Protocol of the Session on April 5, 2001

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Frau Holznagel, eins kann ich hier nicht so im Raum stehen lassen: Sie sprachen davon, der größte Feind der Umwelt ist die Armut.

(Renate Holznagel, CDU: Das war ein Zitat von Herrn Töpfer.)

Ja, aber so isoliert, denke ich, können wir das nicht stehen lassen. Auch die Armut hat Ursachen, anthropogene Ursachen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Der Mensch ist es letztlich, der der Natur nicht so gegenübersteht, wie er es müsste, und der hier also doch Schuld und Verantwortung trägt über Generationen. Und ich denke, deshalb stehen in Verantwortung die Gesellschaft, stehen in Verantwortung die Staaten, die Familien und auch jeder Einzelne.

(Renate Holznagel, CDU: Das stimmt.)

Das bloß als Hinweis, selbst wenn es Herr Töpfer gesagt hat, aber ich denke, es gab da sicher noch einen Kontext.

(Renate Holznagel, CDU: So, wie Sie das gesagt haben, stimmt es dann wieder.)

Meine Damen und Herren, in den vom Umweltministerium gefüllten Freudenbecher zum Aufschwung Lokaler Agenden 21 in Mecklenburg-Vorpommern werden durch den zur Debatte stehenden Antrag der PDS und SPD auf der Drucksache 3/1994 ein paar Wermutstropfen geschüttet. Im Zusammenhang mit einem effektiven Mitteleinsatz läuft unserer Auffassung nach in MecklenburgVorpommern nicht alles so glatt, wie Sie, Herr Minister, in Ihrer Pressemitteilung 36/01 vom 5. März glauben machen. Auch wenn die Bilanz aus der Sicht des Umweltministeriums durchaus erfreulich sei, die Zahl der Agenda-Prozesse hat sich in drei Jahren nahezu verfünffacht.

16 Lokale-Agenda-Beschlüsse aus 1998 sind bis heute auf über 100 angewachsen. Das ist ein Ergebnis der aktiven Arbeit von Initiativen, Verbänden und nicht zuletzt der Agenda-Büros in den Staatlichen Ämtern für Umwelt und Natur sowie der im April 2000 in Güstrow geschaffenen Landes-Agenda-Transferstelle. Seit August 1999 werden ökologische Schwerpunkte durch das Umweltministerium nach der entsprechenden „Richtlinie für die Gewährung von Zuwendungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern für ökologische Schwerpunkte Lokaler Agenden“ gefördert. Das hat zweifellos viele Initiativen und Projekte auf den Weg zu bringen geholfen. Fördermittel zur Unterstützung von Maßnahmen im Bereich des Klimaschutzes, der Biotoperhaltung und des Naturschutzes werden nicht nur vom Land, sondern auch vom Bund und der Europäischen Union gewährt.

In Zeiten knapper Kassen ist höchste Effizienz des Mitteleinsatzes geboten. Wir meinen mit unserem Antrag, dass es durchaus wichtig und notwendig ist, in Sachen Verwendung der Fördermittel genauer nachzufassen und zu prüfen, wie durch den kumulativen Einsatz die Effektivität von Projekten im Sinne nachhaltiger Entwicklung gefördert werden kann. Das Zieldreieck, das ist heute auch schon mehrfach genannt worden, für das Leitbild, für eine nachhaltige Entwicklung verbindet die Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales. Doch die Richtlinie aus dem Umweltbereich steckt nur einseitig Parameter für ökologische Schwerpunkte ab. Es wäre also unserer Meinung nach richtig, entsprechend dem vorliegenden Antrag auch in den Häusern Wirtschaft, Arbeit und Soziales Richtlinien für die Gewährung von Zuwendungen für ökonomische, soziale und lokale Agenden zu erarbeiten und natürlich den Sachverstand, der in den Ministerien vorhanden ist, bei diesem Fördermitteleinsatz zu koordinieren, das wäre also möglich, auf Referentenebene zu bündeln. Zum Beispiel könnte sich ein interministerielles Projekt damit befassen, den Tourismus durch Einbeziehung bestimmter Kulturdenkmäler erlebbarer zu gestalten, als eine lohnende Aufgabe, zu deren Erfüllung Fördermittel aus den Bereichen Wirtschaft und Soziales

zufließen könnten. Dafür müssen jedoch praktische Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es bisher nur aus dem Umweltministerium gibt.

Wir verstehen daher diesen Antrag als Impuls für eine Initialzündung, als Chance für einen zu vernetzenden Mitteleinsatz zur Verwirklichung der Lokalen Agenda 21 in Mecklenburg-Vorpommern. Meine Fraktion beantragt, abweichend zu der Empfehlung, Abstimmung über diesen Antrag. – Ich danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Muth von der PDS-Fraktion. Bitte sehr, Frau Muth.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir über die Agenda 21 reden, dann reden wir vor allen Dingen über Nachhaltigkeit, reden wir über die Änderung der Arbeits–, Wirtschafts- und Lebensweise.

Zu unserer jetzigen Art, zu leben und zu wirtschaften, ist in der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ des Wuppertal-Instituts Folgendes zu lesen: „Das Credo der Industriegesellschaft heißt: Weiter, schneller, mehr. Produktion und Konsumtion werden angekurbelt, Wegstrecken schneller überwunden, Kommunikation beschleunigt. Längst liegen Erkenntnisse vor, dass ein ,Weiter so’ nicht funktionieren kann oder dieses Funktionieren endlich ist. Es ist unbestreitbar, wirtschaftliches Wachstum hat vielen Menschen unerhörten Wohlstand, ja Befreiung von Last und Mühsal gebracht. Wirtschaftliches Wachstum brachte aber auch Massenarmut in vielen Regionen des Südens der Erde und das Anwachsen der Kluft zwischen Gewinnern und Verlierern dieses Wachstums sowohl im Nord-Süd-Verhältnis als auch bei uns selbst in den Industrieländern.“ Und ich ergänze an dieser Stelle: Daran wird sich so lange nichts ändern, solange nicht diese Entwicklungslogik unterbrochen wird und sowohl der jetzige Ressourcenverbrauch als auch die jetzige Wirtschaftsweise sowie die jetzige Kapitalverwertungslogik nicht unterbrochen werden.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Mit schlichten Worten gesagt, Umsteuern und Umverteilen sind unvermeidlich. Und Umweltschutz ist eben nicht nur zu definieren über nachsorgenden Umweltschutz, wie es die CDU jahrelang gemacht hat, Frau Holznagel.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS)

Dieser Anspruch des Umverteilens und Umsteuerns ist im Grunde auch in der Agenda formuliert, allerdings nicht so grundsätzlich wie es einmal Al Gore sagte: „Änderungen in den ökonomischen Strukturen beziehungsweise im menschlichen Verhalten sind notwendig. Wer dieses jedoch fordert, dem unterstellt man subversive Absichten, verdächtigt ihn als verkappten Feind der bestehenden Ordnung, als Marxist oder Anarchist.“ Nun, wer heute die Umsetzung der Agenda 21 fordert, setzt sich dieses Verdachtes natürlich nicht aus, denn die Agenda ist, wie ich schon sagte, bei weitem nicht so grundsätzlich und konsequent in den Forderungen des Umsteuerns und leider benennt sie auch an vielen Stellen nicht die Ursachenzusammenhänge für die beschriebenen Zustände.

Aber aus meiner Sicht ist das Wertvolle an der Agenda 21, und deshalb ist es wichtig, dass wir auch heute

über dieses Thema reden, dass sie Wirkzusammenhänge vor Ort, in den Regionen, in den Kommunen und in den Ländern, benennt und sagt, auch hier können wir Verhältnisse ändern, auch wenn die grundsätzliche Schieflage in der Wirtschaftsweise damit eigentlich nicht angetastet wird. Die Agenda selbst ist also ein Aktionsrahmen, ein Handlungsrahmen für uns vor Ort. Sie benennt in vielen Punkten vor allem regionale, kleinräumige und auch kommunale Handlungsstrategien. Das ist auch für unseren Antrag von Bedeutung.

Die Koalitionsfraktionen gehen davon aus, dass im Land – der Umweltminister hat es heute schon deutlich gemacht – für die Agenda schon viel getan wurde. Wir haben Fördermittel aufgelegt, wir unterstützen durch Projekte, durch Wettbewerbe, wir machen die Agenda bekannt und viele Akteure vor Ort ergreifen die Initiative und sagen: Ja, wir haben die Agenda verstanden. Wir werden sie nutzen, um regionale nachhaltige Entwicklungen zu befördern. Und dann geschieht es immer noch allzu oft vor Ort, dass die Akteure entmutigt werden, dass sie wissen, nachdem sie Leitlinien und Handlungskonzepte erarbeitet haben, diese bleiben oft Papier, diese werden nicht realisiert in Projekten, diese bleiben vielleicht die nächsten fünf Jahre in der Schublade, weil Parlamente vor Ort sich nicht entscheiden können, kommunale Mittel für die Umsetzung dieser Konzepte einzusetzen.

(Wolfgang Riemann, CDU: Weil sie keine Mittel haben.)

Genau so ist es. Genau so ist es, Herr Riemann. Ich benenne hier auch Ursachen, nicht nur die globalen, auch die regionalen. Völlig richtig.

Und genau vor diesem Hintergrund, denken wir, ist es an der Zeit, darüber nachzudenken, nicht nur im umweltpolitischen Bereich Mittel einzusetzen, wie es der Umweltminister heute schon benannt hat, sondern in den sozialen Bereichen, in den Wirtschaftsbereichen, auch in den Bildungsbereichen darüber nachzudenken, wie Mittel vernetzt werden können, damit der Gedanke der Lokalen Agenda, die Projekte der Lokalen Agenda zukünftig besser realisiert werden können,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

zum einen, um die Akteure vor Ort über Jahre nicht zu demotivieren – denn die Gefahr liegt einfach vor uns, das muss man so klar benennen, wenn man vor Ort Bescheid weiß und sieht, was da los ist –, und zum anderen, damit auch ganz praktisch was passiert. In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

Und nun sei noch eins gesagt zum CDU-Antrag:

(Dr. Ulrich Born, CDU: Der ist gut. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Peter Ritter, PDS: Wenn Ihnen das mal schon 1995 eingefallen wäre. – Zuruf von Dr. Henning Klostermann, SPD)

Ich will hier keine Wortklauberei betreiben, aber ich denke, die Intention unseres Antrages ist ganz klar. Es ist klar, wozu wir die Regierung auffordern. Ich denke, daran müssen wir nichts ändern. Wir sagen nicht, dass nur überprüft werden soll, sondern wir sagen, wir wollen eine Veränderung. Wie dies geschieht, das muss die Regierung natürlich erst mal erarbeiten. Ich denke, das ist alles klar formuliert. Das andere: Ich denke, Ihre Terminsetzung ist illusorisch.

(Dr. Ulrich Born, CDU: Sie trauen der Regierung aber wirklich gar nichts zu.)

Wenn wir es wirklich ernsthaft meinen und umsteuern wollen, dann, bei aller Liebe, ist bis zum 30.06.2001 der Termin zu kurz gesetzt. Und das wissen Sie auch.

(Peter Ritter, PDS: Das ist Aktionismus à la CDU.)

Ich denke, wir sollten hier ganz solide miteinander arbeiten und umgehen, die Regierung beauftragen – natürlich nicht mit Ihrer Terminsetzung, sondern grundsätzlich – und sagen: Packen Sie es an! Wir werden sie auch befragen zu gegebener Zeit.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Ich freue mich, dass Dr. Klostermann auch schon beantragt hat, dass wir direkt abstimmen, denn ich denke, wir sollten den Auftrag heute auslösen und nicht noch im Landtag oder im Ausschuss darüber debattieren.

(Harry Glawe, CDU: Denken, denken, und passieren tut nichts.)

Ich bitte also um Zustimmung zu unserem Antrag und wir werden den Antrag der CDU ablehnen. – Danke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Ich lasse zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/2028 abstimmen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion der CDU mit den Stimmen der SPD- und PDS-Fraktion gegen die Stimmen der CDUFraktion abgelehnt.

Wer dem Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1994 zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. –

(Torsten Koplin, PDS: Sehr erstaunlich! – Harry Glawe, CDU: Ja, Sie staunen öfter.)

Enthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktionen der PDS und SPD auf Drucksache 3/1994 mit den Stimmen der SPD- und PDS-Fraktion und vier Stimmen der CDUFraktion, bei fünf Gegenstimmen und einer Enthaltung auf Seiten der CDU-Fraktion angenommen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 18: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Wirtschaftliche Entwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpom-mern „Zukunft Mecklenburg-Vorpommern“, auf Drucksache 3/1998.

Antrag der Fraktion der CDU: Wirtschaftliche Entwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpommern „Zukunft Mecklenburg-Vorpommern“ – Drucksache 3/1998 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Seidel von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Seidel.