Protocol of the Session on December 14, 2000

Als ich die Polizei im November 1998 als Innenminister übernommen habe, da hatte sie – und das hat sie heute noch – eine Personalstärke von 5.900 Polizeivollzugsbeamten. Sie ist damit im Verhältnis der Polizeien der Flächenbundesländer die stärkste Polizei,

(Zuruf von Ministerin Sigrid Keler)

allerdings bei starker Arbeitsbelastung. Letzteres muss unbedingt erwähnt werden. Nicht an der Spitze lag die Landespolizei bei den messbaren Arbeitsergebnissen. So betrug etwa der Anteil der aufgeklärten Straftaten 1998

(Reinhardt Thomas, CDU: Nicht, dass Sie das noch mal wiederholen, die Polizei wäre faul. Das wäre ja noch was!)

43,1 Prozent und war damit der schlechteste Aufklärungsquotient in allen Flächenbundesländern. So weit zu der Frage Schlusslicht, Herr Thomas, die Sie vorhin angesprochen haben.

(Reinhardt Thomas, CDU: Da haben Sie doch mit angefangen.)

Ich empfehle Ihnen im Übrigen, meine Damen und Herren, die Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu studieren, Bundestagsdrucksache 14/4113 vom 20. September 2000. Hieraus ergibt sich, unser Land hat die größte Polizeidichte der Flächenländer, die geringste Aufklärungsquote, eine sehr hohe Kriminalitätsbelastung und die unsichersten Straßen im Bundesgebiet.

(Zurufe von Harry Glawe, CDU, und Georg Nolte, CDU)

Das ist die Ausgangslage. Und aufgrund dieser Ausgangslage, die ich als fünfter Innenminister in Mecklenburg-Vorpommern übernahm, geht es tatsächlich – und darum meine ich, sollten wir übereinstimmend das gleiche Ziel verfolgen – um die qualitative Entwicklung der Landespolizei in Mecklenburg-Vorpommern, um die es im Übrigen ja auch vorher hätte gehen können. Dies alles lag und liegt jedoch nicht am mangelnden Einsatzwillen der Polizeibeamten, das will ich ausdrücklich auch den Kollegen sagen, die hinten in den Rängen sitzen, diese war gut und ist unverändert gut und hoch, sondern dies liegt an Mängeln in den Polizeistrukturen. So betrug der Anteil von Beamten des gehobenen Dienstes im Polizeikörper weniger als ein Drittel, womit wir im Ländervergleich auch ganz hinten liegen.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Ja.)

Die Aus- und Fortbildung, meine Damen und Herren, war auf drei Einrichtungen zersplittert und die Polizeiorganisation war und ist zum Teil unübersichtlich und uneffektiv.

(Sigrid Keler, SPD: Das waren alles mal Vorteile.)

Wie auf anderen Feldern gab es eben auch in der Landespolizei nach einer sehr intensiven und erfolgreichen Aufbauarbeit am Ende dieses Jahrzehnts einen Reformstau, der abzubauen ist.

Mein Anspruch als Innenminister ist es, die Qualität der polizeilichen Arbeit zu verbessern und die Landespolizei im Ganzen zu einer leistungsstarken, modernen und bürgernahen Polizei zu entwickeln, die im Vergleich mit den Länderpolizeien anderer Bundesländer stolz ihre Leistungsbilanz präsentieren soll. Jeder Polizeibeamte soll optimale Bedingungen vorfinden, so dass sein persönlicher Einsatz mit sehr guten Gesamtergebnissen der Polizei belohnt werden soll. Und das ist die Ausgangslage, aufgrund derer wir am 18. April in der Landesregierung d as qualitative Entwicklungskonzept zur Landespolizei beschlossen haben, welches ich Ihnen unmittelbar danach, und zwar allen Abgeordneten des Landes, auch unseren Bundestagsabgeordneten und anderen, am 19. April zugleitet habe. Darin geht es um fünf Bereiche:

1. Organisationsentwicklung,

2. Personalentwicklung,

3. Aus- und Fortbildung,

4. Einsatz von Technik,

5. Führung und Steuerung,

um die notwendigen Veränderungen auf den Weg zu bringen. Ich will Ihnen gerne noch einmal diese Bereiche hier an dieser Stelle im Einzelnen vortragen und komme zum ersten, der Organisationsentwicklung.

Um die Erledigung wesentlicher polizeilicher Aufgaben zu optimieren, muss die Polizeiorganisation diesen Aufgaben besser angepasst werden. Hauptziel ist der Abbau von Hierarchieebenen durch Delegation von Aufgaben und Kompetenzen nach unten. Dabei geht es auch um die Einbeziehung von modernster Informationstechnik, die die Verwaltungs- und Vorgangsbearbeitungsabläufe effizienter machen soll.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wie denn?)

Teilbereiche der Polizeidirektionen wurden bereits untersucht und einige Veränderungen sind auch schon umgesetzt worden. So wurde die Hierarchie im Führungsbereich der Polizeidirektionen abgeflacht, manche Aufgaben wurden der Führung in den Inspektionen direkt übertragen. Bei den noch bevorstehenden Änderungen wird angestrebt, die Zuständigkeitsbereiche der Polizeiinspektionen den Zuständigkeiten der kommunalen Gebietskörperschaften anzupassen.

Wir werden nach dem Grundsatz vorgehen: Führungsverantwortung gehört in eine Hand. Deshalb ist es nur logisch, meine Damen und Herren, dass die Polizeiinspektionen, also die polizeilichen Führungsebenen, in den Landkreisen und kreisfreien Städten gestärkt werden müssen. Dort müssen Verkehrsüberwachung und Kriminalitätsbekämpfung einheitlich geführt und eben auch einheitlich verantwortet werden. Den Polizeiinspektionen sollen Polizeireviere mit Polizeistationen und jeweils einem Kriminalkommissariat beziehungsweise mit Kriminalkommissariatsaußenstellen nachgeordnet werden. Auch in der Organisationsebene darunter werden die zur Verfügung stehenden Kräfte gebündelt. Die Verlagerung

der Einsatzaufgaben von den Polizeistationen auf die Polizeireviere macht zum Beispiel den Funkstreifendienst effizienter. Das ist im Übrigen ja auch ein Vorschlag, der aus dem Polizeibereich selbst bereits vor Jahren an die politische Führung des Hauses herangetragen worden ist.

Blanker Unsinn allerdings – das will ich auch deutlich sagen – ist das Gerücht, Polizeistationen sollen aufgelöst werden. Richtig ist, die Präsenz der Polizei in der Fläche bleibt erhalten. Die untere Führungsebene wird gestärkt.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Wie wollen Sie denn das machen? Das möchte ich mal sehen.)

Wenn wir die Aufgaben der Verkehrsüberwachung, meine Damen und Herren,

(Reinhardt Thomas, CDU: Das ist die Quadratur des Kreises.)

stärker in die Polizeiinspektionen verlagern – und das, meine Damen und Herren, ist tatsächlich unser Ziel –, dann handeln wir gemäß dem Verkehrssicherheitskonzept des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 29. Februar 2000, das Ihnen auch per Kabinettsbeschluss zugeleitet worden ist.

(Zuruf von Dr. Armin Jäger, CDU)

Die Inspektion Zentrale Dienste wird bei der Verkehrsüberwachung nur noch solche Aufgaben wahrnehmen, für die es einer besonderen Spezialisierung bedarf und die deshalb zentralisiert bleiben müssen.

Derzeit erfolgen ebenfalls Überprüfungen der Organisation in der Kriminalpolizeiinspektion, im Landeskriminalamt, in der Zentrale für Technik und Beschaffung, in der Wasserschutzpolizei und in der Bereitschaftspolizei. Sobald im Einzelnen hierzu die Ergebnisse vorliegen und die organisatorischen Eckpunkte festgelegt worden sind, werden die darauf basierenden Geschäftsverteilungspläne und Dienstpostenbeschreibungen selbstverständlich erarbeitet.

Meine Damen und Herren, ich will von einer anderen Seite her einen Vergleich ziehen, um Ihnen deutlich zu machen, worum es geht. Wenn Sie von der Kommunalpolitik kommen, in der wir derzeit über die Fortführung der Funktionalreform diskutieren, dann geht es in der Polizei um einen vergleichbaren Tatbestand,

(Zuruf von Reinhardt Thomas, CDU)

um die Fortführung der Funktionalreform unter strenger Einhaltung des Bonitätsprinzips. Das ist die Herausforderung, die es zu meistern gilt. Und ich bin froh, dass ich bei meinen Dienststellenbesuchen in den Polizeiinspektionen und in den Polizeistationen ganz kompetente Polizeiführer erlebe, die mir sagen: Herr Minister, wir sind bereit, die Aufgaben zu übernehmen, und erwarten, dass diese auch übertragen werden.

(Präsident Hinrich Kuessner übernimmt den Vorsitz.)

Ich komme zum nächsten Bereich, Stellen- und Personalentwicklung.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Oh ja!)

Die Grundlage auch dieser Planungen sind die Eckwerte zur qualitativen Personal- und Organisationsentwicklung, die, wie ich schon sagte, am 18. April im Landeskabinett beschlossen worden sind. Diese geben für die

nächsten Jahre Planungssicherheit und damit einen festen Korridor, innerhalb dessen die Polizei qualitativ vorangebracht werden soll.

(Reinhardt Thomas, CDU: Das kann man aber auch anders sehen.)

Eine Schlüsselposition nimmt derweil die Stärkung des gehobenen und des höheren Dienstes der Polizei ein. Ich sagte schon, wir sind in diesem Bereich Schlusslicht im Bundesgebiet.

(Dr. Armin Jäger, CDU: Richtig.)

Durch eine ganze Reihe von Maßnahmen wird der Anteil des gehobenen Dienstes von gegenwärtig circa einem Drittel auf 45 Prozent im Jahre 2006 angehoben. Der Anteil des höheren Dienstes soll von 1,3 auf 1,5 Prozent angehoben werden. Wir erwarten bis 2006 jährlich 80 Neueinstellungen im Polizeidienst, davon die Hälfte als Direktstudenten für den gehobenen Polizeidienst, die andere Hälfte für den mittleren Polizeidienst. Außerdem ist vorgesehen, jährlich circa 50 bis 60 Beamten den Aufstieg vom mittleren in den gehobenen Polizeivollzugsdienst zu ermöglichen. Insgesamt, meine Damen und Herren, das haben Sie im April nachlesen können, sind bis 2006 durchschnittlich 300 Beförderungen jährlich möglich, das heißt, 1.800 Beförderungen im gesamten Planungszeitraum.

(Beifall Angelika Gramkow, PDS – Dr. Armin Jäger, CDU, und Reinhardt Thomas, CDU: Gegen Stellenabbbau.)

Ich komme noch darauf zu sprechen, ich will es gleich tun.

(Angelika Gramkow, PDS: Hab’ ich vielleicht den Beförderungen zugestimmt?)

Ich weise an dieser Stelle das geneigte Publikum, wie ich es jedes Mal tue, darauf hin, dass auch die Landespolizei in Mecklenburg-Vorpommern abhängig ist vom Finanzausgleich zwischen den Bundesländern und zwischen dem Bund und den Ländern. Das heißt, auch wir haben den Bevölkerungsrückgang zu berücksichtigen. Der demographische Faktor bedeutet für die Landespolizei, dass sie bis 2006 175 Planstellen abzubauen hat. Allerdings werden wir auch dann auf die mit Abstand höchste Polizeidichte aller deutschen Flächenländer verweisen können,

(Sigrid Keler, SPD: Ja.)

denn auf 1.000 Einwohner kommen nach heutiger Prognose in 2006 mehr als drei Polizeivollzugsbeamte, eine Polizeidichte, wenn ich sie mit Bayern vergleichen darf, Herr Thomas, Sie haben Bayern ja mehrfach rühmlich angesprochen...