Protocol of the Session on December 14, 2000

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 30 Minuten vereinbart. Dazu gibt es offensichtlich keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.

Als Erster hat das Wort in der Aussprache der Umweltminister. Bitte sehr, Herr Professor Methling, Sie haben die Gelegenheit.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe den vorliegenden Antrag der CDU mit einer gewissen Verwunderung zur Kenntnis genommen. Ich bin nämlich verwundert darüber, dass sich die Opposition zum Jahresende mit den Aufgaben des Bundesumweltministers beschäftigt und nicht mit den Aufgaben des Landesumweltministers.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Offensichtlich hat die CDU kein dringendes Anliegen an den Landesumweltminister, das er in eigener Zuständigkeit zu bearbeiten hätte. Das kann zwei Gründe haben. Ich nenne mal einen positiven:

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Vielleicht ist die Opposition mit meiner Arbeit zumindest diesbezüglich im Lande zufrieden, so dass sie keine Fragen in dieser Richtung hat.

(Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Die zweite Variante ist, dass Sie sich in den aktuellen Aufgaben, die tatsächlich in meinem Ressort anstehen, nicht so richtig auskennen und deswegen auch nicht die richtigen Anträge stellen. Vielleicht sollten wir da Amtshilfe leisten.

(Beifall und Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Rechtslage ist doch eindeutig: Die Endlagerung radioaktiver Abfälle sicherzustellen ist Aufgabe des Bundes und nicht Aufgabe der Länder. Ich habe mit der Zwischenlagerung in Lubmin auf dem Gebiet der Entsorgung radioaktiver Rückstände ausreichend Aufgaben, so dass ich nicht beabsichtige, mich aktiv einzuschalten in die Aufgaben von Herrn Trittin. So, wie ich Herrn Trittin kenne, legt er

auch keinen besonderen Wert darauf, dass ich mich dort einmische,

(Angelika Gramkow, PDS: So?)

denn im umgekehrten Fall würde ich auch eine Einmischung des Bundes in die Entscheidungen des Landes nicht besonders gut finden. Ich kann daher dem Landtag nur dringend empfehlen, den Antrag der CDU abzulehnen.

Das gilt schon deshalb, weil die Opposition mit Ziffer 2 des Antrages eine Unterstellung zu einem Landtagsbeschluss adeln will, und dieses geht nun gar nicht.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS – Peter Ritter, PDS: Sehr richtig.)

Es wird nämlich behauptet, der Bund würde sich seiner Verantwortung für die Errichtung eines Endlagers entziehen. Das kann der Bund gar nicht, das will ich deutlich sagen, und es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass er es versuchen würde. Die Tatsache, dass er die bisherigen Festlegungen und Entscheidungen zur Endlagerung radioaktiver Abfälle einer Überprüfung unterziehen will, ist keineswegs ein Beleg dafür, dass der Bund nicht seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen gedenkt. Im Gegenteil, ich halte es im höchsten Grade für verantwortungsvoll, wenn die äußerst komplizierte und komplexe Frage der Endlagerung einer erneuten wissenschaftlichen Überprüfung unterzogen wird. Es ist doch unbestreitbar, dass Politik und Wirtschaft in die kommerzielle Nutzung der Atomenergie eingestiegen sind, ohne zu wissen, wie sie die Entsorgungsfragen lösen können. Weltweit gibt es kein allgemein anerkanntes Entsorgungsprinzip, kein entsprechendes Konzept und es gibt erst recht keine Lösung für die Endlagerung von Kernbrennstoffen, und das nach Dekaden der Nutzung dieser Technik. Nach Jahrzehnten haben wir immer noch keinen Lösungsweg.

Insofern kann ich Ihre Wertung, Frau Kollegin Holznagel, auch nicht so richtig verstehen, die Sie hier vorgenommen haben, was die angeblich leichtfertige Umgangsweise mit der Kernenergie betrifft. 35 Prozent sind richtig, aber erstens bin ich der Auffassung, dass es tatsächlich Alternativen gibt,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

und zweitens will ich darauf hinweisen, wenn wir dieses Thema schon mal so diskutieren, dass auch Kernenergiequellen endlich sind. Auch dieses ist eine endliche Ressource und wir nutzen sie, indem wir uns eine Last schaffen an entsprechenden Entsorgungsproblemen, die wir nicht beherrschen. Und deswegen, meine ich, ist es richtig, dass dieses von der Bundesregierung noch einmal untersucht wird.

Aus meiner Sicht wäre eher politisch zu kritisieren, dass es eben noch keine Lösung gibt und dass diese Lösung auch in den Reihen der Wirtschaft zu suchen ist. Dass die Bundesregierung entsprechende weitreichende Entscheidungen auf eine breitere wissenschaftliche Basis stellen will, halte ich für richtig. Wenn dies so akzeptiert wird, ist es doch nur folgerichtig, dass die laufenden Standortauswahlverfahren und -untersuchungen ausgesetzt werden und die Ergebnisse der Expertisen abgewartet werden.

Eine ausgewogene Darstellung der Problematik findet sich in der Erklärung des Bundes zur Erkundung des Salzstockes in Gorleben, die als Anlage 4 der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 14. Juni diesen Jahres abgege

ben wurde und auf die sich auch der Antrag der CDU und Frau Holznagel in ihrer Begründung des Antrages bezogen haben. Dort heißt es nämlich:

„Als potenzielle Wirtsgesteine für Endlager kommen sowohl Salz als auch andere Gesteinsformationen wie Granit und Ton in Betracht. 1979 wurde entschieden, für eine mögliche Endlagerung den Salzstock Gorleben zu erkunden. Die dabei bisher gewonnenen geologischen Erkenntnisse stellen sich im Wesentlichen wie folgt dar: [...] Die analytisch bestimmten Hebungsraten des Salzstockes lassen erwarten, dass im Hinblick auf mögliche Hebungen auch in sehr langen Zeithorizonten (größenord- nungsmäßig 1 Mio. Jahre) nicht mit hierdurch verursachten Gefährdungen zu rechnen ist. Es wurden keine nennenswerten Lösungs-, Gas- und Kondensateinschlüsse im älteren Steinsalz gefunden. Die bisherigen Erkenntnisse über ein dichtes Gebirge und damit die Barrierefunktion des Salzes wurden positiv bestätigt.“ Insofern kann man feststellen, dass „die bisher gewonnenen geologischen Befunde einer Eignungshöffigkeit des Salzstockes Gorleben zwar nicht entgegen(stehen)“, jedoch hat die Bundesrepublik Zweifel, über die Sie gesprochen haben. Ich meine, dass diese Zweifel berechtigt sind. Ich verkürze einmal das Zitat. Diese Zweifel heißen: „Die Beherrschbarkeit von Gasbildung in dichtem Salzgestein in Folge von Korrosion und Zersetzung der Abfälle stellt ein besonderes Problem dar. International wird verstärkt die Rückholbarkeit der radioaktiven Abfälle gefordert.“ Und darum geht es unter anderem auch in diesen Prüfungen. „Dagegen zielt die bisherige Konzeption auf den dichten Einschluss im Salz. [...] Das Moratorium bedeutet keine Aufgabe von Gorleben als Standort für ein Endlager. [...] Der Bund ergreift die erforderlichen Maßnahmen, um während des Moratoriums den Standort Gorleben zu sichern. [...] Der Bund wird die notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit die [...] 10-jährige Verlängerung des Rahmenbetriebsplans für das Erkundungsbergwerk erteilt wird.“ So weit das Zitat, das ich zwischenzeitlich auch unterbrochen hatte.

Um die offenen Fragen zu klären, hat das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit im Februar 1999 einen Arbeitskreis „Auswahlverfahren Endlagerstandorte“ mit 15 Experten berufen. Die Zusammensetzung des Arbeitskreises deckt ein großes Spektrum der in der Fachwelt vertretenen Auffassungen ab. Seine Aufgabe ist es, ein nachvollziehbares Verfahren für die Auswahl von Standorten zur Endlagerung radioaktiver Abfälle in Deutschland zu entwickeln. Das Verfahren beinhaltet fundierte Kriterien und sieht die Beteiligung der Öffentlichkeit vor. Bei der Arbeit sollen keine relevanten Aspekte ausgeklammert werden. Dabei sind der Stand von Wissenschaft und Technik sowie internationale Entwicklungen und Erfahrungen zu berücksichtigen. Der Arbeitskreis ist ein fachlich-wissenschaftliches Gremium, das im Rahmen der gesteckten Ziele unabhängig und frei von Vorgaben und Weisungen arbeitet. Es ist nicht die Aufgabe des Arbeitskreises, die konkrete Standortsuche durchzuführen und den Eignungsnachweis für ausgewählte Standorte zu führen. Ebenfalls ist es auch nicht Aufgabe des Arbeitskreises, die geplanten Endlagerprojekte Schacht Konrad und Gorleben zu beurteilen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte das für ein politisch und fachlich sehr vernünftiges Vorgehen und kann mir einfach nicht vorstellen, warum die Opposition damit ein Problem hat. Das Vorgehen der Bundesregierung ist auch in Anbetracht der Tatsache, dass sich der

Stand der Wissenschaft und Technik zwischenzeitlich erheblich weiterentwickelt hat, nachvollziehbar. Nicht umsonst wird die Internationale Strahlenschutzkommission voraussichtlich bald Empfehlungen veröffentlichen, die erstmals ein radiologisches Schutzziel für unbeabsichtigtes menschliches Eindringen in ein Endlager beinhalten. Die weitere Erkundung des Salzstockes Gorleben kann zur Klärung der genannten Fragen gegenwärtig nicht beitragen. Von daher macht es vorerst wenig Sinn, in die weitere Erkundung des Salzbergwerkes Kraft und Geld zu investieren.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Die CDU unterstellt in der Begründung ihres Antrages, ich zitiere: „Insofern besteht der Eindruck, dass die von der Bundesregierung aufgeworfenen weiteren Fragestellungen, die nunmehr bearbeitet werden sollen, ebenso wie eine erneute Suche nach anderen Standorten lediglich dazu dienen, die Entscheidung über die Errichtung eines Endlagers für radioaktive Abfälle aufzuschieben.“ Das ist ja Ihr eigentlicher Vorwurf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich halte die Bundesregierung nicht für so blauäugig, dass sie meint, dass sie dieses Problem aussitzen kann und vielleicht auf diese Art und Weise die politischen Widerstände gegen die Erkundung beziehungsweise die in Planfeststellung befindlichen Endlagerstandorte Gorleben und Schacht Konrad umgehen zu können. Auch wenn im Ergebnis der Untersuchungen andere Standorte favorisiert würden – rein theoretisch mal angenommen –, gäbe es den Widerstand. Dieser politische Widerstand wird sich an jedem beliebigen potentiellen Standort in Deutschland entwickeln. Deshalb können die Untersuchungen auch nicht das Ziel haben, Konsens über alle Bevölkerungsschichten in dieser Frage schaffen zu wollen. In der Auftaktveranstaltung des Arbeitskreises Endlagerstandorte hat der Philosoph Professor Walther Zimmerli vielmehr einen Konsens über ein Verfahren zum Dissensmanagement als einzig realistisches Ziel beschrieben.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS: Richtig.)

Ich meine, wenn es gelingt, dieses zu erreichen, wäre schon viel gewonnen.

Lassen Sie mich abschließend, meine sehr geehrten Damen und Herren, feststellen, dass die Umsetzung des vorliegenden Antrages dem Land kein Stück weiterhelfen würde. Wir haben ein für 40 Jahre genehmigtes Zwischenlager, in dem wir für diese Zeit die atomaren Abfälle aus Lubmin und Rheinsberg lagern können. In diesem Zeitraum muss die Endlagerfrage in jedem Fall gelöst sein, da sich zwischenzeitlich die Probleme an anderen AKW-Standorten zuspitzen werden, so dass ein Endlager zwingend erforderlich ist. Sofern es Ihrerseits Befürchtungen gibt, dass der in der Vergangenheit als potentieller Endlagerstandort diskutierte Salzstock bei Kraak in der Nähe von Rastow im Ergebnis einer solchen Prüfung in die nähere Auswahl gelangen könnte, so kann ich Sie beruhigen, dieser Standort ist bereits als Gasspeicher verplant. Er spielt also in den Überlegungen keine Rolle. Im Übrigen, die Frage nach dieser Problematik hätte sicherlich im Antrag eine größere Bedeutung für unser Land gehabt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt ganz andere Probleme auf diesem Politikfeld, die das Land drücken, als diejenigen, die von der CDU thematisiert

worden sind. Das ist vor allem der Tatbestand, dass nach wie vor Anträge der EWN auf die Zwischenlagerung von radioaktiven Abfällen Dritter im Raum stehen, was nicht im politischen Interesse des Landes ist,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

was jedoch mit rechtlichen Mitteln schwer abzuwehren ist und wo die Haltung der Bundesregierung als Ganzes – also nicht nur die des Bundesumweltministers – schwer einschätzbar ist.

Zum Zweiten ist es die Frage der Privatisierung des Zwischenlagers Nord. Diese Frage ist lange von niemandem aufgeworfen worden. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob entsprechende Pläne der Vorgängerregierung in Bonn inzwischen endgültig zu den Akten gelegt worden sind.

(Beifall Gerd Böttger, PDS – Zuruf von Dr. Gerhard Bartels, PDS)

Wenn die CDU auf diesen Feldern mit einem Antrag aktiv geworden wäre, hätte sie Übersicht bewiesen. Mit dem vorliegenden Antrag haben Sie nur blinden Aktionismus bewiesen. Zur Annahme kann ich deshalb diesen Antrag nicht empfehlen.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Übrigens will ich zum Schluss sagen: Zu den beiden

Fragen, die mir wichtig erscheinen, haben wir inzwischen gehandelt und werden wir handeln gegenüber der Bundesregierung. Dort kommt es darauf an, dass wir handeln. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. Klostermann von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit diesem vorliegenden Antrag der CDU-Fraktion zur Aufhebung des Moratoriums Salzstock Gorleben wird ein brisantes Landesinteresse für Mecklenburg-Vorpommern unterstellt, das nun beim besten Willen nicht nachzuvollziehen ist. Mir ist nicht bekannt, dass irgendwo in unserem weitläufigen Land, in den Landesteilen ein Atomkraftwerk am Netz ist und im Notstand abgebrannte Brennelemente produziert. Im Gegenteil, das ehemalige Superatomkraftwerk Lubmin ist längst abgeschaltet, stillgelegt und der Rückbau wird mit Beschleunigung vollzogen. Die hochradioaktiven Abfälle – eingelagert in Castoren – werden derzeit in das in Betrieb befindliche Zwischenlager Nord transportiert. Alle anderen strahlenerzeugenden und wärmeentwickelnden radioaktiven Abfälle werden ebenfalls im ZLN zeitweise gelagert. Damit steht für uns kein Zeitproblem und auch kein sachliches Problem für die erste Stufe der Entsorgung.

Heute geht man von einer Zwischenlagerung der beschriebenen Abfälle über einen Zeitraum von mindestens 30, eventuell 40 Jahren aus. Dabei ist dies das Resultat eines weltweit und deutschlandweit nicht vorhandenen Endlagers einerseits und andererseits ist die Erkenntnis der Notwendigkeit einer Abklingphase in der Wärmeabgabe über mehrere Jahrzehnte erst in den letzten Jahren herangereift. Infolgedessen ist ein Endlager derzeit noch nicht nötig.

Meine Damen und Herren! Ein Zwischenlager für radioaktiven Müll gibt es bereits in Gorleben. Während in Lubmin nur und ausschließlich Castoren aus dem dortigen ehemaligen KKW und Rheinsberg zwischengelagert werden, ist der Standort Gorleben offen und auch nicht ausgelastet, obwohl bereits verplant. Das heißt, man staunt, wenn man in die Hallen kommt, wie leer sie sind. Es gibt daher aktuell keinen sachlich begründeten Handlungsbedarf für eine Fortsetzung der Erkundung des Salzstockes Gorleben. Das Beispiel der jüngsten Ereignisse im ehemaligen von der DDR betriebenen Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben zeigt zudem, dass eine zu schnelle Festlegung auf ein gegebenenfalls ungeeignetes Lager unabsehbare Folgen haben kann.

Insofern sollte die CDU-Fraktion besser kleine Brötchen backen, denn die risikoreiche über den Einigungsprozess fortgesetzte – jetzt das zehnte Jahr – Nutzung von Morsleben bis in unser Jahrzehnt geht also auf die CDU-geführte Bundesregierung zurück. Das sind Risikoentscheidungen, risikobehaftete Entscheidungen gewesen, Morsleben überhaupt weiterzubetreiben.

(Dr. Gerhard Bartels, PDS: Richtig.)