Protocol of the Session on September 21, 2000

(Harry Glawe, CDU: Das hat doch aber Ihre Regierung in Berlin beschlossen.)

Nein, wir haben ja eine Abmachung dazu, dass wir uns dann dagegenstellen werden. Warten Sie ab!

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Lassen Sie mich noch ein paar Bemerkungen zu einigen spezifischen Erkrankungen und der daraus resultierenden möglichen Einflussnahme der Politik machen. Bedenklich ist in Mecklenburg-Vorpommern vor allem der Umgang mit Alkohol und Tabakwaren. Der Alkoholmissbrauch führt zu deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegenden alkoholbedingten Erkrankungen und zu erhöhten Sterblichkeitsraten. Vor allem Männer im jüngeren Alter beziehungsweise in den so genannten „besten Jahren“ sind betroffen. Wenn Menschen doppelt bis dreifach so viel wie in der gesamten Bundesrepublik an Alkohol

psychosen, Alkoholabhängigkeit oder Leberzirrhose erkranken, müssen die Alarmglocken einer Gesundheitsministerin anschlagen.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Wo ist denn eigentlich der Riemann hin?)

Die Gesundheitsministerkonferenz, deren Vorsitz ich in diesem Jahr führe und deren 73. Tagung im Juni in Schwerin unter Beteiligung von 14 Landesministerinnen und -ministern und Senatorinnen und der Bundesministerin stattfand, die GMK, nutze ich daher intensiv, um die vollständige Umsetzung des Aktionsplans Alkohol, zu dem sich die Konferenz 1997 in Saarbrücken einstimmig bekannte, einzufordern. Offen war und ist die Überprüfung der Preisgestaltung zum Zwecke der Konsumreduzierung und die Überprüfung produktgebundener Abgaben zum Zwecke der Prävention. Es ist meines Erachtens nicht einzusehen, das die Alkoholindustrie durch gesellschaftlich nahezu ungebrochene Akzeptanz und eine unverzeihliche Verharmlosung von Alkohol gigantische Gewinne einfährt und die öffentlichen Kassen allein mit den millionenschweren Folgen von Alkoholmissbrauch zurechtkommen müssen.

Das strikte Einfordern dieses bisher nicht umgesetzten Punktes des Alkoholaktionsplanes durch den Antrag Mecklenburg-Vorpommerns an die Konferenz führte dazu, dass die Alkoholindustrie in hochrangiger Besetzung wieder an den Verhandlungstisch mit der Politik kam.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Am 22. Juni trafen in Berlin die Bundesgesundheitsministerin, die schleswig-holsteinische Sozialministerin und ich – wohlgemerkt drei Frauen – auf 25 Vertreter – wohlgemerkt Herren –

(Heiterkeit bei Angelika Gramkow, PDS: Na, die haben Sie doch geschafft.)

der Vereinigungen der Alkoholindustrie und der Werbewirtschaft. Es kam zu einer Vereinbarung,

(Heiterkeit bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

und zwar zu der Vereinbarung, aktiv und konstruktiv zusammenzuarbeiten, um risikohaften Alkoholkonsum zu vermeiden und dazu gemeinsam Präventionsmaßnahmen zu erarbeiten, die insbesondere Kinder und Jugendliche erreichen sollen. Die GMK verständigte sich im Juni – also eine Woche danach – bei ihrer Tagung darauf, die endlich wiedergewonnene Verhandlungsbereitschaft nicht mit dem Beharren auf dem so genannten Alkoholpfennig zu belasten, forderte jedoch ein, das Zusammenwirken dahin gehend zu ergänzen, dass zur Umsetzung der Präventionsstrategien, ich zitiere, „auch gemeinsame Finanzanstrengungen erforderlich“ sind. Dieser Tage nimmt eine gemeinsame Arbeitsgruppe die Tätigkeit auf, um konkrete Maßnahmen zu verabreden beziehungsweise diese dann auch schnellstens umzusetzen.

Anders als beim Alkohol, wo immer noch die Balance zwischen Genuss und Missbrauch zu finden ist, ist Nikotin a priori Suchtmittel, von der ersten Zigarette an.

(Dr. Arnold Schoenenburg, PDS: Oh, oh, oh!)

Auch hier liegt Mecklenburg-Vorpommern sowohl bei den Erkrankungen als auch bei den Sterberaten über dem Bundesdurchschnitt. Lungenkrebs ist bei Männern die

häufigste Krebsart und die Anzahl der Erkrankungen ist im Land im Steigen begriffen.

(Dr. Manfred Rißmann, SPD: Auch bei Frauen! Auch bei Frauen!)

Ich gucke hier ganz bestimmte Leute an.

Auf Antrag Mecklenburg-Vorpommerns und Bremens verständigte sich die GMK darauf, von der Bundesregierung zeitnah einzufordern, dass die Zugänglichkeit von Tabakwaren aus Automaten deutlich eingeschränkt wird, dass überprüft wird, die Abgabe auf Tabakwaren zugunsten gesundheitsfördernder Maßnahmen zu erhöhen, und dass der rechtliche Nichtraucherschutz zu verbessern ist.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der SPD und PDS)

Beim Verzicht auf den Glimmstengel, meine ich, könnten ja eigentlich Politiker und Politikerinnen mit gutem Beispiel vorangehen.

(Beifall und Heiterkeit bei einzelnen Abgeord- neten der SPD, PDS und Lutz Brauer, CDU – Harry Glawe, CDU: Sehr richtig. )

Und ich prophezeie: Es geht Ihnen besser danach, ich weiß, wovon ich rede. Ich habe vor zehn Jahren mich von einem Tag auf den anderen von 30 auf 0 gesetzt.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der CDU und Dr. Henning Klostermann, SPD – Volker Schlotmann, SPD: Ich in sechs Wochen, aber von 60 auf 0. – Zuruf von Angelika Gramkow, PDS)

Weitermachen! Beispiel nehmen!

Die häufigste Krebsart bei Frauen ist der Brustkrebs. Bei den Sterberaten liegen wir in Mecklenburg-Vorpommern zum Glück nur bei rund drei Vierteln des Bundesdurchschnitts,

(Zuruf von Dr. Manfred Rißmann, SPD)

allerdings steigen die stationären Behandlungsfälle deutlich an. Um hier die Situation für die Zukunft zu verbessern, startet im Lande in Bälde ein Modellversuch zur Einführung einer qualitätsgesicherten Mammographie im Rahmen eines umfassenden Vor- und Nachsorgeprogramms. Dieses Modell ist nicht zu verwechseln mit dem von der Bundesregierung initiierten so genannten Mammographie-Screening-Modellprojekt. Diese Modellprojekte stellen faktisch eine Reihenuntersuchung aller 50bis 70-Jährigen dar.

An unserem Programm, das in der Region Rostock vorgesehen ist, sollen alle Fachdisziplinen teilnehmen, die einen Beitrag für eine Verbesserung sowohl der Vorsorgeleistungen als auch der kurativen Maßnahmen einschließlich der psychischen Betreuung und gegebenenfalls der Nachsorge leisten können. Anspruch auf diese Maßnahme sollen Frauen allen Alters haben, wenn sie einen entsprechenden Verdacht haben oder sicherheitshalber einen solchen „nur“ ausschließen wollen. Es wird dabei vor allem darauf ankommen, Frauen zum sorgsamen Umgang mit ihrem Körper zu befähigen, zu animieren, die Vorsorge ernst zu nehmen, und eine qualitätsgesicherte Untersuchung und Betreuung auch anzubieten.

Der Gesundheitsbericht schließt ab mit der Mitgliederstruktur der gesetzlichen Krankenversicherung im Land. Wir sehen die unterschiedliche Versichertenstruktur zwi

schen den Kassen. Der 30. September als möglicher Termin des Kassenwechsels naht und zu befürchten ist, dass Wanderungen zu weiteren Verwerfungen in der Kassenlandschaft führen. Was als Wettbewerbsstimulator zwischen den Kassen gedacht war, hat längst zu einer ungerechten Belastungsverzerrung geführt. Wenn hier nicht schnellstens durch den Bundesgesetzgeber Abhilfe geschaffen wird, ist Schlimmes zu erwarten. Das Sozialministerium setzt sich daher energisch dafür ein, dass so schnell wie möglich Regelungen getroffen werden, dass sachwidrigen Wettbewerbsverzerrungen nachhaltig entgegengewirkt werden kann.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Zwischen den Kassen darf es keine Konkurrenz um gesunde und relativ finanzstarke Versicherte geben, wie das heute leider der Fall ist. Das ist falsch verstandener Wettbewerbsgedanke.

(Beifall bei einzelnen Abgeordneten der PDS)

Aber er ist so möglich.

Benachteiligt sind heute insbesondere die großen Krankenkassen wie die AOK, die Barmer Ersatzkasse und die DAK. Diese werden, wenn nicht schnell gehandelt wird, ihre Beitragssätze anheben müssen. Solidarität innerhalb der Versichertengemeinschaft beim Risikostrukturausgleich ist also das Gebot der Stunde.

(Harry Glawe, CDU: Da sagt Frau Fischer aber ganz was anderes.)

Vieles ist also im Gesundheitsbereich im Fluss.

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

Die Wirkungen von Politik widerspiegeln sich in Berichterstattungen sehr zeitverzögert. Wir können also auf die Berichterstattung der nächsten Jahre gespannt sein. – Ich danke.

(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Vielen Dank, Frau Bunge.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Dr. König von der CDU-Fraktion. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Frau Ministerin, Sie haben ja einen sehr ausführlichen Bericht gegeben, den Gesundheitsbericht 1998. Ich werde mich im Wesentlichen auf drei Schwerpunkte konzentrieren.

(Ministerin Dr. Martina Bunge: Ich habe viel getan.)

Ich denke, das sind sehr wesentliche Dinge, über die wir dann vielleicht gemeinsam ins Gespräch kommen können.

Seit dem Frühjahr diesen Jahres liegt der Gesundheitsbericht 1998 vor. Damit steht einer interessierten Öffentlichkeit ein Nachschlagewerk zur Verfügung, das über alle Teilaspekte eines tiefgegliederten Gesundheitswesens in Mecklenburg-Vorpommern, seine wichtigsten Zusammenhänge und aktuellen Problemlagen informiert. Insofern, Frau Ministerin, möchte ich ausdrücklich die von Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sozialministeriums vorgelegte, qualitativ anspruchsvolle und

auch aussagekräftige Gesundheitsberichterstattung hervorheben.