Protocol of the Session on March 7, 2001

Insofern haben Sie sich eigentlich für das, was Sie wirklich für dieses Land geleistet haben, mit diesem Beitrag disqualifiziert, Herr Brick.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Martin Brick, CDU: Und Sie waren dabei.)

Ich habe ja ganz bewusst gesagt, was Sie für dieses Land geleistet haben.

(Zuruf von Gerd Böttger, PDS)

Damit das klar ist. Aber mit Ihrem Beitrag haben Sie sich disqualifiziert. Und ich sage auch eins in aller Deutlichkeit, unsere landwirtschaftlichen Unternehmen – das sind aktuell 5.655 – oder auch unsere Einzelpersonen – nämlich 4.193 landwirtschaftliche Betriebe – oder die Personengesellschaften – das sind 758 – leisten in Mecklenburg-Vorpommern eine hervorragende Arbeit.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Und dieses werden wir anerkennen und das hätten Sie vielleicht auch mal sagen können.

(Martin Brick, CDU: Sie haben nicht zugehört.)

Sie haben ja mal auf der MeLa gesagt, angeblich, Genosse Fischler.

(Martin Brick, CDU: Sie haben nicht zugehört.)

Genosse Fischler ist konservativer Kommissar in Brüssel, also Ihr Parteifreund. Insofern disqualifizieren Sie diesen Mann hier heute auch noch.

(Martin Brick, CDU: Ja und? – Heiterkeit bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Aktualität der Landwirtschaft ist in diesen Tagen ungebrochen.

(Zuruf von Martin Brick, CDU)

Nach BSE, meine Damen und Herren – und das ist für mich die Aktualität und auch die Tragödie, vor der wir stehen –, nach BSE, TBC und nun auch noch MKS scheint alles Unangenehme drei Buchstaben zu haben und aus Großbritannien oder Bayern zu kommen.

(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei Martin Brick, CDU: An Ihnen ist Aschermittwoch auch nicht spurlos vorbeigegangen.)

Nachdem wir in den letzten Jahren vom klassischen Tierseuchengeschehen weitestgehend zum Glück verschont geblieben sind, steht nun die Maul- und Klauenseuche auch vor der Haustür von Mecklenburg-Vorpommern. Und das ist schlimm genug.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Diese Geißel der Landwirtschaft, also die MKS, ist in diesem Jahr auch schon in Argentinien, Griechenland, Israel, der Mongolei oder auch Südafrika ausgebrochen. Die afrikanische Schweinepest wütete 1999 in Portugal und in Italien. Ich glaube, das sind mal wichtige Aussagen, die Sie einfach zur Kenntnis nehmen müssen. Vor zwei Wochen gab es Fälle von klassischer Schweinepest in Österreich, meine Damen und Herren. Milzbrandausbruch in Taipeh, Rinderpest in Pakistan oder Geflügelpest in Italien. Diese kurze Übersicht zur weltweiten Seuchenentwicklung zeigt uns sehr deutlich die Notwendigkeit einer konsequenten, und das ist für mich besonders aktuell, Seuchenprophylaxe.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und Angelika Gramkow, PDS)

Immerhin, meine Damen und Herren, sind in den vergangenen Jahren 9 von 15 international registrierten Epidemien in Europa ausgebrochen. Und das ist das Schlimme. Diesem müssen wir einfach offen ins Auge schauen. Und eines habe ich bei meinen Besuchen in den landwirtschaftlichen Unternehmen immer wieder auch zur Kenntnis nehmen müssen: Der Tierseuchenschutz ist insbesondere in den Rinderbeständen bei uns in Mecklenburg-Vorpommern schon mal viel besser gewesen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Seuchenwannen, Schwarz-Weiß-Prinzip, bestimmte Hygienevoraussetzungen und intensive tierärztliche Einbindung sind leider in vielen Betrieben nur noch Geschichte. Das wird sich ändern müssen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich fordere analog zu der Schweinehaltungshygieneverordnung des Bundes eine entsprechende Regelung auch für die Rinderbestände in ganz Deutschland. Wenn dieser dringenden Forderung nicht schnell und umfassend entsprochen werden kann, werde ich Betriebe mit gesichertem Hygieneprogramm besonders anerkennen. Welche Konsequenzen dieses haben wird, auch für diese Betriebe, brauche ich, glaube ich, nicht näher zu erläutern.

Wenn wir heute über die Zukunft der Landwirtschaft sprechen, dann müssen wir daran denken, in erster Linie auch die BSE-Folgen zu bewältigen. Dabei muss alles dafür getan werden, um die Lebensmittelsicherheit zu erhöhen und das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher zurückzugewinnen. Das muss unsere gemeinsame Aufgabe sein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Das sind Formeln, die wir alle kennen. Und ich möchte Ihnen morgen in den Beiträgen, die ich noch zu leisten habe, gerne auch mehr dazu sagen, welche Maßnahmen aus meiner Sicht dafür in Frage kommen. Heute möchte ich den Blick auf den weiteren Horizont richten.

Neben der BSE-Bewältigung steht eine Umorientierung – ich betone, Umorientierung und nicht neue Landwirtschaftspolitik – auf der Tagesordnung ganz oben. Dass es hier Handlungsbedarf gibt, wird über alle Ländergrenzen und Fraktionsgrenzen hinweg anerkannt, meine Damen und Herren. Es besteht ein breiter gesellschaftlicher Konsens darüber, dass Verbraucherschutz, eine artgerechte Tierhaltung und eine umweltgerechtere Landbewirtschaftung ein viel stärkeres Gewicht bekommen müssen. Und da hat Mecklenburg-Vorpommern eine Riesenchance, eine Vorreiterrolle zu spielen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD)

Ich unterstütze deshalb ein verändertes, ich betone, ein verändertes Agrarmodell, das nicht auf das Ausräumen von Kulturlandschaften setzt oder dieses auch noch fördert, sondern das den angemessenen Wert von Lebensmitteln immer wieder herausstellt, das artgerechte Tierhaltungssysteme fördert und das Fütterungsantibiotika klar an den Pranger stellt.

(Beifall Ute Schildt, SPD)

Ich glaube, dies ist auch Konsens.

Im Klartext heißt das, weg von einer rein betriebswirtschaftlich rationalen Landwirtschaft hin zu einer volkswirtschaftlich rationalen Landwirtschaft, das heißt, einer Landwirtschaft, die sich über die Qualität definiert, also über den Verbraucherschutz, über Nachhaltigkeit und über Multifunktionalität und damit Einkommen im ländlichen Raum und in der Landwirtschaft und damit Existenzen in diesen kleinen und mittelständischen Unternehmen sichert. Dabei muss in einem künftigen Agrarmodell auch vor dem Hintergrund internationaler Verflechtungen die regionale Gerechtigkeit einen großen Stellenwert haben. So viel zunächst erst mal zu den Zielen.

Die Kunst wird nun darin liegen, gemeinsam diese Ziele zum Wohle des Landes Mecklenburg-Vorpommern in ein europäisches Agrarmodell mit einzubauen. Und dafür haben wir maximal, meine Damen und Herren, die nächsten drei Jahre Zeit. Bis zum Jahr 2004 muss das Gedankengebäude für die Zeit nach der jetzigen Agenda stehen. Die meisten dürften dabei wohl schon jetzt erkannt haben, dass wir nicht auf einer agrarpolitischen Insel leben. Um das Gemeinschaftsmodell Agenda 2000 und deren weiteren Entwicklung werden wir mittelfristig nicht herumkommen.

Und solange die Liberalisierung unter dem Druck der WTO weiter so voranschreitet wie jetzt, müssen alle Maßnahmen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft vernachlässigen, ins Abseits führen. Und dann sage ich

auch schon eines jetzt, als Sozialdemokrat werde ich Entwicklungen nicht zustimmen, die eine Produktion von Sahnehäubchen in Deutschland für nur wenige zulassen und nach der die Mehrheit der Bevölkerung auf billige Importe zurückgreifen muss.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das kann und darf nicht unser Ziel sein. Aus diesem Grunde ist eine unabdingbare Voraussetzung, dass die laufenden WTO-Verhandlungen, die Verankerung von höheren Standards zum Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz, Erfolg haben müssen. Das muss das Ziel der WTO-Verhandlungen sein. Das wird ohne Frage ein sehr schwieriges Unterfangen und ich befürchte, dass man hier mit einer Kopf-durch-die-Wand-Mentalität nicht weiterkommen wird.

Und da wären wir auch schon bei der neuen Ministerin für Verbraucherschutz, Landwirtschaft und Ernährung. Bei allen guten Absichten möchte ich der Bundesministerin nur raten, nicht einseitig auf Extreme zu setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU und Dr. Manfred Rißmann, SPD)

Wir im Osten Deutschlands haben damit so unsere Erfahrungen. Ich möchte nicht, dass sich Geschichte unter anderen Vorzeichen wiederholt. Ich habe deshalb ganz bewusst im Agrarkonzept 2000 des Landes Mecklenburg-Vorpommern ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Multifunktionalität gefordert. Und ich sage Ihnen, dass diejenigen Schiffbruch erleiden werden, die entweder nur den Blick für Schmetterlinge haben oder nur auf Teufel komm raus produzieren wollen

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zuruf von Martin Brick, CDU)

oder die nur die Sicherung sozialer Standards in den Vordergrund stellen wollen.

(Beifall Heidemarie Beyer, SPD)

Durch die strategischen Überlegungen im Agrarkonzept 2000 fangen wir bei dieser Diskussion ja nicht bei null an. Und das ist gut so. Aus diesem Grunde wird Mecklenburg-Vorpommern in Sachen Landwirtschaft im Konzert der Länder eine wichtige Rolle auch innerhalb des Bundesrates spielen. Und wir machen das heute schon. Morgen wird im Übrigen der Ministerpräsident mit dem Ministerpräsidenten aus Baden-Württemberg – hören Sie gut zu – gemeinsam versuchen, bei dem Kanzler auch Lösungen im Zusammenhang mit der BSE-Krise zu finden und zu suchen. Da könnten Sie auch mal klatschen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Zurufe von Reinhard Dankert, SPD, und Lutz Brauer, CDU)

Frau Künast hat Anfang Februar die Kostenübernahme unter anderem für Tiermehl angeboten. Ich hoffe, dass wir da jetzt schnell weiterkommen. Ich bin mir sicher, dass wir auch mit den Aktivitäten, die wir entwickelt haben, sowohl im Bundesrat als auch im Deutschen Bundestag, das Gewicht des Landes Mecklenburg-Vorpommern eingebracht haben.

Ich habe für übermorgen eine Telefonkonferenz der Agrarminister der neuen Bundesländer organisiert, um die Marschrichtung für die kommenden Agrarministerkonfe

renzen abzustecken. Ich werde dem Bund mit Nachdruck deutlich machen, dass die Landwirte in Mecklenburg-Vorpommern mit dem vorhandenen Strukturprofil genau das am besten leisten können, was zukünftig mehr Bedeutung haben wird, nämlich, und das betone ich, geschlossene Systeme, mehr Transparenz, Zertifizierung und damit eine gläserne Produktion.

Lassen Sie mich abschließend noch einige Punkte zusammenfassen, die für eine zukunftsfähige Agrar- und Verbraucherpolitik und eine Politik für die ländlichen Räume von Bedeutung sind. Um das Verschleudern von Lebensmitteln einzuschränken, muss die Antidumpingregelung weiterentwickelt werden. Darüber hinaus sind Lebensmittel vollständig zu kennzeichnen und die Zutaten zu deklarieren. Dafür brauchen wir Qualitätsprogramme und wenige, möglichst ganz wenige überschaubare Gütezeichen. Die Vermarktung von Qualitätsprodukten aus den Regionen muss stärker unterstützt werden. Lebensmittel und Tierfutter dürfen nur importiert werden, wenn sie den europäischen Standards wirklich genügen. Die flächengebundene und tierartgerechte Haltung sowie die umweltgerechte Landbewirtschaftung sind besonders zu fördern. Dazu brauchen wir unter anderem ein möglichst flächendeckendes, verbessertes Angebot von Agrarumweltprogrammen, eine deutliche Stärkung, ich betone, Stärkung nicht um jeden Preis, des ökologischen Landbaus, eine Absenkung der Viehbesatzdichten, insbesondere in den alten Bundesländern, meine Damen und Herren, eine Novellierung von Nutztierhaltungsverordnungen und eine Stärkung des Vertragsnaturschutzes oder der Vertragsproduktion insbesondere. Ich plädiere ganz klar für eine deutliche Verkürzung der Tiertransportzeiten, gerade aus der heutigen Sicht mit diesem Krisenmanagement, das wir täglich zu leisten haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS)

Dabei muss deutlich gemacht werden, dass artgerechte Tierhaltung und umweltgerechte Produktionsverfahren nicht abhängig von Betriebsgrößen und Rechtsformen sind. Dieses müssen wir gerade aus dem Osten immer wieder einfordern.