Protocol of the Session on December 14, 2000

(Zuruf von Martin Brick, CDU)

Aber eins sage ich Ihnen hierzu namens unserer Fraktion – und das haben wir natürlich mit unserem Koalitionspartner, mit dem Minister abgestimmt,

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ah ja!)

bevor ich das hier sage: Wir werden Ihnen die Möglichkeit geben, vor allen Dingen denen, die da hinten sitzen, den Vertretern der Polizei, der Polizeigewerkschaft, anderen Experten, im Innenausschuss diese Fragen zu erörtern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und einzelnen Abgeordneten der PDS – Zuruf von Monty Schädel, PDS)

Da gehören sie hin und dafür werden wir eintreten.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja. – Jürgen Seidel, CDU: Das ist ja wohl das Mindeste.)

Also ich meine, Sie haben richtige Fragen aufgeworfen, aber die Antworten sind Sie uns schuldig geblieben. Und so kann man keine Politik machen. – Danke schön.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Jäger von der CDU-Fraktion. Bitte sehr, Herr Jäger.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

Herr Kollege Böttger, also bis zum Schluss hatte ich noch geglaubt, Sie hätten aus meiner Rede etwas abgeschrieben.

(Gerd Böttger, PDS: Hab’ ich ja auch. – Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, PDS und einzelnen Abgeordneten der CDU)

Ja. Aber ganz am Schluss haben Sie dann die Kurve wieder gekriegt. Also, wenn Sie die Themen, die Problemfelder, die Sie mit Recht hier angesprochen haben, diskutieren wollen, dann stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall Wolfgang Riemann, CDU – Zuruf von Heidemarie Beyer, SPD)

Dann ziehen wir das Ding in den Innenausschuss, dann hören wir die Gewerkschaften an, dann hören wir die Polizei an und dann kommen wir zu Lösungen.

(Gerd Böttger, PDS: Das hat aber mit dem Antrag nichts zu tun.)

Denn, Herr Innenminister, Sie haben hier sehr Schönes gesagt, auch über unsere Landespolizei. Sie haben das aber sehr theoretisch gehalten. Sie haben geschwärmt von dem Hightechpolizisten, den Sie mal irgendwann in diesem Lande haben wollen. Aber wer hat denn dieses kleine Bröselchen abgeschnitten, als wir mal versucht haben, Polizisten von der Schreibarbeit zu entlasten? Wer hat den Neubrandenburger Versuch scheitern lassen?

Herr Innenminister, Sie haben gesagt, wir brauchen mehr im gehobenen Dienst. Einverstanden! Aber gucken Sie mal, was Sie bisher erreicht haben! Dadurch, dass Sie kein Personalentwicklungskonzept vorgelegt haben,

(Reinhardt Thomas, CDU: Das ist ja keins.)

Sie haben es nicht vorgelegt, haben Sie die hundert Stellenhebungen, die es in den früheren Jahren gab, vom mittleren in den gehobenen Dienst nicht erreicht, bei einer zugegebenermaßen strengen Finanzministerin. Herr Minister, ich erwarte von Ihnen einfach mehr, als dass Sie hier ankündigen, als dass Sie etwas Schönes sagen, sondern Sie müssen auch so handeln.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Der setzt sich weder für die Kommunen noch für die Polizei ein.)

Und ich greife ausdrücklich den Appell von Herrn Kollegen Böttger auf: Es geht eine Strukturveränderung in einer Landespolizei nur, wenn man mit den Betroffenen redet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Und genau das, genau das findet im Augenblick nicht statt, sondern es wird sogar kleinkariert darüber diskutiert und nachgesonnen, ob das nun ein Fall der qualifizierten Mitbestimmung für den Hauptpersonalrat ist oder nicht. So kann man nicht zusammen mit der Landespolizei Strukturveränderungen machen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Meine Damen und Herren, gerade dieser im Werden befindliche Organisationserlass – da steht ja drüber, 2000, der Monat steht noch nicht drin – zeigt, dass mit der Praxis überhaupt nicht gesprochen worden ist. Man kann

über Polizeireviere reden, aber dann muss man auch sagen, wie man sie einbindet. Sie sagen – das hätten Sie auch aus dem Lehrbuch abschreiben können –, wir wollen Führungsstrukturen verschlanken. Prima, Herr Minister! Aber Sie müssten uns mal – und deswegen ist der Antrag so gestellt –, Sie müssten uns mal erklären, wie Sie das in die Führungsstruktur einpassen und nicht neue Leitungsebenen schaffen. Ich bin überhaupt nicht entschlossen, hier zu sagen, das ist der falsche Weg, aber Sie sollten in die Diskussion darüber eintreten und sollten gerade die Praktiker nicht ausklammern.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Richtig.)

Und Sie haben so schön gesagt, aus der IZB, also der Inspektion Zentrale Dienste, nehmen wir die Verkehrsüberwachung heraus und geben sie in die Fläche. Klingt prima, ist nur, mit Verlaub gesagt, in einem Flächenland – Quatsch darf ich nicht sagen, aber – Unsinn. Und zwar deswegen, einfach mal aus der Praxis gegriffen: Lassen Sie es passieren, dass einer unserer Radarmesswagen in ein, sagen wir, beim Amtsgericht befindliches Verfahren einbezogen ist. Der Amtsrichter zweifelt die Messgenauigkeit an. Dann bleibt das Fahrzeug so lange außer Betrieb, bis das geklärt ist. Und wenn Sie in der Inspektion nur ein oder zwei dieser Fahrzeuge haben, wie wollen Sie dann Linienüberwachung machen, wie wollen Sie überhaupt sicherstellen, dass die Überwachung stattfindet? Und jetzt sage ich Ihnen etwas, was Sie vielleicht noch nicht wissen: Die Polizei ist ein Organismus. Ich kann mir gut vorstellen, dass in Lagen, in denen die Polizei vor Ort stärkemäßig überfordert ist, die hoch ausgebildeten Beamten, die diesen Bereich haben, auch für andere Zwecke eingesetzt werden, und das bei steigenden Verkehrsunfallzahlen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU)

Denken Sie an die Praxis, reden Sie hier nicht nur in Theorie! Dass Sie dabei in der Begeisterung Ihres Reformations- oder – entschuldigen Sie, es geht nicht um theologische Themen –,

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der SPD und CDU)

in Ihrer Reformierungsbegeisterung auch die Diensthundestaffel ganz vergessen haben, denn die gibt’s nach Ihrer neuen Organisation nämlich nicht mehr – was das soll, weiß ich nicht. Übrigens, das sind keine Personalkosten, das sind nur Fütterungskosten. Also da sollten Sie nicht rangehen.

(Angelika Gramkow, PDS: Das ist aber auch not- wendig. – Zuruf von Wolfgang Riemann, CDU)

Ja, sicher. Und deswegen beklage ich es. Dass bei einem Organisationserlass, der jetzt schon in die Mitbestimmung gehen sollte – also jedenfalls hat man mal die Gewerkschaften beteiligt, das ist für mich ein Mitbestimmungsfall –, die Diensthundestaffel ganz vergessen wird, zeigt, wie da gearbeitet wird.

Und übrigens zum Personalentwicklungskonzept. Also es ist von Ihnen selber vorgestellt worden als ein Nichtpersonalentwicklungskonzept,

(Reinhardt Thomas, CDU: Richtig.)

sondern als Eckpunktepapier, aus dem dann das Personalentwicklungskonzept entwickelt werden soll, wie der

Name so schön sagt. Dass die Damen und Herren aus den Koalitionsfraktionen unter Führung unseres Innenausschussvorsitzenden Herrn Friese dann mit Mehrheit bestimmt haben, Personalentwicklungskonzept ist das Eckpunktepapier, war ziemlich überraschend. Aber ich sage dazu den Merksatz für junge Juristen, da steht es nämlich auch: Fisch in diesem Sinne kann auch ein Frosch sein. Und Sie mussten diese Kröte ja wohl schlucken, denn sonst hätten Sie nicht mit Erstaunen feststellen müssen für den Stellenplan 2000, wo Sie noch so stolz waren, dass Sie einige Stellenhebungen im parlamentarischen Verfahren durchgebracht haben. Dafür musste die Landespolizei im Stellenplan 2001 wegen fehlenden Personalentwicklungskonzeptes noch mit zwei Stellen zahlen, die weggestrichen wurden. Das haben Sie selber gesehen. 175 Stellen hat diese Verzögerung die Landespolizei bisher gekostet.

Und, Herr Innenminister, ich weiß, dass wir eine zahlenmäßig große Polizei haben. Aber wenn sich ein Innenminister hier hinstellt und der Finanzministerin, die vorhin direkt hier saß, in die Augen blickt und genau das nachredet, was aus dem Finanzministerium kommt, dann verstehe ich nicht mehr, wozu wir überhaupt noch einen brauchen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Angelika Gramkow, PDS: Das ist sehr ungerecht, Herr Jäger.)

Das ist nicht ungerecht.

(Unruhe bei Ministerin Sigrid Keler – Wolfgang Riemann, CDU: Werden Sie Abteilungsleiter im Finanzministerium, Herr Timm! – Zuruf von Georg Nolte, CDU)

Und ich möchte etwas zu Ihren doch sehr ansprechenden Ausführungen zur Qualifikation unserer Polizeibeamten sagen.

(Ministerin Sigrid Keler: Herr Nolte hat gestern ganz anders geredet.)

Alles theoretisch richtig, prima, unsere Beamten müssen sich täglich qualifizieren. Prima! Aber was haben Sie denn vor? Wenn ich da in Ihre Laufbahnverordnung, in den Entwurf, reingucke, Herr Böttger hat es erkannt: Durch Ihre Formulierung sind die Beamten, die seit 1992 dafür gesorgt haben, dass jährlich die Aufklärungsquote stieg, die dafür gesorgt haben, dass jährlich die Verbrechen und Vergehen pro 1.000 Einwohner in unserem Lande gesunken sind, die Gekniffenen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU – Wolfgang Riemann, CDU: Genau so. – Gerd Böttger, PDS: Na ja!)

Diese Beamten haben dann keine Möglichkeit mehr zum Durchstieg. Und, Herr Minister, ohne jede Not vermindern Sie damit die Plattform für die Auswahl des dünnen Keils höherer Dienst. Wollen Sie wirklich so vorgehen?

Und dann will ich Ihnen auch noch was sagen. Mir tut eine Landespolizei und mir tun dann auch die späteren jungen Beamten Leid, wenn Sie in verstärktem Maße mit den so genannten Seiteneinsteigern so vorgehen, wie Sie das da vorgesehen haben. Können Sie sich vorstellen, was so ein junger Kommissar in der Dienststelle anfängt? Da sitzen gestandene Beamte des mittleren Dienstes, mit einer richtig guten Diensterfahrung, mit einer strammen Motivation, mit einer prima Fortbildung und dann kommt

einer, direkt von der Schulbank, macht eine theoretische Ausbildung mit ein wenig Praktika – habe ich alles gesehen –, und der soll dann tatsächlich Vorgesetzter dieser Beamten sein? Das soll noch funktionieren? Ich glaube, Sie sollten Erfahrungen aus anderen Ländern mal genau begucken, was daraus geworden ist, und sollten wieder in die Praxis zurückkommen.