Protocol of the Session on March 8, 2001

Wir haben also Gott sei Dank eine Palette von Handlungsmöglichkeiten. Das vielfach und heute wieder angekündigte Wegweisungsrecht für sieben Tage muss nach zwei Tagen vom Richter bestätigt werden – das sagt der Herr Timm nie –, das bringt de facto also nicht mehr als das, was wir bisher im SOG festgeschrieben haben.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Das ist richtig.)

So unzureichend sind die Möglichkeiten des SOG also nicht. Die Wegweisung allein, und das wissen wir, bringt nichts. Die sofortige Betreuung der Opfer über die Interventionsstellen muss gesichert werden.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig. – Dr. Margret Seemann, SPD: Deswegen haben wir auch Geld eingestellt.)

Und wir haben ja fast circa 1.400 Opfer. Da müssen wir fragen.

Wenn wir uns an der österreichischen Lösung orientieren, dann muss sie auch komplex umgesetzt werden. Ankündigungen alleine genügen nicht, auch wenn Sie sie öfter wiederholen. Entscheidend sind aus unserer Sicht die zivilrechtlichen Maßnahmen wie Wohnungszuweisung und Kontakt- und Näherungsverbote sowie nachfolgend die sofort einsetzende Betreuung über die Interventionsstellen. Und Sie haben im März 2000 die Regierung aufgefordert, solch ein Gesamtkonzept vorzulegen. Das kostet Geld, das haben Sie offenbar vergessen und darauf haben wir Sie vor einem Jahr hingewiesen. Deswegen hatten wir da Probleme, gleich zuzustimmen.

Wir erwarten nunmehr in Berlin und Schwerin eine zügige Umsetzung ihrer eigenen Ankündigungen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen mit folgenden Schwerpunkten:

verbesserte Prävention sowie Maßnahmen zur öffentlichen Ächtung von Gewalt gegen Frauen

(Zuruf von Annegrit Koburger, PDS)

Davon reden wir schon seit Jahren, da waren Sie noch gar nicht hier.

(Annegrit Koburger, PDS: Ha, ha, ha! …)

schulische Prävention gegen sexuelle Gewalt

Gewaltpräventions- und Fortbildungskonzepte für Schulen

komplexe Fortbildung von Polizei und Staatsanwaltschaft – das ist ganz wichtig, das ist von uns eingeleitet worden –

(Annegrit Koburger, PDS: Von Ihnen eingeleitet worden? Ich lach’ mich scheckig.)

sowie separate Erfassung der Straftaten in der polizeilichen Kriminalstatistik

Das wird ja bald möglich sein.

Prüfung und Einführung eines neuen Straftatbestandes der fortgesetzten häuslichen Gewalt

lückenlose Erfassung und Speicherung – damit haben Sie ja immer Ihre Schwierigkeiten – aller strafwürdigen Sachverhalte im Sexualstrafrecht und bei häuslicher Gewalt

(Dr. Margret Seemann, SPD: Warum haben Sie dann an unserem Aktionsplan nicht mitgearbeitet?)

Sie müssen sich mal unsere Pläne seit Jahren durchlesen, da steht eine ganze Menge drin dazu.

(Heiterkeit und Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Na, von uns!

(Karla Staszak, SPD: Ja? Wann denn?)

Zeugenschutzprogramm für die von Gewalt betroffenen Frauen und Kinder sowie die Anerkennung der Aussage als Beweis vor Gericht per Videofilm

Das ist eine ewige Forderung der CDU, da haben Sie immer nein gesagt.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Und warum sind Sie dann nicht hingekommen und haben … Die Frauen hätten Sie auseinander genommen. – Heiterkeit bei Annegrit Koburger, PDS)

Umsetzung eines Beschäftigungsgesetzes für von häuslicher Gewalt betroffene Frauen.

Na, wenn Sie über Ihre eigenen Sachen lachen, tun Sie mir Leid.

Prüfung einer Abschiebefrist von mindestens vier Wochen für Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden sind, um deren sichere Rückkehr vorzubereiten

sofortige Abschiebung ausländischer Straftäter beim Komplex häuslicher Gewalt

Vorlage eines Aktionsplanes mit Vorschlägen für ein Netzwerk unter maßgeblicher Beteiligung von CORA und AGNES sowie, und das ist das Entscheidende, die Absicherung der Finanzierung

und Prüfung, ob die Opferhilfe nicht insgesamt und hier speziell natürlich für die Opfer häuslicher Gewalt als staatliche Aufgabe, in welchem Umfang auch immer, definiert werden kann

Die Finanzierung Ihres Programms kostet aus meiner Sicht circa 2 Millionen DM jährlich. Aber da haben Sie ja 1998 erst mal mit 354 Stellen Ihre Verwaltung aufgebläht: Sonderverwaltungen, Sonderstaatssekretäre, Sondergehälter. Beim ÖBS haben Sie 12 Millionen DM rausgeworfen und das Bildungsfreistellungsgesetz kostet auch jährlich 600.000 DM. Da fehlten jetzt natürlich 2 Millionen DM.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Haben Sie nicht noch ein bisschen mehr? – Volker Schlotmann, SPD: Sie sollten der finanzpolitische Sprecher werden.)

Und im Haushalt 2001, das haben wir gesagt, finden wir nur 270.000 DM für Interventionsstellen und 90.000 DM für ein Modellprojekt. Das sind also ganze vier Stellen mit Sachkosten und diese sollen 1.400 Fälle bearbeiten. Das wird nicht funktionieren.

(Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Der Weiße Ring arbeitet, nun wollen wir mal einen Vergleich bringen, in unserem Land in 15 Außenstellen mit circa 100 Mitarbeitern im Rahmen der Opferbetreuung ehrenamtlich. Für die entscheidenden Schnittstellen, ohne die kein Wegweisungsrecht funktioniert, fehlt also bis heute das Geld. Für das von uns präferierte Netzwerk benötigen wir aus meiner Sicht mindestens 20 Arbeitsplätze in mindestens fünf Interventionsstellen,

(Dr. Margret Seemann, SPD: Mindestens!)

in Anlehnung an die Polizeidirektionsbereiche, sowie die Vernetzung aller Verbände und Vereine, die sich mit Opferarbeit wirklich beschäftigen und auch auskennen. Wir sind für die effektiven Maßnahmen in Anlehnung an das österreichische Modell.

Das Thema Gewalt gegen Frauen ist uns auch zu ernst, als es nur dauernd in der Zeitung als Ankündigung dieser Koalition zu lesen. Wir erwarten Taten statt Worte, Frau Dr. Seemann. Und dass Sie die bisherigen Möglichkeiten im SOG nicht kennen, das kann man Ihnen nicht vorwerfen, das kennt ja noch nicht mal Ihr Innenminister.

(Unruhe bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Dass Sie uns aber Populismus vorwerfen, finde ich schon ein bisschen stark. Sie künden per Antrag vor einem Jahr große Aktivitäten an und wenn wir danach fragen, sagen Sie, wir sind Populisten. Naja.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Sie sagen es. Sie haben den Antrag abgelehnt und dann wollen Sie was in anderthalb Monaten haben? – Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Herr Thomas, können Sie nicht mal aufhören?!)

Dass Sie dann noch in Ihrer Presseerklärung bei der entscheidenden Finanzierung auf Haushaltsberatungen verweisen, ist für das Projekt wohl eher kein Vorteil, sondern doch eher ein Nachteil.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Ach, Sie wissen noch nicht, dass die Finanzen über den Haushalt geregelt werden, Herr Thomas?!)

Und, Frau Koburger, Sie sollten sich da mal lieber mit Ihrem ganzen Gewicht gegen Frau Dr. Seemann durchsetzen, die so was in einer Presseerklärung schreibt.

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Und der Herr Dr. Timm sollte aufhören, andauernd das Wegweisungsrecht als Änderung im SOG anzukündigen. Das macht er nun schon drei-, viermal, passiert ist noch nichts. Er weiß offenbar nichts, deswegen habe ich es erläutert, was laut SOG schon möglich ist. Nach der Wegweisung muss die Polizei die Interventionsstelle aus unserer Sicht informieren, damit eine sofortige Betreuung der Opfer beginnen kann. Die Polizeidirektion Rostock hat dazu schon gute Vorarbeitet geleistet.

(Karla Staszak, SPD: Ja.)

Der Innenminister – er ist ja nicht da, dazu können wir ihn nur auffordern – sollte seinen Einfluss bei der Finanzministerin nutzen