Protocol of the Session on October 19, 2000

Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Konvergenz je als politische Entwicklungsrichtung gewollt hätten, hätten Sie das damals Herrn Dr. Krause sagen müssen.

(Beifall und Heiterkeit bei Dr. Gerhard Bartels, PDS – Reinhard Dankert, SPD: Der lässt sich doch nichts sagen.)

Dann hätte ein anderer Beitritt stattfinden müssen, aber diese Chance war damals ganz einfach nicht gewollt und nicht getan und nicht genutzt.

Bitte, aber diese Annäherung zwischen Ost und West und diese Konvergenz wird im Übrigen auch mit der Osterweiterung der EU nicht stattfinden. Auch hier wird selbstverständlich erwartet werden, dass die Beitrittsländer beitreten. Und hier wird nicht erwartet werden, dass die EU sich selbst in Richtung des politischen Systems oder der politischen Systeme der Beitrittsländer konvergieren soll. Es sei denn, Sie hätten ein paar vernünftige Ideen. Also ich hätte welche.

(Gesine Skrzepski, CDU: Ich auch.)

Aber es wird so nicht stattfinden, das kann ich Ihnen sagen.

Und diese Annäherung Ost an West hat natürlich selbstverständlich viel Positives gebracht. Das wollen wir doch gar nicht verkennen, beispielsweise in materiellen Entwicklungen, in der Modernisierung, in der Möglichkeit, persönliche Freiheiten in Anspruch zu nehmen, in der Entwicklung des Weltbildes, in der Gesundung der Umwelt. Aber es hat natürlich auch deutliche Verluste gebracht, beispielsweise in der Kriminalitätsentwicklung, beispielsweise in der Arbeitslosigkeitsentwicklung.

Ich erinnere daran, dass ich Ihnen an dieser gleichen Stelle zum Thema „Fünf Jahre Land Mecklenburg-Vorpommern“ gesagt habe, die Angleichung der Lebensverhältnisse Ost an West, die im Einigungsvertrag ja so für den Zeitraum von fünf Jahren vorgesehen war, hat praktisch nur stattgefunden in der Kriminalitätsentwicklung und in der Arbeitslosigkeitsentwicklung. Hier haben wir sozusagen überholt, ohne einzuholen.

Insofern kann man diesen Punkt 1 bestenfalls als eine Angleichung und eine Annäherung Ost an West bezeichnen. Der Aufbau Ost erfolgte übrigens weitgehend als Nachbau West und kann demzufolge auch den Erwartungen – den weitgehenden Erwartungen – der Bürger der neuen Bundesländer nicht entsprechen. Vielmehr war und ist es einfach so, dass auch in den neuen Bundesländern und damit auch bei uns in Mecklenburg-Vorpommern übernommen und ausgebaut wurde, was auch schon von vielen Westdeutschen bereits als überlebt und als reformbedürftig bezeichnet wird.

Ich komme zur Ziffer 2 Ihres Beschlussantrages, in der Sie – die CDU-Fraktion – vorgeben, den Aufbau Ost auch

nach 2004 auf hohem Niveau zu wollen. Gleichzeitig aber, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion, machen Sie sich hinreichend verdächtig, dieses proklamierte hohe Niveau eben nicht zu wollen. Sie sagen, Solipakt II ist alles und alles andere – und das beschreiben Sie in Ihrer Ziffer 3 des Beschlussantrages – ist sachlich auszuschließen. Sie nennen das, es ist „nicht durch sachfremde Verknüpfungen zu belasten“. Also alles andere, was Sie nicht aufgeschrieben haben, ist offenbar sachfremd.

(Wolfgang Riemann, CDU: Herr Kreuzer!)

Damit klammern Sie bewusst Länderfinanzausgleich und Maßstäbegesetz aus, obwohl Sie wissen, dass nur in dieser Einheit dieser Regelungen ein wirksamer Aufbau Ost ab dem Jahre 2004 überhaupt weiter möglich ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Und wir wissen auch, warum Sie das so und nicht anders wollen. Die Verkürzung Ihres Antrages auf den Solipakt II lässt nämlich genügend Spielraum für Ihre Kolleginnen und Kollegen Politiker der wohlhabenderen CDU-regierten Südbundesländer, weiterhin gegen diesen Länderfinanzausgleich aufzutreten.

(Der Abgeordnete Wolfgang Riemann bittet um das Wort für eine Anfrage.)

Also die Attacken der Herren Waigel, Hauser, Stoiber, Teufel und so weiter sind ja deutlich genug in ihrer Wirkungsrichtung. Und ich sage Ihnen, diese Äußerungen diskriminieren anhaltend die Bürger der neuen Bundesländer.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Für mich ist es nicht verständlich, wenn Sie hier in diesem Antrag diesem Vorgehen noch Vorschub leisten, obwohl Sie es doch besser wissen müssten. Da ergeben sich erst einmal gleich zwei Schlussfolgerungen:

Erstens. Sie hätten diesen Antrag tatsächlich, wie wir schon dazwischengerufen haben, beispielsweise an Ihren Kollegen Edmund Stoiber weiterleiten sollen.

Zweitens. Die Ziffer 2 Ihres Antrages kann nur akzeptiert werden, wenn eine Erweiterung um Länderfinanzausgleich und Maßstäbegesetz erfolgt.

Herr Kollege, ich sehe, dass Sie eine Frage stellen wollen. Ich würde Ihnen anschließend zur Verfügung stehen. Wir haben ja so unheimlich viel Zeit heute noch und wem das Herz voll ist, dem läuft der Mund über. Ich erwarte Ihre Fragen.

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es besteht weiter die Chance, den Aufbau Deutschlands, nein, den Aufbau des Landes Mecklenburg-Vorpommern sozusagen als Pilotprojekt für die weitere Modernisierung und die Entwicklung auch der Bundesrepublik zu sehen. Ich nenne das Beispiel, was Sie heute bereits gebracht haben: BioCon Valley. Natürlich ist das in der Größenordnung zum Silicon Valley in Kalifornien ein Embryo, aber wir sollten doch Embryos nicht tot reden wollen,

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

ganz im Gegenteil, wir sollten sie doch entwickeln wollen.

Und es gibt weitere Erfahrungen und Vorschläge von Ost und West. Sie reichen von veränderten Wirtschaftförderungen mit dem Ziel der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen über ökologisches Wirtschaften bis hin zur Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe und damit des Mittelstandes. Dazu gehört auch die Forderung nach einem öffentlichen Investitionsprogramm für die wirtschaftsnahe, soziale und ökologische Infrastruktur einschließlich eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors.

(Beifall Barbara Borchardt, PDS)

Ich komme zur Ziffer 4 Ihres Antrages. Diese kann man getrost, nein, muss man streichen. Das Aufgeschriebene kann, meine Damen und Herren, niemals als Grundzüge des Aufbaus Ost gelten beziehungsweise durchgehen.

(Beifall Dr. Gerhard Bartels, PDS)

So haben Sie es ja selbst formuliert. Ich denke mir das alles nicht aus. Und ich denke mir auch die Bedeutung dessen, was Sie aufgeschrieben haben, nicht selbst aus. Denn dieser würde nach Ihrer Diktion ausschließlich in der Wirtschaft in fiskalischen Regeln, in teilweise unverständlichen und vielleicht sogar zufälligen, ich würde sogar sagen, verspielten Details stattfinden.

Ein Aufbau, meine Damen und Herren, des Wissenschaftsstandortes Mecklenburg-Vorpommern findet in Ihren Grundzügen keine Fortsetzung, des Kulturlandes Mecklenburg-Vorpommern ebenfalls nicht. Also keine Weiterentwicklung zur intakten Umwelt, keine Modernisierung von Verwaltung, Polizei, Justiz, Land- und Forstwirtschaft, nicht soziale Entwicklung, nicht Jugend und Sport, das alles ist kein Thema für die Grundzüge des Aufbau Ost, so, wie Sie es postulieren.

Nein, meine Damen und Herren, wo wir stehen im Aufbau des Landes Mecklenburg-Vorpommern und wo die Druckpunkte für die Weiterentwicklung liegen, haben die gestrigen Regierungserklärungen und Aussprachen dazu, insbesondere die Ausführungen meiner Fraktionsvorsitzenden Frau Gramkow, deutlich gemacht. Und ich möchte das heute wirklich nicht mehr weiter ausdramatisieren. Ergo: Diesen Grundzügen und diesen Ausschluss aus Grundzügen für den Aufbau Ost darf man, nein, darf man beim besten Willen nicht zustimmen.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS und Rudolf Borchert, SPD)

Unserem Änderungsantrag auf Drucksache 3/1554, mit dem wir die katastrophalen Unzulänglichkeiten des CDUAntrages ausgeräumt hätten, darf man aber zustimmen, worum ich Sie hiermit auch bitte.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS und einzelnen Abgeordneten der SPD)

Herr Riemann, ich stehe Ihnen zur Verfügung.

Bitte sehr, Herr Riemann, stellen Sie Ihre Fragen.

Herr Kreuzer, darf ich zwei Fragen stellen? (Zustimmung)

Dann würde ich Sie als Erstes fragen: Ist Ihnen bekannt, dass das Land Hessen unter dem jetzigen Bundesfinanzminister Herrn Eichel damals der Klage der Südländer beigetreten ist?

(Ministerin Sigrid Keler: Ja, na klar!)

Und die zweite Frage zu den sachfremden Erwägungen: Ist Ihnen bekannt, dass der Bundeskanzler Herr Schröder kürzlich in Erfurt geäußert hat, wenn ihr der Rentenreform nicht zustimmt, dann gibt es auch keine Unterstützung bei der Novellierung des Länderfinanzausgleiches?

(Ministerin Sigrid Keler: Das hat er nicht gesagt.)

Ist Ihnen das bekannt?

(Angelika Gramkow, PDS: Erstens ja, zweitens nein.)

Erstens ist mir das bekannt, aber ich rede lieber über Mecklenburg-Vorpommern als über das Verhalten von Herrn Eichel als Ministerpräsident in Hessen.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Zumal Herr Koch ja nichts anderes erkennen lässt. – Unruhe bei Ministerin Sigrid Keler)

Zweitens ist mir nicht bekannt, dass der Bundeskanzler Schröder eine solche Formulierung in der Wortwahl, wie Sie sie getroffen haben, tatsächlich auch selbst getroffen hat.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Ich danke Ihnen herzlich.

Vielen Dank, Herr Kollege.