(Beifall und Heiterkeit bei Abgeordneten der PDS – Wolfgang Riemann, CDU: Ja, auch dort gibt es eine Sicherheits- gebühr. – Zuruf von Georg Nolte, CDU)
Also die Passagiere von Fährschiffen bezahlen eine Gebühr für einen Fonds, aus dem Gelder für die Prävention beziehungsweise für die Folgen von Havarien für wirtschaftlich genutzte Schiffe gezahlt werden sollen? Nun dürfen wir uns vorstellen, dass die Fährgesellschaften diese Gebühren nicht aus der Portokasse und nicht aus schwarzen Konten oder Koffern bezahlen würden, sondern dass sie diese Mehrausgaben natürlich an den Fahrgast weitergeben. So viel zum Grundprinzip.
Ich mache das an einem Beispiel fest. Für eine fünfköpfige Familie, die von Rostock nach Dänemark mit einem Auto zum Kurzausflug fahren würde, bedeutet das konkret: fünfmal 1 DM pro Person plus 3 DM je Pkw, macht 8 DM. Das sind also für Hin- und Rückfahrt schlappe 16 DM, die diese Familie mehr bezahlen müsste, damit – löbliches Ansinnen! – Maßnahmen zum Schutz der Ostsee und ihrer Küste getroffen werden können.
(Gerd Böttger, PDS: Völlig unsozial, was die CDU hier vorschlägt. – Wolfgang Riemann, CDU: Ach, ja, ja! Aber Erziehungsgeld kürzen und Blindengeld ein- frieren ist sozial. – Dr. Gerhard Bartels, PDS: Lassen Sie sich doch mal was Neues ein- fallen! – Glocke der Vizepräsidentin)
Ich gebe es zu, ich kann mich nicht erinnern, dass die CDU in der Diskussion um die Ökosteuer auch nur annähernd so großzügig für ökologische Maßnahmen gestritten hat.
(Beifall bei Abgeordneten der PDS, Dr. Manfred Rißmann, SPD, und Ute Schildt, SPD – Minister Dr. Wolfgang Methling: Richtig. – Gerd Böttger, PDS: Ja, richtig. – Wolfgang Riemann, CDU: Die ist unöko- logisch, die Ökosteuer, hat Gysi gesagt.)
Welch ein beachtenswerter Wandel! Das gleicht einem Salto mortale vorwärts und ganz ohne Gesichtsverlust, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion! Aber dennoch, es ist auch wieder typisch für uns vorliegende CDU-Forderungen, die Risiken – in diesem Falle die möglichen Auswirkungen einer Havarie – werden sozialisiert, die Gewinne bleiben nach dieser Art Umverteilung privat.
Die Variante der CDU zielt meiner Meinung nach auch nur auf Reaktion, aber nicht auf Prävention. Wäre es nicht also vernünftiger, die Mittelverwendung der Reeder etwa dadurch zu beeinflussen, dass wir vernünftige Sicherheitsstandards für Schiffe und für deren Besatzung formulieren
und sie, wenn sie die anerkannten IMO-Sicherheitsvorschriften nicht beachten, mit Sanktionen belegen?
Die Bundesregierung hat im Ergebnis der Havarie der „Pallas“ eine Expertengruppe gebildet. Das haben Sie auch schon öfter zitiert, das brauche ich nicht weiter ausführen.
Aber die grundsätzliche Lehre aus der Havarie der „Pallas“: Schadensvermeidung geht vor Schadensbegrenzung.
Was Sie machen wollen, meine Damen und Herren der CDU, ist wirklich nur Schadensbegrenzung beziehungsweise ein ganz schnelles Eingreifen nach einem Schadensfall.
Zu den Ursachen schwerer Havarien möchte ich anmerken, dass es im Wesentlichen einige wenige, nichtsdestotrotz schwerwiegende Faktoren sind, die immer wieder Auslöser von Unglücken wie das des Öltankers „Erika“ im Dezember 1999 vor der bretonischen Küste sind. Zu 60 bis 80 Prozent ist es nämlich menschliches Versagen im weitesten Sinne. Die Unzulänglichkeiten reichen von schlechter Ausbildung der Besatzung
über Kommunikationsprobleme an Bord bis hin zu permanenter Übermüdung infolge miserabler Arbeitsbedingungen. Daneben spielt gerade im Bereich der Transporte per Öltankschiff das Alter der Schiffe und ein sich daraus ergebender technischer Zustand eine entscheidende Rolle. 1999 war nahezu die Hälfte aller bei der europäischen Union registrierten Öltanker älter als 20 Jahre. In diesem Zusammenhang sei nur kurz erwähnt, dass 60 von insgesamt 77 Öltankschiffen, die im Zeitraum von 1992 bis 1999 weltweit verloren gegangen sind, älter als 20 Jahre waren. Die daraus resultierende Forderung nach Verjüngung und Modernisierung der Öltankerflotte erklärt sich beinahe von selbst.
Meine Damen und Herren! Welche Anforderungen wir an ein modernes Sicherheitskonzept stellen, haben wir bereits mehrfach dargestellt. Aber ich weiß, Wiederholung ist die Mutter der Weisheit und steter Tropfen höhlt den Stein, und vielleicht funktioniert es ja auch bei der CDU.
(Peter Ritter, PDS: Perlen vor die Säue ge- worfen. – Heiterkeit bei einzelnen Abgeordne- ten der PDS – Zuruf von Lutz Brauer, CDU – Reinhardt Thomas, CDU: Das haben Sie doch auch abgelehnt. – Heiterkeit bei Wolfgang Riemann, CDU)
Wir halten beispielsweise die Durchsetzung effektiver Hafenstaatkontrollen für unerlässlich. Damit könnte die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben und der fixierten Sicherheitsstandards gewährleistet werden.
Das darf aber nicht dazu führen, dass die verstärkte Kontrolle der Schiffe durch die Hafenstaaten die Verantwortung der Flaggestaaten für den technischen Zustand der Schiffe aufhebt. In diesem Zusammenhang setzen wir uns auch für eine erhöhte Transparenz und Konsequenz bei der Kontrolle von jenen Klassifikationsgesellschaften ein, die von den Flaggenstaaten beauftragt sind, den technischen Zustand der Schiffe zu bewerten und die gewünschte Klassifikation zu erteilen. Die anerkannten Gesellschaften müssten beispielsweise auch die volle Haftung für Versäumnisse übernehmen, wenn diese im schlimmsten Fall eine Havarie des Schiffes begünstigten.
Wäre diese Forderung schon Realität, hätten Sie eher daran gearbeitet, müsste die Zertifizierungsgesellschaft der „Erika“ für das Unheil, dass infolge ihrer Versäumnisse eingetreten ist, zahlen. Eine Haftpflichtversicherung für alle Schiffe, deren Haftungssumme den tatsächlichen Risiken entspricht, damit die Schäden nicht zu Lasten der öffentlichen Haushalte beglichen werden müssen, wäre notwendig. Und das hat ja auch die EU erkannt. Infolge des „Erika“-Unfalls arbeitet man auf EU-Ebene daran, diese Forderung umzusetzen.
Da eine gute Ausbildung der Besatzung eine wichtige Voraussetzung bei der Verbesserung der Sicherheit auf See ist, spricht es für sich, dass wir für eine Verbesserung der Bedingungen auf diesem Gebiet sind und außerdem dafür stehen, diesen Aspekt stärker in das Kontrollsystem einzubeziehen. Hinsichtlich der Ausstattung der Schiffe erwähnte ich schon den Nachholbedarf bei Schiffen älterer Bauart. Besonders vielversprechend sind natürlich
auch die Entwicklungen zu sattelitengestützter Navigation, wie sie beispielsweise vom System Galileo unterstützt wird. Desgleichen sprechen wir uns für den Bau von doppelwandigen Tankern aus, denn die doppelwandige Bauweise verringert die Gefahr eines Leckschlagens der Schiffe bei Kollision oder Grundberührung erheblich. Aber am 1. Januar 2000 waren weltweit erst 20 Prozent aller Öltankschiffe mit einer Doppelhülle ausgestattet. Deshalb begrüßen wir die nun mehrjährige Fristsetzung für die Einführung von Doppelhüllen bei Tankern. Das sind präventive Ansätze, meine Damen und Herren, auch wenn Sie dieses nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aus aktuellem Anlass nochmals auf die Kadet-Rinne zu sprechen kommen, denn gerade dieses Seegebiet zeigt symptomatisch das Einfache, das so schwer zu machen ist. Am Wochenende ereilte uns die Nachricht, dass die mit Pottasche beladene „Friendly Ocean“ in der Kadet-Rinne auf Grund gelaufen war. Auch wenn die Havarie letztendlich noch glimpflich abgelaufen ist, ist es natürlich sehr bedauerlich,
Nun ist es jedoch bei weitem nicht so, wie Sie so suggerieren, dass die Kadet-Rinne ein kaum zu passierendes Nadelöhr ist, das nur unter extremer Anstrengung gemeistert werden kann. Die Statistik spricht hier eine deutliche Sprache. Jährlich passieren etwa 55.000 Schiffe die Kadet-Rinne. Aber es gab in den letzten zehn Jahren nur einen einzigen Unfall pro Jahr bei etwa 55.000 Schiffsbewegungen jährlich. Aber trotzdem stellt sich die Frage, warum die wenigen Ausnahmen dort havarieren und warum diese Havarien nicht zu verhindern gewesen waren. Gerade in der Kadet-Rinne komme es immer dann zum Festsetzen der Schiffe, wenn diese nicht auf der vorgeschriebenen Route unterwegs sind, sei es nun, dass sie den richtigen Weg nicht gefunden haben oder ihn absichtlich nicht nahmen, um vielleicht abzukürzen und damit Zeit zu sparen.
Für beide Varianten scheint es eine einfache Lösung zu geben. Voraussetzung ist – ich komme zum Schluss – eine ausreichend auffällige Betonnung der Fahrrinne, wie sie seit dem 2. April 2000 realisiert ist. Zudem ist es von großer Bedeutung, dass die Kapitäne stets mit aktuellem Kartenmaterial ausgestattet und auch in der Lage sind, es zu lesen, beziehungsweise dass die Kapitäne sich auch bei der Beladung danach richten und den Tiefgang, den ihr Schiff dort nur haben kann, beachten. Ich denke, das sind Faktoren, die dann auf menschliches Versagen zurückzuführen sind, und in diesem Sinne können Sie natürlich mit Ihrem Antrag, der darauf gerichtet ist, Sicherheitsschiffe zu bauen, überhaupt nicht präventiv wirken,
(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Heiterkeit bei Reinhardt Thomas, CDU: Sie wissen über- haupt nicht, was Prävention ist. Sie haben das gar nicht verstanden! – Barbara Borchardt, PDS: Aber Sie wissen, was das ist, ja?! – Zuruf von Annegrit Koburger, PDS)
… ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1820 zur federführenden Beratung an den Umweltausschuss
und zur Mitberatung an den Innenausschuss, den Wirtschaftsausschuss sowie an den Tourismusausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag abgelehnt.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1820. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenprobe. – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion der CDU auf Drucksache 3/1820 mit den Stimmen der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS bei Zustimmung der Fraktion der CDU abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 17: Beratung des Antrages der Fraktion der CDU – Besetzung des Amtes des Vizepräsidenten des Landesrechnungshofs, Drucksache 3/1818.