dass das wohl alles so ganz gut sei. Die Grundannahme des Entwurfs, der Zivilprozess werde mit seiner Verhandlungskultur dem Rechtsuchenden nicht mehr gerecht, ist mit der Wirklichkeit nicht vereinbar. Der Zivilprozess befindet sich in einer insgesamt guten Verfassung.
Die Entscheidungen der Gerichte ergehen im Regelfall in angemessener Zeit. Die Verfahren werden in erster Instanz bei Amts- und Landgericht in 4,6 und 6,7 Monaten erledigt,
was sich auch im europäischen Vergleich sehen lassen kann. Außerdem ist die Vergleichsquote bei uns folgendermaßen: Amtsgerichte 32 Prozent, Landgerichte 57 Prozent.
Zu den Kosten ist schon einiges gesagt worden. Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen haben das mal prüfen lassen. Sie kommen in Zigtausende. Und die Antwort des Justizministeriums und der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern auf unsere Anfrage lautet: „Die in
dem Gesetzentwurf vorgesehene Konzentration sämtlicher Berufungen und Beschwerden vor dem Oberlandesgericht würde wahrscheinlich Auswirkungen auf den Haushalt in personal- und gebäudewirtschaftlicher Hinsicht nach sich ziehen.“ Darüber ist wohl mit der Finanzministerin schon gesprochen worden und die hat es sicherlich schon abgedeckt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein so vernichtendes Urteil aus dem Bundesrat steht aber zunächst für die Sitzung am 10. November im luftleeren Raum, denn da mussten die Politiker ja handeln. Und sie haben nichts anderes getan, als die Notbremse gezogen, um die Justizministerin nicht im Regen stehen zu lassen. Deshalb haben sie zu diesen Punkten im Einzelnen Stellung genommen.
Aber nicht nur aus den Ministerien kam die Ablehnung. Zu Ihrem Zitat aus dem Richterbund darf ich die 52. Jahrestagung der Präsidentinnen und Präsidenten der Oberlandesgerichte zitieren, zunächst auf einer Seite ein vernichtendes Urteil im Detail, welches endet: „Die Mängel und Defizite des Entwurfes wiegen so schwer, trotz einzelner Möglichkeiten, dass er trotz einer Reihe positiver Ansätze als Ganzes abgelehnt werden muss. In diesem Ergebnis stimmt die Konferenz aller OLG-Präsidentinnen und -Präsidenten mit der Anwaltschaft überein.“
(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Aber die Richterschaft ist nun mal ein konservatives Volk. Das ist so. – Barbara Borchardt, PDS: Das ist wohl wahr.)
In der Stellungnahme zum Referentenentwurf Deutscher Richterbund lautet der erste Satz: „Der Deutsche Richterbund lehnt den Referentenentwurf in der vorliegenden Form ab.“ Da müssen Sie dann schon vollständig zitieren. Und bei Details heißt es dann: „Damit sind für den Deutschen Richterbund jedoch unverzichtbare Voraussetzungen für eine Zustimmung nicht gegeben.“ Die Anwaltschaft erspare ich mir, die geht in dieselbe Richtung.
Ich darf zunächst sagen, ich kenne aus meiner langen Parlamentsgeschichte nicht einen einzigen Fall eines Reformgesetzes, wo die Opposition außerhalb der Parlamente so viel Zustimmung fand. Da werden Sie mir mit einiger Sicherheit Recht geben. Warum also geht diese Justizministerin dann wie eine Dampfwalze immer weiter?
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Antwort ist relativ einfach. Herr Dr. Born hat es gesagt. Sie ist angetreten und wollte die große Reform. Sie wollte die Dreistufigkeit insbesondere mit der Justizministerin aus Sach
sen-Anhalt beginnen. Und da sie da schon so viel Gegenwind erfahren hat, hat sie das zunächst mal sein lassen und sagt: Gut, dann mache ich es zunächst einmal hinten herum über die Reform des Prozessrechts. Und dazu braucht sie sämtliche Berufungen beim OLG, sämtliche Berufungen aus Mecklenburg-Vorpommern, von den Amtsgerichten, von den Landgerichten – alle nach Rostock.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Reform ist so gesehen das Trojanische Pferd, mit dem die Justizministerin versucht, heimlich die Dreistufigkeit faktisch zu schaffen, und das sollen wir schlucken.
Herr Justizminister, wie geht es aber weiter? Die Justizministerin auf Bundesebene läuft Amok. Sie klappert, obwohl sie im Bundesrat und im Bundestag eine Mehrheit hat, seit einigen Wochen die CDU-Justizminister ab. Sie war bei dem Justizminister Weiß in München,
sie war bei dem Justizminister Birkmann in Thüringen, sie hat wohl noch vor sich Herrn Schelter in Brandenburg, Herrn Nolte
Ich darf Ihnen sagen, dass die CDU-Justizminister gestern beschlossen haben, die Reform zunächst abzulehnen und so lange abzuwarten, bis die SPD-Justizminister und die Ministerin auf Bundesebene einen gemeinsam abgestimmten Entwurf vorlegen.
Es kam ja vorhin sehr nett: Jaja, das Land verhandelt ja. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir von der CDU werden, bevor wir noch mal im Detail Stellung nehmen, erst mal abwarten, bis nun tatsächlich die SPD-Minister und die Ministerin auf Bundesebene sich auf einen einheitlichen Entwurf geeinigt haben. Ein solcher liegt ja bisher nicht vor,
sondern wir haben die weitgehende Ablehnung vom 10. November 2000. Das ist vier Monate her und seitdem wird verhandelt. Aber es gibt nicht nur keine Einigkeit zwischen den SPD-Ministern, sondern seit vorgestern wissen wir, dass nicht einmal die Koalition im Bundestag sich völlig einig ist. Der Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion, mein Stellvertreter im BACDJ, Herr Röttgen, war eingeladen worden zu einem Berichterstattergespräch. Das ist kurzfristig abgesagt worden mit der Begründung, die Koalition habe noch Gesprächsbedarf. Nun müssen sich erst mal die Grünen und die SPD im Bundestag auf einen Text einigen, zu dem dann die Oppositionspartei etwas sagen kann.
Wir stehen hier und ich wiederhole noch mal, wir können gerne, wenn Sie sagen, wir müssen das sowieso ablehnen, den Antrag etwas umändern und sagen: Überweisung an den Rechtsausschuss. Da können wir uns dann im Detail unterhalten. Und ich nenne Ihnen noch einmal die wichtigsten Punkte, die auch in unserem Katalog enthalten sind.
Herr Minister, helfen Sie und bewahren Sie uns erstens vor der Berufungskonzentration in unserem großen Flächenstaat! Ein bisschen schienen Sie in Ihrer Rede sogar dazu zu neigen. Helfen Sie uns, und bewahren Sie uns davor! Das mag in Stadtstaaten gehen, das mag auch beim OLG Braunschweig gehen vom alten Herzogtum Braunschweig, das bloß so groß ist. Aber daneben haben Sie in Niedersachsen dann das OLG Celle, da müssen sie dann von Aurich hin – nicht machbar.
Zweitens. Bewahren Sie uns vor einer Aushöhlung der Rechte in der Berufungsinstanz! Ich brauche das im Detail hier nicht vorzutragen, dazu habe ich in 15 Minuten keine Zeit. Sie wissen, was gemeint ist. Sie können es im Übrigen in der Drucksache des Bundesrates nachlesen. Das ist akkurat auch unsere Begründung.
Drittens. Bewahren Sie uns vor der so weitgehenden Beseitigung des Kammerprinzips und des weitgehenden Übergangs zum Einzelrichter! Wir haben hier bei uns circa 50 Prozent beim Einzelrichter.
Und deshalb sollten Sie uns auch viertens bewahren vor dem Zwangsgüteverfahren, das Sie hier vorgeschlagen haben. Es ist noch niemand aus dem Gericht gekommen und hat sich beschwert, dass er sich bei diesem Richter nicht hat vergleichen können. Das gibt es gar nicht.
Also wozu denn dann eine Zwangsgüteverhandlung bei Amtsgerichten?! Sie können im Bundesrat nachlesen, welche Gefahren das mit sich bringt und welche Verschleppungen und Verzögerungen das auch noch mit sich bringen kann. Wir haben, und ich habe das schon vorgetragen, 32 Prozent Vergleiche vor Amtsgerichten und man höre: 57 Prozent der Sachen werden bei den Landgerichten verglichen. Warum dann noch ein Zwangsgüteverfahren?
Fünftens. Bewahren Sie uns vor dem angedachten Räderwerk in diesem Konvolut, das zu einer Bürokratisierung des erstinstanzlichen Verfahrens mit Hinweispflichten und Fristsetzungen, mit Notartätigkeit alles aufzuschreiben führt! Bewahren Sie uns davor, wenn es irgend geht! Aber auch da sind wir gerne bereit, im Detail im Rechtsausschuss unsere Auffassung niederzulegen. Meine 15 Minuten sind nämlich in zwei Minuten abgelaufen. Deswegen muss ich zum Schluss kommen. Ich könnte das sonst gerne noch eine Stunde ausdehnen.
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, CDU, PDS und Minister Dr. Wolfgang Methling – Heinz Müller, SPD: Keine leeren Ver- sprechungen! – Annegrit Koburger, PDS: Halten Sie sich an die Redezeiten! – Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe Ihnen den Widerstand – und Herr Born hat das auch schon gesagt – in der gesamten Republik noch mal aufgezählt. Ich prophezeie Ihnen, wenn die SPD dieses Reformgesetz durchsetzt in etwa in der Form, wie es jetzt vorliegt, wird die SPD ihr Image als Rechtsstaatspartei bei den Beteiligten, die was davon verstehen – und das hat Auswirkungen auf die ganze Bevölkerung –, verspielen. Das könnte uns politisch ja nur recht sein, aber wir möchten gerne mit Ihnen gemeinsam Schaden von unserem Gerichtswesen abwenden. Deswegen bitten wir Sie, unserem Antrag zuzustimmen, ihn hilfsweise zu überweisen an den Rechtsausschuss. Und da können wir uns im Detail unterhalten.
Ich bin lange genug Anwalt, ich bin lange genug Jurist. Ich bin in der Lage, den Details auf den Grund zu gehen. – Vielen Dank.