Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Erweiterung der Europäischen Union nach Osten, das ist ein Projekt, dessen politische Bedeutung kaum zu überschätzen ist. Willy Brandt hat einmal gesagt: „Für mich war und ist Europa ohne den Osten ein Torso.“
Wenn wir an die EU-Osterweiterung denken, so steht für uns Polen im Zentrum unserer Überlegungen. Als wichtiger Handelspartner, aber vor allem als unmittelbarer Nachbar spielt das Land für uns eine besondere Rolle. Der polnische EU-Beitritt betrifft uns wesentlich unmittelbarer als viele andere Bundesländer. Wir sind dicht dran, das ist ein Grund für manche Ängste der Menschen, vor allem in den Grenzregionen. Und das ist eine Chance, wenn gute Nachbarschaft in wirtschaftliche Zusammenarbeit mündet. Dafür wollen wir die Grundlagen legen.
Meine Damen und Herren, ich denke, wir sind uns alle einig über die Bedeutung des Hauses der Wirtschaft in Stettin. Dieses Haus ist ein konkretes Stück grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Das Haus der Wirtschaft ist in kurzer Zeit Anlaufpunkt für deutsche und polnische Unternehmer geworden, die Partner suchen und sich auf den jeweiligen anderen nationalen Märkten etablieren wollen. Seit der Eröffnung des Hauses der Wirtschaft in Stettin im Oktober des vergangenen Jahres wurden bereits rund 500 Anfragen und Projekte bearbeitet. Eine Vielzahl von Kontakten ist zustande gekommen, 65 Kooperationsangebote konnten bisher vermittelt werden. Das ist keine schlechte Bilanz, glaube ich, vor allem in der kurzen Zeit.
Meine Damen und Herren, der Standort Stettin ist ideal. Man braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um vorherzusagen, dass hier, in der Stadt und der Region um Stettin ein neues wirtschaftliches Zentrum entstehen wird. Wir wollen die Grundlagen dafür schaffen, dass auch unsere Unternehmen hier Fuß fassen können und mit dabei sind. Das Haus der Wirtschaft ist vor diesem Hintergrund ein beispielhaftes Projekt.
Ich will an dieser Stelle noch einmal die Industrie- und Handelskammer Neubrandenburg erwähnen und ihr danken und der Wirtschaftskammer Nord in Stettin, die sich für den Aufbau eines Hauses der Wirtschaft in Stettin eingesetzt haben. Das Land Mecklenburg-Vorpommern unterstützt diese Initiative der Wirtschaft und beteiligt sich an der Finanzierung des Deutsch-Polnischen Hauses der Wirtschaft. Wie Herr Rehberg schon erwähnt hat, stehen in diesem Jahr dafür 30.000 DM zur Verfügung.
Inzwischen konnte ja auch die IHK Rostock als Partner des Hauses der Wirtschaft gewonnen werden. Das begrüße ich außerordentlich. Mit der Beteiligung der Rostocker Kammer wird die finanzielle Belastung auf mehr Schultern verteilt. Auch die IHK Schwerin ist gefragt worden, ob sie sich engagieren will. Ich hoffe, dass sie das tut und sich an der gemeinsamen Sache beteiligt, denn die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Polen und die EU-Osterweiterung sind Themen, die das ganze Land angehen und nicht nur die Regionen in unmittelbarer Nachbarschaft zu Polen.
Meine Damen und Herren, die CDU fordert in ihrem Antrag, die Mittel für das Deutsch-Polnische Haus der Wirtschaft deutlich anzuheben. Allerdings begründet die Opposition nicht näher, welche Summe ausreichend wäre und warum die aktuell zur Verfügung stehenden Gelder nicht ausreichen. Zudem ist in dem Antrag nicht berücksichtigt, dass ja nun auch noch der finanzielle Beitrag der IHK Rostock dazukommt und vielleicht demnächst auch ein Beitrag der Schweriner Kammer.
Das Haus der Wirtschaft, und das ist ganz wichtig, das Haus der Wirtschaft ist aus Eigeninitiative der Wirtschaft entstanden.
Ich finde, das ist eine hervorragende Lösung und eine hervorragende Leistung, zu der unsere Wirtschaft fähig war.
Und das sollten wir jetzt nicht konterkarieren, indem sich der Staat ohne Not über Gebühr einmischt.
Herr Rehberg, ich frage mich, was wollen Sie jetzt eigentlich mit diesem Antrag. Sie wollen doch sicher nicht diese Initiative der Wirtschaft verstaatlichen oder vergesellschaften.
Ich kann mir das schwer vorstellen und ich kann mir auch schwer vorstellen, dass Eckhardt Rehberg und Dieter Dehm Arm in Arm hier auf Vergesellschaftungstour sind.
(Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist wirklich nicht mehr zu überbieten! – Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist kein Minister.)
Mir ist nicht bekannt, dass diese partnerschaftliche Finanzierung des Hauses der Wirtschaft von irgendeiner Seite in Frage gestellt würde.
Außerdem ist mir auch nicht bekannt, dass das Haus der Wirtschaft generell unter Finanzierungsproblemen leiden würde.
Es gibt keinen Grund, mehr Mittel einzusetzen, als es nötig ist, und deshalb gibt es auch keinen Grund, diesen Antrag weiter zu behandeln. – Danke sehr.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Ulrich Born, CDU: Das ist die absolute Steigerung dessen, was wir bisher hatten. Da ist Herr Holter dagegen noch besser. – Eckhardt Rehberg, CDU: Ich hab es ja schon gesagt, bayerischer Komödienstadl!)
… die Kameras sind weg, dann haben wir ja vielleicht die Gelegenheit, das Thema etwas tiefgründiger zu diskutieren. Ich will auch nicht wiederholen, was Herr Rehberg hier gesagt hat oder was der Wirtschaftsminister gesagt hat, …
(Heiterkeit bei Dr. Ulrich Born, CDU: Nee, das würde ich auch nicht machen. – Dr. Armin Jäger, CDU: Das Letzte bestimmt nicht.)
… sondern ich will vielleicht mal einige meiner Beobachtungen im letzten halben Jahr Revue passieren lassen.
Erstens. Das Haus der Wirtschaft in Stettin, sicher aus der Not geboren, macht eine hervorragende Arbeit. Mit ihren Mitteln, Möglichkeiten, aber vor allem mit den vielen sehr engagierten kompetenten Partnern diesseits und jenseits der Grenze haben sie sich einer Aufgabe zugewandt, wo mancher von uns sagt, sie ist eigentlich so groß, dass sie nicht bewältigt werden kann. Und einer dieser Aktiven hat mir gesagt, Herr Neumann, uns helfen keine großen Reden, uns helfen keine großen Eröffnungen und Veranstaltungen und sonst was. Diejenigen, die wir in diesem Prozess des Beitrittes Polens zur Europäischen Union mitnehmen müssen, sind die Bürgerinnen und Bürger, insbesondere auch in Vorpommern, die eben nicht an diesen Veranstaltungen teilnehmen.
Und diese Bürgerinnen und Bürger erreiche ich manchmal sehr einfach. So hat der Unternehmerverband Vorpommern beispielsweise 15 Studentinnen und Studenten der Universität Stettin eingeladen zu Praktikas in Betriebe und Unternehmen. Und eine solche Einladung hat zwei
positive Effekte: Für die Studentinnen und Studenten ist es die Möglichkeit, ihre Sprachkenntnisse, die im Übrigen jedenfalls nach meinem Eindruck auf der polnischen Seite wesentlich besser sind als auf der deutschen Seite, vertiefen zu können. Sie können aber auch ihre Kenntnisse über Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft, über Abläufe und Prozesse hier auf deutscher Seite vervollkommnen. Für die deutsche Seite hat es den Vorteil, dass man tatsächlich Menschen jenseits der Grenze kennen lernt und ihre Probleme, auch mit dem Beitritt Polens zur EU, die wir nicht vergessen sollten, zu verstehen und nachvollziehen zu können. Ich war sehr begeistert, als ich selber noch als Student der Uni Greifswald an der Universität Stettin zu Seminaren über Europapolitik und Europarecht weilte, zu erkennen, dass zum Beispiel an der polnischen Universität Europarecht schon Pflichtfach war, als es bei uns noch ein Feld für Exoten war. Also ich denke, hier hat uns die polnische Seite einiges voraus, was wir auch nachmachen sollten. Und diese Begegnungen auf dieser Ebene schaffen viel mehr, als wir es mit Erklärungen und Reden schaffen können. Sie schaffen nämlich die Vertrautheit, die Normalität des Zusammenlebens zwischen Menschen auf der deutschen und polnischen Seite.
Wie können wir diese Normalität befördern? Das Haus der Deutschen Wirtschaft ist ein Weg. Die Deutsch-Polnische Wirtschaftsfördergesellschaft in Gorzów ist ein anderer Weg. Diese beiden Wege haben viele Vorteile, für mich einen wichtigen Nachteil, über den wir nachdenken sollten, nämlich, sie geben Informationen und Hilfestellungen immer denjenigen, die zu ihnen kommen, die also bereits erkannt haben, dass es Chancen auf der polnischen Seite gibt, die also bereits erkannt haben, dass sie zum Beispiel auf dem Markt in Stettin wirksam werden können und sollten und für ihre Zukunft auch müssen, die also den Kontakt aktiv von sich aus suchen.
Ich glaube, wir müssen aber auch die anderen erreichen, nämlich diejenigen, die sich heute noch sagen, hm, Polen ist weit – Polen ist nicht so weit –, die sich heute vielleicht noch sagen, na ja, vielleicht kommt’s auch alles nicht. Denjenigen sollten wir ganz deutlich sagen, Polen wird beitreten zur Europäischen Union, und da ist es relativ unerheblich, ob das 2004 oder 2005 ist oder zu welchem Zeitpunkt. Aber es wird in den nächsten Jahren der Fall sein, dass die Republik Polen in der Europäischen Union mit uns gemeinsam auf einem einheitlichen liberalisierten Markt tätig sein wird, diese Unternehmen dort auf dieser Seite. Und darauf muss man sich vorbereiten und kann man sich auch vorbereiten, muss man heute die Chancen nutzen, darüber sprach ich schon.
Also wäre es aus meiner Sicht angebracht, zumindest darüber nachzudenken, wie wir mehr Informationen, mehr Wissen an unsere Unternehmen bringen können, wie wir ihnen auch deutlich machen können, dass sie, insbesondere die Unternehmen in Vorpommern und Stettin, erhebliche Chancen haben. Ein Beitrag dazu ist zum Beispiel die Broschüre aus Szczecin, die heute in allen Abgeordnetenfächern lag. Bitte nehmen Sie sie mit, jeder in seinen Wahlkreis, jede in ihren Wahlkreis, und geben Sie einfach diese Informationen weiter. Solche Initiativen, wie ein Greifswalder Verlag, ich glaube, Herr Mutzke, ergriffen hat, indem er nämlich in seiner Zeitung, die in Greifswald verteilt wird, regelmäßig ganz normale Informationen über Kulturleben, über politisches Leben aus der großen Nachbarstadt veröffentlicht, sind ungeheuer wichtig und sollten unterstützt werden. Und hierfür, glaube ich, brauchen wir einen breiten Kanon nicht von 100 Prozent Förderung
durch das Land in irgendeiner Sache, sondern einen breiten Kanon von Möglichkeiten, manchmal die fehlenden 1.500 oder 3.000 DM für Projekte, für Zusammenarbeit, für Kooperation zur Verfügung zu stellen. Und ich denke, dieses Thema werden wir tatsächlich in den Haushaltsberatungen sehr intensiv diskutieren müssen, denn da gehören sie auch hin, aber nicht in einen solchen separierten Antrag heute und hier. – Danke.