Sind Männer und Frauen gleichermaßen in Gremien vertreten, die über das betreffende Vorhaben entscheiden?
Das Ergebnis der Bewertung ist Bestandteil des gleichstellungspolitischen Berichtes zu jeder Kabinettsvorlage. Zur Steuerung und Unterstützung der Bewertungsprozesse werden Routineverfahren eingeführt. Über die Entwicklung der Gleichstellung in den einzelnen Ressorts wird einmal im Jahr im Kabinett berichtet werden. Begleitet wird dieser gesamte Prozess durch eine breite Öffentlichkeitsarbeit.
Neben diesem allgemeinen, für alle zutreffenden Verfahren hat jedes Ressort die Aufgabe, durch Einzelmaßnahmen die Chancengleichheit von Frauen zu fördern. Dazu nenne ich einige Beispiele, um es Ihnen zu verdeutlichen.
Zunächst ein Beispiel aus dem Ressort des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur – Chancengleichheit von Mädchen und Jungen in der Schule:
Die Potentiale von Mädchen und Jungen in unserer Gesellschaft sind unterschiedlich anerkannt und gefördert. Dadurch können Mädchen und Jungen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung beeinträchtigt oder sogar gestört werden. So haben Mädchen häufig Probleme bei der Entwicklung eines positiven Selbstbildes, während die Probleme der Jungen eher im sozioemotionalen Bereich liegen. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, sowohl Mädchen als auch Jungen individuell zu fördern und zu fordern, bestehende Benachteiligungen zu erkennen und zu beseitigen.
Der Schule kommt im Prozess der Herausforderung geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen eine besondere Bedeutung zu. In der Gestalt des heimlichen Lehrplanes werden tradierte Rollenmuster übermittelt. An der Ausprägung dieser Muster sind neben der hierarchischen Struktur der Institution Schule auch Unterrichtsmaterialien sowie die bewussten als auch die unbewussten Einstellungen und Verhaltensweisen der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Eltern in der Interaktion mit den Schülern und Schülerinnen beteiligt. Das Landesprogramm zur Qualitätsentwicklung an den allgemein bildenden Schulen in MecklenburgVorpommern erfordert eine Umstellung der Rahmenlehrpläne hinsichtlich der verstärkten Ausbildung von Fach-, Sozial- und Selbstkompetenz. Das Thema „Chancengleichheit von Jungen und Mädchen“ ist ein Aspekt innerhalb der Fortbildung zu den neuen Rahmenlehrplänen.
Anhand der Politikbereiche Wirtschaft, Arbeitsmarkt und ländlicher Raum möchte ich kurz an je einem Beispiel verdeutlichen, was hinter dem doppelten methodischen Ansatz steckt, den die Landesregierung zur Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern verfolgt:
Für die erste Säule des Ansatzes, das heißt für frauenspezifische Einzelmaßnahmen, steht in der Wirtschaftspolitik zum Beispiel die Fortführung des seit 1996 erfolgreichen Existenzgründerinnendarlehensprogramms.
Dieses Programm berücksichtigt beispielgebend die geschlechtsspezifischen Unterschiede des Gründungsverhaltens und der Voraussetzungen von Frauen in Mecklenburg-Vorpommern,
Damit finden grundlegende Zugangsschwierigkeiten für die in die Selbständigkeit strebenden Frauen Berücksichtigung.
Im Bereich des Arbeitsmarktes ist der doppelte methodische Ansatz zur Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern im Arbeitsmarktprogramm „AQMV 2000“ festgeschrieben. Das heißt, es steht zum einen die unterschiedliche Situation von Frauen und Männern kontinuierlich auf dem Prüfstand und zum anderen findet im „AQMV 2000“ gezielte Frauenförderung über die Richtlinie zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern statt.
Für den ländlichen Raum möchte ich beispielhaft das geplante Projekt „Frau und Arbeit regional“ nennen. Dieses soll durch eine verstärkte Vernetzung und Einbindung vorhandener Strukturen und durch die Mitwirkung in regionalen Aktionsbündnissen einen Synergieeffekt erzielen, der zum Abbau der Frauenarbeitslosigkeit im ländlichen Raum beiträgt. Es soll außerdem auf der Grundlage regional spezifischer Entwicklungsleitbilder Angebotsstrukturen ableiten. Vorrang haben dabei zukunftsfähige Arbeitsbereiche, die Wertschöpfungsketten schaffen und Erwerbstätigkeit auch außerhalb der Zentralorte ermöglichen. Mit diesem Projekt sollen modellhaft Arbeitsmarktwirtschaft, regionale Strukturpolitik und Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern praxis- und umsetzungsorientiert verknüpft werden.
Für die oben genannten Politikbereiche bilden die Strukturfonds EFRE, ESF, EAGFL in der Förderperiode 2000 bis 2006 auch eine wichtige Grundlage zur Verwirklichung der Chancengleichheit von Frauen und Männern, denn für die Vergabe von Europageldern ist die Frauenförderung seit dem In-Kraft-Treten des Amsterdamer Vertrages vom 1. Mai 1999 festgeschrieben.
Noch ein Beispiel aus dem sozialen Bereich, des Sozialministeriums. Sie wissen alle, Frauen mit Behinderungen sind doppelt diskriminiert. Sie leiden unter der generellen Benachteilung von Frauen gegenüber Männern und unter der Ausgrenzung von Menschen mit Behinderungen gegenüber Menschen ohne Behinderung. Frauen mit Behinderungen haben noch größere Schwierigkeiten als Männer mit Behinderungen, einen Arbeitsplatz zu finden. Sie erhalten deutlich weniger Einkommen als der Durchschnitt der Bevölkerung und müssen oft mit der Dreifachbelastung als berufstätige Mutter und als Frau mit Behinderung leben. Sie werden im täglichen Leben oft diskriminiert, indem sie ungefragt geduzt, angefasst, angestarrt oder ignoriert werden.
Mit der Gleichstellungskonzeption hat sich die Landesregierung verpflichtet, das Selbsthilfepotential von Frauen mit Behinderungen zu stärken beziehungsweise zu unterstützen. Gemeinsam mit dem Rat für Integrationsförderung wird die Landesregierung nach speziellen Lösungsansätzen suchen, die der besonderen Situation von Frauen mit Behinderungen gerecht werden. Die amt
lichen Statistiken spiegeln den Hilfebedarf der Frauen nicht wider. Deshalb müssen die amtlichen Daten für Menschen mit Behinderungen künftig geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselt werden.
Ein letztes Beispiel möchte ich noch aus den Bereichen Innen und Justiz anführen. Das sind Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Sie sehen daran, dass die einzelnen Ressorts verknüpft arbeiten müssen, um Strukturen zu verändern. Hochrechnungen haben ergeben, dass häusliche Gewalt jede dritte Frau betrifft.
Sie verletzt die verfassungsrechtlich garantierte Menschenwürde, das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit und Selbstbestimmung der Frau.
Viel zu lange ist diese Tatsache in unserer Gesellschaft tabuisiert und bagatellisiert worden. Ich habe bereits, wie Sie ja wissen, vor drei Jahren das Interventionsprojekt CORA in Rostock initiiert. Es hat sich gezeigt, dass Frauenhäuser und Beratungsstellen allein nicht ausreichen, um Gewalt gegen Frauen abzubauen. Die Gewalt gegen Frauen muss gesellschaftlich geächtet werden, und zwar von allen, das geltende Recht besser umgesetzt und damit müssen die Taten der Männer stärker sanktioniert werden. Und ich sage immer wieder: Auch Männer müssen dieses ächten.
(Dr. Ulrich Born, CDU: Sie sind für alle zuständig, auch für uns. – Heiterkeit bei Harry Glawe, CDU – Zuruf von Annegrit Koburger, PDS)
Damit nicht die Opfer die Wohnung verlassen müssen, sondern die Täter, wird in Mecklenburg-Vorpommern das Sicherheits- und Ordnungsgesetz geändert.
Die Polizei bekommt die Eingriffsbefugnis, die schlagenden Männer nach dem Motto „Wer schlägt, der geht.“ aus der Wohnung zu weisen.
In den Staatsanwaltschaften werden Sonderdezernate geschaffen. Durch entsprechende Fortbildung für Staats
anwälte und Staatsanwältinnen soll erreicht werden, dass in Fällen häuslicher Gewalt das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung aufgrund des Beziehungsgeflechtes zwischen Täter und Opfer bejaht wird. Es soll gewährleistet werden, dass in diesen Fällen und in Fällen von Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung eine zügige Verfahrensbearbeitung garantiert wird.
Meine Damen und Herren! Die Gleichstellungskonzeption, so, wie sie Ihnen vorliegt, ist nur als Einstieg gedacht. Einzelmaßnahmen in den einzelnen Ressorts sollen ständig weitergeführt werden und dabei sind dem Ideenreichtum der Verantwortlichen natürlich keine Grenzen gesetzt. Wir sind mit dieser Konzeption in eine neue Strategie der Gleichstellungspolitik eingestiegen. Diese Strategie ist nicht von mir selbst erdacht. Die Idee wurde bereits 1985 auf der Weltfrauenkonferenz in Nairobi geboren und ist bisher in vielen Ländern in die Politik eingeflossen, bezeichnet als Gender-Mainstreaming. Dieses Wort, meine Damen und Herren, – prägen Sie es sich gut ein! – werden Sie in nächster Zeit sehr oft hören. Ich hoffe, Sie haben es schon gehört. Gender-Mainstreaming ist eine Strategie, die die Anliegen und Erfahrungen von Frauen ebenso wie die von Männern in die Planung, Durchführung, Überwachung und Auswertung politischer Maßnahmen selbstverständlich einbezieht. Und dem, meine Damen und Herren, sollten wir uns in Mecklenburg-Vorpommern nicht verschließen.
Deshalb lade ich Sie abschließend am 7. Dezember nach Rostock ein. Wir können dann gemeinsam diskutieren, wie Gender in den Mainstream kommt.