Protocol of the Session on June 28, 2001

Und damit sind wir aus meiner Sicht bei einem Grundsatzproblem. In Deutschland wird mittlerweile ein Strafrecht praktiziert, welches den Rechten der Täter einen unangemessenen Vorrang einräumt. Das führt bei den Bürgern zu einer schleichenden Abkehr vom Rechtsstaat. Wer seine Erfahrung mit der Justiz, ob als geschädigter Handwerker, als Opfer von Betrügereien oder gar als Opfer von schweren Verbrechen machen muss, der kann durchaus seinen Glauben an das Recht verlieren. Und manchmal frage ich mich, ob das nicht auch das wirkliche Ziel einiger Zeitgenossen ist, die als Turnschuhextremisten oder RAF-Verteidiger ihre Kariere begonnen haben.

Wir müssen uns auch ehrlich die Frage stellen: Warum gibt es keine Zeugen mehr in Deutschland und zum Teil leider kein couragiertes Auftreten gegen die Gewalttäter? Aus meiner Sicht doch auch, weil sich herumgesprochen hat, dass man nur als Täter die Rechte und den Datenschutz genießt, die Opfer, Zeugen und couragierte Bürger letztlich nicht in Anspruch nehmen können. Es wird in unserem Land kein Zeuge wirklich geschützt. Wer helfend zupackt und im Extremfall im Rollstuhl landet, wird in der Regel danach vom Richter belehrt, dass er eben Pech hatte. Wer zum Beispiel fehlende Zivilcourage beklagt, der darf nicht, wie bei vielen Politikern üblich, den ganzen Tag nur rechtliche Bedenken darüber äußern, wenn es um Opferschutz geht.

Laut offizieller Statistik gehen in Deutschland die Straftaten zurück. Das ist gut so. Die Gewerkschaft der Polizei warnt in diesem Zusammenhang aber davor, daraus falsche Schlüsse zu ziehen. Es werden immer weniger Anzeigen erstattet, weil viel zu viele Bürger mittlerweile zur Selbsthilfe in welcher Form auch immer greifen. Das Anzeigenverhalten geht zurück, gleichzeitig boomt das Geschäft von so genannten Inkassounternehmen. Ich denke, dass wir als Demokraten diesen Teufelskreis nur noch politisch durchbrechen können, um die unverzichtbare Akzeptanz des Bürgers in den Rechtsstaat zu erhalten.

Auch bei der Diskussion um die Ausweitung der DNAAnalyse geht es genau um diesen Punkt – den Täterschutz für Verbrecher oder Opferschutz für die Opfer und Schutz der Bürger. Während einige Politiker – und hier

insbesondere linke – so gut wie jede Initiative der Union zur Verbesserung der rechtsstaatlichen Möglichkeiten – ich betone, rechtsstaatlichen Möglichkeiten – im Kampf gegen das Verbrechen und zum Schutz der Opfer und Bürger ablehnen, wollen wir gerade da seit Jahren ganz entscheidende Verbesserungen. In der Rechtsgüterabwägung zwischen dem öffentlichen Bedürfnis nach Schutz der Opfer und Sicherheit der Bürger schlagen sich leider immer noch zu viele Politiker letztlich auf die Seite der Täter, auch wenn das nicht immer ihre Absicht ist. Ihre Politik ist zu sehr auf den Aspekt der Resozialisierung, Stichwort armer Täter mit schlechter Kindheit, fixiert. Damit werden aber die Betreuung der Opfer und der Schutz der Bürger zwangsläufig vernachlässigt.

Wenn sich der Bundesdatenschützer wie bei der Erfassung von genetischen Daten auf freiwilliger Basis sogar gegen diese Freiwilligkeit ausspricht, dann ist wirklich etwas faul im rot-grünen Staate Dänemark. Und wenn wie im Gehlsdorfer Maßregelvollzug gefährliche Sexualstraftäter mit 3-Sterne-Hotel-Komfort mit Psychologen und Betreuern verwöhnt werden und direkt daneben psychisch kranke Kinder unter menschenunwürdigen Bedingungen hausen müssen, dann stimmt etwas nicht. Und das ist für jeden rechtstreuen Bürger in unserem Land unerträglich.

Nach dem DNA-Identitätsfeststellungsgesetz, und hier speziell die Änderung Paragraph 81 g Strafprozessordnung, können zum Zwecke der Identitätsfeststellung nur Körperzellen entnommen werden, wenn der Beschuldigte im Verdacht steht, eine Straftat von erheblicher Bedeutung begangen zu haben. Weitere Voraussetzung ist, dass wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Angeschuldigten sowie sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn in Zukunft erneut wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung ein Strafverfahren eingeleitet werden muss. Damit unterliegt die DNA-Analyse gegen den Willen des Betroffenen zu Zwecken in künftigen Strafverfahren aus unserer Sicht viel zu starken Einschränkungen. Diese Einschränkungen waren auch der Grund für vier erfolgreiche Verfassungsbeschwerden von Straftätern gegen die Speicherung ihres genetischen Fingerabdruckes. Die DNA-Analyse ist nur erlaubt, wenn bereits Straftaten von erheblicher Bedeutung verübt worden sind. Dann ist es aber aus unserer Sicht viel zu spät, das heißt, es hat dann auch schon wieder Opfer gegeben.

Wir sprechen uns mit unserem Antrag für einen erweiterten Einsatz von DNA-Analysen zum Beispiel bei Exhibitionisten, sexuell motivierten Drohanrufen und sonstigen Straftaten aus. Damit können weitere Straftaten verhindert und die Möglichkeit zur effektiven Strafverfolgung verbessert werden. Die bisherigen Erfahrungen mit Sexualstraftätern belegen, dass am Beginn der kriminellen Karriere gefährlicher Verbrecher weniger schwere Straftaten begangen werden. Die Strafkarriere von gefährlichen Sexualstraftätern, insbesondere auch die von Sexualmördern, fängt mit Straftaten an, die nicht unter den Katalog der heutigen Voraussetzungen fallen. Sehr oft bilden schon Straftaten, die zwar von Frauen und Kindern angezeigt, aber letztlich nicht verfolgt wurden und werden, den Beginn einer kriminellen Karriere, an deren Ende schwerste Sexualstraftaten und Mord stehen. Solche Straftaten werden in der Regel von Tätern mit hoher krimineller Vorbelastung begangen. 55 Prozent der wegen sexuellem Kindesmissbrauch Verurteilten und 75 Prozent

der wegen Vergewaltigung Verurteilten sind bereits einmal oder mehrfach vorbestraft.

Der Freistaat Bayern legte am 1. Juni im Bundesrat einen Gesetzentwurf zur Erweiterung des Einsatzes der DNA-Analyse für Zwecke der Identitätsfeststellung in zukünftigen Strafverfahren vor. Ziel der Bundesratsinitiative ist es, bei jeder sexuell motivierten Straftat und bei allen Tätern, die wegen einer vorsätzlichen Straftat in Haft oder im Maßregelvollzug sitzen, eine DNA-Analyse machen zu können, wenn von diesen Tätern auch in Zukunft weitere Straftaten zu befürchten sind. Wegen der besonderen Bedeutung des genetischen Fingerabdruckes für Zwecke zukünftiger Strafverfahren soll das eingeschränkte Merkmal der erheblichen Bedeutung wegfallen.

Die furchtbaren Straftaten der letzten Zeit auch gegen Kinder haben deutlich gemacht, dass die Bevölkerung vor Sexualstraftätern besser geschützt werden muss. Hier und nicht beim völlig überzogenen Täterschutz müssen wir ansetzen. Wir dürfen mit den Möglichkeiten der DNAAnalyse nicht warten, bis es wieder Opfer gegeben hat, also Straftaten von erheblicher Bedeutung verübt worden sind. Wir benötigen auch längere Aufbewahrungsfristen für den genetischen Fingerabdruck. Die Verlängerung von 5 auf 15 Jahre war überfällig. Sexualstraftäter – und das zeigen alle bitteren Erfahrungen mit Mordopfern – bleiben aber ein Leben lang gefährlich. Deshalb muss auch nach 15 Jahren ein Abgleich mit am Tatort gesicherten Spuren weiterhin möglich sein. Wegen der hohen Aufklärungsrate von schweren Straftaten durch die DNA-Analyse und die damit verbundene präventive Wirkung muss hier endlich eine Entscheidung im Sinne der Erweiterung fallen. Das sind wir den Opfern und vor allen Dingen den Kindern schuldig.

Bis heute ist die Strafverfolgung darauf angewiesen, auch nach Kinder- und Sexualmorden an die Bevölkerung zu appellieren, sich freiwillig einer DNA-Analyse zur Ermittlung der Täter zu unterziehen. Eine Politik, die den Strafverfolgungsbehörden so die Hände auf den Rücken bindet, ignoriert doch letztlich auch die Grundrechte der rechtstreuen Bürger, der Opfer und die der zukünftigen Opfer von Straftätern.

Nach Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz ist der Staat auch verpflichtet, die Individualrechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu gewähren. Der angemessene Ausgleich zwischen den Freiheitsrechten des Straftäters, dazu gehört auch sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung, und einer wirksamen Verbrechensbekämpfung, die sich aus dem Rechtsstaatprinzip nach Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz ergibt, muss auch hier geschaffen werden. Es genügt nicht, dauern von Prävention zu reden, hier haben wir mit dieser Maßnahme eine wirklich wirksame Präventionsmaßnahme und die Möglichkeit, Opfer zu vermeiden, die auch Grundrechte haben. Mit einer Verweigerungshaltung ignorieren Sie aus meiner Sicht auch die Grundrechte der Opfer. Neben erheblich verbesserten Möglichkeiten bei der Fahndung nach gefährlichen Straftätern wirkt die Ausweitung der DNA-Analyse auch abschreckend, also präventiv. Auch die inhaftierten Straftäter sollen bei ihrer Entlassung aus dem Straf- beziehungsweise Maßregelvollzug wissen, dass ihr genetischer Fingerabdruck beim BKA gespeichert ist. Der Rechtsstaat muss endlich auch hier dem vorbeugenden Opferschutz Vorrang vor den Täterschutz einräumen. Wir bitten deshalb um Zustimmung zu unse

rem vorliegenden Antrag. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall Herbert Helmrich, CDU, und Dr. Armin Jäger, CDU – Annegrit Koburger, PDS: Müde! – Zuruf von Dr. Klaus-Michael Körner, SPD – Reinhardt Thomas, CDU: Das ist die Uhrzeit.)

Vielen Dank, Herr Kollege.

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten verabredet. Dazu gibt es offensichtlich keinen Widerspruch, dann eröffne ich die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat der Justizminister. Bitte sehr, Herr Minister Sellering, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern soll wieder einmal Unterstützung geben für die Bundesratsinitiative eines CDU-Landes.

(Annegrit Koburger, PDS: CSU-Landes.)

Diesmal bezieht sich der Antrag auf die Ausweitung der DNA-Analyse. Eines will ich ganz ernst vorwegsagen: Wenn es darum geht, die Sicherheit der Bevölkerung vor Sexualstraftätern zu erhöhen, dann sind sie bei uns richtig, auch bei mir persönlich, aber es müssen die richtigen Schritte sein.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Annegrit Koburger, PDS – Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Ja. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Welchen Weg wollen uns denn nun die Bayern weisen, deren Initiative die Landesregierung jetzt im Bundesrat unterstützen soll? Die bayerische Initiative will den Einsatz der so genannten DNA-Analyse erweitern. Mit der DNAAnalyse kann der Täter leichter ermittelt oder überführt werden, wenn seine entsprechenden Daten bereits gespeichert sind. Diese Speicherung ist nach geltendem Recht unter zwei Voraussetzungen zulässig. Wir brauchen erstens eine Straftat von erheblicher Bedeutung und zweitens muss eine Prognoseentscheidung ergeben, dass zu befürchten ist, dass der Täter wieder so eine Straftat begehen wird. Das will Bayern ändern. Künftig soll nicht mehr eine Straftat von erheblicher Bedeutung erforderlich sein, sondern es soll zum Beispiel schon ausreichen, wenn jemand eine Beleidigung mit sexuellem Hintergrund ausgesprochen oder sich einmal als Spanner gezeigt hat. Außerdem soll künftig eine DNA-Analyse – nach den Vorstellungen Bayerns – möglich sein, wenn jemand zu einer Freiheitsstrafe gleich welcher Höhe verurteilt worden ist, sei es also auch nur, weil der Richter gegenüber dem Ladendieb beim zweiten oder dritten Mal eine sehr deutliche Mahnung eben in Form einer kurzzeitigen Freiheitsstrafe für angemessen hält.

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

Ich meine, eine derartige Verschärfung könnte allenfalls dann in Erwägung gezogen werden, wenn es ernst zu nehmende Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen zum Beispiel mehrfachem Ladendieb und schweren Sexualstraftaten, zwischen Spanner und schweren Sexualstraftätern gibt. Dazu reicht mir persönlich keineswegs aus, dass etwa Herr Thomas eine entsprechende Behauptung abgibt. Dazu brauchen wir ernsthafte Hin

weise aus der Praxis. Das geht nicht ohne sorgfältige vorherige Überprüfung. So kann man mit den grundgesetzlich garantierten Freiheitsrechten nicht umgehen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

jedenfalls nicht ohne Gefahr zu laufen, durch das Bundesverfassungsgericht korrigiert zu werden.

Das sehen übrigens die anderen Justizministerinnen und Justizminister genauso. Auf der Justizministerkonferenz in Trier kürzlich, vom 11. bis 13. Juni, ist ein Beschluss zur Unterstützung der bayerischen Bundesratsinitiative gerade nicht gefasst worden. Auch die Innenminister haben auf ihrer Konferenz am 10. Mai lediglich beschlossen, die Thematik in einer gemeinsamen Projektgruppe zu erörtern, das heißt, auf einer seriösen tatsächlichen Entscheidungsgrundlage aufzuklären, ob es eben einen ernst zu nehmenden Anhaltspunkt für einen Zusammenhang zwischen dem mehrfachen Ladendieb und so weiter und dem schweren Sexualstraftäter gibt.

Im Ausschuss des Bundesrates ist die bayerische Initiative bereits gescheitert. Nach allem, was sich absehen lässt, wird es auch im Bundesrat selbst eine Mehrheit für diese Initiative nicht geben. Und ich meine, Mecklenburg-Vorpommern sollte diesem Antrag auch keine Stimme geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und PDS)

Ich bitte daher, diesen Antrag abzulehnen.

(Siegfried Friese, SPD: Alles kalter Kaffee, der hier serviert wird. – Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Koburger von der PDS-Fraktion.

(Dr. Klaus-Michael Körner, SPD: Willkürjustiz. – Dr. Armin Jäger, CDU: Ja, richtig.)

Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin!

Herr Thomas, vorbeugender Opferschutz? Wann wollen Sie denn damit bei potentiellen Tätern anfangen? Im Kindergarten eventuell

(Dr. Armin Jäger, CDU: Frau Koburger, das Thema ist zu ernst.)

oder schon von Geburt an? Ihre DNA-Analyse machen lassen? Also ich halte das für abenteuerlich.

Die CDU im Bund und hierzulande läuft im Augenblick Amok. Dies wird mit Sicherheit noch zunehmen, je näher der Termin der Bundestagswahl heranrückt. Sie bleiben damit ohne Einschränkungen Ihrer Tradition treu, auf gesellschaftlich bedingte beziehungsweise begünstigte Entwicklungen oder Erscheinungen in der Kriminalität wird mit Strafverschärfung oder Erweiterung der Kontrollund Erfassungsmaßnahmen reagiert, sprich mit der großen Keule geschwungen. Hier offenbart sich die stockkonservative Ausrichtung der CDU-Politik. In diese Ausrichtung reihen sich auch solche anderen Vorschläge und Initiativen der letzten Monate nahtlos ein. Es bestehen erneute Forderungen zur Verschärfung unseres Polizeigesetzes, obwohl zum Beispiel die durch Sie festgeschriebenen verdachtsunabhängigen Personenkontrollen durch

das Landesverfassungsgericht als mit der Verfassung unvereinbar deklariert wurden, die Forderung nach systematischer Videoüberwachung und nunmehr die Erweiterung der Erfassung in der Gendatei.

Die nächste Landtagssitzung wird vermutlich die Thematik der generellen Erfassung, wie sie Sachsen vorschlägt, enthalten, da das noch eine offene Gesetzesinitiative im Bundesrat ist. Das Menschenbild, was sich dahinter verbirgt, ist allerdings verheerend. Jede Einwohnerin, jeder Einwohner wird als potentiell kriminell eingeschätzt. Würde es nach Ihren Vorstellungen gehen, wäre über kurz oder lang jede beziehungsweise jeder in der Bundesrepublik in der Gendatei, der Verbrecherkartei sozusagen erfasst – pro forma.

Verheerend ist das im Hinblick auf die im Grundgesetz verankerten Menschenrechte und Freiheitsrechte sowie auch vor dem Hintergrund des Prinzips der Unschuldsvermutung. Verheerend ist es aber auch aufgrund der Tatsache, dass Sie mit der heutigen und den eingangs erwähnten Initiativen den Einwohnerinnen und Einwohnern vorgaukeln, die Kriminalität zurückdrängen und Straftaten verhindern zu können.

Straftaten, insbesondere die hier in Rede stehenden Sexualstraftaten, sind mit den von Ihnen vorgeschlagenen Gesetzesänderungen weder zu verhindern noch zurückzudrängen. Dazu bedarf es anderer Maßnahmen. Die bestehenden, schon sehr weit reichenden gesetzlichen Regelungen, die im Übrigen erst 1998 in Kraft traten, belegen das eindeutig. Unstrittig ist allerdings, dass mittels der DNA-Analyse die Überführung von Straftätern erleichtert wird. Vielfach verführt diese neue Methode dazu – weil wir eben auch modern sind –, altbewährte, in die Persönlichkeitsrechte weniger eingreifende Ermittlungs- und Beweisverfahren ins Hintertreffen geraten zu lassen.

Zudem sehen wir eher die Gefahr, dass mit solchen Gesetzen – frei nach dem Motto: Von hinten durch die Brust ins Auge – der Datenschutz bis zur Unkenntlichkeit ausgehöhlt werden soll und dem Missbrauch personenbezogener Daten so Vorschub geleistet wird, weil nämlich mit der DNA-Analyse weitaus mehr und umfassender Informationen über die einzelnen Personen gewonnen werden können, als sie für die Übermittlung und Überführung von Straftaten notwendig sind.

Meine Damen und Herren! Gehen wir von der Problemund Zielstellung des von Bayern in den Bundesrat eingebrachten Gesetzes aus, ließe sich vermuten, dass es ernsthaft um die Bekämpfung von Sexualstraftaten ginge. Jedoch erweist sich das Gesetz wie so manches andere aus dieser Ecke als Trojanisches Pferd. Analog zur Debatte um die Forensische Psychiatrie werden diese Delikte emotional aufgebauscht benutzt, um Grundrechte weiter einschränken zu können und Schritt für Schritt die Liberalisierung des Strafrechts aufzuheben. Unter dem Vorwand, besser gegen Sexualstraftäter vorgehen zu wollen, soll die DNA-Analyse auf weitere Tätergruppen und Straftatsachverhalte ausgedehnt werden.

Wenn das Realität werden würde, wären von circa zwei Dritteln, wenn nicht sogar noch mehr der jetzt Inhaftierten beziehungsweise allen im Maßregelvollzug Sitzenden, die Analysen in der Gendatei zu speichern. Hinzu käme noch ein nicht unerheblicher Teil bereits Haftentlassener. Da diese Informationsflut durch das BKA nicht mehr zu bewältigen wäre, sollen dann die LKA dafür mit zuständig sein.

Ein weiteres Problem sehen wir in der Verschärfung der Bestimmungen durch die Forderung, bei entsprechenden Prognosen bei Straffälligen, Haftentlassenen und so weiter die DNA-Analyse anzuordnen und zu speichern. Theorie und Praxis dagegen zeigen immer wieder, dass Prognosen hinsichtlich einer zukünftigen Straftat letzten Endes nicht möglich sind. Vor allem gibt es keine sicheren Prognosen, wenn man, wie der bayrische Gesetzentwurf und die hiesige CDU es wollen, so breite Menschenkreise in die Abnahme des Gentests einbeziehen will. Oder, meine Damen und Herren der CDU, war das vielleicht eher eine Arbeitsmarktoffensive für Berufsgruppen der Psychologinnen und Psychologen, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und Sozialtherapeutinnen und Sozialtherapeuten oder anderem medizinischen Personal und ArchivarInnen?

Der Gesetzentwurf aus Bayern verkennt Ursachen, Ausmaß, Wirkungsmechanismen und bereits konzeptionell erarbeitete Handlungsstrategien zur Bekämpfung von Sexualstraftaten. Er ignoriert, dass erst 1997 eine Novellierung des Strafgesetzbuches stattgefunden hat mit einer Verbesserung strafrechtlicher Normierung, zum Beispiel bei der Einstufung der Vergewaltigung in der Ehe als Verbrechen. Insbesondere wurde diese Normierung wie gesagt hinsichtlich der Sexualstraftaten durchgeführt. Und es verdeutlicht weiterhin, dass die so genannten Sicherheitsexperten der CDU/CSU nationale wie internationale Forschungsergebnisse insbesondere zu den Ursachen und den sich daraus ergebenden Wirkungsmechanismen nicht zur Kenntnis nehmen oder nicht nehmen wollen.

Mittlerweile liegen eine Fülle von Materialien zu den Teilaspekten und aus verschiedenen Fachbereichen vor. Dazu zählen Analysen zu den gesellschaftlichen Ursachen, Analysen zu Fragen der Psychologie, Physiologie und Sozialisation durch das Erziehungssystem bei den Tätern wie auch bei den Opfern, Erfahrungen aus der therapeutischen Arbeit mit Opfern und Tätern und anderes mehr. Mitgearbeitet haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Medizin, der Frauen- und kritischen Männerforschung, der Juristerei, der Kriminologie, den Erziehungswissenschaften und der Soziologie. Hilfreich wäre es, wenn diese Erkenntnisse endlich auch in politisches Handeln einfließen würden.