Problem im Baubereich eben auch mit dem zurzeit anhängenden Verdrängungswettbewerb zu tun hat. Die Baubetriebe kämpfen einfach um ihre wirtschaftliche Existenz, um ihr Überleben. Um jeden neuen Auftrag wird hart gerungen. Das führt dazu, dass die Betriebe Angebote abgeben, die hart an der Grenze dessen sind, womit sie überhaupt ihre Kosten decken können. In einer solchen Situation ist doch kaum daran zu denken, dass der Unternehmer Abschlagszahlungen und Sicherheitsleistungen verlangen oder geschweige denn durchsetzen kann. Die Auftraggeber sind doch auch durch den anhaltenden Wettbewerb in der Situation, dass sie problemlos Unternehmen finden, die ohne Abschlagszahlungen und Sicherheitsleistungen bereit sind, den Auftrag zu übernehmen. Es scheint mir hier weniger an rechtlichen Regelungen zu fehlen, sondern an der real gegebenen wirtschaftlichen Konkurrenzsituation. Das können wir auch durch neue Gesetze nicht
Wenn es dann zum Streit vor Gericht kommt, weil es für den Auftraggeber vermeintlich oder tatsächlich günstiger ist,
einen langwierigen Prozess zu führen, dann und genau dann sehe ich die Richter unseres Landes in der Pflicht, möglichst schnell zu entscheiden. Hier hat die Justiz eine Aufgabe, der sie noch besser nachkommen kann, aber der Justizminister ist ja bereits darauf eingegangen, wie die Situation ist.
Meine Damen und Herren! Ich bin der festen Ansicht – und da sehe ich das Justizministerium auch aktiv –, dass das Problem mangelnder Zahlungsmoral selbstverständlich auch bei Entscheidungen berücksichtigt wird, wo die der Justiz zur Verfügung stehenden knappen Personalmittel bevorzugt eingesetzt werden sollten. Schwerpunkt müssen aus meiner Sicht die Amts- und Landgerichte zur Bearbeitung dieser Streitfälle und die Staatsanwaltschaften sein, soweit es um Wirtschaftskriminalität geht. Soweit ich den Justizminister bislang verstanden habe, gibt es in seinem Haus besondere Anstrengungen, um durch Fortbildung und besondere Schulungen den Mangel an ausgebildeten Gerichtsvollziehern zu beheben. Wenn ich aber – und das muss ich an dieser Stelle einmal sagen dürfen, Herr Präsident – in dem Antrag lese, dass als ordnungspolitische Maßnahme alle zivilgerichtlich, hören Sie zu, anhängigen Verfahren und Urteile, strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, anhängigen Strafverfahren und Urteile gespeichert und eine Einsichtnahme durch Gerichte, Staatsanwaltschaften, Polizei, Gewerbeämter und in eingeschränktem Maße auch Privaten möglich sein soll, dann, meine Damen und Herren, kommt mir die Galle hoch. Ich bin geradezu enttäuscht von Ihnen, Herr Thomas, dass Sie diese Liste nicht noch um beantragte Mahnbescheide und Vollstreckungsbescheide erweitert haben. Haben Sie schon einmal etwas vom Rechtsstaat, von Datenschutz und von Unschuldsvermutungen gehört? Ich frage die Juristen der CDU-Fraktion: Wo ist denn Ihre Fürsorgepflicht gegenüber wild entschlossenen Anträgen dieser Art? Ist Ihnen wirklich fast jedes Mittel recht, um den großen Verschwörungen, die einige Abgeordnete in Ihren Reihen hinter jeder Ecke lauern sehen, nicht nur entgegenzutreten, sondern sie auch mit den unverhältnismäßigsten Mitteln geradezu niederzuwalzen?
Halten wir an dieser Stelle fest: Die SPD-Fraktion hat zu dem vorgelegten Problem – und das ist ein Problem – klare Vorstellungen und die beziehen sich auf Rechtsstaatlichkeit. Ich frage Sie, Herr Thomas, der Sie unermüdlich auf vermeidlicher Verbrecherjagd sind: Kennen Sie Initiativen in den neuen Bundesländern wie zum Beispiel den Ostdeutschen Selbsthilfeverein zum Schutz vor Insolvenzen, OSSI genannt? Die neuen Bundesländer sind in der Diskussion, meine Damen und Herren von der CDU, zu diesem schweren Thema längst weiter, als die hiesige CDU mit ihrer Verdachtsgewinnungsdatei uns glauben machen will. Man kann den Ruf eines Landes auf verschiedene Art und Weise schädigen.
Wenn wir nach den Ursachen mangelnder Zahlungsmoral fragen, meine Damen und Herren, möchte ich den Aspekt der Unternehmerpersönlichkeit einmal in Ihr Blickfeld rücken. Seit Einführung der Marktwirtschaft in den neuen Bundesländern ist über dieses wichtigste Subjekt
eben dieser Gesellschaftsform sehr wenig öffentlich gedacht und geschrieben worden. Aber wer verweigert denn in vielen Fällen notwendige Zahlungen? Sind es nicht auch Unternehmer selber, die ihren Mitkonkurrenten diese Schwierigkeiten bereiten? Herr Thomas wird sofort aus den Ergebnissen seiner CDU-Foren einige namentlich benennen können. Wenn das so ist, muss man da nicht einmal die Frage nach Anforderungen an die Unternehmerpersönlichkeit, nach ihrem Selbstverständnis, nach Ethiken heutzutage gültiger und moderner Unternehmensführung stellen?
Ich stelle die These auf: Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern eine ungenügend entwickelte Unternehmenskultur, die den Anforderungen der sozialen Marktwirtschaft nicht entspricht.
(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Christian Beckmann, CDU: Verschonen Sie uns doch bitte! – Harry Glawe, CDU: Das reicht! Das reicht!)
will mir das angesichts der Zeit aber ersparen. Ich verweise Sie, meine Damen und Herren von der CDU, aber auf Hanns-Martin Schleyer, eine Unternehmerpersönlichkeit, die sich verdient gemacht hat. Lesen Sie nach, was er schreibt zur Ethik eines Unternehmers, zur Verantwortung eines Unternehmers. Dort war die soziale Marktwirtschaft noch in Ordnung, soweit die Unternehmerpersönlichkeit angesprochen ist. Ich will Sie darauf hinweisen,
versuchen Sie, ein Problem nicht immer nur mit der Keule zu lösen, sondern versuchen Sie, ein Problem rechtstaatlich anzugehen und mit einer Unternehmenskultur, die auf der Höhe der Zeit ist. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Solange es Geld gibt, gibt es Zahlungen. Solange es Zahlungen gibt, gibt es Zahlungsmoral und damit auch eine sicherlich schlechte Zahlungsmoral. Damit ist die Zahlungsmoral auch so alt wie die Menschheit selbst und damit auch die schlechte Zahlungsmoral. Es ist durchaus nicht so, dass solche Begriffe, die damit im Zusammenhang stehen, wie betrügerischer Konkurs oder Ähnliches, Neuzeiterfindungen, das heißt Erfindungen von nach der Wende wären. Schlechte Zahlungsmoral hat mit Sicherheit auch in der Ära der CDU-Regierungen stattgefunden, im Bund und im Land Mecklenburg-Vorpommern. Nur, wie schlecht die Zahlungsmoral damals war, das ist den Kolleginnen und Kollegen der CDU offensichtlich erst bewusst geworden, nachdem der Altbundeskanzler Herr Kohl nicht mehr auf dem Sockel stand und plötzlich schwarze Koffer mit ihren Problemen
und mit ihren Unmoralitäten, die damit verbunden waren, ihnen regelrecht um die Ohren geflogen sind.
(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU, und Harry Glawe, CDU – Beifall Karsten Neumann, PDS – Dr. Ulrich Born, CDU: Wo sind denn die schwarzen Koffer 1989 alle geblieben?)
Und plötzlich haben Sie für sich mit einer Riesensachkompetenz auch das Thema schlechte Zahlungsmoral erkannt.
(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Dr. Christian Beckmann, CDU: Also hat es welche gegeben. – Dr. Ulrich Born, CDU: Ja, ja, ja!)
Herr Dr. Born, Herr Thomas hat ja extra dafür gesorgt, dass der Innenausschuss seine erste Auslandsreise in die Schweiz gemacht hat, um dort mit einer Aussprache mit dem zuständigen Leiter des Landeskriminalamtes in Zürich festzustellen, dass irgendwelche illegalen Zahlungen – Sie sagen, rote Koffer – in der Schweiz sind. Darüber haben die gelacht und gesagt:
3. Würden wir es jemandem sagen, dann mit Sicherheit nicht euch in Meck-Pom, sondern dann würden wir das ganz anders irgendwo in Bonn oder so anbringen.
Also hören Sie bitte auf mit roten Koffern, das hat sich längst als Jux der Weltgeschichte aufgelöst. Ihr Problem sind die schwarzen Koffer und Ihre Problemlösung heißt: Haltet den Dieb! Die im Bau sind, sind alle kriminell. Das ist das Schlimme dieses Antrages, lieber Herr Kollege.
(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD, CDU und PDS – Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS – Reinhardt Thomas, CDU: Oh! Oh!)
Wer so tief im Sumpf solcher kriminellen Verstrickungen steckt wie gegenwärtig die CDU, sollte bitte schön nicht allzu sehr auf die Pauke hauen und das größtmögliche Blech schlagen. Die hiesige CDU möchte mal wieder in die Rolle sozusagen des empörten Richters von Betroffenen schlüpfen, eine Rolle, die ihr auch hierzulande ganz einfach nicht zukommt. Dieses Mal möchte die CDU ausnahmsweise mal nicht – oder vielleicht doch – Geldspenden auf ihre Parteimühlen lenken,
sondern Moralin, das heißt moralisches Wasser, damit sich die Propagandamühle besser drehe. Sie gibt auch vor, den Unternehmen der Bauwirtschaft, vor allem den mittelständischen Betrieben, helfen zu wollen. Allerdings besteht bei der CDU wie allzu oft ein ganz großer Unterschied zwischen dem, was gesagt wird, und dem, was gemeint ist. Wohin der Schuss eigentlich gehen soll, hat man denn auch schon der Presse entnehmen können. „Die rot-rote Landesregierung müsse …“, so hieß es bei